VwGH 87/03/0237

VwGH87/03/023721.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Dr. Schmidt, über die Beschwerde des AM in L, vertreten durch den im Wege der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Andreas Konzett in Innsbruck, Gänzbacherstraße 3, gegen 1) den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Februar 1987, Zl. IIb2-V-5397/3-1986, betreffend Ordnungsstrafe und 2) den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. März 1987, Zl. IIb2-V-5397/4-1987, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §34 Abs3;
AVG §37 impl;
AVG §37;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §7 Abs5;
VStG §21 Abs1;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987030237.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 29. April 1986 wurde der Beschwerdeführer der Übertretungen des

1) § 24 Abs. 1 lit. a StVO und 2) § 53 Z. 10 StVO schuldig erkannt und es wurden über ihn deshalb Geldstrafen in der Höhe von zu

1) S 200,-- (12 Stunden Ersatzarrest) und zu 2) S 300,-- (15 Stunden Ersatzarrest) verhängt.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Am 26. Juni 1986 gab er zum Ergebnis der Beweisaufnahme eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 10. Juli 1986 wurde über den Beschwerdeführer eine Ordnungsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- verhängt, weil er sich in der genannten Stellungnahme vom 26. Juni 1986 insbesondere durch die Verwendung nachfolgender Sätze einer beleidigenden Schreibweise bedient habe:

"Unter Bezirkshauptmann A hat es bereits sehr viele Mißstände gegeben, die zum Himmel schreien. Bedenkt man, er hat seine Untergebene gezwungen, Unterlagen auszutauschen. Er hat anonyme Schreiben persönlich verfaßt an mehrere Frauen und an eine Behörde und sogar Frauen arg diffamiert. Er hat erst vor gar nicht so langer Zeit mit seinem schwarzen Dienstmercedes im Rausch einen Unfall gebaut und alles niedergedrückt und in Überstunden bei Mercedes reparieren lassen."

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 5. Februar 1987 als unbegründet abgewiesen, die verhängte Geldstrafe jedoch auf S 900,-

- herabgesetzt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß eine Schreibweise dann beleidigend sei, wenn sie den Boden der sachlichen Kritik verlasse. Die Behauptungen des Beschwerdeführers seien in keiner Weise sachbeschränkt. Eine Kritik an der Behörde könne nur dann als erlaubt angesehen werden, wenn sowohl die Beschränkung auf die Sache, die Beachtung des Anstandes, sowie die Möglichkeit, die Behauptungen zu beweisen, nebeneinander zuträfen. Bereits dadurch, daß einem Vorbringen eine dieser Voraussetzungen fehle, werde der Tatbestand des § 34 Abs. 3 AVG 1950 erfüllt. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1984 jeweils zweimal mit S 800,-- Ordnungsstrafe belegt worden sei, was ihn vor der Begehung einer gleichartigen Übertretung nicht abgehalten habe. In Anbetracht der finanziellen Situation des Beschwerdeführers erscheine eine Verminderung der Strafe gerade noch gerechtfertigt. Eine weitere Herabsetzung sei jedoch in Anbetracht der Vormerkungen des Beschwerdeführers aus spezialpräventiven Gründen nicht möglich.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 29. Jänner 1987 wurden über den Beschwerdeführer neuerlich Geldstrafen in der Höhe von 1) S 200,-- (12 Stunden Ersatzarrest) und 2) S 300,-- (15 Stunden Ersatzarrest) verhängt, weil er am 17. April 1986 um 11.50 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Lienz auf der Verbindungsstraße Rosengasse-Zwergergasse auf Höhe der dort befindlichen Holzbildhauerei "B" 1) innerhalb von 5 m einander kreuzender Fahrbahnränder gehalten und 2) sodann seine Fahrt im Retourgang in Fahrtrichtung Rosengasse fortgesetzt habe, wobei er dieses als "Einbahnstraße" gekennzeichnete Straßenstück in verbotener Richtung befahren habe, wodurch er

1) § 24 Abs. 1 lit. d StVO und 2) § 7 Abs. 5 StVO in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Z. 10 StVO verletzt habe.

Die Berufung gegen dieses Straferkenntnis wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. März 1987 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf Grund des Akteninhaltes stehe fest, daß der Beschwerdeführer zum gegenständlichen Zeitpunkt den Pkw in Lienz auf der Verbindungsstraße Rosengasse-Zwergergasse auf Höhe der dort befindlichen Holzbildhauerei "B" innerhalb von 5 m einander kreuzender Fahrbahnränder gehalten habe. Er gebe an, er sei höchstens zwei Minuten von seinem Pkw entfernt gewesen, um "Rübenkraut" zu holen. Daß das Halten auf der Höhe der Holzbildhauerei innerhalb von 5 m einander kreuzender Fahrbahnränder erfolgt sei, werde vom Beschwerdeführer nicht bestritten und sei auch aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den beigelegten Fotos ersichtlich. Ebenso ergebe sich aus dem Akteninhalt, daß der Beschwerdeführer auf der Verbindungsstraße Rosengasse-Zwergergasse seine Fahrt im Retourgang in Fahrtrichtung Rosengasse fortgesetzt habe, wobei er dieses als Einbahnstraße gekennzeichnete Straßenstück in verbotener Richtung befahren habe. Auch dieser Sachverhalt sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Daß, nach Meinung des Beschwerdeführers, dort parkende Lkw gezwungen seien, an der gegenständlichen Stelle "wieder herauszufahren", rechtfertige das Verhalten des Beschwerdeführers nicht. Die Strafen seien - so können die von der belangten Behörde dazu angestellten Erwägungen zusammengefaßt werden - dem Unrechtsgehalt entsprechend bemessen und den bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers angepaßt worden. Eine weitere Herabsetzung der Strafen könne in Hinsicht auf vorhandene Strafvormerkungen nicht erfolgen.

Gegen die beiden vorstehend angeführten Bescheide erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 24. September 1987, B 323, 324/87-8, die Behandlung der "Beschwerden" ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und deren Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zu der über ihn mit dem erstangefochtenen Bescheid verhängten Ordnungsstrafe vor, es scheine angesichts eines unvertretenen, rechtlich nicht geschulten Einschreiters verständlich, wenn dieser "sich aller der Verteidigung dienlichen Mittel unumwunden in seinem Vorbringen mit sachlicher, scharfer Kritik bediene, um Verurteilung und Bestrafung abzuwenden".

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch nicht durchzudringen.

Gemäß § 34 Abs. 3 AVG 1950 können von der Behörde die gleichen Ordnungsstrafen, wie sie im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle vorgesehen sind, gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Beleidigend ist eine Schreibweise - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - unter anderem dann, wenn sich die Kritik an der Behörde bzw. an einem Verwaltungsorgan (vgl. das Erkenntnis vom 21. November 1966, Slg. Nr. 7029/A) nicht auf die Sache beschränkt, nicht in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird oder Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind. Bereits die Erfüllung eines dieser Kriterien reicht aus, um eine Schreibweise als "beleidigend" zu qualifizieren (vgl. das Erkenntnis vom 8. April 1975, Slg. Nr. 8796/A, und das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 11. Dezember 1985, Zl. 84/03/0155). Sachbeschränkt ist eine Kritik nur dann, wenn die Notwendigkeit dieses Vorbringens zum Zwecke entsprechender Rechtsverfolgung angenommen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 8. November 1977, Zl. 1807/76).

Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die gegenständlichen Äußerungen des Beschwerdeführers mit Ordnungsstrafe ahndete, zumal sich die darin dargelegte Kritik nicht nur nicht auf die Sache beschränkte, sondern daraus nicht der geringste Zusammenhang mit den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen erkennbar ist. Dazu kommt noch, daß mit diesem Vorbringen dem Behördenleiter strafgesetzwidrige Handlungen vorgeworfen werden, ohne dazu konkrete, geschweige denn überprüfbare Angaben zu machen, was jedenfalls den Mindestanforderungen des Anstandes widerspricht. Solcherart kann aber keine Rede davon sein, eine derartige Vorgangsweise sei bei einem unvertretenen, rechtlich nicht geschulten Einschreiter verständlich, weil es für die Einhaltung dieser Mindestanforderungen keiner rechtlichen Kenntnisse bedarf und überdies über den Beschwerdeführer schon zweimal wegen gleichartiger Handlungen Ordnungsstrafen verhängt wurden.

In Ansehung der dem Beschwerdeführer mit dem zweitangefochtenen Bescheid angelasteten Übertretungen der StVO wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde Verletzung der Manuduktionspflicht sowie unvollständige Sachverhaltsermittlung vor. Das vom Beschwerdeführer "geringfügig rückwärts" befahrene Straßenstück sei zudem so beschaffen, daß die dort verordnete Einbahnregelung nicht vertretbar und auch nicht notwendig erscheine, zumal ihr sinnvolle Wirkung erst für die weiter entfernt liegende flaschenhalsförmige Verengung der Straße zukomme. Sein Verschulden sei somit derart geringfügig und die Folgen der Übertretung derart unbedeutend, daß ein Absehen von der Strafe angezeigt gewesen wäre. Auch sei der Gleichheitsgrundsatz in der Vollziehung verletzt worden, weil an Sonn- und Feiertagen an den gegenständlichen Orten explicit nicht eingeschritten werde.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer jedoch eine Rechtswidrigkeit des zweitangefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Eine Manuduktionspflicht trifft die Behörde gemäß § 13a AVG 1950 nur im Hinblick auf die von der Partei zu setzenden Verfahrensschritte, nicht aber im Hinblick auf Belehrungen in der Sache selbst. Sie ist nicht verhalten, der Partei Anweisungen zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten habe, damit ihrem Standpunkt Rechnung getragen werden könnte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. November 1987, Zl. 86/03/0237). Es ist auch nicht ihre Aufgabe, den Parteien Beweisanträge und denkbare Einwendungen vorzuschreiben (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1986, Zl. 86/07/0210). Solcherart vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, inwiefern die belangte Behörde ihre Manuduktionspflicht verletzt haben sollte, zumal der Beschwerdeführer ohnehin alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat.

Was die Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes anlangt, hat es der Beschwerdeführer unterlassen, konkret darzutun, inwiefern diese mangelhaft blieb und zu welchen Ergebnissen die Behörde bei - nach Meinung des Beschwerdeführers - ausreichenden Ermittlungen hätte gelangen können, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Relevanz des gerügten Mangels nicht zu erkennen vermag.

Auch der Einwand des Beschwerdeführers, sein Verschulden, insbesondere an der Übertretung des § 7 Abs. 5 StVO, und der Unrechtsgehalt seien so geringfügig, daß von der Strafe hätte abgesehen werden können, vermag seiner Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Was zunächst den Hinweis des Beschwerdeführers anlangt, daß an Sonn- und Feiertagen gegen Übertretungen an der hier in Rede stehenden Stelle nicht eingeschritten werde, ist ihm entgegenzuhalten, daß niemand einen Anspruch darauf hat, wegen einer Verwaltungsübertretung deswegen nicht bestraft zu werden, weil die gleichen Übertretungen zu anderen Zeiten und bei anderen Personen nicht geahndet werden. Sofern der Beschwerdeführer darin eine Verletzung des "Gleichheitsgrundsatzes" erblickt, ist ihm zu entgegnen, daß die Überprüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt. Von einem das Absehen von der Strafe rechtfertigenden geringen Unrechtsgehalt kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil sich der Beschwerdeführer - wie aus seinem Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren eindeutig hervorgeht - durchaus bewußt war, mit seinem Verhalten gegen das Halteverbot und die verordnete Einbahnregelung verstoßen zu haben, mag der Beschwerdeführer die Einbahnregelung an der fraglichen Stelle auch nicht für sinnvoll erachten. Die beiden Verwaltungsstrafen wegen der Übertretungen der StVO liegen im untersten Bereich des bis zu S 10.000,-- reichenden Strafrahmens. Wenn sich die belangte Behörde in Hinsicht auf die Strafvormerkungen des Beschwerdeführers, darunter auch solche einschlägiger Art, nicht veranlaßt sah, die Strafen weiter herabzusetzen oder von der Verhängung der Strafen überhaupt abzusehen, ist darin keine Rechtswidrigkeit dahin zu erblicken, daß sie von dem ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte.

Da sich die Beschwerde sohin zur Gänze als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 21. September 1988

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