VwGH 86/07/0210

VwGH86/07/021011.11.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Müllner, über die Beschwerde des H und der B W in H, beide vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 27-28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. März 1986, Zl. IIIal-9984/2, betreffend Verbauung der Kasten-Lawine (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §37 impl;
AVG §45 Abs2 impl;
B-VG Art130 Abs2;
ForstG 1975 §101;
ForstG 1975;
WildbachverbauungsG 1884 §10;
WildbachverbauungsG 1884 §9;
WRG 1959 §105 impl;
WRG 1959 §14;
WRG 1959 §41;
AVG §13a;
AVG §37 impl;
AVG §45 Abs2 impl;
B-VG Art130 Abs2;
ForstG 1975 §101;
ForstG 1975;
WildbachverbauungsG 1884 §10;
WildbachverbauungsG 1884 §9;
WRG 1959 §105 impl;
WRG 1959 §14;
WRG 1959 §41;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. Juni 1985 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Verbauung der Kasten-Lawine, die an den Südost-Abhängen des

2.542 m hohen Wilden Kasten im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde anbricht. Im einzelnen sieht das Projekt die Errichtung eines Lawinenauffangdammes, dessen Begrünung und Bepflanzung sowie die Entwässerung des Fallbodens vor. In der über dieses Vorhaben am 25. Juni 1985 durchgeführten Verhandlung erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen: Ihr Wohnhaus liege in der Hauptstoßrichtung der Kasten-Lawine am Ende des Lawinenablagerungsgebietes vom Ereignis 1984, sodaß sie an einer wirksamen Verbauung grundsätzlich interessiert seien. Der vorgesehene Auffangdamm bilde zwar einen Schutz gegen Grundlawinen, verschlechtere jedoch die Gefahrenlage bei Staublawinen. Dies insofern, als durch die Materialentnahme aufwärts des Dammes eine Konzentration der Lawine erfolge. Bedenken bestünden auch, daß durch die Errichtung des Auffangdammes der Wasserhaushalt derart geändert werde, daß schädliche Auswirkungen (Hangaussitzungen etc.) entstehen könnten.

Der von der Behörde erster Instanz beigezogene Sachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung führte in seinem Gutachten dazu aus, die derzeitige Breite der Lawinenbahn im dammnäheren Bereich liege um 80 bis 100 m. Nach Bauausführung, das heißt nach Entnahme des Schuttmaterials aufwärts des Dammes, werde sich entsprechend der Planung eine Breite von 120 m ergeben. Dies bedeute, daß es jedenfalls zu keiner Konzentration komme, welche gegenüber den derzeitigen Verhältnissen eine Verschlechterung bringen würde. Selbstverständlich müsse davon ausgegangen werden, daß Wind- und Staubwirkungen auch über den Damm hinausgingen, merkbare Schäden würden jedoch daraus nicht erwartet. Bezüglich einer allfälligen Störung des Wasserhaushaltes sei darauf hinzuweisen, daß noch eine seismologische Untersuchung des Untergrundes vorzunehmen sei, wodurch auch entsprechende Aussagen über die Sickerfähigkeit erwartet werden könnten. Im Zuge der Aushubarbeiten anfallende Wässer seien ordnungsgemäß zu fassen und schadlos abzuleiten. Das Gewässerregime unterliege im weiteren Bereich des geplanten Dammstandortes von Natur aus gewissen Schwankungen, die jedoch bisher zu keinen schädlichen Auswirkungen geführt hätten. Aufwärts des Lawinenstaudammes werde sich durch die Aushubarbeiten eine gegenüber dem derzeitigen Zustand günstigere Versickerungsfläche ergeben, welche auch eine großflächigere und damit weniger intensive Versickerung erwarten lasse. Es würden daher durch den Dammbau keine schädlichen Änderungen des Wasserhaushaltes befürchtet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 17. Juli 1985 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 41, 72, 98, 111 und 112 WRG 1959 in Verbindung mit §§ 1 bis 10 des Wildbachverbauungsgesetzes, RGBl. Nr. 117/1884 idF des Art. II, BGBl. Nr. 54/1959, und § 101 Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975, die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Bestand der geplanten Lawinenschutzbauten und -maßnahmen bei Einhaltung bestimmter Auflagen erteilt.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen im wesentlichen mit der Begründung Berufung, sie hätten im Jahre 1982 von der mitbeteiligten Partei im neu erschlossenen Siedlungsgebiet einen Bauplatz erworben. Den Lawinenabgang vom Jänner 1983 oberhalb dieses Siedlungsgebietes habe die Mitbeteiligte vorsätzlich verschwiegen und im Nachhinein den Flächenwidmungsplan dem Land Tirol zur Genehmigung vorgelegt. Dadurch sei gegen das Tiroler Raumordnungsgesetz verstoßen worden. Schließlich sei im Bescheid darauf hingewiesen worden, daß das geplante Dammprojekt nicht die gewünschte Sicherheit für die Beschwerdeführer gewährleiste. Unverständlich sei zudem, daß der Bescheid ohne Durchführung der seismologischen Untersuchungen erlassen worden sei.

Die belangte Behörde hat das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens des Amtssachverständigen für Wildbach und Lawinenverbauung in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 1985 ergänzt. In dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. März 1986 wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die im Bescheid der Behörde erster Instanz vorgeschriebene seismische Untersuchung sei durchgeführt worden; die entsprechenden Untersuchungsergebnisse seien in Form zweier von Dr. Johann A. erstellter Gutachten anläßlich der Berufungsverhandlung der Behörde übergeben und von den Beschwerdeführern eingesehen worden. Soweit diese von ihnen wegen Widersprüchlichkeit als unglaubwürdig abgetan worden seien, sei zu bemerken, daß erst das Zweitgutachten vom 12. November 1985 auf eingehenden seismologischen Untersuchungen beruhe, während das Erstgutachten vom 17. Mai 1985 auf Grund einer bloßen Begehung erstattet worden sei. Es bestünden aus diesem Grund keinerlei Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens vom 12. November 1985, das - wie der lawinenbautechnische Sachverständige anläßlich der Berufungsverhandlung ausgeführt habe - sogar noch günstigere Untergrundverhältnisse als sie im Hinblick auf den Oberflächenbefund erwartet werden konnten, ergeben habe. Somit könne eine Gefährdung des Objektes der Beschwerdeführer wegen für die antragsgegenständliche Verbauung nicht geeigneter Untergrundverhältnisse ausgeschlossen werden, wobei vollständigkeitshalber angemerkt sei, daß die Beschwerdeführer entgegen ihrem Vorbringen in der Berufung im Zuge des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz einen Antrag auf Ausfolgung des seismologischen Gutachtens nicht gestellt hätten. Den Einwand, durch die Dammbaumaßnahme komme es zu einer Verschlechterung der Gefahrensituation bei Staublawinen, da auf Grund der Materialentnahme aufwärts des Dammes eine Konzentration der Lawine erfolge, habe der lawinenbautechnische Sachverständige bereits in seinem im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens erstatteten Gutachtens schlüssig widerlegt, indem er dargelegt habe, daß die Lawinenbahn infolge der Materialentnahme nicht eingeengt, sondern im Gegenteil von derzeit 80 bis 100 m auf 120 m erweitert werde. Es erübrige sich daher, im Rahmen des Berufungsverfahrens diesbezüglich ergänzende Erhebungen zu führen. Was nun die gleichfalls geltend gemachte Verschlechterung der Wasserabflußverhältnisse anbelange, sei in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen anläßlich der Berufungsverhandlung zu entgegnen, daß bei bescheid- und projektsgemäßer Bauausführung durch entsprechende Geländeausgestaltung bergseits des Lawinendammes zusätzlich Stau- bzw. Versickerungsmöglichkeiten geschaffen würden, allenfalls auftretendes Sickerwasser ordnungsgemäß gefaßt und schadlos abgeleitet werde, sowie durch Einbau eines Rohres in das Dammbauwerk verhindert werde, daß der an der östlichen Seite des Dammes befindliche, zeitweise wasserführende Graben aufgestaut werde. Im einzelnen sei dabei auf die einschlägigen Bescheidvorschreibungen verwiesen. Es erweise sich daher das Berufungsvorbringen als unbegründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem nach § 14 WRG 1959 gewährleisteten Recht auf Schutz der Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums sowie durch Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführer die Zweckmäßigkeit des Bauvorhabens in Frage stellen, weil es keinen ausreichenden Schutz für ihre Liegenschaft biete, ist ihnen entgegenzuhalten, daß weder das Wasserrechtsgesetz noch das Forstgesetz noch das Wildbach- und Lawinenverbauungsgesetz eine Verpflichtung des Konsenswerbers zur Herstellung von Schutzmaßnahmen gegen alle durch einen Lawinenabgang hervorgerufenen Gefahren kennt. Den Projektswerber bleibt es unbenommen, den Umfang der Schutzmaßnahmen zu gestalten, wobei den Behörden kein Ermessen eingeräumt ist, das Projekt zu bewilligen oder nicht. Die Behörde hat bei Bewilligung darauf zu achten, daß durch das Projekt selbst wasserrechtlich geschützte Rechte, insbesondere das Grundeigentum, nicht beeinträchtigt und öffentliche Interessen nicht verletzt werden.

Für die Beurteilung des vorliegenden Falles sind die Gefahrenzonenpläne ohne rechtliche Bedeutung, weil sie nur die wildbach- und lawinengefährdeten Bereiche darstellen und ihnen keine unmittelbare normative Wirkung zukommt.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben zu der Frage einer projektsbedingten Gefährdung der Liegenschaft der Beschwerdeführer Gutachten ihrer Amtssachverständigen eingeholt, die in ihren schlüssigen gutächtlichen Äußerungen zu dem Ergebnis gelangten, daß eine projektsbedingte Gefährdung der Liegenschaft der Beschwerdeführer auszuschließen sei. Gegenteilige Fachgutachten wurden von den Beschwerdeführern diesen Gutachten nicht entgegengesetzt. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie auf Grund dieser fachkundigen Beurteilungen die Einwendungen der Beschwerdeführer gegen das Projekt abgewiesen hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde auch die ihr gemäß § 13 a AVG 1950 obliegende Manuduktionspflicht nicht verletzt, weil es nicht Aufgabe der Behörde ist, den Parteien des Verwaltungsverfahrens Beweisanträge und denkbare Einwendungen vorzuschlagen.

Gemäß § 14 WRG 1959 ist bei Wasserbauten aller Art dem Bewilligungswerber die Herstellung der zum Schutze der Sicherheit von Personen und Eigentum erforderlichen Vorkehrungen sowie der zur Aufrechterhaltung der bisherigen, zur Vermeidung wesentlicher Wirtschaftserschwernisse notwendigen Verkehrsverbindungen (Brücken, Durchlässe und Wege) aufzuerlegen, sofern nicht die Herstellung solcher Verkehrsanlagen durch Zusammenlegung von Grundstücken oder auf andere geeignete Weise entbehrlich oder abgegolten wird. Diese Vorschrift dient bloß dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit von Personen und Eigentum, sowie an der Aufrechterhaltung wirtschaftswichtiger Verkehrsverbindungen an sich, nicht aber dem Einzelinteresse bestimmter Personen (vgl. Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis vom 16. November 1961, Slg. N. F. Nr. 5663/A). Der gesetzlich verankerte Schutz öffentlicher Interessen vermittelt niemandem ein subjektives Recht auf Durchsetzung dieses Schutzes. Die Wahrung dieser Interessen ist vielmehr ausschließlich den damit befaßten Behörden überantwortet (vgl. u.a. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1969, Slg. N. F. Nr. 7506).

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 11. November 1986

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