VwGH 2013/22/0192

VwGH2013/22/019211.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 6. Juni 2013, Zl. 165.450/2- III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §41a Abs9;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3 Z8;
NAG 2005 §41a Abs9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom 19. April 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 1. Dezember 2004 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 3. Dezember 2004 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30. Jänner 2012 in Verbindung mit einer Ausweisung rechtskräftig abgewiesen worden, wobei der Asylgerichtshof eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK vorgenommen habe.

Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels angegeben, über ein Einkommen als Zusteller bei einer Zeitung zu verfügen. Weiters habe er eine Lohnbestätigung und eine Einstellungszusage eines näher bezeichneten Restaurants in G vorgelegt, denen zu entnehmen sei, dass er von 8. April 2011 bis 31. Oktober 2011 in diesem Restaurant beschäftigt gewesen sei und nach Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung wieder eingestellt werden würde. Der Beschwerdeführer habe einen Deutschkurs absolviert und ein Sprachdiplom auf dem Niveau A2 vom 31. Mai 2011 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 20. September 2012 habe er angegeben, mit S G eine Lebensgemeinschaft eingegangen zu sein. Die dem Schreiben angeschlossene Erklärung der "angeblichen Lebensgefährtin" sei allerdings nicht unterschrieben gewesen. Zudem scheine keine behördliche Meldung einer Person mit den vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Personaldaten im Inland auf (an der vom Beschwerdeführer angegebenen Wohnadresse seien außer ihm selbst noch drei weitere männliche Personen gemeldet). Die angebliche Lebensgemeinschaft könne lediglich als "Schutzbehauptung" gewertet werden.

Die Behörde verwies auf den seit Ablehnung seines Asylantrages unrechtmäßigen Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers. Dass sich Familienangehörige des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhielten, sei aus dem Verwaltungsakt nicht erkennbar. Weiters ging die Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer auf dem (inländischen) Arbeitsmarkt bis dato nicht stark integriert sei. Auf Grund des nur vorübergehenden Aufenthaltsrechtes habe ihm bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt im Inland nicht dauerhaft sein könne. Im Hinblick auf § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK sei somit kein derart maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten, dass ihm der beantragte Aufenthaltstitel zwangsläufig zu erteilen wäre.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich beim vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nicht um einen Übergangsfall nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Weiters ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 12. Juni 2013 das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 anzuwenden ist.

§ 41a NAG lautet auszugsweise wie folgt:

"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. ...

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

..."

Der Beschwerdeführer verweist auf seinen "nahezu" zehnjährigen, seit "01.07.2004" andauernden Aufenthalt in Österreich, auf seine Beschäftigung als Zusteller bei einer Zeitung, durch die er sein Einkommen sichere, und auf die vorgelegte Einstellungszusage. Er sei "als fast noch Jugendlicher" nach Österreich geflüchtet und habe nur seine Kindheit in seinem Heimatland verbracht.

Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Behörde - im Einklang mit den Angaben im Asylverfahren - von einem Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers seit 1. Dezember 2004 (und nicht seit 1. Juli 2004) ausgegangen ist, weshalb der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung seit knapp über achteinhalb Jahren (und nicht seit "nahezu 10 Jahren") in Österreich aufhältig ist. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine beruflichen Bindungen ist anzumerken, dass die Behörde zunächst zwar auf seine Tätigkeit als Zeitungszusteller hinweist, in weiterer Folge aber lediglich von der vorgelegten Einstellungszusage spricht. Das ändert aber nichts daran, dass fallbezogen in den geltend gemachten Umständen keine entscheidungserhebliche berufliche Integration gesehen werden musste (vgl. zur selbständigen Erwerbstätigkeit als Zeitungszusteller die hg. Erkenntnisse vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0040 sowie Zl. 2013/22/0042). Auch unter Einbeziehung des von der Behörde berücksichtigten Sprachzeugnisses musste darin noch keine für die Erteilung eines Aufenthaltstitels hinreichende soziale Integration gesehen werden (vgl. zu Einstellungszusagen und Deutschkenntnissen das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, Zl. 2013/22/0273). Anders als der Beschwerdeführer meint, kann bei einer Einreise nach Österreich im Alter von 22 Jahren nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer nur seine Kindheit in seinem Heimatland Indien verbracht habe.

Weiters moniert der Beschwerdeführer, dass seinem Vorbringen, er lebe in Lebensgemeinschaft mit - der in Österreich niedergelassenen - S G die Glaubwürdigkeit aberkannt worden sei, ohne die Lebensgefährtin, etwa im Zuge einer Berufungsverhandlung, einzuvernehmen.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer den behördlichen Feststellungen, wonach die vorgelegte Erklärung von der von ihm als Lebensgefährtin angegebenen S G nicht unterschrieben und diese im Inland nicht behördlich gemeldet gewesen sei bzw. an der Adresse des Beschwerdeführers nur drei weitere männliche Personen gemeldet gewesen seien, nicht entgegentritt. Soweit er eine mögliche Einvernahme der S G in einer Berufungsverhandlung ins Treffen führt, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer lediglich in seinem Schreiben vom 20. September 2012 auf eine Lebensgemeinschaft hinweist, während in der Stellungnahme vom 29. April 2013 und in der Berufung vom 23. Mai 2013 eine Lebensgefährtin nicht erwähnt wird. Ausgehend davon ist es - auch weil es dem Beschwerdeführer obliegt, die integrationsbegründenden Umstände im Verwaltungsverfahren konkret vorzubringen - aber nicht zu beanstanden, dass die Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers vom September 2012 betreffend eine Lebensgefährtin keine entscheidungserhebliche Bedeutung beimaß und ihrer Entscheidung keine familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Inland zugrunde legte.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Behörde bei ihrer Beurteilung mit einbezogen hat, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur vorübergehend - auf Grund eines letztlich unberechtigten Asylantrages - rechtmäßig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich wiederholt festgehalten, dass bei der Bewertung des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers (an der Erteilung eines Aufenthaltstitels) iSd § 11 Abs. 3 Z 8 NAG zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen ist, nicht damit rechnen durfte, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2013, Zl. 2013/22/0220). Weiters hat die Behörde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßiger Weise im Inland verblieben ist und damit gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen hat.

Ausgehend davon sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände - ungeachtet des über achteinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich - insgesamt nicht von solchem Gewicht, dass ihm unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel hätte erteilt und akzeptiert werden müssen, dass er mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 11. Juni 2014

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