VwGH 2011/01/0248

VwGH2011/01/024824.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Juli 2011, Zl. FA7C-2.0-M1.23-787/2011-35, betreffend Staatsbürgerschaft,

Normen

B-VG Art140 Abs7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2009/I/122;
StbG 1985 §18;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art140 Abs7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 2006/I/037;
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2009/I/122;
StbG 1985 §18;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der dem Beschwerdeführer zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf seine Kinder richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, vom 28. Februar 2011 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ab. Weiters wurden die Erstreckungsanträge der am 26. Mai 2002, 5. März 2004, 8. März 2006 und 4. Mai 2008 geborenen minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers abgewiesen. Als Rechtsgrundlage ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde die §§ 10, 11, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 184/2011 (richtig: 38/2011) (StbG), an.

Begründend wurde - mit näheren Darlegungen - ausgeführt, dass der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht im Sinne des §10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG gesichert und somit eine gesetzliche Verleihungsvoraussetzung nicht erfüllt sei. Der Antrag auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf die minderjährigen Kinder sei gemäß § 18 StbG abzuweisen gewesen, da die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft verfügt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 12. September 2011 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Beschwerde, die den Bescheid "seinem gesamten Inhalt und Umfang nach" anficht. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung auf seine Kinder" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.:

Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde § 10 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden. § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG galt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006, Abs. 5 leg. cit. in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009. Die Novellen BGBl. I Nr. 2/2008, BGBl. I Nr. 4/2008, BGBl. I Nr. 135/2009 und BGBl. I Nr. 38/2011 ließen die genannten Bestimmungen unberührt.

§ 10 Abs. 1 Z. 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 37/2006, und Abs. 5 leg. cit. idF BGBl. I Nr. 122/2009 lauten:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und

(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt der letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen."

Mit Erkenntnis vom 1. März 2013, G 106/12-7 und G 17/13-6, kundgemacht am 8. April 2013 in BGBl. I Nr. 54/2013, hat der Verfassungsgerichtshof § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 sowie Abs. 5 leg. cit. in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 als verfassungswidrig aufgehoben. Weiters hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2014 in Kraft tritt, frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten und die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen auch in den am 1. März 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fällen nicht mehr anzuwenden sind.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.

Auf Grund der vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochenen Erstreckung der Anlassfallwirkung ist die Anwendung der Bestimmungen des §10 Abs. 1 Z. 7 und Abs. 5 StbG im vorliegenden Beschwerdefall ausgeschlossen. Der auf die aufgehobenen Bestimmungen gestützten Abweisung des Verleihungsansuchens mangelt es demnach an der gesetzlichen Grundlage, sodass sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2011, Zl. 2007/01/1275, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit damit der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Zu II.:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nicht nur der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abgewiesen; spruchgemäß wurden auch die Anträge auf Erstreckung, die der Beschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter für seine vier minderjährigen Kinder eingebracht hatte, abgewiesen.

Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Daher sind Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem zu führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind. Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt. Die gegenständliche Beschwerde wendet sich ausdrücklich gegen den gesamten Bescheid der belangten Behörde und damit auch gegen die abweisenden Erstreckungsentscheidungen. Da die Beschwerde ausschließlich vom Beschwerdeführer im eigenen Namen erhoben wurde - die Kinder sind nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer im Namen der Kinder auftritt, nicht bestehen, kann der Beschwerdeführer, der nicht Adressat der negativen Erstreckungsbescheide ist, diesbezüglich nicht in Rechten verletzt sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0028, mwH).

Die Beschwerde war daher insoweit, als sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der dem Beschwerdeführer zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf seine Kinder richtet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 50 VwGG) in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. April 2013

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