VwGH 2010/07/0017

VwGH2010/07/001726.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der W-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 29. Dezember 2009, Zl. MA 22 - 2586/2009, betreffend Feststellung nach § 10 Altlastensanierungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt Wien in 1110 Wien, Brehmstraße 14), zu Recht erkannt:

Normen

32001L0077 Elektrizitätsbinnenmarkt-RL erneuerbare Energiequellen;
ALSAG 1989 §10 Abs1;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z7 idF 2003/I/071;
BudgetbegleitG 2003 Art67;
ÖkostromG 2002 §5 Abs1;
VwRallg;
32001L0077 Elektrizitätsbinnenmarkt-RL erneuerbare Energiequellen;
ALSAG 1989 §10 Abs1;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z7 idF 2003/I/071;
BudgetbegleitG 2003 Art67;
ÖkostromG 2002 §5 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Juni 2009 stellte der Magistrat der Stadt Wien (in der Folge: Erstbehörde) gemäß § 10 Abs. 1 Altlastensanierungsgesetz (in der Folge: ALSAG) auf Antrag der mitbeteiligten Partei (unter anderem) fest, dass von der beschwerdeführenden Partei behandelte, näher bezeichnete Abfälle zur Gänze dem Altlastenbeitrag gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 ALSAG unterlägen, sowie dass das Verbrennen dieser Abfälle zur Gänze eine beitragspflichtige Tätigkeit darstelle. Der in den genannten Abfallarten enthaltene biogene Abfallanteil dürfe bei der Ermittlung des Altlastenbeitrages nicht herausgerechnet werden.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

Diese Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Dezember 2009 ab und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde mit der Maßgabe, dass das Zitat von § 3 Abs. 1 Z. 2 ALSAG in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2004 durch die Fassung BGBl. I Nr. 40/2008 ersetzt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass in einem Verfahren nach § 10 Abs. 1 ALSAG jene Rechtslage anzuwenden sei, die zu der Zeit gegolten habe, als der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden sei. Als solcher komme das Verbrennen von Abfällen in der Abfallverbrennungsanlage der beschwerdeführenden Partei im Zeitraum von April bis November 2008 in Betracht. Damals seien die Abs. 1 Z. 2 und Abs. 1a Z. 7 des § 3 ALSAG in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2008 sowie hinsichtlich der Definition für Abfälle mit hohem biogenen Anteil im Ökostromgesetz § 5 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2007 in Geltung gestanden.

§ 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG verweise auf die Begriffsdefinition des Ökostromgesetzes für Abfälle mit hohem biogenen Anteil. Eine Festlegung auf eine bestimmte Fassung des Ökostromgesetzes nehme das ALSAG nicht vor, stattdessen sei in § 26 ALSAG eine generelle dynamische Verweisung angeordnet. § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG sei daher so zu lesen, dass auf die jeweils geltende Fassung des Ökostromgesetzes abzustellen sei. Der Gesetzgeber habe keine statische Verweisung durch ausdrückliches Anführen der anzuwendenden Fassung vorgenommen. Es sei daher für die Definition von Abfällen mit hohem biogenen Anteil § 5 Abs. 1 Z. 1 Ökostromgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2006 heranzuziehen.

Der Ökostromgesetzgeber habe sich bereits in § 5 Abs. 1 Z. 5 Ökostromgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 149/2002 dafür entschieden, zur näheren Bestimmung von Abfällen mit hohem biogenen Anteil auf das Schlüsselnummernsystem des österreichischen Abfallkataloges (ÖNORM S 2100) zurückzugreifen. Dabei habe die Zuordnung eines Abfalles zu jener Schlüsselnummer zu erfolgen, die den Abfall am besten beschreibe. Es sei die "konkretest" mögliche Bezeichnung zu wählen. Ein bestimmter Abfall könne nur einer einzigen Abfallart zugeordnet werden und sei durch eine konkrete Schlüsselnummer sowie eine konkrete Abfallbezeichnung definiert.

Der Katalog der Anlage zu § 5 Abs. 1 Z. 5 Ökostromgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 149/2002 enthalte eine taxative Auflistung, was klar aus der Formulierung dieser Bestimmung hervorgehe. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung gälten als Abfälle mit hohem biogenen Anteil somit eindeutig nur die im Anhang zum Ökostromgesetz angeführten Abfallarten. Sofern darin nicht enthaltene Abfallarten biogene Abfallanteile enthielten, seien diese daher zur Gänze beitragspflichtig. Ein "Herausrechnen" des biogenen Anteiles sei nicht zulässig.

Mit der Novelle zum Ökostromgesetz BGBl. I Nr. 105/2006 habe der Gesetzgeber dies nur nochmals verdeutlicht, indem die Einleitung der Anlage 1 nun ausdrücklich festhalte, dass Teilmengen von Abfallarten, die nicht angeführt seien, nicht als Abfälle mit hohem biogenen Anteil oder als Biomasse gälten.

Es bleibe damit für eine verfassungskonforme oder richtlinienkonforme Interpretation kein Raum.

Die Beitragsfreiheit gemäß § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG gelte nach dem klaren Gesetzeswortlaut ausschließlich für die in der Anlage zum Ökostromgesetz taxativ aufgezählten Abfälle, definiert durch die angeführten fünfstelligen Schlüsselnummern. Sofern andere Abfallarten biogene Abfallanteile enthielten, seien diese zur Gänze beitragspflichtig. Ein Herausrechnen des biogenen Abfallanteiles aus solchen anderen Abfällen zur Erzielung der Beitragsfreiheit sei nicht zulässig. Die verfahrensgegenständlichen Abfälle seien nicht im Anhang zum Ökostromgesetz aufgelistet. Diese unterlägen daher zur Gänze dem Altlastenbeitrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Stellungnahme, mit welcher sie die Abweisung der Beschwerde begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid - zur im Beschwerdefall zentralen Frage - festhält, ist ein Herausrechnen des Anteils biogener Abfallbestandteile aus nicht im Ökostromgesetz genannten Abfallarten (vgl. die gemäß § 5 Abs. 1 Ökostromgesetz in den verschiedenen Fassungen verwiesenen Anhänge und die dort taxativ aufgezählten Schlüsselnummern) nicht zulässig.

Unbestritten ist, dass von den insgesamt angelieferten Abfällen im Ausmaß von 148.590,76 t die Abfälle mit hohem biogenem Anteil 42.752,50 t - somit 28,8% ausmachten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2009/17/0073, auf welches auch hinsichtlich der anwendbaren Rechtslage gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, käme eine erweiternde Interpretation des Ausnahmetatbestandes des § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG nur dann in Betracht, wenn dies der Normzweck (oder eine verfassungskonforme oder unionsrechtskonforme Auslegung) verlangen würde. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Die Beitragspflicht der Verbrennung von Abfällen und die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG wurden durch Art. 67 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, eingeführt. Den Ausführungen über die Absicht des (historischen) Gesetzgebers in den Materialien, ErläutRV 59 BlgNR. XXII. GP, 306, lässt sich nicht entnehmen, dass der mit der Novelle angestrebte Lenkungseffekt zu einer Befreiung vom Altlastenbeitrag hinsichtlich jedes biogenen Anteils am Abfall führen sollte. Der Gesetzgeber hätte nämlich sonst eine andere Formulierung in § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG gewählt und dort nicht von "Abfällen mit hohem biogenen Anteil" gesprochen.

Die vom Gesetzgeber getroffene Lösung erscheint auch nicht unionsrechtswidrig, kann doch Erwägungsgrund 8 der Ökostromrichtlinie nicht im Sinne einer bedingungslosen Förderung der Verbrennung von nicht getrenntem Siedlungsmüll im Rahmen einer künftigen Förderregelung für erneuerbare Energiequellen angesehen werden.

Soweit die Beschwerde in verfassungsrechtlicher Sicht gleichheitsrechtliche Bedenken gegen die von der belangten Behörde getroffene Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 1a Z. 7 ALSAG hegt, kann der Verwaltungsgerichtshof diese Bedenken auch nicht dahin teilen, dass eine erweiternde Auslegung der hier gegenständlichen Ausnahmebestimmung erforderlich wäre. Diesbezüglich ist auf den im bereits zitierten Erkenntnis vom 17. Februar 2010 angeführten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2009, Zl. B 560/09-8 zu verweisen, mit dem dieser die gleichzeitig gegen den dort angefochtenen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde mit dem Hinweis auf den relativ weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Abgabenrecht ablehnte.

Nachdem der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht entgegenzutreten vermag, ist auch kein Verfahrensmangel, der aus dem Unterlassen weitergehender Ermittlungen bezüglich "der für den Umfang der Altlastenbeitragspflicht relevanten Parameter" folgt, gegeben. Im Übrigen ist der Sachverhalt, wie die beschwerdeführende Partei selbst ausdrücklich in der Beschwerde (und auch bereits im Verwaltungsverfahren) festhält, vollständig geklärt. Für eine Rüge der vollständigen Unterlassung der Ermittlungstätigkeit "aus anwaltlicher Vorsicht" verbleibt somit kein Raum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Juni 2012

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