VwGH 2010/05/0163

VwGH2010/05/01635.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde 1. des MP und 2. der EP, beide in K, beide vertreten durch Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/I/11, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom 12. Juli 2010, GZ. MD-P- 2/2010/Mag.H/R, betreffend Einwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: F Gesellschaft mbH in S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt K Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2006/05/0189, verwiesen werden. Daraus ist festzuhalten:

Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2006 wurde der Berufung der ursprünglichen Beschwerdeführerin (Anm.: die hier auftretenden Beschwerdeführer sind nach deren Tod als deren Rechtsnachfolger in deren Stellung eingetreten) gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. Jänner 2006, mit welchem der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit 11 Wohneinheiten und 11 KFZ-Abstellplätzen, den erforderlichen Nebenräumen, dem Garagenzufahrtsbereich, dem Zufahrtsbereich für näher genannte Anrainer und der Einfriedung im südwestlichen Bereich auf dem Grundstück L.-Straße 65a erteilt wurde, keine Folge gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 16. September 2009 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und begründete dies wie folgt:

"Der in § 54 NÖ BO erster Satz, letzter Halbsatz, verwendete Begriff 'zulässiges Gebäude' bezieht sich nach der hg. Judikatur nicht nur auf die Hauptfenster bestehender (bewilligter oder als konsensgemäß zu beurteilender) Gebäude auf den Nachbargrundstücken, sondern auch auf zukünftige bewilligungsfähige Gebäude. Die belangte Behörde hatte daher im Beschwerdefall zu prüfen, ob das bewilligte Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad zukünftiger bewilligungsfähiger Neu- und Zubauten auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer beeinträchtigen würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass § 54 NÖ BO dem Nachbarn nicht weitergehende Mitspracherechte einräumt, als im § 6 Abs. 2 NÖ BO umschrieben ist. Vielmehr werden im Rahmen des § 54 NÖ BO subjektivöffentliche Rechte des Nachbarn darauf beschränkt, dass ein Einfluss auf den Lichteinfall auf die Nachbarliegenschaft ausgeübt wird. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann somit nur dann gegeben sein, wenn der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2008, Zl. 2005/05/0363, mwH).

2. Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass die BO an sich die Möglichkeit offen lässt, den Schuppen in ihrem Hof zu entfernen und ein Wohnzimmer an ihr bestehendes Haus anzubauen. Sie haben diesbezüglich schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass dann, wenn sie 3 m von der Grundgrenze zur mitbeteiligten Partei entfernt einen solchen Zubau errichten würden, durch die Bauführung der mitbeteiligten Partei bezüglich der zur Grundgrenze liegenden Hauptfenster der Lichteinfall iSd § 54 erster Satz zweiter Fall BO beeinträchtigt wäre. Die von der belangten Behörde dazu vertretene Auffassung, dass ein von den Beschwerdeführern vorgesehenes Bauvorhaben an die gekuppelte Bauweise gebunden sei und damit ein geplanter Zubau zu ihrem Objekt auf Basis der zwingenden Kuppelung direkt an der nördlichen Grundgrenze zum geplanten Wohnobjekt mit einer öffnungslosen Brandwand zu errichten sein werde, vermag nicht zu überzeugen, zumal die Kuppelung mit dem geplanten Wohnobjekt ohnehin schon dadurch gegeben ist, dass dieses an das bereits bestehende Gebäude der Beschwerdeführer direkt angebaut werden soll, weshalb es den Beschwerdeführern aus dem Gesichtspunkt der gekuppelten Bauweise nicht verwehrt sein kann, ihr Bauvorhaben nicht zur Gänze direkt an das geplante Wohnobjekt anzubauen.

Vor diesem Hintergrund hätte sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, im Abstand von 3 m zum geplanten Wohnobjekt Wohnräume mit Hauptfenstern errichten zu können, wobei durch die Bauführung der mitbeteiligten Partei aber die Belichtung diesbezüglich beeinträchtigt würde, näher auseinanderzusetzen gehabt. Insofern ist die Beurteilung der belangten Behörde nicht vollständig, hat sie es doch unterlassen, in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer maßgebliche Feststellungen zu treffen und darauf ihre Beurteilung zu stützen. Derart hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher auch zu klären sein, ob und in welcher Entfernung die geltend gemachten Hauptfenster von der Grundstücksgrenze zulässig sind."

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen Ing. Z. zur Frage ein, welcher Winkel zwischen der Gebäudeoberkante des beantragten Gebäudes der mitbeteiligten Partei und dem geplanten Hauptfenster des beabsichtigten Zubaus der Beschwerdeführer in 3 m Entfernung zur Grundgrenze entstehen würde. Weiters wurde um Ergänzung des von Ing. D. zu § 56 der Niederösterreichischen Bauordnung (BO) erstellten Gutachtens im Hinblick auf die in § 54 BO enthaltenen Merkmale ersucht.

Der Amtssachverständige Ing. Z. stellte in seinem Gutachten vom 25. März 2010 insbesondere fest, unter der Annahme, dass die Beschwerdeführer einen eingeschossigen Zubau auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 3 m von der nördlichen Grundgrenze errichteten und die Belichtung (Hauptfenster) nordseitig, also zur gemeinsamen Grundgrenze mit der geplanten Wohnhausanlage der mitbeteiligten Partei, ausführten, wäre der gesetzlich geforderte Lichteinfall unter 45 Grad nicht gegeben; vielmehr ergäbe sich dadurch ein Lichteinfall von 71 Grad. Damit der Lichteinfall unter 45 Grad auf geplante Hauptfenster gewahrt werde, müsse hinsichtlich des geplanten Zubaus ein Abstand von 8,31 m zur gemeinsamen Grundgrenze eingehalten werden.

Weiters führte der Amtssachverständige zusammenfassend aus, dass in der näheren Umgebung zur Wohnhausanlage der mitbeteiligten Partei Baukörper in gekuppelter und/oder geschlossener Bauweise mit annähernd gleicher oder geringfügig höherer Firstlinie, bezogen auf das Straßenniveau der L.-Straße, vorhanden seien. Ebenso sei zumindest eine weitere Wohnhausanlage in Bestand, die eine gleichartige Bebauungsdichte oder eine geringfügig höhere als die verfahrensgegenständliche Wohnhausanlage aufweise. Die gegenständliche Wohnhausanlage stelle zwar ein massives Bauwerk dar, weise jedoch auf Grund der seit Jahrzehnten bestehenden und umgebenden Bebauung nordwestlich der L.-Straße, die ebenfalls solche massiven Bauten vergleichbarer Kubatur umfasse, keinen auffallenden Widerspruch gegenüber anderen bestehenden, gleichzeitig mit der Wohnhausanlage sichtbaren oder wahrnehmbaren Bauwerken auf.

Den Beschwerdeführern wurde zu diesem Gutachten Parteiengehör eingeräumt und sie erstatteten dazu die Stellungnahmen vom 13. April 2010 und vom 10. Mai 2010.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführer neuerlich keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass im vorliegenden Fall jedenfalls von einer gekuppelten Bauweise betreffend das Bauvorhaben auszugehen sei. Nach dem im gegenständlichen Verfahren ergangenen Vorerkenntnis müsse keine völlige Kuppelung des künftigen Gebäudes der Beschwerdeführer an das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei erfolgen, zumal die Kuppelung bereits dadurch gegeben sei, dass das Bauvorhaben an das bestehende Objekt der Beschwerdeführer angebaut werden solle. Es könne daher den Beschwerdeführern nicht verwehrt werden, ihr Bauvorhaben nicht zur Gänze an das verfahrensgegenständliche Bauwerk anzukuppeln.

Ausgehend davon habe die belangte Behörde die rechtliche Zulässigkeit eines Zubaus auf dem Grundstück der Beschwerdeführer mit Hauptfenster in Richtung Norden hin zu prüfen.

Dabei sei die - im angefochtenen Bescheid näher dargestellte -

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 BO zu berücksichtigen. Weiters sei zu beachten, dass der Landesgesetzgeber bei der Schaffung der BO offensichtlich das Ziel verfolgt habe, dass gerade bei einer "gekuppelten" Bebauungsweise jener Bauwerber, der sein Objekt zuerst errichte, den Nachbarn in seiner Bauführung insofern einschränke, als dieser durch die ausgeführte Situierung seines Bauwerkes (das rechtlich genehmigungsfähig sein müsse) den Nachbarn in der Situierung seines Bauwerkes determiniere. Wenn ein Gebäude den Vorgaben des § 54 BO entspreche und daher keine auffallende Abweichung in Bezug auf die Anordnung am Grundstück oder die Höhe bestehe und es daher rechtlich zulässig errichtet werden könne, dann determiniere dieses Bauwerk die anliegenden Nachbarn.

Auf der Grundlage der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 54 BO ergebe sich, dass sich bei einem Objekt, bei dem durch ein schlüssiges Gutachten gemäß § 54 BO nachgewiesen werde, dass das in Prüfung stehende Bauvorhaben keine auffallende Abweichung zum Bestand darstelle, die Frage der Belichtung von 45 Grad auf Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück nicht mehr stelle. Der Nachbar werde daher bei der Situierung von künftigen Hauptfenstern eingeschränkt.

Umgelegt auf das in der Berufung angedeutete Vorhaben der Beschwerdeführer, im "Hof" ihres Grundstückes einen Zubau mit Hauptfenstern in nördliche Richtung (also zur Grundgrenze des gegenständlichen Bauvorhabens hin) errichten zu wollen, sei bei der beantragten (und bereits ausgeführten) Bauführung der mitbeteiligten Partei festzustellen, dass der Lichteinfallswinkel auf künftige nordseitige Hauptfenster der Beschwerdeführer (in 1 m Parapethöhe) in 3 m Entfernung zur Grundgrenze 71 Grad betragen würde. Zur Wahrung des Lichteinfalles von 45 Grad auf Hauptfenster müssten die Beschwerdeführer von der gemeinsamen Grundgrenze daher so weit abrücken, dass der gesetzliche Lichteinfall auf die eigenen künftigen Hauptfenster gewahrt bleibe. Dies bedinge im vorliegenden Fall bei einem nach Norden vorgesehen Hauptfenster ein Abrücken von der Grundgrenze im Ausmaß von 8,31 m.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe sich nicht an die sich aus dem Vorerkenntnis ergebende Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gehalten. Der Sachverständige habe im fortgesetzten Verfahren in seinem Gutachten festgestellt, dass der gesetzlich geforderte Lichteinfall im Falle eines beabsichtigten eingeschossigen Zubaus in 3 m Entfernung vom Baugrundstück nicht mehr gewährleistet wäre, die belangte Behörde ziehe daraus aber nicht den Schluss, dass gerade aus diesem Grund das gegenständliche Bauobjekt nicht bewilligungsfähig sei.

Auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren sind die Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden (vgl. § 79 Abs. 11 VwGG).

§ 54 BO in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-15 lautet:

"Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk

o in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder

o den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.

Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012) stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind die Verwaltungsbehörden somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage. Erfolgt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass die belangte Behörde nunmehr jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2012, Zl. 2010/17/0099, mwN).

Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren entsprochen, indem sie sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, im Abstand von 3 m zum geplanten Wohnobjekt Wohnräume mit Hauptfenstern errichten zu wollen, auseinandergesetzt hat. Sie hat den Amtssachverständigen Ing. Z. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Frage des Lichteinfallswinkels beauftragt, der in seinem Gutachten vom 25. März 2010, wie oben dargestellt, entsprechende Feststellungen dazu getroffen hat.

Darüber hinaus holte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren aber auch erstmals ein Sachverständigengutachten zur Frage ein, ob hinsichtlich des Bauvorhabens der mitbeteiligten Partei eine auffallende Abweichung im Sinn des § 54 BO vorliegt.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass § 54 BO nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht weitergehende Mitspracherechte als § 6 Abs. 2 BO schafft; daher muss trotz des Bindewortes "oder" zwischen den beiden Unterfällen das subjektiv-öffentliche Recht des Nachbarn darauf beschränkt werden, dass eine auffallende Abweichung des in Frage stehenden Bauvorhabens einen Einfluss auf den Lichteinfall ausübt. Ein Anbau an die seitliche Grundgrenze, wie ihn die geschlossene oder gekuppelte Bauweise ermöglicht, beeinträchtigt immer den Lichteinfall auf Hauptfenster am Nachbargrundstück. Eine isolierte Betrachtung des Lichteinfalles würde, hielte man am Wort "oder" fest, letztlich dazu führen, dass eine geschlossene oder (allenfalls) gekuppelte Bauweise im ungeregelten Baulandbereich immer unzulässig wäre (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. November 2013, Zl. 2010/05/0054, mwN).

Anders als noch im ersten Rechtsgang vor dem Verwaltungsgerichtshof, in welchem lediglich ein Gutachten zur Ortsbildgestaltung gemäß § 56 BO vorlag, steht im vorliegenden Beschwerdeverfahren auf Grund des nunmehr eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen Ing. Z. vom 25. März 2010 fest, dass hinsichtlich des Bauvorhabens der mitbeteiligten Partei keine auffallende Abweichung im Sinn des § 54 BO vorhanden ist. Aus diesem Grund war, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausführte, die Frage des Lichteinfalls nicht mehr zu prüfen.

Mit dieser Beurteilung verletzte die belangte Behörde auch nicht die sich aus dem oben genannten Vorerkenntnis ergebende Bindungswirkung, da sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis - schon mangels Vorliegens eines Gutachtens zum ersten Unterfall des § 54 erster Satz BO - nur mit der Frage der "zulässigen Gebäude" auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer auseinandergesetzt hatte. Die Bindungswirkung eines stattgebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich - vom Fall der impliziten Annahme der Zuständigkeit der belangten Behörde abgesehen - nur auf jene Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2010/07/0062, mwN). Es ist der belangten Behörde daher in dieser Hinsicht nicht verwehrt, den Fall von einem anderen Gesichtspunkt aus, auch wenn dies zusätzlich geschieht, unter Heranziehung anderer wesentlicher Sachverhaltselemente zu beurteilen und den Ersatzbescheid auf weitere, zwar im Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Vorbescheides schon vorhandene, seinerzeit aber noch nicht verwertete Gründe zu stützen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1976, Zl. 2241/74, mwN).

Die belangte Behörde war demnach im Hinblick auf die Bindungswirkung des Vorerkenntnisses nicht gehindert, nach Aufhebung ihres Bescheides im fortgesetzten Verfahren auch Gesichtspunkte zu verwerten, die sie ursprünglich - ausgehend von ihrer unzutreffenden Auffassung, wonach die Beschwerdeführer ohnehin zur Kuppelung verpflichtet wären, weshalb schon aus diesem Grund keine Beeinträchtigung des Lichteinfalls gegeben sein könne -

außer Betracht gelassen hat.

Soweit die Beschwerdeführer in Bezug auf das Gutachten vom 25. März 2010 ausführen, das geplante Bauvorhaben stelle im Hinblick auf seine Bebauungsdichte eine Abweichung zur ortsüblichen Bebauung dar, ist dem entgegenzuhalten, dass § 54 BO in Bezug auf die Frage der auffallenden Abweichung allein auf die Anordnung des Bauwerks auf dem Grundstück und dessen Höhe abstellt, nicht aber auf die Bebauungsdichte.

Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, dass das ausgeführte Gebäude "über den bewilligten Stand" hinausragen würde, der Gehsteig im nachhinein verändert und dadurch eine Verschmälerung der Straße herbeigeführt worden sei. Dazu genügt es darauf hinzuweisen, dass es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt. Maßgeblich ist also das in den bewilligten Einreichplänen dargestellte Projekt, das allein Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens ist, nicht aber ein davon eventuell abweichender, tatsächlicher Zustand.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 5. März 2014

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