Normen
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §54;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Ansuchen der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien vom 31. August 2009 um baubehördliche Bewilligung der Errichtung eines zweiten Obergeschoßes mit zwei Wohneinheiten in W, W.-Straße 6, Grundstück Nr. 545/3.
Das Grundstück Nr. 545/3 ist als Bauland-Kerngebiet ausgewiesen; ein Bebauungsplan für das Grundstück liegt nicht vor. Das gegenständliche Bauvorhaben befindet sich im ungeregelten Baulandbereich.
Nordöstlich des Baugrundstückes liegt das seitlich benachbarte Grundstück Nr. 544/4 der Beschwerdeführer, F.- Straße 2, mit der inneliegenden Baufläche .490. Der vom Bauansuchen umfasste Teil des Bestandes des Baugrundstückes befindet sich etwa zur Hälfte auf gleicher Höhe mit dem Bestand auf dem Grundstück der Beschwerdeführer.
Anlässlich der vor Ort durchgeführten mündlichen Verhandlung über das Bauansuchen erhoben die Beschwerdeführer die Einwendung, auf Höhe des Grundstückes Nr. 545/4 (gemeint wohl: 544/4) werde der erforderliche Mindestabstand nicht durchgängig eingehalten. Die Folge sei die Überschattung ihres Grundstückes auch in jenem Bereich, in dem das Lichtrecht zu beachten sei. Würden die Beschwerdeführer auf ihrem Grundstück im Abstand von drei Metern zum Grundstück der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien ein Gebäude mit Hauptfenstern errichten wollen, wäre dieses von der Baubehörde mangels Einhaltung der erforderlichen Belichtungsflächen nicht mehr genehmigungsfähig. Die Baubehörde habe daher zu beachten, dass nicht der derzeit aktuelle Baubestand auf den Nachbargrundstücken, sondern vielmehr die zulässige Bauführung maßgeblich sei.
In der Verhandlung wurde von einem Bausachverständigen auf der Grundlage entsprechender Panoramafotos und einer örtlichen Begehung mündlich ein Gutachten zur Frage, inwieweit die Anordnung des Bauvorhabens auf dem Grundstück oder dessen Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweiche, erstellt.
Bezüglich des Lichteinfalls auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf Nachbargrundstücken führte der Bausachverständige aus, aus der entsprechenden planlichen Darstellung in den Einreichunterlagen sei ersichtlich, dass bestehende Gebäude auf den Nachbargrundstücken Nr. 544/4 und 544/11 durch die Aufstockung nicht betroffen seien. Sämtliche vorhandenen Hauptfenster der angeordneten Gebäude auf diesen Grundstücken besäßen weiterhin einen uneingeschränkten Lichteinfall entsprechend § 54 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO).
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. September 2009 wurde den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die Bewilligung zur Ausführung des Bauvorhabens entsprechend den vorgelegten Planunterlagen auf dem Grundstück Nr. 545/3 erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhoben (u. a.) die Beschwerdeführer Berufung, in der sie ihre bereits in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwendung der unzulässigen Überschattung ihres Grundstückes wiederholten und näher ausführten.
Der Sachverständige ergänzte mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2009 sein Gutachten hinsichtlich der Frage, weshalb das gegenständliche Bauvorhaben in seiner Anordnung keinen Widerspruch zur bestehenden Bebauung darstelle. Hinsichtlich des Lichteinfalls werde auf den Lageplan mit Darstellung des Standortes für das Panoramafoto verwiesen, in welchem auch die Schattenwirkung des geplanten Objektes auf das Nachbargrundstück der Beschwerdeführer dargestellt sei. Da der durch das geplante Bauvorhaben unter 45 Grad einfallende Schatten auf das Nachbargrundstück Nr. 545/4 (gemeint wohl: 544/4) die dortige Baufläche .490 nicht berühre, werde auch die Belichtung der vorhandenen Hauptfenster in diesem Objekt nicht beeinträchtigt. Gegen die geplanten Baumaßnahmen bestünden aus bautechnischer Sicht keine Versagungsgründe.
Mit Bescheid vom 19. November 2009 wies der Stadtrat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab.
Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Ausführungen im ergänzenden bautechnischen Gutachten in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass sich die Zulässigkeit des gegenständlichen Bauvorhabens allein nach der Vorschrift des § 54 BO richte. Sowohl hinsichtlich der zu verneinenden Abweichung des Bauprojektes von der bestehenden Bebauung als auch hinsichtlich des Lichteinfalls schloss sich die Berufungsbehörde den Sachverständigenausführungen an. Dementsprechend verneinte sie eine Beeinträchtigung der Belichtung der vorhandenen Hauptfenster des Bestandsobjektes der Beschwerdeführer. Wieweit eine Beeinträchtigung von Hauptfenstern zusätzlicher Gebäude auf dem Grundstück erfolge, sei nicht zu berücksichtigen. Die Situierung allfälliger Zubauten, wie sie sich zukünftig auf dem Nachbargrundstück darstellen würden, könne von der Baubehörde nicht beurteilt werden, da die Gebäude so angeordnet werden könnten, dass sie nicht in Widerspruch zum Bestand stünden.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2010 wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Im gegenständlichen Fall komme es zunächst darauf an, ob der beabsichtigte Zubau, der zwischen 3,62 m und 5,85 m an die Nachbargrundgrenze heranreiche, von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweiche. Nur wenn dies bejaht werde, sei zu prüfen, ob der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster eines zulässigen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigt würde. Der Amtssachverständige habe in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass im Umgebungsbereich Objekte zum Teil an Grundstücksgrenzen angebaut seien oder dieselben Abstände zum Nachbargrundstück aufwiesen und bestehende Objekte eine größere Gebäudehöhe als das Bauvorhaben erreichten, sodass insofern das Projekt keine auffallende Abweichung vom Bestand bilde. Nachdem sich ergeben habe, dass der Mindestabstand von 3,62 m kein auffallendes Abweichen darstelle, sei der Lichteinfall - für den Fall, dass das Nachbargrundstück bebaut sei - lediglich hinsichtlich bestehender bewilligter, nicht hingegen hinsichtlich zukünftig bewilligungsfähiger Hauptfenster der Nachbargebäude zu berücksichtigen. Zu Recht habe sich daher bereits der Amtssachverständige mit der Frage des Lichteinfalls nur im Hinblick auf bestehende bewilligte Hauptfenster des Nachbargebäudes auseinandergesetzt, wobei die Beschwerdeführer den diesbezüglichen Ausführungen nicht entgegengetreten seien. Insbesondere hätten sie eine Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse auf ihre bestehenden Hauptfenster gar nicht behauptet. Die Vorstellung erweise sich daher als unbegründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde, das subjektiv-öffentliche Recht des Nachbarn sei darauf beschränkt, dass eine auffallende Abweichung einen Einfluss auf den Lichteinfall ausübe, und vermeint weiters, es sei auch zu prüfen gewesen, ob das Bauvorhaben den Lichteinfall unter 45 Grad auf zukünftig bewilligungsfähige Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer beeinträchtige. Die Beschwerdeführer seien in ihrem Lichtrecht gemäß § 6 Abs. 2 BO verletzt.
Auf Grund der zeitlichen Lagerung des Bauverfahrens ist im Beschwerdefall die Niederösterreichische Bauordnung 1996, LGBl. 8200, in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-15 anzuwenden.
Im Baubewilligungsverfahren haben gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m getrennt sind, als Nachbarn Parteistellung.
§ 6 Abs. 2 BO lautet:
"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."
§ 54 BO lautet:
"§ 54
Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich
Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält und das neue oder abgeänderte Bauwerk
o in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder
o den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.
Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."
Da für das fragliche Gebiet kein Bebauungsplan besteht, ist
§ 54 BO maßgeblich.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2001/05/1079, ausgeführt hat, schafft
§ 54 BO nicht weiter gehende Mitspracherechte als § 6 Abs. 2 BO; daher muss trotz des Bindewortes "oder" zwischen den beiden Unterfällen des § 54 BO das subjektiv-öffentliche Recht des Nachbarn darauf beschränkt werden, dass eine auffallende Abweichung einen Einfluss auf den Lichteinfall ausübt. Ein Anbau an die seitliche Grundgrenze, wie ihn die geschlossene oder gekuppelte Bauweise ermöglicht, beeinträchtigt immer den Lichteinfall auf Hauptfenster am Nachbargrundstück. Eine isolierte Betrachtung des Lichteinfalles würde, hielte man am Wort "oder" fest, letztlich dazu führen, dass eine geschlossene oder (allenfalls) gekuppelte Bauweise im ungeregelten Baulandbereich immer unzulässig wäre (s. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2005, Zl. 2003/05/0100, und vom 29. April 2005, Zl. 2002/05/1409).
Im Beschwerdefall kommt es daher zunächst darauf an, ob der hier vorliegende Zubau von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht; nur wenn dies bejaht wird, ist zu prüfen, ob der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster eines zulässigen Gebäudes auf dem Nachbargrund beeinträchtigt würde.
Die belangte Behörde legte - ebenso wie zuvor die Berufungsbehörde - ihrem Bescheid insbesondere das ergänzte Gutachten des Amtssachverständigen vom 23. Oktober 2009 zugrunde. Diesem Gutachten ist zur Frage der Abweichung des Bauvorhabens vom Umgebungsbestand im Wesentlichen zu entnehmen, dass, ausgehend von einem im Einreichplan und anhand eines Panoramafotos ersichtlichen konkreten Bezugsbereich, die dort vorhandenen Bauwerke zum Teil an Grundstücksgrenzen angebaut seien oder gleiche Abstände zu den Nachbargrundstücken aufwiesen wie beim betroffenen Grundstück. Zwei Nachbarobjekte erreichten eine größere Höhe als das Bauvorhaben der Bauwerber. Weder hinsichtlich der Anordnung noch hinsichtlich der Höhe stelle das geplante Bauvorhaben einen Widerspruch zum Bestand dar.
Diese Darlegungen des Amtssachverständigen, die sich inhaltlich mit den bereits anlässlich der mündlichen Verhandlung getätigten Ausführungen decken, wurden im Verwaltungsverfahren trotz ausreichender Gelegenheit nicht bestritten. Demnach war die rechtliche Beurteilung zutreffend, dass das Bauvorhaben nicht "auffallend" von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit dem Vorhaben sichtbaren Bauwerken abweicht.
Die von den Beschwerdeführern erstmals in der Beschwerde erhobene, nicht weiter ausgeführte Behauptung, die Abweichung des Bauvorhabens vom angrenzenden Baubestand sei jedenfalls schon deshalb gegeben, weil an das zu errichtende Bauwerk eine ausgedehnte Siedlung mit eingeschoßigen Gebäuden samt Dachausbauten angeschlossen sei und die Grenze zwischen der Liegenschaft der Beschwerdeführer und jener der Bauwerber sozusagen den Grenzbereich bilde, stellt eine im Verwaltungsgerichtshofverfahren unbeachtliche Neuerung dar, weil die Beschwerde nicht als ein Mittel zur Nachholung der im Verwaltungsverfahren versäumten Handlungen zu betrachten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/09/0183).
Ist demnach eine auffallende Abweichung des Bauvorhabens vom Umgebungsbestand zu verneinen, erübrigt sich im Sinn der dargestellten Judikatur eine weitere Prüfung der Frage, ob der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster eines zulässigen Gebäudes auf dem Nachbargrund beeinträchtigt würde. Aus diesem Grund kommt daher auch dem Umstand keine Bedeutung zu, dass die belangte Behörde bei Beurteilung der Beeinträchtigung des Lichteinfalls im Gegensatz zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. März 2010, Zl. 2007/05/0207, und vom 12. Oktober 2010, Zl. 2007/05/0223) nur auf die gegebene, nicht aber auch auf die zulässige Bebauung des Nachbargrundstücks abgestellt hat.
Soweit sich die Beschwerdeausführungen auf ein vorangegangenes Bauverfahren beziehen, ist nicht darauf einzugehen, weil dieses nicht verfahrensgegenständlich ist.
Da somit die belangte Behörde zu Recht den von den Beschwerdeführern geltend gemachten Widerspruch des Vorhabens zu § 54 BO, soweit mit dieser Bestimmung Nachbarrechte verbunden sind, nicht angenommen hat, erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 6. November 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)