VwGH 2010/07/0062

VwGH2010/07/006222.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des HW und 2. der EW, beide in E, beide vertreten durch Dr. Hans Peter Just, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Halbgasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 25. Februar 2010, Zl. Wa-2010-305046/19-Mül/Ka, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §63 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In Ansehung der Vorgeschichte, des Sachverhaltes und der Rechtslage dieses Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2008, Zl. 2005/07/0068, zu verweisen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Februar 2005, mit welchem eine Berufung der Beschwerdeführer gegen einen wasserpolizeilichen Auftrag der Bezirkshauptmannschaft E (BH) abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Diesbezüglich verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf der Grundlage der ergänzend eingeholten fachlichen Stellungnahmen des hydrographischen Amtssachverständigen nicht hinreichend schlüssig erkennen lasse, ob das Grundstück der Beschwerdeführer in den Jahren 1956, 1958 und 1959 tatsächlich überflutet worden sei, zumal in der Begründung des angefochtenen Bescheides die bestrittenen Überflutungen durch Verweis auf Fotos betreffend die Überflutungen der Jahre 1985 und 1994 in Verbindung mit den seinerzeit gemessenen Pegelständen angenommen worden seien. Von den Beschwerdeführern werde jedoch auf die - nach Abschluss der von ihnen gesetzten Maßnahmen - maßgeblich geänderten Abflussverhältnisse des I-Baches hingewiesen. Diesen Einwendungen sei auf fachlicher Ebene nur in Teilbereichen entgegnet worden. Hingegen bleibe etwa eine fachlich fundierte Stellungnahme zur Frage des eingewendeten und nicht unerheblich scheinenden Ausmaßes der Bodenversiegelung in den letzten Jahrzehnten (etwa durch den Neubau von Häusern, Straßen, das Verschwinden von Wiesenflächen etc.) offen. Überdies sei von der belangten Behörde während des Berufungsverfahrens aufgrund der Verschiebung des Pegels F/I-Bach und der zu berücksichtigenden Änderungen im Uferbereich des I-Baches nachträglich eine Neuberechnung der Pegelstände und der Häufigkeit der Hochwässer vorgenommen worden, weshalb im Rahmen der schlüssigen Beweiswürdigung eine eingehende Begründung zur angenommenen Überflutung des Grundstückes der Beschwerdeführer in den Jahren 1956, 1958 und 1959 auch unter Berücksichtigung dieses Aspektes erforderlich gewesen wäre.

Im fortgesetzten Verfahren wurde ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie eingeholt. Dieser stellte fest, dass sich die Bodenversiegelung nur in einem derart geringen Ausmaß auf die betroffene Liegenschaft auswirken könne, dass sie völlig zu vernachlässigen sei. Auch an der Pegelstelle habe es homogene Verhältnisse gegeben. Aus diesen Auswirkungen von Veränderungen der Abflussverhältnisse ergebe sich, dass die Hochwässer der Jahre 1956, 1958 und 1959 sehr wohl das betroffene Grundstück überflutet hätten.

Zu diesem Gutachten erstatteten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der sie auf ihr bisher erstattetes Vorbringen und die dort gestellten Beweisanträge verwiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 2010 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer neuerlich ab. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2009 zu dem im zweiten Rechtsgang eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie vom 21. September 2009 Stellung genommen hätten. Es werde darin unter anderem und wie bereits in früheren Schriftsätzen die Beweiskraft der an einer näher bezeichneten Messstelle erfassten Pegelstände für die Hochwasserausbreitung auf dem gegenständlichen Grundstück verneint. Dieser Einwand sei bereits Gegenstand des Vorerkenntnisses gewesen und habe der Verwaltungsgerichtshof dieses nur auf die wesentliche Änderung der Abflussverhältnisse gestützt. Nach der Aufhebung des im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheides seien ergänzende Ermittlungen entsprechend den durch den Verwaltungsgerichtshof gemachten Vorgaben durchzuführen gewesen. Soweit darüber hinaus Mängel des Ermittlungsverfahrens behauptet werden, könne davon ausgegangen werden, dass dieses Vorbringen nicht zutreffe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen insbesondere geltend, dass man im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. November 1984, Zlen. 84/07/0261, 0262, VwSlg. 11.589 A/1984, darauf hingewiesen habe, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine bloße Angabe eines aufgrund theoretischer Berechnungen ermittelten Abflusswertes für einen Bachabschnitt kein schlüssiger Nachweis dafür sei, dass eine Anlage im Hochwasserabflussbereich liege, sowie dass es dazu einer eingehenden Darstellung der tatsächlichen Abflussverhältnisse im betroffenen Bereich bedürfe. Es seien theoretische Berechnungen und Schlussfolgerungen zur Ermittlung des Hochwasserabflussbereiches bzw. zur Ermittlung, ob und in welchen tatsächlichen zeitlichen Abständen die betreffende Örtlichkeit in der Vergangenheit tatsächlich von Hochwässern überflutet worden sei, rechtlich nicht zulässig, sondern bedürfe es einer eingehenden Darstellung der tatsächlichen Hochwasserabflussverhältnisse am gegenständlichen Grundstück. Zur erschöpfenden Beurteilung wären Beweisaufnahmen durchzuführen gewesen. Deren Unterlassung stelle ein Außerachtlassen von Verfahrensvorschriften, deren Einhaltung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, dar.

Der Verwaltungsgerichtshof habe im Vorerkenntnis vom 30. Oktober 2008 ausgeführt, es sei aus der Begründung nicht hinreichend schlüssig zu erkennen, ob das Grundstück in den Jahren 1956, 1958 und 1959 tatsächlich überflutet worden sei. Der Amtssachverständige für Hydrologie setze sich nun im zweiten Rechtsgang zwar mit Bodenversiegelungen im relevanten Gebiet auseinander. Die Beschwerdeführer hätten jedoch - "mehrere weitere" - unwiderlegte "wassertechnische Gründe" angeführt, wonach Hochwässer auf den maßgeblichen Flächen nicht möglich seien. Es sei objektiv nicht möglich, dass sich jedes, von der Wassermenge her gesehen gleich oder ähnlich große Hochwasser in topographisch gleicher Weise ausbreite. Auch der wasserbautechnische Amtssachverständige halte im Verfahren vor der BH ausdrücklich fest, dass Hochwässer gleicher Häufigkeit verschieden abfließen könnten. Es habe in der Vergangenheit mannigfache topographische Veränderungen und erhebliche Veränderungen in der Hochwasserabflusssituation gegeben. Es sei eine wassertechnische Schlussfolgerung nicht möglich, wonach an einer näher bezeichneten Pegelmessstelle abflussmengenmäßig vergleichbare frühere Hochwässer sich ebenfalls auf das verfahrensgegenständliche Grundstück ausgebreitet hätten. Der Amtssachverständige weise in seinem (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Gutachten vom 21. September 2009 keinesfalls ausdrücklich darauf hin, dass die Hochwässer der Jahre 1956, 1958 und 1959 das gegenständliche Grundstück tatsächlich erreicht oder überflutet hätten. Auch in dessen vorausgehender Stellungnahme vom 4. Jänner 2005 sei eine solche ausdrückliche Aussage nicht enthalten, weshalb eine sichere Beweisgrundlage nicht gegeben sei. Überdies könne aus Pegelständen und Abflussmengen an bestimmten Messstellen keinesfalls schlüssig objektiviert werden, dass allfällige Hochwässer das gegenständliche Grundstück erreicht hätten. Es fehle daher der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. November 1984 geforderte schlüssige Nachweis.

Es habe nur die Hochwässer der Jahre 1954, 1970 und 1982 gegeben und demnach sei rückschauend ab den Beurteilungspunkten 1976, 1982 und 1984 jedenfalls keine erfahrungsgemäß häufige Überflutung anzunehmen gewesen, sodass eine Genehmigungspflicht nach § 38 Abs. 3 WRG 1959, in der bis 30. Juni 1990 geltenden Fassung, nicht bestanden habe.

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer im Ergebnis erfolgreich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Das bereits mehrfach zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2008 lautet auszugsweise:

"Hingegen blieb etwa eine fachlich fundierte Stellungnahme zur Frage des eingewendeten und nicht unerheblich scheinenden Ausmaßes der Bodenversiegelung in den letzten Jahrzehnten (etwa durch den Neubau von Häusern, Straßen, das Verschwinden von Wiesenflächen etc.) offen."

Eine abschließende Beurteilung kann nach dem unzweifelhaften Wortlaut dieses Erkenntnisses nicht angenommen werden. Vielmehr bringt der Verwaltungsgerichtshof damit zum Ausdruck, dass es sich dabei nur um ein Beispiel handelt (arg: "etwa" sowie auch in der Folge "überdies" und "Darüber hinaus").

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG ist die Behörde an die vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden. Die Bindung an eine Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes seitens der Behörde - aber auch seitens des Verwaltungsgerichtshofs selbst - besteht jedoch nur in den Fragen, zu denen sich dieser bereits geäußert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/12/0054, sowie Köhler, Entscheidungsanmerkung, ecolex 2008, 584 ff, mwN). Wird ein Bescheid durch den Verwaltungsgerichtshof behoben, ist hierfür bereits ein Mangel ausreichend, sodass es nicht erforderlich ist, im Erkenntnis weitere oder gar sämtliche Mängel eines ohnehin zu behebenden Bescheides aufzuzeigen. Es tritt durch eine Nichtbehandlung allfälliger Mängel eines angefochtenen Bescheides in einem Vorerkenntnis auch nicht eine "Heilung" in dem Sinn ein, dass solche nicht im fortgesetzten Verfahren zu beseitigen wären bzw. erfolgreich gerügt werden könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Vorerkenntnis vom 30. Oktober 2008 nicht gesamthaft zur Rechtmäßigkeit des dort angefochtenen Bescheides geäußert, sodass es diesem nicht verwehrt und der belangten Behörde im zweiten Rechtsgang oblegen ist, ein dort nicht behandeltes Vorbringen, das im fortgesetzten Verfahren und der nun gegenständlichen Beschwerde neuerlich vorgebracht wird, einer erstmaligen Prüfung zu unterziehen.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festhält, es könne davon ausgegangen werden, dass andere Mängel des Ermittlungsverfahrens nicht vorlägen, verkennt sie die Rechtslage und unterlässt (auch im zweiten Rechtsgang) eine umfangreiche und schlüssige Darstellung der Hochwasserabflussverhältnisse zu den maßgeblichen Stichtagen auf der betroffenen Liegenschaft. Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten und in der Gegenschrift artikulierten Ansicht der belangten Behörde war die Fragestellung der belangten Behörde an den Amtssachverständigen nicht auf jene Themen zu beschränken, die der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom 30. Oktober 2008 darlegt. Mit dieser unrichtigen Auslegung des Umfanges der Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG belastet die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Neben der Berücksichtigung der Bodenversiegelung wäre nämlich sehr wohl auf alle Einwände gegen die von der belangten Behörde angenommene Hochwasserausbreitung einzugehen gewesen, sodass nun auch der im zweiten Rechtsgang ergangene Bescheid nicht hinreichend schlüssig erkennen lässt, ob es in den Jahren 1956, 1958 und 1959 zu einer Überflutung des Grundstückes des Beschwerdeführers gekommen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 22. März 2012

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