VwGH 2010/01/0026

VwGH2010/01/002615.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der P S in S, vertreten durch Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 3. März 2010, Zl. 1/12-9963/24-2010, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
StbG 1985 §27 Abs1;
StbG 1985 §27 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2012:2010010026.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. November 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Zu dieser Verleihung war der belangten Behörde die Bestätigung des Türkischen Generalkonsulates in Salzburg vom 7. Oktober 1997 übermittelt worden, wonach in Übereinstimmung mit Art. 20 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Zl. 403 die Beschwerdeführerin gemäß Ministerratsbeschluss vom 30. Juli 1977 (Zl. 97/9736) die Genehmigung erhalten habe, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Die Beschwerdeführerin stellte am 14. Juli 2009 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft und legte dazu einen (am 6. Juli 2009 in der Türkei ausgestellten) Auszug aus dem Melderegister des Einwohnermeldeamtes in beglaubigter Übersetzung (aus der türkischen Sprache) vor. Dieser Auszug - aus dem Personenstandsregister "Bundesland Samsun, Bezirk T, Dorf K, Bandnummer 50, Reihennummer 118" - enthält folgende, die Beschwerdeführerin betreffende Eintragungen:

"112. P: Heirat am 27.09.1993: Ist aus K, Stadtviertel Ka gekommen.

112. P: Staatsbürgerschaft am 23.03.2001: Gemäß Art. 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes zu Zahl 403 und des Urteils des Ministerrates vom 30.07.1997 zu Zahl 97/9736 wurde ihr der Austritt aus der türkischen Staatsbürgerschaft gestattet und mit der Übernahme des Dokumentes am 04.05.1998 hat sie die Staatsbürgerschaft verloren.

112. P: Staatsbürgerschaft am 08.03.2002. Mit dem Urteil des Ministerrates vom 15.06.2001 zu Zahl 2660 ist sie in die türkische Staatsbürgerschaft aufgenommen worden. Sie ist zur gleichen Zeit österreichische Staatsbürgerin.

112. P: Staatsbürgerschaft am 30.11.2005: Aktennummer im Ministerium ist 116-18035 96*49014

112. P: Staatsbürgerschaft am 30.11.2005: Gemäß Art. 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes zu Zahl 403 und des Urteils des Innenministeriums vom 05.01.2004 zu Zahl 2004/01 wurde ihr der Austritt aus der türkischen Staatsbürgerschaft gestattet und mit der Übernahme des Dokumentes am 15.11.2005 hat sie die Staatsbürgerschaft verloren."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. März 2010 hat die belangte Behörde auf Grund des genannten Feststellungsantrages der Beschwerdeführerin wie folgt entschieden:

"Gemäß §§ 39 und 42 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idgF (StbG) wird festgestellt, dass P S, geb. I, geb. am 15.05.1960 in K, Türkei, gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG die durch Verleihung am 17.11.1997 erworbene österreichische Staatsbürgerschaft durch den (erneuten) Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß dem Art. 8 des Gesetzes über die Türkische Staatsangehörigkeit Nr. 403 vom 11.02.1964 (türk. StAG Nr. 403) mit Urteil des türkischen Ministerrates vom 15.06.2001 zu Zahl 2660 verloren hat.

Gemäß Landes- und Gemeindeverwaltungsabgaben-Verordnung vom 17.07.2006, LGBl. Nr. 67/2006, ist für diesen Bescheid eine Landesverwaltungsabgabe in der Höhe von EUR 46,50 zu entrichten."

Begründend führte die belangte Behörde nach ausführlicher Darlegung des Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen aus, der erneute Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin im Jahr 2001 könne nur auf Grund ihrer willentlichen, mit persönlicher Unterschrift beurkundeten Erklärung beim Türkischen Generalkonsulat erfolgt sein. Durch ihren Wiedereinbürgerungsantrag im Jahr 2001 (im Wege des Türkischen Generalkonsulates in Salzburg) habe die Beschwerdeführerin ein (von ihr) gewolltes behördliches Verfahren der zuständigen türkischen Behörden herbeigeführt; durch dieses Verfahren sei die Beschwerdeführerin mit positivem Urteil bzw. Beschluss Zahl 2660 vom 15. Juni 2001 des Türkischen Ministerrates erneut in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden. Der erneute Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne das Erfordernis eines Aufenthalts (der Beschwerdeführerin) in der Türkei könne nach der türkischen Rechtsordnung nur freiwillig und nicht automatisch, etwa über alleinigen Antrag eines geschiedenen Ehegatten oder ohne Wissen des Betroffenen vonstatten gegangen sein. Das Faktum der erneuten Aufnahme in den türkischen Staatsverband sei durch das (von der Beschwerdeführerin vorgelegte) türkische Personenstandsregister nachgewiesen. Die Einbürgerung und damit auch Wiedereinbürgerung von Personen, die - wie die Beschwerdeführerin - zuvor gemäß Art. 20 des Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Zahl 403 aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen worden waren, setzte eine Antragsschrift voraus.

Obzwar die "türkischen Stellen" bzw. die Beschwerdeführerin zum erneuten Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit im Jahr 2001 keine konkreten Angaben gemacht hätten, habe die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Vorsprache am 10. November 2009 doch (wenigstens) angegeben, dass ihr österreichischer Reisepass und ihre internationale Geburtsurkunde "in der Türkei nichts gelten" und sie bei ihren Vorsprachen am Türkischen Generalkonsulat in Salzburg in einem vier bis fünfjährigen Zeitraum insgesamt drei eigenhändige Unterzeichnungen getätigt habe. Dafür, dass die Vollzugspraxis der türkischen Behörde sich über die eindeutige türkische Rechtslage hinweggesetzt hätte und ein Wiedereinbürgerungsantrag der Beschwerdeführerin im Jahr 2001 "fingiert" worden wäre, sei nichts ersichtlich. Die Darstellung der Beschwerdeführerin, sie sei vom türkischen Staat "hineingelegt" worden, sei wenig glaubhaft; dafür würden greifbare objektive Anhaltspunkte fehlen. Das Türkische Generalkonsulat in Salzburg bzw. die Beschwerdeführerin hätten trotz wiederholter Aufforderung Auskünfte zu den konkreten Umständen der Wiedereinbürgerung nicht vorgelegt. Durch die Nichtbeantwortung der im Schreiben vom 11. November 2009 angeführten Fragen zur näheren türkischen Vollzugspraxis und des Inhalts des für die Wiederaufnahme in den türkischen Staatsverband gemäß Art. 8 türkisches StAG Nummer 403 sei das Feststellungsverfahren erheblich erschwert und verzögert worden.

Die Beschwerdeführerin habe ihre 1997 erworbene österreichische Staatsbürgerschaft durch die erneute Aufnahme in den türkischen Staatsverband mit Urteil des Ministerrates vom 15. Juli 2001 gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren und besitze sie seither nicht mehr. Die Voraussetzungen für den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft seien erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe 2001 eine fremde Staatsangehörigkeit erworben. Eine Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei ihr vorher nicht bewilligt worden. Der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit sei auf Grund eines freiwilligen Antrages der Beschwerdeführerin nach türkischer Rechtslage erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mit Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633, und vom 19. Februar 2009, Zl. 2006/01/0884).

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mwH; sowie vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018; vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/01/0045; und vom 16. Februar 2012, Zlen. 2010/01/0035 bis 0036).

Entgegen der Behauptung der Beschwerde (unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit) setzte sich die belangte Behörde im Beschwerdefall zutreffend mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der positiven Willenserklärung auseinander und ging insofern beweiswürdigend davon aus, dass die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben habe, da nach den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für den (Wieder)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend eine Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei und die Beschwerdeführerin Gegenteiliges - nämlich dass ihre Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht auf Antrag vorgenommen worden sei - nicht substantiiert behauptet habe.

Die Beschwerdeführerin rügt (unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels), die belangte Behörde habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ordnungsgemäß ermittelt. Die angestellten "Spekulationen und Vermutungen" der belangten Behörde seien unschlüssig. Da die Beschwerdeführerin ihren Urlaub gern in der Türkei verbringe, sei sie am Erwerb eines "solchen Dokuments" (damit gemeint: rosa Karte) interessiert gewesen. Sie habe mehrere Dokumente unterfertigt, an deren Inhalt sie sich nicht mehr erinnern könne. Einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit habe sie nicht stellen wollen. Daher habe sie dann einen Antrag auf Entlassung aus dem türkischen Staatsverband gestellt. Auf Grund ihrer Bemühungen sei ihre türkische Staatsangehörigkeit im Jahr 2005 wieder beendet worden. Die Beibringung von Unterlagen, die sie (1998) beim Türkischen Generalkonsulat unterfertigt habe, sei nicht möglich.

Mit diesem (auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde abzielenden) Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Es ist nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde angesichts der im Zeitpunkt des (Wieder)Erwerbs der Staatsbürgerschaft geltenden (nicht bestrittenen) türkischen Rechtslage, wonach die Einbürgerung eines Antrages des Einzubürgernden bedürfe, sowie der (ebenfalls nicht bestrittenen) Tatsache, dass der Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit (wieder) verliehen wurde, davon ausging, dass der Verleihung ein Antrag der Beschwerdeführerin zugrunde gelegen ist. Die Beschwerdeführerin legte in diesem Zusammenhang selbst dar, sie habe beim Türkischen Generalkonsulat Antragsformulare unterfertigt. Hingegen vermag die Beschwerdeführerin über die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit - wie sie in ihrem Vorbringen selbst einräumt - "nur zu spekulieren". Sie bestreitet bloß unsubstantiiert einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt zu haben, wobei jedoch mögliche Gründe für eine angeblich "antraglose" Staatsbürgerschaftsverleihung durch die zuständigen türkischen Behörden im Dunkeln bleiben.

Den amtswegigen Ermittlungen (Beischaffung des türkischen Staatsbürgerschaftsaktes durch die belangte Behörde) standen offenkundig faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegen. Die belangte Behörde verwies zutreffend auf die offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, sowie die Möglichkeit der Beschwerdeführerin, als Betroffene die entsprechenden Auszüge bzw. Aktenabschriften über die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft zu verlangen und - im Rahmen ihrer insofern bestehenden Mitwirkungspflicht - der belangten Behörde vorzulegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633, und vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018). Dass die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht nicht mitgewirkt hat, ist unstrittig.

Die Beschwerdeführerin geht selbst davon aus, dass sie im Jahr 2005 aus dem türkischen Staatsverband neuerlich ausgeschieden ist und sie demnach 2001 die türkische Staatsangehörigkeit - sohin eine fremde Staatsangehörigkeit - erworben hat. Dass ihr vor diesem Erwerb 2001 die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Aus ihrem Vorbringen, sie habe nicht Doppelstaatsbürgerin sein wollen und ihre (neuerliche) Entlassung aus dem türkischen Staatsverband betrieben, lässt sich für die Beschwerdeführerin nichts gewinnen. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass ein Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines Antrages auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 (gleiches gilt für Abs. 2) StbG nicht zu beseitigen vermag und der Verlust der Staatsbürgerschaft unabhängig davon eintritt, ob er beabsichtigt war, auch wenn die/der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0588, mwN, und vom 16. Februar 2012, Zlen. 2010/01/0035 bis 0036).

Die belangte Behörde hat den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin somit zu Recht festgestellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. März 2012

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