VwGH 2009/01/0045

VwGH2009/01/004526.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des B M in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Juni 2009, Zl. MA35/III - M 6/2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1;
StbG 1985 §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1993 war dem Beschwerdeführer gemäß § 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. In diesem Zusammenhang hatte das türkische Innenministerium dem Beschwerdeführer die mit Beschluss vom 20. Dezember 1993 erfolgte Entlassung aus dem türkischen Staatsverband bestätigt.

Auf Grund einer Mitteilung der österreichischen Botschaft Ankara vom 25. Jänner 2007, wonach aus dem vom Vater des Beschwerdeführers anlässlich eines Antrages auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels vorgelegten Familienregisterauszug hervorgehe, dass der Beschwerdeführer 1995 wieder in den türkischen Staatsverband eingetreten sei und keinen Beibehaltungsbescheid vorgelegt habe, leitete die belangte Behörde ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers ein.

Mit Schreiben zum 7. Mai 2007 wurde dem Beschwerdeführer dazu Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

Im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde am 24. Mai 2007 gab der Beschwerdeführer an, nach seiner Entlassung aus dem türkischen Staatsverband nicht wieder um die türkische Staatsangehörigkeit oder um einen türkischen Reisepass angesucht zu haben, sondern vielmehr jedes Mal ein Visum beantragt zu haben, wenn er in die Türkei gereist sei. Die Eintragung im Familienregister könne er sich nicht erklären.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer einen ihn betreffenden Auszug aus dem "Meldeamtsregister" vom 17. Juli 2007 (samt Übersetzung) vor, in dem sich nur der Hinweis auf die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem türkischen Staatsverband mit 20. Dezember 1993, nicht aber ein solcher auf die Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft findet, und der unter den Personendaten die Bemerkung "Tod: Geschlossene(r) Akt" enthält. In einer Stellungnahme vom 9. Jänner 2008 brachte der Beschwerdeführer dazu vor, die türkische Registerbehörde habe auf seinen Hinweis, es müsse ein Fehler der türkischen Verwaltung vorliegen, weil er nie einen Antrag auf Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft gestellt habe, mit einer Berichtigung des Familienregisters reagiert. Aus dem neuen Familienregisterauszug ergebe sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer nicht türkischer Staatsangehöriger und der diesbezügliche Akt geschlossen worden sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ergebe sich aus einer Entscheidung der türkischen Registerbehörde nicht die lückenlose Einhaltung der Verfahrensvoraussetzungen insbesondere auch des "Titelverfahrens". Die Vermutung der belangten Behörde, dass aufgrund der Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit auch auf das Vorliegen eines darauf gerichteten Antrages geschlossen werden könne, sei angesichts der Rechts- und Verwaltungspraxis der türkischen Behörden - wozu der Beschwerdeführer auf "amtsbekannte" Untersuchungen und Berichte der EU zur Beitrittsfähigkeit der Türkei verweist - nicht aufrechtzuerhalten. Amtswegige Ermittlungen zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts seien nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 23. Jänner 2008 ersuchte die belangte Behörde die österreichische Botschaft Ankara unter Hinweis auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers, den Vater des Beschwerdeführers einzuladen, einen neuen Auszug aus dem Personenstandsregister für seinen Sohn zu beschaffen, aus welchem zweifelsfrei ersichtlich sei, dass seine Wiedereinbürgerung ohne seinen Antrag und daher irrtümlich erfolgt sei. Daraufhin wurde - da Auszüge aus dem Personenstandsregister aus Datenschutzgründen nur von der betroffenen Person selbst beantragt werden könnten - ein den Vater des Beschwerdeführers betreffender Registerauszug vom 22. Februar 2008 samt "Arbeitsübersetzung" der österreichischen Botschaft Ankara vorgelegt, in welchem hinsichtlich des Beschwerdeführers wiederum sowohl sein Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband mit 20. Dezember 1993 als auch die Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft mit Beschluss vom 11. Jänner 1995 angeführt sind und der Beschwerdeführer als "Doppelstaatsbürger" geführt wird.

Mit Schreiben vom 6. März 2008 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, sie sowie die österreichische Botschaft Ankara zu bevollmächtigen, die näheren Umstände seines Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit bei den türkischen Behörden zu erheben. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache vom 18. März 2008 gab der Beschwerdeführer an, keine Vollmacht für Erhebungen bei den türkischen Behörden zu erteilen, und wiederholte, dass er nach seiner Entlassung aus dem türkischen Staatsverband nicht wieder um die türkische Staatsbürgerschaft angesucht habe. Den türkischen Behörden sei ein Fehler unterlaufen, wofür er nichts könne. Er sei jedenfalls nicht mehr gewillt, in dieser Angelegenheit irgendetwas beizutragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 2009 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 11. Jänner 1995 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat und nicht österreichischer Staatsbürger ist.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im türkischen Personenstandsregister (Familienregister) würden regelmäßig auch die ministeriellen Beschlüsse über die Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit und über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband verzeichnet. Gegenständlich enthielten sowohl der Auszug aus dem Personenstandsregister für den Beschwerdeführer vom 19. Jänner 2007 als auch jener für seinen Vater vom 22. Februar 2008 Vermerke über die Wiederverleihung der türkischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer. Demgegenüber finde sich ein solcher Vermerk in dem den Beschwerdeführer betreffenden Registerauszug vom 17. Juli 2007 nicht, wobei in der für den Todesvermerk vorgesehenen Zeile der "kryptische" Vermerk "Eintragung geschlossen" zu lesen sei. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass die neuerliche Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit entweder nicht erfolgt oder aber rückgängig gemacht worden wäre, zumal der "Wiedereinbürgerungsvermerk" im neueren Personenstandsregisterauszug des Vaters des Beschwerdeführers sehr wohl weiterhin aufscheine. Obwohl der Beschwerdeführer wisse, dass amtliche Ermittlungen über die näheren Umstände seiner Staatsbürgerschaftsangelegenheiten bei den türkischen Behörden nur mit einer schriftlichen Vollmacht möglich seien, und obwohl er selbst das Fehlen von Erhebungen gerügt habe, weigere er sich, entsprechend am Ermittlungsverfahren mitzuwirken.

Gemäß Art. 11 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964 erfolge die Bewerbung um die Einbürgerung zur türkischen Staatsangehörigkeit durch einen Antrag bei der höchsten Verwaltungsstelle des Wohnortes des Betreffenden, im Ausland beim türkischen Konsulat. Bisher sei kein Fall bekannt geworden, in dem eine Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit ohne Willen des Betreffenden erfolgt sei. Angesichts der vorliegenden Urkunden, die der Beschwerdeführer durch seine bloßen Behauptungen, er habe die türkische Staatsangehörigkeit weder beantragt noch tatsächlich wieder erworben, nicht zu entkräften vermocht habe, gehe die belangte Behörde davon aus, dass er die türkische Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung auf seinen eigenen Antrag hin wieder erworben habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG setzt voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, mwH).

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. wiederum das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, sowie das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2008/01/0590, mit Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 296).

Die Beschwerde rügt das Fehlen von Ermittlungen zur Verwaltungspraxis der türkischen Behörden sowie die Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung. Darin blieben die Umstände des Aufscheinens des Ministerratsbeschlusses vom 11. Jänner 1995 im Personenstandsregisterauszug des Beschwerdeführers und der Doppelstaatsbürgerschaft im Auszug seines Vaters - jedenfalls aufgrund der Vorlage des Registerauszuges vom 17. Juli 2007 durch den Beschwerdeführer - im Dunkeln. Die Feststellungen reichten für die Annahme des (Wieder-)Erwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer sowie der Abgabe einer Willenserklärung im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht aus. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe einen Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt, stelle eine bloße Mutmaßung der belangten Behörde dar und beruhe auf einer einseitigen Würdigung der Beweisergebnisse. Soweit die belangte Behörde meine, aus der Weigerung des Beschwerdeführers, ihr eine schriftliche Vollmacht zur Ermittlung der näheren Umstände seiner Staatsangehörigkeitsangelegenheiten zu erteilen, schließen zu können, er wolle den neuerlichen Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft verschleiern, sei auf den Kontext dieser Weigerung zu verweisen. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft eingebracht, sodass auch der Verlusttatbestand des § 27 StbG nicht eingetreten sein könne.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Es ist nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde hinsichtlich der Frage des Wiedererwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer den von der österreichischen Botschaft Ankara übermittelten (nach dem Akteninhalt allerdings entgegen der Ansicht sowohl des angefochtenen Bescheides als auch der Beschwerde jeweils den Vater des Beschwerdeführers betreffenden) Familienregisterauszügen vom 19. Jänner 2007 und vom 22. Februar 2008 folgte und dem vom Beschwerdeführer vorgelegten, davon abweichenden Registerauszug vom 17. Juli 2007 keinen derartigen Beweiswert zubilligte, wonach der Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft dadurch in Frage gestellt würde. Dazu durfte sich die belangte Behörde sowohl auf den im Hinblick auf die behauptete Berichtigung einer fehlerhaften Eintragung zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers unklaren Inhalt des von ihm vorgelegten Registerauszuges stützen (eine mögliche Erklärung für die Bedeutung des Hinweises auf einen "geschlossenen Akt", der sich zudem nicht im Bereich der Eintragungen über die Staatsbürgerschaft befindet, ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen), als auch auf den Umstand, dass auch dem zeitlich jüngeren Familienregisterauszug des Vaters des Beschwerdeführers vom 22. Februar 2008 kein Hinweis auf eine Berichtigung einer fehlerhaften Eintragung zu entnehmen ist, sondern dort vielmehr weiterhin von der "Doppelstaatsbürgerschaft" des Beschwerdeführers ausgegangen wird.

Die belangte Behörde setzte sich im Beschwerdefall auch zutreffend mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der positiven Willenserklärung auseinander. Es kann ihr auch insofern nicht entgegengetreten werden, wenn sie ausgehend von den maßgeblichen Bestimmungen des türkischen Staatsangehörigkeitsrechts, wonach für den (Wieder-)Erwerb der Staatsbürgerschaft zwingend die Antragstellung des Einzubürgernden vorgeschrieben sei, vom Vorliegen eines derartigen Antrages ausging und das Vorbringen des Beschwerdeführers derart beurteilte, dass er Gegenteiliges - nämlich dass seine Wiedereinbürgerung im konkreten Fall nicht auf Antrag vorgenommen worden sei - weder durch die Vorlage des dargestellten Registerauszuges vom 17. Juli 2007 noch durch den Hinweis auf eine (allgemein) fehlerhafte Verwaltungspraxis türkischer Behörden nachvollziehbar aufgezeigt habe.

Schließlich durfte die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung auch die Weigerung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sowie die österreichische Botschaft Ankara zur Vornahme weiterer Ermittlungen zu bevollmächtigen, zu seinen Lasten berücksichtigen. Dass etwa Anfragen zur Bedeutung des dargestellten Vermerks im Registerauszug vom 17. Juli 2007 von vornherein aussichtslos gewesen wären (vgl. zu den von der belangten Behörde in anderen Verfahren dargestellten Schwierigkeiten, bei den türkischen Behörden personenbezogene Auskünfte zu erhalten, das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2009/01/0018, mwN), behauptet der Beschwerdeführer nicht. Soweit die Beschwerde auf den "Kontext" dieser Weigerung verweist, dazu aber nur die Verfahrensdarstellung im angefochtenen Bescheid zitiert, ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände sie das Verhalten des Beschwerdeführers für nachvollziehbar erachtet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Jänner 2012

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