VwGH 2007/01/0633

VwGH2007/01/063319.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stelzl, über die Beschwerde der N D, geborene K, in S (geboren 1970), vertreten durch Loimer Maus Riedherr Scharzenberger Rechtsanwälte Partnerschaft in 5020 Salzburg, Bayernstraße 11A, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 10. April 2007, Zl. 1/12-9831/34-2007, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2009:2007010633.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

2. Am 1. Oktober 1999 legte die Beschwerdeführerin eine am 30. September 1999 ausgestellte Bestätigung (des Innenministeriums der Türkischen Republik, Generaldirektion für Standesamts- und Staatsbürgerschaftsangelegenheiten) über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband vor. In dieser wird bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit dem Türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz und laut Ministerratsbeschluss vom 12. Februar 1999 die Genehmigung erhalten habe, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

3. Am 23. Oktober 2003 heiratete die Beschwerdeführerin in Bucak, Türkei, den H D (im Folgenden: D.). Betreffend diese Eheschließung legte D. der belangten Behörde eine am 11. Mai 2006 ausgestellte Heiratsurkunde der Standesamtsbehörde Antalya Merkez vor.

4. Am 26. Juni 2006 teilte D. der belangten Behörde mit, dass er einer Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den gemeinsamen Sohn M. keinesfalls zustimmen werde, sollte die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft (für sich und M.) beantragen. Daraufhin wurde seitens der belangten Behörde von Amts wegen ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin eingeleitet.

5. Eine Anfrage der belangten Behörde bei der Österreichischen Botschaft in Ankara wurde dahingehend beantwortet, dass seitens des Türkischen Außenministeriums aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft erteilt würde, jedoch im (türkischen) Familien(Personenstands)register (Nüfus) verzeichnet sei, wann die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen habe bzw. wann sie aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sei.

6. Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde mehrfach aufgefordert, Auszüge aus ihrem Familien(Personenstands)register vorzulegen, was die Beschwerdeführerin jedoch nicht tat. Hingegen legte sie am 22. November 2006 eine am 15. November 2006 ausgestellte Bestätigung (des Innenministeriums der Republik der Türkei, Generaldirektion für Standesamts- und Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband vor. Darin wird bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit dem türkischen Staatsbürgerschaftsgesetz gemäß Innenministeriumbeschluss vom 6. Oktober 2006 die Genehmigung erhalten habe, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden.

7. Am 6. März 2007 übermittelte D. einen am 4. Jänner 2007 ausgestellten Auszug aus seinem Familien(Personenstands)register, in das mit der Eheschließung vom 23. Oktober 2003 auch die Beschwerdeführerin aufgenommen wurde. In diesem ist eingetragen, dass die Beschwerdeführerin am 15. November 2006 mit der Übernahme der Bestätigung über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband die türkische Staatsbürgerschaft verloren hat.

8. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. April 2007 stellte die belangte Behörde (soweit beschwerderelevant) gemäß den §§ 39 und 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG) fest, dass die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft durch ihren freiwilligen Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zumindest seit dem Tag der Eheschließung vom 23. Oktober 2003 nach § 27 Abs. 1 StbG verloren hat.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, die Vorlage der neuerlichen Entlassung aus dem türkischen Staatsverband gemäß dem Innenministeriumsbeschluss vom 6. Oktober 2006 beweise, dass die Beschwerdeführerin zumindest bis 15. November 2006 türkische Staatsangehörige gewesen sei. Da sie bereits am 1. Oktober 1999 eine Bestätigung über ihre Entlassung aus dem türkischen Staatsverband vorgelegt habe, sei erwiesen, dass sie zwischen dem 1. Oktober 1999 und dem 6. Oktober 2006 erneut die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Aus dem von D. übermittelten Auszug aus dem Familien(Personenstands)register gehe ebenfalls hervor, dass die Beschwerdeführerin mit dem Beschluss des Innenministeriums vom 6. Oktober 2006 die Erlaubnis erhalten habe, aus dem türkischen Staatsverband auszuscheiden und am 15. November 2006 mit der Übernahme dieser Bestätigung die türkischen Staatsangehörigkeit verloren habe. Weder in der vorliegenden Heiratsurkunde noch im Familien(Personenstands)register des D. sei vermerkt, dass die Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1999 die österreichische Staatsbürgerschaft erworben habe und anschließend aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei. Die in der Entlassungsbestätigung vom 15. November 2006 angegebene Identifikationsnummer stimme mit der Identifikationsnummer der Beschwerdeführerin in der Heiratsurkunde überein. Auf dieser Heiratsurkunde befinde sich kein Vermerk, dass der Eintrag der Beschwerdeführerin im standesamtlichen Register der Türkei geschlossen worden sei oder dass sie österreichische Staatsbürgerin sei. Das bedeute, dass sie bereits zumindest am Tag ihrer Eheschließung türkische Staatsangehörige gewesen sei. Der von der belangten Behörde mehrmals geforderte Auszug aus dem Familien(Personenstands)register, der vielleicht einen Nachweis für die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgebrachten Behauptung bringen hätte können, die Verlustgründe des § 27 StbG träfen auf sie nicht zu, sei nicht vorgelegt worden.

Somit sei erwiesen, dass die Beschwerdeführerin nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 30. Juni 1999 und nach der anschließenden Entlassung aus dem türkischen Staatsverband ab dem Ausstellungsdatum der diesbezüglichen Bestätigung vom 30. September 1999 erneut die türkische Staatsangehörigkeit erworben habe, und zwar zumindest vor ihrer Eheschließung am 23. Oktober 2003. Die Beschwerdeführerin habe damit gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft zumindest mit Wirkung vom Tag der Eheschließung, das sei der 23. Oktober 2003, verloren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zu den Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl.  2006/01/0084, - auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird - festgehalten hat, setzt § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete - "positive"- Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt.

2. Zur Beweiswürdigung im Hinblick auf den Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft:

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde aus der neuerlichen Bestätigung über die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband vom 15. November 2006 und dem von D. übermittelten Auszug aus dem Familien(Personenstands)register sowie aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin keinen Auszug aus ihrem Familien(Personenstands)register vorgelegt hat, in nicht unschlüssiger Weise beweiswürdigend gefolgert, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer erstmaligen Entlassung aus dem türkischen Staatsverband die türkische Staatsbürgerschaft neuerlich erworben hat.

Im vorliegenden Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz "iura novit curia" nicht gilt, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. September 2006, 2003/03/0035). Angesichts der im Beschwerdefall (nach Auskunft der österreichischen Vertretungsbehörden) offenbar bestehenden Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, hat die belangte Behörde zu Recht dem Umstand maßgebliche Bedeutung zugemessen, dass die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall ihren Mitwirkungspflichten - im Hinblick auf die Vorlage eines sie betreffenden Auszuges aus dem Familien(Personenstands)register - nicht ausreichend nachgekommen ist. Von daher kann die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 30. Juni 1999 und der daran anschließenden erstmaligen Entlassung aus dem türkischen Staatsverband (diese beruhend auf einem Beschluss vom 12. Februar 1999) erneut die türkische Staatsangehörigkeit erworben, der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes standhalten.

3. Zur "positiven" Willenserklärung nach § 27 Abs. 1 StbG:

3.1. Aus dem solcherart festgestellten Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin schließt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht, dass die Beschwerdeführerin "damit" gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verloren habe.

3.2. Dem hält die Beschwerde entgegen, dass seitens der Beschwerdeführerin eine gemäß § 27 Abs. 1 StbG erforderliche, bewusste Willenserklärung nicht abgegeben worden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass im Zuge einer Eheschließung im Heiratsformular - ohne dass die Beschwerdeführerin besonders darauf hingewiesen worden sei - der Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft mit der Eheschließung eines türkischen Staatsbürgers unmittelbar verbunden gewesen sei.

3.3. Damit zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende inhaltliche Rechtswidrigkeit auf:

Die belangte Behörde hat bei ihrer rechtlichen Beurteilung alleine auf den Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin abgestellt und sich  entgegen der oben dargestellten Rechtslage des § 27 Abs. 1 StbG nicht mit der Frage einer auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichteten - "positiven" - Willenserklärung auseinander gesetzt (vgl. zu einer derartigen Auseinandersetzung etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0588).

Zwar führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus, das entsprechende Beschwerdeargument sei eine reine Schutzbehauptung, da die türkische Staatsangehörigkeit durch Eheschließung und auf Antrag nur erwerben könne, wer mit einem türkischen Staatsangehörigen mindestens drei Jahre verheiratet gewesen sei. Lediglich wenn ein Ausländer durch Eheschließung mit einem türkischen Staatsangehörigen seine bisherige Staatsangehörigkeit verliere, erlange er automatisch die türkische Staatsangehörigkeit. Abgesehen davon, dass Mängel einer Bescheidbegründung nicht durch entsprechende Ausführungen in der Gegenschrift beseitigt werden können (vgl. die bei Mayer, Bundes-Verfassungsrecht4 (2007), 825, wiedergegebene hg. Rechtsprechung), ist jedoch auch diesen Ausführungen nicht zu entnehmen, inwieweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit dem Tatbestandsmerkmal einer "positiven", auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichteten Willenserklärung auseinander gesetzt hat.

3.4. Da sich die belangte Behörde daher im angefochtenen Bescheid alleine mit der Frage des Erwerbs einer fremden Staatsbürgerschaft durch die Beschwerdeführerin und nicht mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG weiters erforderlichen Tatbestandsmerkmal einer auf den Erwerb dieser fremden Staatsangehörigkeit gerichteten - "positiven" - Willenserklärung auseinander gesetzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. März 2009

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