Normen
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §8;
NatSchG Stmk 1976 §20 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §8;
NatSchG Stmk 1976 §20 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. November 2009 wurde der mitbeteiligten Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Kleinwasserkraftanlage "Hintereggerbach I" im Landschaftsschutzgebiet Nr. 12, nach Maßgabe der Projektunterlagen und bei Einhaltung von im einzelnen genannten Auflagen erteilt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe mit Eingabe vom 6. Februar 2009 um naturschutzrechtliche Bewilligung für die erwähnte Kleinwasserkraftanlage angesucht. Am 31. August 2009 sei der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Übergang der Zuständigkeit auf die Steiermärkische Landesregierung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde eingelangt. Eine Prüfung des Verfahrensaktes habe ergeben, dass der Devolutionsantrag berechtigt sei.
Von der mitbeteiligten Partei seien zur Beurteilung des Vorhabens das technische Einreichprojekt, die ökologische Begleitplanung, ein "Erhebungsbogen Fließgewässerkriterienkatalog samt Bewertung" sowie ein "Gegengutachten" zum behördlich eingeholten Amtsgutachten vorgelegt worden. Der Behörde sei neben dem erwähnten Amtsgutachten noch eine Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei sowie eine Fachäußerung der mitbeteiligten Partei zu dieser Stellungnahme vorgelegen.
Auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse sei davon auszugehen, dass das geplante Kleinwasserkraftwerk bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen keine nachhaltigen Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976 nach sich ziehen werde. Der mitbeteiligten Partei könne daher die beantragte Bewilligung gemäß § 6 Abs. 6
des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 erteilt werden.
Die Behörde folge dabei dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegtem Fachgutachten, weil dieses schlüssig, nachvollziehbar und "vom Inhalt her" richtig sei. Sie sehe keinen Anlass, vor dem Hintergrund der ökologischen Begleitplanung den "Darstellungen der Umweltanwaltschaft und des Amtssachverständigen" zu folgen. Die ökologische Begleitplanung entspreche bezüglich der Auswirkungen der Pflichtwassermengen auf das Landschaftsbild den Vorgaben des Pflichtwasserleitfadens und es zeige die vorgelegte Dokumentation eindeutig, dass mit den dynamischen Pflichtwassermengen, die über die Wehranlage abgeführt würden, der Hintereggerbach nach wie vor das Erscheinungsbild eines "intakten Gebirgsbaches" vermitteln werde. Die Wehranlage werde auf Grund des tiefliegenden Bachbettes optisch kaum in Erscheinung treten. Sie werde auch durch die bachbegleitende Gehölzkulisse weitgehend abgedeckt. Durch die Vorschreibung einer entsprechenden Auflage sei sichergestellt, dass sich das Bauwerk harmonisch in den Landschaftsraum einfüge. Das Gleiche gelte für das Krafthaus. Den (gegenteiligen) Ausführungen des Amtsgutachtens könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil in diesem Gutachten keine Auswirkungsanalyse vorgenommen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Umweltanwältin des Landes Steiermark gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt, LGBl. Nr. 78/1988, erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Devolutionsantrag der mitbeteiligten Partei sei berechtigt. Die Verzögerung des Verfahrens sei keineswegs auf ein überwiegendes Verschulden der erstinstanzlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Murau (BH) zurückzuführen. Zunächst habe nämlich die Schneelage die Vornahme eines Ortsaugenscheins durch den Amtssachverständigen verhindert, was keinesfalls als im Einflussbereich der BH gelegen angesehen werden könne. Sodann habe die mitbeteiligte Partei eine ergänzende Bewertung nach dem Fließgewässerkriterienkatalog erst am 26. Juni 2009 vorgelegt, was ausschließlich der mitbeteiligten Partei anzulasten sei. Die belangte Behörde hätte den Devolutionsantrag daher rechtens abzuweisen gehabt. Demgegenüber habe sie in rechtswidriger Weise ihre Zuständigkeit als Devolutionsbehörde bejaht.
Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG ist ein Devolutionsantrag abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Der Begriff des behördlichen Verschuldens ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zum Beispiel das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2010, Zl. 2009/06/0134, und die dort zitierte Vorjudikatur), objektiv zu verstehen: Ein solches Verschulden ist dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse von der fristgerechten Entscheidung abgehalten wurde. Zur Feststellung, ob in diesem Sinn ein überwiegendes Verschulden vorliegt, ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung des Verfahrens gegen jenes der Behörde abzuwägen, wobei Formgebrechen oder Mängel eines Parteienantrages im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG grundsätzlich der Parteiensphäre zuzurechnen sind.
Nun bestimmt § 20 Abs. 1 Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976, LGBl. Nr. 65/1976, in der Fassung LGBl. Nr. 71/2007 (Stmk. NSchG), dass einem Ansuchen (wie im vorliegenden Fall) um eine Bewilligung nach § 6 Abs. 3 Stmk. NSchG ein Auszug aus der Katastralmappe des Vermessungsamtes, der dem letzten Stand entspricht und auch die Nachbargrundstücke ausweist, ein geeigneter Lageplan sowie planliche Darstellung und genaue Beschreibungen des Vorhabens in dreifacher Ausfertigung beizuschließen sind.
Wenn aber aus den angeführten und vorgelegten Unterlagen allein nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den Vorschriften dieses Gesetzes entspricht, sind gemäß § 20 Abs. 2 Stmk. NSchG auf Verlangen der Behörde weitere Nachweise zu erbringen.
Diese Verpflichtung, "weitere Nachweise" zu erbringen, bedeutet allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Regelungszusammenhängen bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, VwSlg. 15.301A), nicht, dass der Antragsteller über Verlangen der Behörde verpflichtet wäre, sein Ansuchen mit Unterlagen über sämtliche für die Erledigung des Antrages maßgeblichen tatsächlichen Umstände zu belegen. Vielmehr sind von ihm vor dem Hintergrund des auch das naturschutzrechtliche Bewilligungsverfahren beherrschenden Grundsatzes der Amtswegigkeit ausschließlich solche Nachweise zu erbringen, die Aussagen über das zur Genehmigung beantragte Projekt zum Inhalt haben. Nur in Ansehung des geplanten Projektes sind der amtswegigen behördlichen Erhebung nämlich Grenzen gesetzt, die eine entsprechende Mitwirkung des Antragstellers erforderlich machen.
Davon ausgehend zählt der von der mitbeteiligten Partei vorgelegte "Kriterienkatalog zur Ausweisung naturschutzfachlich hochwertiger Fließgewässer(-abschnitte) in der Steiermark" nicht zu den Unterlagen, die dem Antragsteller um eine Bewilligung gemäß § 20 Abs. 2 Stmk. NSchG abverlangt werden können; geht es bei diesem Kriterienkatalog doch nicht um das zur Bewilligung beantragte Projekt, sondern um die davon betroffenen naturräumlichen Gegebenheiten. Dass jedoch bei deren Bewertung der amtswegigen behördlichen Erhebung Grenzen gesetzt und eine Mitwirkung des Antragstellers daher unumgänglich notwendig wäre, ist nicht ersichtlich.
War die mitbeteiligte Partei somit aber nicht verpflichtet, die erwähnten Unterlagen vorzulegen, so kann der Umstand, dass diese Unterlagen erst am 26. Juni 2009 vorgelegt wurden, schon aus diesem Grund kein Verschulden der mitbeteiligten Partei an der unbestrittener Maßen eingetretenen Verfahrensverzögerung bilden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass unüberwindliche Hindernisse die BH an einer fristgerechten Entscheidung gehindert hätten; mit der Ende März herrschenden Schneelage kann eine Verzögerung der Entscheidung über die Sommermonate jedenfalls nicht erklärt werden.
Die Auffassung der belangten Behörde, der Devolutionsantrag der mitbeteiligten Partei sei berechtigt gewesen, ist daher nicht rechtswidrig.
Im Übrigen gleicht der vorliegende Beschwerdefall jedoch jenem, der mit hg. Erkenntnis vom 31. März 2011, Zl. 2009/10/0141, entschieden wurde. Aus den dort genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich auch der vorliegende Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem im Ergebnis anderslautenden Bescheid gelangt wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am 26. September 2011
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