VwGH 2009/02/0095

VwGH2009/02/009525.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des G Z in Wien, vertreten durch die Jelenik & Partner AG, Advokaturbüro in Vaduz/Liechtenstein, z. Hd. des Zustellbevollmächtigten Mag. Antonius Falkner in 6811 Göfis, Saxerstraße 11/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. Februar 2009, Zl. uvs- 2007/13/3040-5, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z11a;
StVO 1960 §53 Z8a;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §51h;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §43;
StVO 1960 §44 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z11a;
StVO 1960 §53 Z8a;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §51h;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkt 2 (Übertretung des § 46 Abs. 4 lit. f StVO) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Kostenentscheidung wird vorbehalten.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 2. Februar 2007 um 20.48 Uhr eine Übertretung des IG-L begangen (Spruchpunkt 1) und sei am 2. Februar 2007 um

20.59 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges auf der Autobahn rückwärts gefahren und habe dadurch § 46 Abs. 4 lit. f StVO übertreten (Spruchpunkt 2). In beiden Fällen wurde über den Beschwerdeführer jeweils eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; dieser hat hinsichtlich der Übertretung der StVO erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. gerügt, der Beschwerdeführer habe bereits in der Berufung vorgebracht, dass er den Tatbestand des § 46 Abs. 4 lit. f StVO deshalb nicht erfüllt habe, weil es sich beim Tatort bei km 136.400 der A 12 (Zufahrtsrampe zur Autobahn) um keine Autobahn im Sinne des § 46 StVO handle bzw. das im Bereich des Tatortes aufgestellte Hinweiszeichen "Autobahn" nicht gesetzeskonform kundgemacht gewesen sei. Nach Vorlage der Verordnung vom 6. September 2002 samt Plan zur Stellungnahme habe der Beschwerdeführer (in der Stellungnahme vom 26. Jänner 2009) darauf hingewiesen, dass es sich beim vorgelegten Plan einerseits nicht um den in der Verordnung genannten Plan handle und andererseits das Hinweiszeichen "Autobahn" am Tatort nicht gemäß dem vorgelegten Plan aufgestellt sei. Als Beweis sei ein Lokalaugenschein sowie die Beiziehung des Verordnungsplanes Nr. 00/142 im Maßstab 1:1000 angeboten worden. Die belangte Behörde sei auf dieses Vorbringen samt Beweisanbot ohne Begründung nicht eingegangen.

Ferner wendet der Beschwerdeführer ein, es werde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Autobahnauffahrten ein Teil der Autobahn seien und dass es sich beim Verkehrszeichen "Autobahnbeginn" lediglich um ein Hinweiszeichen handle, dies ohne entsprechenden Judikaturverweis. Damit wolle die belangte Behörde offensichtlich zum Ausdruck bringen, dass Autobahnzufahrten ohne weitere Verordnung hinsichtlich des Beginnes der Autobahn im Sinne des § 46 StVO zu gelten hätten und das Hinweiszeichen "Autobahnbeginn" ohne weitere Relevanz sei. Diese Ansicht der belangten Behörde sei falsch und widerspreche dem Gesetz. Bereits aus § 43 Abs. 3 lit. a StVO ergebe sich, dass die Behörde u.a. die Zu- und Abfahrtsstraße zu oder von der Autobahn durch Verordnung zu Autobahnen zu erklären habe. Die belangte Behörde sei auf den Einwand des Beschwerdeführers, es liege keine Verordnung vor, bzw. eine diesbezügliche Verordnung sei nicht gesetzeskonform kundgemacht, nicht eingegangen und habe dazu auch keinerlei Feststellungen getroffen. Entgegen der Darlegung der belangten Behörde sei der Beginn und das Ende von Autobahnen durch entsprechende Verordnung kundzumachen. Ob die vom Beschwerdeführer bemängelte Kundmachung vorliege oder nicht, sei nicht festgestellt worden, weshalb auch nicht feststellbar sei, ob es sich beim diesbezüglichen Tatort um eine Autobahn im Sinne des § 46 StVO handle. Damit könne aber auch keine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Rückwärtsfahrens auf der Autobahn erfolgen, weshalb der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei.

Nach § 53 Z. 8a StVO zeigt das Hinweiszeichen "Autobahn" den Beginn einer Autobahn an.

Der in der Beschwerde gerügten Rechtsansicht, das Hinweiszeichen "Autobahnbeginn" sei ohne weitere Relevanz, kann schon im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzestextes, der der Darstellung des Hinweiszeichens gemäß § 53 Z. 8a StVO folgt, nämlich dass dieses "den Beginn einer Autobahn" anzeigt, nicht beigetreten werden. Vielmehr ist dieses Hinweiszeichen - so wie die anderen in § 44 Abs. 1 StVO genannten Straßenverkehrszeichen - in einer dem Gesetz entsprechenden Weise kundzumachen.

In der Berufung (S. 4) gibt jedoch der Beschwerdeführer selbst zu, dass er seinen PKW vom Anhalteort mit angestecktem Zündschlüssel rückwärts habe rollen lassen, bis er sich "in einem Bereich vor dem Hinweisschild 'Autobahn'' befunden habe, anschließend habe er den Motor gestartet und sei rückwärts in den Kreisverkehr gefahren. Damit gibt der Beschwerdeführer unmissverständlich zu erkennen, dass er sein KFZ bereits in dem von der durch Verkehrszeichen als Autobahn gekennzeichneten Bereich der Zufahrtsstraße rückwärts lenkte.

Gemäß § 43 Abs. 3 lit. a StVO hat die Behörde zum Zwecke der Erleichterung oder Beschleunigung des Verkehrs, insbesondere des Durchzugsverkehrs, durch Verordnung Bundesstraßen, die das Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, als Bundesautobahn bezeichnet, sowie Straßen ohne Überschneidungen mit anderen Straßen, sofern sie sich für den Schnellverkehr (§ 46 Abs. 1) eignen und besondere Anschlussstellen für die Zu- und Abfahrt vorhanden sind, einschließlich der Zu- und Abfahrtsstraßen zu Autobahnen zu erklären.

Nach § 44 Abs. 1 erster Satz StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen "Autobahn", "Ende der Autobahn", "Autostraße", "Ende der Autostraße", "Einbahnstraße", "Ortstafel", "Ortsende", "Internationaler Hauptverkehrsweg", "Straße mit Vorrang", "Straße ohne Vorrang", "Straße für Omnibusse" und "Fahrstreifen für Omnibusse" in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Straßenverkehrszeichen dort anzubringen, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Differiert der Aufstellungsort eines Straßenverkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung um 5 Meter, kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung nicht die Rede sein (vgl. die bei Pürstl, StVO, 12. Auflage, S. 676, unter E 33 zu § 44 StVO angeführte Judikatur).

Der Mangel der ordentlichen Kundmachung der Verordnung ist nach der hg. Judikatur im Verwaltungsstrafverfahren konkret vorzubringen (vgl. die Pürstl, a.a.O., S. 677, unter E 37 zu § 44 StVO angeführte Judikatur).

Ein solches konkretes Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer bereits im Zuge des Berufungsverfahrens im Rahmen der erwähnten Stellungnahme vom 26. Jänner 2009 erstattet, worin Folgendes ausgeführt wird:

"Das Hinweiszeichen befindet sich in Natura am Ende der Leitschiene direkt am Kurvenausgang der Auffahrt, dies entspricht in etwa 25 Meter Entfernung vom Kreisverkehr. Die im Plan bezeichnete Stelle befindet sich aber ca. 8 Meter weiter westlich ungefähr an der Stelle, die auf den vorliegenden Lichtbildern vom anzeigenden Beamten mit einem Pfeil als Anhalteort eingezeichnet wurde. Im Plan ist gut ersichtlich, dass das Hinweiszeichen sich erst im geraden Verlauf der Auffahrt zu befinden hätte, nicht aber am Kurvenausgang wie auf den Lichtbildern.

Damit weicht der Standort des genannten Hinweiszeichens um rund 8 Meter von dem im vorgelegten Plan ab, womit keine gehörige Kundmachung vorliegt, zumal der VwGH in ständiger Judikatur das Abweichen von mehr als fünf Metern vom Standort gemäß Verordnung als nicht gehörige Kundmachung der Verordnung ansieht ..."

Auf dieses konkrete Vorbringen wird auch - wie bereits dargestellt - in der Beschwerde Bezug genommen, wobei der Beschwerdeführer zutreffend einen relevanten Verfahrensmangel infolge des Unterbleibens von weiteren Ermittlungen betreffend die ordnungsgemäße Kundmachung des in Rede stehenden Hinweiszeichens durch die belangte Behörde rügt.

Der Beschwerdeführer rügt ferner die unterlassene Einvernahme des von ihm namhaft gemachten Zeugen GI M., der das Rückwärtsfahren nicht habe sehen können, weil er zum Tatzeitpunkt nicht mehr am Tatort anwesend gewesen sei. Aufgrund einer Erkrankung sei GI M. nicht zur Verhandlung erschienen und es sei diese u.a. deshalb "auf vorerst unbestimmte Zeit" erstreckt worden. Obwohl die öffentliche mündliche Verhandlung noch nicht geschlossen gewesen sei und der Beschwerdeführer auf die Einvernahme dieses Zeugen nicht verzichtet habe, habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen, ohne die auf unbestimmte Zeit erstreckte Verhandlung fortzusetzen.

Die belangte Behörde darf nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Einvernahme eines vom Beschuldigten nominierten Entlastungszeugen nicht allein deshalb unterlassen, weil der Zeuge "trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen ist". Vielmehr ist es Pflicht der Behörde, einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen. Allerdings ist die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels der Unterlassung der Einvernahme des Zeugen davon abhängig, ob der Zeuge zu einem "wesentlichen Thema" namhaft gemacht worden ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band II, S. 1058 f, unter E 12 zu § 51g VStG angeführt Judikatur).

Der Beschwerdeführer zeigt mit dieser Rüge keinen relevanten Verfahrensmangel auf, zumal in der Beschwerde nicht einmal behauptet wird, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

In der Beschwerde wird jedoch mit dem Hinweis auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides, obwohl die Beweisaufnahme vor der belangten Behörde noch nicht geschlossen war, ein weiterer relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt. Mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch vor Schluss des Beweisverfahrens verletzte die belangte Behörde nämlich fundamentale Verfahrensbestimmungen.

Der Gesetzgeber hat dem Beschuldigten nach § 51h Abs. 3 VStG das Recht eingeräumt, nach Schluss der Beweisaufnahme in seinen Schlussausführungen zu dem ihm vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verhalten abschließend Stellung zu beziehen. Damit wird es dem Beschuldigten ermöglicht, durch sein persönliches und glaubwürdiges Auftreten auf die bevorstehende Entscheidung in einem Strafverfahren, in dem unter anderem auch die Verschuldensfrage zu entscheiden ist, Einfluss zu nehmen. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Recht nicht gewährt. Es kann im Beschwerdefall daher nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensbestimmungen, sowohl hinsichtlich der vorgeworfenen Fakten als auch der Verschuldensfrage sowie der Strafbemessung, zu einem anderen Bescheid gekommen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2002/17/0270).

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des angeführten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über jenen Teil der Beschwerde, der sich gegen die Bestrafung nach dem IG-L richtet, wird durch den zuständigen Senat erfolgen. In dieser Entscheidung wird auch über die Kosten abzusprechen sein.

Wien, am 25. November 2009

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