VwGH 2002/17/0270

VwGH2002/17/027018.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des PR in D-O, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter und Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Petersplatz 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. Mai 2002, Zlen. UVS-05/K/30/4121/2001-9, 05/V/30/4122, 4123, 4125, 4126, 4127, 4129, 4130, 4133/2001, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §51h;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs3;
VStG §24;
VStG §51h;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 5. März 2001 erkannte der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer in neun Fällen der fahrlässigen Verkürzung der Parkometerabgabe für schuldig und verhängte Geldstrafen von je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden).

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde nach der am 18. April 2002 durchgeführten mündlichen Verhandlung der Berufung keine Folge und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der Verfahrensgarantie nach Art. 6 EMRK, Beachtung des Grundsatzes "ne bis in idem" und Behandlung des vorgeworfenen Verhaltens als einziges "fortgesetztes Delikt" verletzt. Nach der mit der Beschwerde vorgelegten Ablichtung des Verhandlungsprotokolls wurde die mündliche Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat am 18. April 2002 auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 51h VStG lautet:

"§ 51h. (1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Einvernahme des von der Verhandlung ausgebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen.

(2) Wenn die Sache reif zur Entscheidung ist, dann ist die Beweisaufnahme zu schließen.

(3) Nach Schluss der Beweisaufnahme ist den Parteien Gelegenheit zu ihren Schlussausführungen zu geben. Dem Beschuldigten steht das Recht zu, sich als letzter zu äußern. Niederschriften im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten bedürfen nicht der Unterschrift der Zeugen.

(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor einer Kammer zieht sich diese zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Bescheides und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden."

Der angefochtene Bescheid ist ein schriftlich erlassener Bescheid. Mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch vor Schluss des Beweisverfahrens verletzte die belangte Behörde fundamentale Verfahrensbestimmungen. Der Gesetzgeber hat dem Beschuldigten das Recht eingeräumt, nach Schluss der Beweisaufnahme in seinen Schlussausführungen zu dem ihm vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verhalten abschließend Stellung zu beziehen. Damit wird es dem Beschuldigten ermöglicht, durch sein persönliches und glaubwürdiges Auftreten auf die bevorstehende Entscheidung in einem Strafverfahren, in dem unter anderem auch die Verschuldensfrage zu entscheiden ist, Einfluss zu nehmen. Dem Beschwerdeführer wurde dieses Recht nicht gewährt. Es kann im Beschwerdefall daher nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensbestimmungen, sowohl hinsichtlich der vorgeworfenen Fakten als auch der Verschuldensfrage sowie der Strafbemessung, zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 18. Mai 2004

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