VwGH 2008/04/0117

VwGH2008/04/011726.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X-GesmbH in Y, vertreten durch Kortschak + Höfler Rechtsanwälte OEG in 8430 Leibnitz, Kadagasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Dezember 2007, Zl. A14-17- 4195/2007-3, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §56;
B-VG Art7 Abs1;
GewO 1994 §340 Abs3;
GSpG 1989 §1 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §56;
B-VG Art7 Abs1;
GewO 1994 §340 Abs3;
GSpG 1989 §1 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz (BH) vom 12. November 2007, mit dem gemäß § 340 Abs. 3 GewO 1994 idgF das Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anmeldung des Gewerbes "Veranstaltung, Organisation und Durchführung des Kartenspieles Poker (Texas Hold'Em), in welchen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, gemäß § 5 Abs 2 GewO ohne Bankhalter" an einem näher genannten Standort festgestellt und der Beschwerdeführerin die Ausübung dieses Gewerbes sowie die Eintragung in das Gewerberegister untersagt worden war, abgewiesen und den Bescheid der BH vollinhaltlich bestätigt.

Die erstinstanzliche Behörde hatte ihren Bescheid im Wesentlichen damit begründet, das gegenständliche Kartenspiel sei ein Glücksspiel iSd § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz und unterliege dem Glücksspielmonopol. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 24 GewO 1994 sei dieses Bundesgesetz auf den Betrieb der dem Bund zustehenden Monopole, wie das Glücksspielmonopol, nicht anzuwenden.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach Anführung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen damit, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2000/17/0201, bereits festgestellt, der Umstand, dass allenfalls ein Spieler durch Bluffen selbst bei schlechteren Karten ein günstiges Spielergebnis erreichen könnte (was man der Geschicklichkeit eines Spielers zuschreiben könnte) und dass ein Spieler darüber hinaus seine Entscheidung nicht allein von den bekannten mathematischen Wahrscheinlichkeiten, welches Blatt die Mitspieler angesichts der bekannten (offen zugeteilten) Karten haben könnten, sondern auch von deren Verhalten während des Spiels abhängig machen könnte, dem Kartenspiel "Texas Hold'Em" nicht den Charakter als Glücksspiel nehme.

Die Beschwerdeführerin hätte besondere Umstände dartun müssen, die es in ihrem Fall gerechtfertigt hätten, eine andere Beurteilung des Pokerspieles "Texas Hold'Em" vorzunehmen. Ein solcher Beweis wäre nur dann zweckentsprechend gewesen, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür geliefert hätte, dass im hier zu beurteilenden Fall besondere Umstände herrschten, die eine von bisherigen Gutachten (gemeint: in anderen Verfahren) über das gegenständliche Spiel abweichende Beurteilung erforderlich gemacht hätten. Es werde in der Berufung keine konkrete Behauptung in diese Richtung aufgestellt. Die Beschwerdeführerin weise sogar darauf hin, dass das an einem elektronischen Pokertisch durchgeführte verfahrensgegenständliche Spiel nach dem gleichen System und den gleichen Regeln des "echten" Kartenspiels gespielt werde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 16. Juni 2008, B 215/08-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Rechtsvorschriften:

§ 1 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, lautet (auszugsweise):

"(1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

..."

§ 2 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 60/2007 lautet (auszugsweise):

"Dieses Bundesgesetz ist - unbeschadet weiterer ausdrücklich angeordneter Ausnahmen durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften - auf die in den nachfolgenden Bestimmungen angeführten Tätigkeiten nicht anzuwenden:

...

24. den Betrieb der dem Bund zustehenden Monopole und Regalien sowie die Erzeugung von Blatternimpfstoff;

..."

§ 5 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 111/2002 lautet:

"(1) Soweit dieses Bundesgesetz hinsichtlich einzelner Gewerbe nichts anderes bestimmt, dürfen Gewerbe bei Erfüllung der allgemeinen und der bei einzelnen Gewerben vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung des betreffenden Gewerbes (§ 339) ausgeübt werden.

(2) Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1, die nicht als reglementierte Gewerbe (§ 94) oder Teilgewerbe (§ 31) ausdrücklich angeführt sind, sind freie Gewerbe. Unbeschadet allfälliger Ausübungsvorschriften ist für diese kein Befähigungsnachweis zu erbringen."

§ 1 GSpG idF BGBl. Nr. 620/1989 lautet (auszugsweise):

"(1) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen.

…"

3.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Sachvorbringen nicht auseinandergesetzt und stütze die Nichtdurchführung des Ermittlungsverfahrens auf das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2005, Zl. 2000/17/0201, obwohl daraus eine Rechtfertigung für den Entfall jeglicher Ermittlungstätigkeit nicht zu gewinnen sei. Der im bezogenen Verfahren beigezogene Sachverständige habe die Wichtigkeit der Interaktion der Spieler für den Spielgewinn als nicht messbar dargestellt, diese aber keineswegs verneint. Dem Glücksspielbegriff des § 1 GSpG unterlägen nur Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhingen. Nicht zu den Glücksspielen gehörten und davon zu unterscheiden seien jene Spiele, bei denen Gewinn oder Verlust überwiegend von der Geschicklichkeit oder Kraft des/der "Spieler/s" abhingen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bislang nicht eindeutig zu der Frage geäußert, ob Pokerspiele als Glücksspiele einzuordnen seien (wird näher ausgeführt mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. August 1998, Zl. 97/16/0387). In dem von der belangten Behörde angeführten Erkenntnis vom 8. September 2005 sei es zu keiner Gewichtung von Zufall und Geschicklichkeit gekommen, jedenfalls sei im damaligen Ermittlungsverfahren eine explizite, qualitative und quantitative Analyse nicht durchgeführt worden. Die entscheidungsrelevante Beurteilung, ob bei Poker Geschicklichkeit oder Zufall überwögen, sei vom Verwaltungsgerichtshof auch im Erkenntnis vom 20. September 2005, Zl. 2004/05/0230, behandelt worden, in dem zu beurteilen gewesen sei, ob Poker ein verbotenes Kartenspiel iSd § 25 Tiroler Veranstaltungsgesetz sei. Nach dieser Bestimmung seien Veranstaltungen verboten, wenn der Gewinn oder Verlust zu einem wesentlichen Teil vom Geschick des Spielers und somit nicht überwiegend vom Zufall abhänge. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese Frage iSd Tiroler Veranstaltungsgesetzes bejaht und vermeine somit, die Geschicklichkeit überwiege.

Die Untersagung der Gewerbeausübung sei im vorliegenden Fall darüber hinaus auch ein Akt willkürlicher Rechtsausübung, weil verschiedenste Gewerbebehörden regelmäßig Gewerbeanmeldungen "Abhalten von Kartenspielen ohne Bankhalter gemäß § 5 Abs. 2 GewO 1994" bzw. auch "Durchführung erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter" bzw. auch Veranstaltung und Organisation des Kartenspiels "Poker" und anderer erlaubter Kartenspiele, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sei, ohne Bankhalter - wie hier verfahrensgegenständlich -

ohne Bedenken zuließen.

3.3. Die Beschwerdeführerin erblickt einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften darin, dass die belangte Behörde mit dem bloßen Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2000/17/0201, ein Ermittlungsverfahren unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte bei Überprüfung des (dort) angefochtenen Bescheides auf seine Rechtsrichtigkeit die Schlüssigkeit der vorgelegten Beweise zu beurteilen und ist zur Ansicht gelangt, die in diesem Verfahren belangte Behörde habe auf Grund eines als ausreichend anzusehenden Sachverständigengutachtens den Glücksspielcharakter der in Rede stehenden Kartenspiele bejaht.

Dem nunmehr angefochtenen Bescheid liegt die Ansicht zu Grunde, die Ausführungen in jenem dem zitierten hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2000/17/0201, zugrundeliegenden Sachverständigengutachten gälten in gleicher Weise für das vorliegend zu beurteilende Kartenspiel Poker "Texas Hold'Em".

Einer sachverständigen Äußerung zu einer im betreffenden Verfahren wesentlichen Sachfrage (hier: ob das Kartenspiel "Texas Hold'Em" als Glücksspiel unter das GSpG fällt) kommt nicht etwa deshalb keine Relevanz zu, weil sie in einem anderen Verfahren erstattet wurde (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1993, Zl. 92/10/0447). Die Behörde kann ohne weiteres das Beweis- und Erhebungsmaterial anderer Verfahren zu Beweiszwecken heranziehen, ohne neuerlich ein Ermittlungsverfahren durchführen zu müssen, allerdings unter Wahrung des Parteiengehörs im Sinn der §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1971, Zl. 393/71).

Im Beschwerdefall war die belangte Behörde nicht gehalten, der Beschwerdeführerin das den Glücksspielcharakter des Kartenspieles Poker "Texas Hold'Em" aufzeigende Sachverständigengutachten mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis zu bringen, konnte sie doch auf Grund der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 17. September 2007 im Verfahren vor der BH, in der sich die Beschwerdeführerin selbst auf dieses Erkenntnis und das darin wiedergegebene Gutachten bezog, davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin dieses Gutachten kannte. Die Beschwerdeführerin ist nun diesem Gutachten weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch legt sie dar, inwieweit die in Aussicht genommenen Pokerspiele von jenen abweichen, die der Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis vom 8. September 2005 zu beurteilen hatte. In ihrer Berufung hatte die Beschwerdeführerin, worauf die belangte Behörde auch zutreffend hinweist, zudem unter Vorlage einer entsprechenden Spielbeschreibung (für einen elektronischen Pokertisch mit Texas Hold'Em Poker) vorgebracht, dass das intendierte Pokerspiel "Texas Hold'Em" nach dem gleichen System und den gleichen Regeln des "echten" Kartenspiels zu spielen sei. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde, gestützt auf das angeführte Sachverständigengutachten auch im Beschwerdefall den Glücksspielcharakter des Pokerspiels "Texas Hold'Em" bejaht hat.

Auch aus dem zum Tiroler Veranstaltungsgesetz ergangenen hg. Erkenntnis vom 20. September 2005, Zl. 2004/05/0230, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, lagen doch diesem Erkenntnis nicht das vorliegend zu beurteilende Pokerspiel "Texas Hold'Em", sondern andere Kartenspiele zu Grunde. Dass eines davon auch eine Pokervariante war, vermag daran nichts zu ändern.

Auch das Vorbringen, verschiedenste Gewerbebehörden ließen regelmäßig (u.a.) die Veranstaltung und Organisation des Kartenspieles "Poker" und anderer erlaubter Kartenspiele zu, bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sei, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Hinweis auf eine vom angefochtenen Bescheid abweichende übliche Verwaltungspraxis vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzulegen. Auch eine allfällige rechtswidrige Anwendung des Gesetzes bei der Erlassung von Verwaltungsakten gegenüber anderen Betroffenen gibt niemandem ein Recht auf diesbezügliche Gleichbehandlung (vgl. aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 21. Jänner 2009, Zl. 2008/08/0269).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. September 2012

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