Normen
BAO §167 Abs2;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §2;
PrivSchG 1962 §2;
SchUG 1986 §4 Z4;
BAO §167 Abs2;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §2;
PrivSchG 1962 §2;
SchUG 1986 §4 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Juli 2005 für ihre am 13. August 1986 geborene Tochter Emina abgewiesen.
Im Beschwerdefall sind die Anspruchsvoraussetzungen der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter nach § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (in der Folge: FLAG) mit einer Ausnahme unbestritten: Strittig ist allein, ob die Ablegung von Prüfungen durch die Tochter der Beschwerdeführerin an der Religionsschule Osman-ef. Redzovic (in der Folge: Schule) in Bosnien und Herzegowina als außerordentliche Schülerin eine Berufsausbildung darstellt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde - soweit für die Beschwerde von Bedeutung - aus, die Beschwerdeführerin habe im Antrag vorgebracht, ihre Tochter besuche nach Abschluss der dritten Klasse die vierte Klasse als nicht ordentliche Schülerin. Sie werde nur zur Ablegung der Prüfungen in die Schule gehen. Die erste von drei Prüfungen habe die Tochter bereits am 29. Dezember 2005 abgelegt. Nach einer Bescheinigung der Schule sei die Tochter in der vierten Klasse als außerordentliche Schülerin eingeschrieben.
Das Finanzamt habe diesen Antrag abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung ausgeführt, die Tochter habe die vierte Klasse absolviert und habe nun noch die Reifeprüfung abzulegen.
In Beantwortung eines Vorhaltes habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, nach der Bestätigung der Schule habe ihre Tochter als außerordentliche Schülerin die vierte Klasse besucht. Sie sei nur verpflichtet gewesen, zu den Prüfungsterminen zu kommen. Sie habe am Unterricht nicht teilnehmen müssen. Sie habe sich an ihrem Wohnort für die Prüfungen vorbereitet und sei zu den Prüfungen nach Bosnien gefahren.
Das Finanzamt habe mit Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Berufsausbildung gehöre eine allgemein bildende Schulausbildung. Nach dem Schulorganisationsgesetz seien notwendige Kriterien einer Schulausbildung ein gemeinsamer Unterricht bei gleichzeitiger Anwesenheit von Lehrern und Schülern und die Gewähr, dass das Lernziel in einer bestimmten Zeit erreicht werde. Eine allgemeine Berufsausbildung im Sinne des FLAG liege immer nur dann vor, wenn die überwiegende Zeit für die Ausbildung verwendet, ein qualifizierter Abschluss erreicht werde und die Ausbildung als unabdingbar für die weitere Berufsausbildung anzusehen sei. Dazu komme, dass eine Ausbildung nicht nur einer eingeschränkten Zielgruppe offen stehen dürfe.
Die Tochter der Beschwerdeführerin habe die vierte Klasse dieser Schule als außerordentliche Schülerin besucht. Bei der Schule handle es sich um eine Mittelfach-Religionsschule der "islamischen Gemeinschaft" Bosnien und Herzegowina mit Ausbildungsschwerpunkt "Islamischer Glaube und Recht". Die Tochter der Beschwerdeführerin habe in diesem Schuljahr nicht am gemeinsamen Unterricht teilgenommen. Bereits aus diesem Grunde bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die von der Tochter besuchte Schule sei darüber hinaus auf Grund des Ausbildungsschwerpunktes und der angebotenen und unterrichteten Fächer nicht mit einer österreichischen AHS zu vergleichen. Das Ziel, durch die Vermittlung einer umfassenden Allgemeinbildung ein Universitätsstudium zu ermöglichen, könne durch die Ablegung der Reifeprüfung an dieser Schule nicht erreicht werden. Ein Studium der Tochter an einer inländischen Universität sei auf Grund fehlender Unterrichts- und Reifeprüfungsfächer, vor allem "Deutsch", "Mathematik", u.a. ohne eine zusätzliche Ausbildung in Österreich, sofern überhaupt die Möglichkeit der Ablegung von Ergänzungsprüfungen bestehe, nicht möglich. Weiters komme hinzu, dass durch die Schwerpunktsetzung die Schule nur eingeschränkten Zielgruppen offen stehe und daher eine Vergleichbarkeit mit einer inländischen Schulausbildung nicht gegeben sei. Der Besuch der genannten Schule sei daher nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu qualifizieren.
Im Vorlageantrag habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, die Schule bereite ihre Schüler für alle Fakultäten vor, sowohl in Bosnien als auch in anderen Ländern, also auch in Österreich. Die deutsche Sprache sei als Muttersprache ihrer Tochter zu betrachten, denn diese habe in Österreich die Vor-, Volks-, Hauptschule und die erste Klasse der Höheren Bundeslehranstalt besucht. Sie habe von ihren zwanzig Lebensjahren dreizehn in Österreich verbracht. Tatsache sei, dass ihre Tochter drei Jahre als ordentliche Schülerin eine Schule mit Matura, die im Niveau mit jeder österreichischen Schule mit Matura oder woanders in Europa vergleichbar sei, besucht habe. Die Tochter habe die vierte Klasse als außerordentliche Schülerin abgeschlossen; im August 2006 habe sie die Reifeprüfung leider nicht geschafft, sie habe aber die Möglichkeit, diese im Jänner 2007 nachzuholen. Sie bereite sich hier in Österreich auf diese Prüfung vor.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und Wiedergabe von Rechtssätzen aus der hg. Rechtsprechung aus, zu prüfen sei, ob der Besuch der Schule als außerordentliche Schülerin als Absolvierung einer allgemeinen Schulausbildung im Sinne der in Österreich geltenden schulgesetzlichen Bestimmungen zu qualifizieren sei. Bei der Schule handle es sich um eine "Mittelfachschule-Religionschule". Diese Schule schließe mit der Reifeprüfung ab. Es sei ein Vergleich mit einer allgemein bildenden höheren Schule in Österreich, die ebenfalls mit Reifeprüfung abschließe, anzustellen. An Hand dieses Vergleiches sei das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer allgemeinen Schulausbildung der Tochter der Beschwerdeführerin zu überprüfen. Für die Qualifikation als allgemein bildende Schulausbildung sei unter anderem die Art der Ausbildung und deren Rahmen bestimmend. Nach dem Schulorganisationsgesetz liege ein schulischer Unterricht nur dann vor, wenn eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan durch Lehrer unterrichtet werde. Auch Privatschulen gälten als Schulen, wenn sie in einer derartigen Form Unterricht erteilten.
Die Tochter der Beschwerdeführerin sei an der Schule in der vierten Klasse als außerordentliche Schülerin eingeschrieben gewesen. Sie sei nur verpflichtet gewesen, zur Ablegung der Prüfungen zu kommen. Sie sei tatsächlich nur mehr zur Ablegung der Prüfungen nach Bosnien gefahren. An einem gemeinsamen Unterricht mit mehreren Schülern in der Schule habe sie nicht teilgenommen. Sie habe somit die Lerninhalte nicht gemeinsam mit anderen Schülern im Klassenverband und unter Anleitung von Lehrern erarbeitet. Damit könne von einer Schulausbildung nach den österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen nicht gesprochen werden.
Ein Vergleich der vermittelten Lehrinhalte in den österreichischen allgemein bildenden höheren Schulen und in der von der Tochter der Beschwerdeführerin besuchten Schule sei daher nicht mehr erforderlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Schulausbildung an der Schule entspreche nicht den Kriterien der österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen im Sinne einer Schulausbildung. Für die Tochter der Beschwerdeführerin habe keine Anwesenheitspflicht bestanden. Sie sei nur zur Ablegung der Prüfungen verpflichtet gewesen. Ihre Tochter habe ausreichend lange den Unterricht besucht und habe nur im letzten Jahr die Schule als außerordentliche Schülerin besucht. Auch darin sei eine Schulausbildung zu erblicken. Der Begriff Berufsausbildung sei nicht ausschließlich mit dem Begriff Unterricht zu verbinden, sondern es sei die Gesamtausbildung und das damit zusammenhängende Berufsziel zu beurteilen. Die Teilnahme an einem gemeinsamen Unterricht mit Schülern sei bei richtiger rechtlicher Beurteilung keinesfalls einzige Voraussetzung dafür, dass eine Schulausbildung nach den österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen vorliege. Vielmehr hänge es von der Qualität der Berufsausbildung ab. Die von der Tochter der Beschwerdeführerin besuchte Schule enthalte ein genau umrissenes Berufsziel, wobei nach einer gewissen Ausbildungsdauer Abschlussprüfungen vorgesehen seien.
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Zur Berufsausbildung gehört aber zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung. Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1993, 93/14/0100, vom 21. Jänner 2004, 2003/13/0157, vom 1. März 2007, 2006/15/0178, und vom 27. August 2008, 2006/15/0080).
Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG jedenfalls während der allgemeinen Schulausbildung in Österreich vorliegt. Da die Tochter der Beschwerdeführerin nicht in Österreich, sondern in Bosnien eine Schule besucht habe, sei ein Vergleich der besuchten Schule mit einer allgemein bildenden höheren Schule Österreichs anzustellen. Von einer Schulausbildung nach den österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen könne nur bei einem gemeinsamen Unterricht mit anderen Schülern durch Lehrer in einer bestimmten Unterrichtszeit gesprochen werden. Da die Tochter der Beschwerdeführerin an einem gemeinsamen Unterricht nicht teilgenommen habe, liege keine "Schulausbildung" vor.
Wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass bei einer Ausbildung an Schulen in Österreich die Schüler an einem Unterricht teilnehmen, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Um eine "Schulausbildung" annehmen zu können, muss es sich in der Regel um eine Ausbildung im Rahmen einer im weiteren Sinn als Schule ansprechbaren Einrichtung handeln, wozu mindestens die Erteilung von Unterricht an mehrere Schüler gehört. In diese Richtung weisen auch § 4 Z. 4 Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige und § 2 Privatschulgesetz. Da die Tochter der Beschwerdeführerin an einem Unterricht nicht teilgenommen hat, hat die belangte Behörde zutreffend keine "Schulausbildung" im Sinne der österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen angenommen.
Zur Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG zählt aber nicht nur die Ausbildung an einer Schule. Eine Ausbildung, die nach Art und Dauer die volle oder überwiegende Zeit der Teilnehmer beansprucht, vermittelt den Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die übrigen von der Rechtsprechung geforderten, oben angeführten Voraussetzungen erfüllt.
Von einer Berufsausbildung kann auch dann ausgegangen werden, wenn es in Österreich keinen "gesetzlich festgesetzten Ausbildungsweg" gibt (vgl. das zur Berufsausbildung zum Tonassistenten ergangene hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2001, 2000/14/0192). Selbst wenn für bestimmte Ausbildungsrichtungen oder Zweige eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. etwa die zum Besuch einer Maturaschule ergangenen hg. Erkenntnisse vom 16. November 1993, 90/14/0108 und vom 28. Jänner 2003, 2000/14/0093, sowie das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis vom 1. März 2007, 2006/15/0178). Die oben angeführten, von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG können also auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. Wittmann - Papacek, Kommentar zum Familienlastenausgleich, § 2, Seite 6 f).
Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass ihre Tochter ein Schuljahr nach den Vorschriften des Staates der ausländischen Schule erfolgreich abgeschlossen hat, indem sie zu verschiedenen Zeitpunkten mehrere vorgeschriebene Prüfungen abgelegt hat.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde zu Unrecht nicht auseinander gesetzt und keine Feststellungen über Art und Umfang der Lehrveranstaltungen getroffen, in denen die Tochter der Beschwerdeführerin Prüfungen mit Erfolg abgelegt hat, sowie über die Art und Weise der Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen. Ob die erfolgreiche Absolvierung einer Schulstufe an der von der Tochter besuchten Schule als Berufsausbildung im Sinne des FLAG anzusehen ist, kann daher noch nicht beurteilt werden.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. November 2008
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