VwGH 93/14/0100

VwGH93/14/01007.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des R in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 3. Mai 1993, Zl. 142/2-5/Nw-1993, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Normen

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Rückforderung für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 30. September 1992) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung, die sich gegen die Rückforderung von Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 30. September 1992 gerichtet hatte, mit der Begründung ab, die vom Sohn des Beschwerdeführers während dieses Zeitraumes - im Rahmen der aufgrund eines Schulungsvertrages erfolgenden Berufspilotenausbildung bei der AUA - absolvierten Kurse für das allgemeine Funkerzeugnis und den Privatpilotenschein stellten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar. Als solche könne nur eine Ausbildung angesehen werden, die für den Beruf spezifisch sei. Dies treffe aufgrund der durch den erwähnten Kurs erworbenen Berechtigung, die sich nur auf das unentgeltliche und nicht gewerbsmäßige Führen von Flugzeugen erstrecke, nicht zu. Der Kurs stelle keine berufstypische Ausbildung dar.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Abstandnahme von der Rückforderung der Familienbeihilfe für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis 30. September 1992 verletzt, behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1987, 87/13/0135). Der Besuch von im allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen kann dagegen nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist; darunter fällt z.B. der Besuch einer Fahrschule, einer Schischule oder eines Kurses zur Erlangung des Flugzeugführerscheines (vgl. Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, Seite 7 zu § 2).

Der Beschwerdeführer verweist darauf, daß der von der belangten Behörde herausgegriffene Zeitraum nur eine Phase der laut Schulungsvertrag mit der AUA zu absolvierenden kontinuierlichen, einheitlichen Berufspilotenausbildung darstelle und zwar einen unabdingbaren Teil dieser. Auch dieser gehöre daher zur Berufsausbildung.

Die belangte Behörde hat nicht bezweifelt, daß vom Sohn des Beschwerdeführers die Berufspilotenausbildung aufgrund des Schulungsvertrages mit der AUA ernstlich und nachhaltig betrieben wurde und betrieben wird. Zu solchen Zweifeln bot auch der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt.

In der Gegenschrift räumt die belangte Behörde ein, daß der Sohn des Beschwerdeführers seit Juli 1992 die Verkehrspilotenschule der AUA besuchte und ein Teil der Basisausbildung dieser Schule den Kurs für das allgemeine Funkerzeugnis und den Kurs für den Privatpilotenschein betreffe. Beide Ausbildungsteile sind notwendige Voraussetzung für die Fortführung der Ausbildung und Bestandteil der Gesamtausbildung. Der Schulungsvertrag bildet nach seinem Inhalt eine Einheit und erfaßt auch diese Basisausbildung.

Die Ansicht der belangten Behörde, der betreffende Teil der Berufspilotenausbildung stelle keine Berufsausbildung dar, ist unrichtig. Der Vergleich mit einer außerhalb eines vergleichbaren Schulungsverhältnisses betriebenen Ausbildung zum Privatpiloten - gleich wie etwa ein Lehrgang zum Erwerb des Führerscheins - ist verfehlt, weil nicht allein der Lehrinhalt für die Qualifikation als Berufsausbildung bestimmend ist, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Andernfalls müßte etwa auch dem Besuch von Schulen mit rein allgemeinbildendem Lehrinhalt die Qualität als Berufsausbildung aberkannt werden. Zur Berufsausbildung gehört aber zweifellos auch die allgemeinbildende Schulausbildung (Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6).

Entscheidend ist daher, ob der Besuch von im allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung ausgerichteten Veranstaltungen erfolgt (z.B. Führerscheinkurs, Privatpilotenkurs) oder, ob der Besuch von Veranstaltungen erfolgt, die im allgemeinen auf eine Berufsausbildung ausgerichtet sind, mag der Lehrplan auch stufenweise aufgebaut sein und mögen einzelne Stufen davon - aus dem Zusammenhang gelöst und für sich allein betrachtet - keine Berufsausbildung darstellen. Bei der Berufspilotenausbildung laut dem Schulungsvertrag mit der AUA handelt es sich um einen als Einheit zu betrachtenden, im allgemeinen auf eine Berufausbildung - nämlich den Beruf des Piloten - ausgerichtete Veranstaltung. Es ist daher unzulässig, einzelne Phasen herauszulösen und einer gesonderten Beurteilung auf ihre Eignung zur Berufsausbildung zu unterziehen.

Daran ändert der Umstand nichts, daß durch den Schulungsvertrag die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, das Schulungsverhältnis vorzeitig zu beenden; für diesen Fall ist im Schulungsvertrag Kostenersatz durch den Schüler an die AUA vorgesehen. Das Abbrechen einer Berufsausbildung kann nämlich von vornherein niemals mit Sicherheit ausgeschlossen werden. In solchen Fällen bleibt dem Schüler in der Regel das durch die Ausbildung erweiterte Wissen, das von ihm unter Umständen lediglich privat genutzt werden kann.

Entscheidend ist daher bloß, daß im jeweiligen anspruchsbegründenden Zeitraum die Berufsausbildung ernstlich und nachhaltig betrieben wird. Zweifel daran wurden aber weder im angefochtenen Bescheid noch in der Gegenschrift geäußert.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt und dadurch den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im Rahmen der Anfechtung aufzuheben war.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte