Ein wesentliches Kriterium der Schulausbildung ist der gemeinsame Unterricht
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/15/0050 eingebracht. Mit Erk. v. 18.11.2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Gabriele Soini-Wolf und die weiteren Mitglieder Dr. Ingrid Buchner-Viertl, Mag. Gottfried Warter und Ingrid Landauer über die Berufung der Berufungswerberin gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab 1. Juli 2005 nach der am 13. Dezember 2006 in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Bw hat im Jänner 2006 einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter E, geboren 1986, ab Juli 2005 gestellt. Ergänzend hat die Bw ausgeführt, dass die Tochter seit Juli 2005 ständig bei ihr in S, wohne und zwar seit dem Abschluss der dritten Klasse der Schule I, in V, Bosnien und Herzegowina. Die vierte Klasse besuche die Tochter als nicht ordentliche Schülerin dieser Schule, dh. sie bleibe in SF und werde zu dieser Schule gehen, um die Prüfungen abzulegen. Die erste von drei Prüfungen habe die Tochter bereits am 29.12.2005 abgelegt, die nächsten seien für Ende Jänner 2006 geplant.
Im März 2006 hat die Bw eine Bescheinigung der Schule I in V , Bosnien und Herzegowina, über die Einschreibung der Tochter in der vierten Klasse als außerordentliche Schülerin nachgereicht. Im April 2006 wurden der Originalpass der Tochter, ein Stundenplan, ein Jahreszeugnis vom 22.8.2005 und Bescheinigungen der Schule I vom 28.2.2006 und vom 3.10.2002 vorgelegt.
Ende Mai 2006 ist von Seiten des Finanzamtes ein Abweisungsbescheid mit nachstehender Begründung ergangen:
Die Tochter besuche seit September 2002 die Religionsschule I in V (Bosnien-Herzegowina) und absolviere die 4. Klasse angeblich als außerordentliche Schülerin. Die Tochter fahre laut den Angaben der Bw nur zu den Prüfungsterminen nach V . Laut vorgelegtem Stundenplan bestehe aber für verschiedene Fächer persönliche Anwesenheitspflicht, um Prüfungen überhaupt ablegen zu können. Durch diese Anwesenheitspflichtzeiten - außerhalb des Bundesgebietes - könne jedoch kein ständiger Aufenthalt mehr im Sinne des § 26 Abs. 2 BAO in Österreich vorliegen.
Gegen den Abweisungsbescheid hat die Bw Berufung eingebracht, gleichzeitig diverse Unterlagen (Bescheinigung der Schule I vom 13.6.2006, Auszüge aus dem Reisepass der Tochter, Protokoll über Klassenprüfungsablegung) vorgelegt und Folgendes ausgeführt:
Es sei nicht erkennbar woraus das Finanzamt schließe, dass laut vorgelegtem Stundenplan für verschiedene Fächer persönliche Anwesenheitspflicht bestehe und weshalb ausgeführt werde, dass die Tochter "angeblich" die 4. Klasse als außerordentliche Schülerin besuche. Das Finanzamt habe dies frei erfunden. Die Bw sei mit der Tochter zu den letzten Prüfungen von 4.6. bis 17.6.2006 nach Bosnien gefahren. Die Tochter habe die vierte Klasse absolviert und habe nun im August die Reifeprüfung abzulegen.
Im Zuge eines Vorhalteverfahrens wurde um Vorlage folgender Unterlagen ersucht: 1. Original-Abschlusszeugnis der 4. Klasse in beglaubigter Übersetzung, 2. Original-Reifeprüfungszeugnis in beglaubigter Übersetzung, 3. Bestätigung der besuchten Schule über die mit dem Reifeprüfungszeugnis erworbenen (Studien-)Berechtigungen in beglaubigter Übersetzung (wenn nicht aus dem Reifeprüfungszeugnis ersichtlich). Weiters wurde die Bw um Mitteilung darüber ersucht, welchen weiteren "Bildungs- bzw. Arbeitsweg" die Tochter nach Ablegung der Reifeprüfung gehen werde.
In Beantwortung dieses Vorhaltes hat die Bw Folgendes ausgeführt:
Bei den im Juni 2006 nachgereichten Unterlagen und der Bestätigung der Schule sei klar und deutlich zu sehen, dass die Tochter als außerordentliche Schülerin die vierte Klasse besucht habe und dass sie nur verpflichtet gewesen sei, zu den Prüfungsterminen zu kommen. Laut Verordnung der Schule habe sie nicht am Unterricht teilnehmen bzw. persönlich anwesend sein müssen. Sie habe sich für die Prüfungen in Saalfelden vorbereitet und sei nur zu den Prüfungen nach Bosnien gefahren (Protokoll über die Ablegung der Prüfungen liege dem Finanzamt vor, aus dem Reisepass sei zu sehen, wann sie gefahren sei). Die Reifeprüfung sei nach dem 20. August (23. August) geplant und wenn die Tochter diesen Termin schaffe, werde selbstverständlich das Originalabschlusszeugnis der vierten Klasse und Original-Reifeprüfungszeugnis in beglaubigter Übersetzung vorgelegt, obwohl dies unnötig sei, weil aus allen Unterlagen und Bestätigungen sehr deutlich zu sehen sei, dass die Tochter seit dem Abschluss der dritten Klasse als ordentliche Schülerin im Juni 2005 wieder ständig in Österreich sei und einen Anspruch auf Familienbeihilfe habe. Was jetzt Originalzeugnisse mit der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2005 bis jetzt zu tun habe, sei unklar. Was den weiteren Bildungs- bzw. Arbeitsweg der Tochter betreffe, würde das Finanzamt rechtzeitig informiert werden. Erstmal, wenn die Tochter die Matura schaffe, plane sie hier in Österreich zu studieren, wenn nicht, dann werde die Bestätigung des AMS "als arbeitssuchend" vorgelegt werden.
Eine Bescheinigung der Schule I vom 17.8.2006 über den Abschluss der vierten Klasse und das Nichtbestehen der Reifeprüfung, ein Jahreszeugnis vom 15.6.2006 wurden von der Bw vorgelegt.
Mit Berufungsvorentscheidung wurde die Berufung gegen den Abweisungsbescheid hinsichtlich des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Tochter E , geboren 1986 , ab Juli 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 hätten Personen, die im Bundesgebiet (der Republik Österreich) einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder ua. Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn diese Kinder das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und für einen Beruf ausgebildet würden. Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthalte das FLAG nicht. Zur Berufsausbildung gehöre aber unbestritten eine allgemeinbildende Schulausbildung, wobei zur Definition des Begriffes "Schulausbildung" die entsprechenden (österreichischen) Schulgesetze heranzuziehen seien. Unter Zugrundelegung der Bestimmungen des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962 idgF, würden als notwendige Kriterien einer Schulausbildung 1. ein gemeinsamer Unterricht bei gleichzeitiger Anwesenheit von Lehrern und Schülern und 2. die Gewähr, dass das Lernziel in einer bestimmten Zeit erreicht wird, gelten. Das Lernziel der (österreichischen) "Allgemeinbildenden Höheren Schulen" (AHS) sei die Vermittlung einer umfassenden und vertiefenden Allgemeinbildung und damit die Schaffung der für ein Universitätsstudium nötigen Voraussetzungen. Die AHS schließe mit der Matura bzw. Reifeprüfung ab. Die Reifeprüfung berechtige zum Studium an Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen, Akademien sowie zum Besuch spezieller höherer berufsorientierter Lehrgänge und Kollegs. Eine allgemeine Berufsausbildung im Sinne des FLAG liege im Übrigen auch immer nur dann vor, wenn die überwiegende Zeit für die Ausbildung verwendet werde, ein qualifizierter Abschluss erreicht werde und die Ausbildung als unabdingbar für die weitere Berufsausbildung anzusehen sei. Dazu komme, dass eine Ausbildung nicht nur einer eingeschränkten Zielgruppe offen stehen dürfe und somit eine allgemeine Zugangsbeschränkung nicht bestehen dürfe. Wie sich aus der Aktenlage ersehen lasse, habe die Tochter bis Juni 2006 die Schule I in V in der Republik Bosnien und Herzegowina besucht, wobei die Tochter nach dem Vorbringen der Bw die 4. Klasse (Schuljahr 2005/06) als außerordentliche Schülerin besucht habe. Bei dieser Schule handle es sich um eine Mittelfach-Religionsschule der "Islamischen Gemeinschaft" Bosnien und Herzegowina mit Ausbildungsschwerpunkt Islamischer Glaube und Recht. Wie exemplarisch aus dem vorgelegten Jahreszeugnis der 4. Klasse zu ersehen sei, werde in dieser Schule (naturgemäß) weder "Deutsch" unterrichtet noch würden Fächer wie "Mathematik" oder "Physik" bis zur 4. Klasse unterrichtet und seien daher auch nicht Gegenstand der Reifeprüfung. Übereinstimmung bestehe darin, dass E im Schuljahr 2005/06 nicht am gemeinsamen Unterricht teilgenommen habe. Das heiße aber, dass bereits aus diesem Grund - wie oben ausgeführt - nicht von einer den Anspruch auf Familienbeihilfe begründenden Schulausbildung gesprochen werden könne. Dazu komme, dass die von der Tochter besuchte Schule auf Grund des Ausbildungsschwerpunktes und der angebotenen und unterrichteten Fächer nicht mit einer österreichischen AHS zu vergleichen sei. Das Ziel - wie oben ausgeführt - durch die Vermittlung einer umfassenden Allgemeinbildung ein Universitätsstudium zu ermöglichen, könne auch durch die Ablegung der Reifeprüfung nicht erreicht werden. Ein Studium der Tochter an einer inländischen Universität sei bereits auf Grund fehlender Unterrichts- und Reifeprüfungsfächer, vor allem "Deutsch", aber auch "Mathematik" ua. ohne eine zusätzliche Ausbildung in Österreich (sofern hier überhaupt die Möglichkeit der Ablegung von Ergänzungsprüfung bestehe) nicht möglich. Hinzu komme auch, dass durch die Schwerpunktsetzung "Islamischer Glaube und Islamisches Recht" die Schule nur einer eingeschränkten Zielgruppe offen stehe und auch aus diesem Grund eine Vergleichbarkeit mit einer inländischen Schulausbildung nicht gegeben sei. Der Besuch der Schule in V sei daher nicht als Berufausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu qualifizieren.
Die Bw hat daraufhin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt und ergänzend ausgeführt:
Eine von diesen Schulen, die die Tochter besucht habe, sei im Jahr 1537 in Sarajevo gegründet worden und sei damit eine der ersten und besten Schulinstitutionen in Europa, die Schule, die in Kontinuität bis zum heutigen Tag unterrichte, alles, wie damals der Gründer der Schule gesagt habe: "es muss in dieser Schule alles was Zeit und Ort verlangen, unterrichtet werden!" Das heiße, dass diese Schule ihre Schüler für alle Fakultäten vorbereite, sowohl in Bosnien als auch in jedem anderen Land (also auch in Österreich). Genauso wie zB das Islamische Realgymnasium in Wien, aber auch alle anderen Schulen mit Matura. Durch eine gute Ausbildung sollten die Absolventen des Islamischen Realgymnasiums Wien in die Lage versetzt werden, eine Brücke zwischen den moslemischen und nicht moslemischen Mitbürgern zu bilden. Aus diesen Anlässen habe sich der Schulerhalterverein "Solmit-Solidarisch miteinander" vor einigen Jahren zum Ziel gesetzt, diese Schule zu gründen. Die Schule habe im Schuljahr 1999/2000 erstmals ihren Betrieb aufgenommen. Das Islamische Realgymnasium Wien wolle ein konstruktives Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen fördern und unterstützen. Die Absolventen hätten die Möglichkeit, alle weiterbildenden Einrichtungen, für die das Absolvieren einer Reifeprüfung vorausgesetzt werde (Universitäten, Fachhochschulen, Akademien, die islamische Religionspädagogische Akademie IRMA etc.) zu besuchen. Das Islamische Realgymnasium Wien sei eine Privatschule nach dem österreichischen Privatschulgesetz unter der Aufsicht der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Sie werde in Langform (8 Jahre) geführt. Nach Abschluss der Unterstufe könne auch die Schule gewechselt und die Oberstufe einer anderen Schule zB HAK, Handelsschule, Berufsschule besucht werden. Das Reifezeugnis werde staatlich anerkannt.
Die deutsche Sprache sei als Muttersprache der Tochter zu betrachten, denn sie habe in Österreich die Vor-, Volks- Hauptschule und die erste Klasse der Höheren Bundeslehranstalt besucht und habe von 20 Lebensjahren 13 in Österreich verbracht. Die Schüler der von der Tochter in Bosnien besuchten Schule hätten Zutritt fast zu jeder Universität dieser Erde (heute habe die Bw eine Information bekommen, wonach aus dieser Schule Studierende in Graz seien). Die Bw habe auch die Österreichische Hochschülerschaft besucht, um sich über das Studieren an der Universität zu informieren. Die Antwort sei gewesen, dass die Tochter selbstverständlich studieren könne und zwar was sie wolle. Aber es habe das Ganze damit nichts zu tun, ob die Tochter zu jeder Universität Zutritt habe oder ob sie überhaupt weiter studiere, denn Tatsache sei, dass die Tochter drei Jahre als ordentliche Schülerin eine Internatschule, eine Eliteschule, eine Schule mit Matura, eine Schule, die im Niveau mit jeder österreichischen Schule mit Matura oder woanders in Europa vergleichbar sei, besucht habe. Tatsache sei, dass E seit Mitte Juni ununterbrochen in Saalfelden sei und dass sie die vierte Klasse als außerordentliche Schülerin besucht und abgeschlossen habe, dass sie im August 2006 leider die Reifeprüfung nicht geschafft habe und dass sie die Möglichkeit habe, im Jänner 2007 die Prüfung nachzuholen und dass sie de facto noch nicht fertig sei. Also sei sie hier in Österreich, wo die Familie der Bw den Hauptwohnsitz habe, und bereite sich für die Maturaprüfung vor (2 von 5 Maturafächer, die sie im August nicht bestanden habe).
Nochmals erwähnt sei, dass der Abweisungsgrund im Erstbescheid eine "erfundene" Anwesenheitspflicht gewesen sei.
Weiters sei festgehalten, dass der Islam als Religion in Österreich anerkannt sei und dass in Österreich mehr als 300.000 Muslime leben würden, die als Religion den Islam hätten. Seit dem Schuljahr 1982/83 werde in Österreich Islamunterricht angeboten. Der Unterricht werde in deutscher Sprache gehalten. Inzwischen gebe es ca. 40.000 muslimische SchülerInnen, die in Österreich den islamischen Religionsunterricht besuchen würden und dabei von rund 350 LehrerInnen an ca. 2.700 Standorten betreut würden. Seit 1998 bestehe mit der Islamischen Religionspädagogischen Akademie eine eigene Institution für die Ausbildung der Fachkräfte. Kürzlich sei dazu noch das Islamische Religionspädagogische Institut mit der Aufgabe der Lehrerfortbildung hinzugekommen. Das Finanzamt hätte sich informieren müssen, dass die Tochter nach Abschluss der streitgegenständlichen Schule und mit diesem Abschlusszeugnis und Reifeprüfungszeugnis an den österreichischen Schulen unterrichten könne und zwar viel besser als die meisten von diesen Religionslehrern, die sehr schwach oder gar nicht Deutsch sprechen können, und der Unterricht in deutscher Sprache stattfinde.
Festzuhalten sei auch, dass beispielsweise laut dem Stundenplan der HBLA von fünf Jahren Physik nur im dritten Jahrgang als Lernfach aufscheine.
Abschließend wird eine Entscheidung durch den Senat beantragt.
Hiezu wurde erwogen:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Die im Familienlastenausgleichsgesetz verwendeten Begriffe "minderjährig" und "volljährig" sind nach den zivilrechtlichen Bestimmungen auszulegen. Demnach sind Kinder, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, minderjährig (§ 21 ABGB). Bei Ausländern richtet sich die Erlangung der Volljährigkeit nach den Rechtsvorschriften des Heimatlandes (§ 79 BAO, § 33 ABGB). (Vgl. Sailer/Bernold/Mertens, die Lohnsteuer in Frage und Antwort, S. 1004).
In der Republik Bosnien und Herzegowina wird das Kind - ebenso wie in Österreich - mit der Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig (vgl. OGH vom 15.3.2005, OGH 1 Ob 7/05v).
Die Tochter der Bw ist 1986 geboren und hat demnach das 18. Lebensjahr 2004 vollendet. Sie war daher im Juli 2005 bereits volljährig, sodass § 2 Abs. 1 lit. b FLAG tatsächlich zur Anwendung kommt.
Das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 enthält keine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung". Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter den Begriff aber jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. (zB. VwGH vom 18.11.1987,87/13/0135, vom 23.10.1990, 87/14/0031, 7.9.1993, 93/14/0100, und vom 26.6.2001, 2000/14/0192).
Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. (ZB VwGH vom 13.3.1991, 90/13/0241, und vom 16.11.1993, 90/14/0108).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Andernfalls müsste etwa auch dem Besuch mit rein allgemein bildendem Lehrinhalt die Qualität als Berufsausbildung aberkannt werden. Zur Berufsausbildung gehört aber zweifellos auch die allgemein bildende Schulausbildung. (Vgl. VwGH vom 7.9.1993, 93/14/0100).
Eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 liegt also jedenfalls während der allgemeinen Schulausbildung vor. (Vgl. Sailer-Bernold-Mertens, die Lohnsteuer in Frage und Antwort, S. 1005).
Im gegenständlichen Fall stellt sich nun nach Ansicht des Berufungssenates konkret die Frage, ob bei Besuch der Schule I in V , Bosnien und Herzegowina, als außerordentlicher Schülerin eine Absolvierung einer allgemeinen Schulausbildung im Sinne der in Österreich geltenden schulgesetzlichen Bestimmungen anzunehmen ist.
Grundsätzlich ist dazu festzuhalten, dass in Österreich eine Schulpflicht für alle Kinder besteht, die sich in Österreich dauernd aufhalten. Diese beginnt mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden September. Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre. Ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr kann die Volksschule im Rahmen der Unterrichtspflicht von jedem Kind besucht werden und sie umfasst vier Schulstufen (Grundbildung). Nach der Volksschule wird vier Jahre lang eine Allgemeinbildende Höhere Schule oder die Hauptschule besucht (Sekundarbildung Unterstufe). Nach dem Abschluss der achten Schulstufe besteht die Auswahl zwischen vier großen Schulrichtungen: Allgemeinbildender Höherer Schule Oberstufe, Berufsbildender Höherer Schule, Berufsbildender Mittlerer Schule und Polytechnischer Schule mit anschließender Berufsschule (Sekundarbildung Oberstufe). Die Berufsbildende Höhere Schule und die Allgemeinbildende Höhere Schule schließen mit der Reifeprüfung ab, die zum Besuch von Universitäten, Fachhochschulen, Akademien und Kollegs berechtigt (tertiäre Bildung).
Zum Bildungswesen in Bosnien-Herzegowina ist dem Internet zu entnehmen, dass ebenfalls drei Bildungsstufen vorhanden sind, nämlich die Grundschulen (acht Jahre), die weiterführenden Schulen (vierjährige Dauer, wobei der vierjährige Besuch zum (Fach-)Abitur führt) und die Hochschulen. Der Besuch der Grundschule ist für alle Kinder zwischen sieben und fünfzehn Jahren gesetzlich verbindlich. Im Bereich der weiterführenden Schulen unterscheidet man in Bosnien-Herzegowina vier Schularten: Gymnasien, Mittelschulen (berufsbildend bzw. auf das Fachabitur vorbereitend), Kunstschulen (für Musik, Religion und bildende Kunst) und Pädagogische Seminare für die erzieherischen Berufe. Der Schulabschluss berechtigt zum (Fach-)Studium an einer höheren Schule, Hochschule oder Akademie.
Im Bereich der Stadt V , Bosnien-Herzegowina, gibt es laut einer Internetabfrage nachstehende weiterführende Schulen:
- I Madrassa , errichtet 1838
- R, errichtet 1870, geschlossen 1879
- F, in V seit 1900
- Erstes Gymnasium, errichtet 1960
- H, errichtet 1960.
Nach einer im Akt aufliegenden Bestätigung der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Schule I , vom 3.10.2002 handelt es sich bei dieser Schule um eine Mittelfachschule-Religionsschule.
Zur Tatsache, dass es sich bei der von der Tochter der Bw besuchten Schule I um eine "Islamschule" handelt ist festzuhalten, dass der Islam seit 1912 in Österreich zu den gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften zählt und mit der Anerkennung ua. das Recht auf Errichtung konfessioneller Privatschulen und Erteilung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen verbunden ist. So gibt es in Österreich auch das Islamische Gymnasium Wien mit konfessionellem Status und Öffentlichkeitsrecht. Weiters gibt es auf Hochschulebene die Islamische Religionspädagogische Akademie in Wien.
Es ist somit an dieser Stelle festzuhalten, dass tatsächlich ein Vergleich zwischen der von der Tochter Emina besuchten Schule I , die nach den Ausführungenzum Bildungswesen in Bosnien und Herzegowina in Übereinstimmung mit den Angaben derBw mit Reifeprüfung abschließt, und einer allgemein bildenden höheren Schule Oberstufe bzw. einer Berufsbildenden höheren Schule in Österreich, die ebenfalls mit Reifeprüfung abschließen, anzustellen und anhand dieses Vergleiches das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer allgemeinen Schulausbildung im Falle der Tochter E zuüberprüfen ist. Die österreichischen Schulen, welche die Sekundarbildung (Oberstufe) vermitteln, sind grundsätzlich im Schulorganisationsgesetz (SchOG) geregelt.
Für die Qualifikation als Berufsausbildung bzw. im vorliegenden Fall konkret als allgemein bildende Schulausbildung ist nun- wie bereits ausgeführt - ua. die Art der Ausbildung und deren Rahmen bestimmend und es ist diesbezüglich dem österreichischen Schulorganisationsgesetz Folgendes zu entnehmen:
Nach § 2 Abs. 1 SchOG hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.
Überwiegende Aufgabe der österreichischen Schulen ist die Mitwirkung an der Entwicklung der Anlagen der Jugend durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsgang entsprechenden Unterricht. Ein schulischer Unterricht liegt nur dann vor, wenn eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan durch Lehrer unterrichtet werden. So gelten auch Privatschulen als Schulen, wenn sie in einer derartigen Form Unterricht erteilen (§ 2 PrivatschulG). Der notwendige Unterricht mit fester Unterrichtszeit nach einem bestimmten Lehrplan gewährleistet somit, in einer bestimmten Zeit das gesetzte Unterrichtsziel zu erreichen. Schule und Unterricht sind daher zwei Begriffe, die miteinander untrennbar verbunden sind. Eine schulische Ausbildung liegt daher nur dann vor, wenn diese Ausbildung in Form eines Unterrichts durch Lehrer in einer bestimmten Unterrichtszeit erfolgt. Bei einem Fernunterricht fehlt es an dem notwendigen gemeinsamen Unterricht.
Die Tochter der Bw ist an der Schule Osman-ef.Redzovic in der vierten Klasse als außerordentliche Schülerin eingeschrieben und war als solche nach einer Bescheinigung der Schule vom 13.6.2006 verpflichtet, nur zur Ablegung der Prüfungen zu kommen. Nach Angaben der Bw ist die Tochter tatsächlich nur mehr zur Ablegung der Prüfungen nach Bosnien gefahren und dieser Sachverhalt wird auch von Seiten des Finanzamtes nicht bestritten. Die Tochter der Bw hat also an einem gemeinsamen Unterricht mit mehreren Schülern in der Schule I nicht teilgenommen, sie hat die Lerninhalten somit nicht gemeinsam mit anderen Schülern im Klassenverband und unter Anleitung von Lehrern an der Schule I erarbeitet. Es kann damit von einer Schulausbildung nach den österreichischen schulgesetzlichen Bestimmungen, welche als ein wesentliches Kriterium einer Schulausbildung den gemeinsamen Unterricht (Sozialphase) vorsieht, nicht gesprochen werden.
Ein Vergleich der in den österreichischen allgemeinbildenenden bzw. berufsbildenden höheren Schulen und der Schule I vermittelten Lehrinhalte ist daher nicht mehr erforderlich, da die Nichtteilnahme der Tochter an einem gemeinsamen Unterricht einer Anerkennung als allgemeine Schulausbildung entgegensteht. Es besteht somit ab Juli 2005 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die Berufung gegen den Abweisungsbescheid betreffend den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind E ab Juli 2005 war daher aufgrund der vorstehenden Überlegungen abzuweisen.
Salzburg, am 14. Dezember 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | allgemeine Schulausbildung, gemeinsamer Unterricht |