VwGH 2006/06/0237

VwGH2006/06/023728.11.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, in der Beschwerdesache der O L in G, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 13/III, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 31. Juli 2006, Zl. 044685/2004 - 12, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: H K in G, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig in Graz, Keesgasse 7/II), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §52;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 18. September 2003, Zl. 2003/06/0052, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin als Nachbarin eine der mitbeteiligten Partei (kurz: Bauwerber) erteilte baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues zu einem bestehenden Wohnhaus und zu Geländeveränderungen auf einem Grundstück in G bekämpft. Der im ersten Rechtsgang ergangene (die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 28. November 2002 abweisende) Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 24. Februar 2003 wurde mit dem eingangs genannten Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil die belangte Behörde in Verkennung des Vorbringens der Beschwerdeführerin die Frage der gefahrlosen Beseitigung der Niederschlagswässer nicht geprüft hatte (die Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, dass im Hinblick auf eine projektgemäß unzureichende Ableitung der Niederschlagswässer deren gefahrlose Beseitigung nicht gewährleistet sei, weil sich daraus Hangrutschungen ergeben könnten).

Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren trug die belangte Behörde dem Bauwerber auf, geeignete, von einem befugten Sachverständigen einschlägiger Fachrichtung erfasste Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergebe, ob es durch eine projektgemäß unzureichende Ableitung der Niederschlagswässer bzw. durch den Mangel ihrer gefahrlosen Beseitigung zu Hangrutschungen kommen könne oder nicht, bzw. welche (zusätzliche) Maßnahmen zu treffen wären, um eine zureichende und gefahrlose Ableitung der Niederschlagswässer und die Hintanhaltung von Hangrutschungen zu gewährleisten. Der Bauwerber legte hierauf ein hydrogeologisches Gutachten der A. Ziviltechniker GesmbH vom 3. März 2004 vor. Die Beschwerdeführerin äußerte sich ablehnend und ebenso ablehnend zu einer ergänzenden sachverständigen Äußerung vom 16. März 2005.

Hierauf hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 28. November 2002 (abermals) als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Soweit für das Beschwerdeverfahren insbesondere relevant, kam die belangte Behörde (zusammengefasst) zum Ergebnis, dass auf Grund des vom Bauwerber vorgelegten Gutachtens samt ergänzender Äußerung die Beschwerdeführerin im geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht auf gehörige Ableitung der Niederschlagswässer nicht verletzt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 wurden bereits im eingangs genannten Vor-Erkenntnis vom 18. September 2003, Zl. 2003/06/0052, wiedergegeben (im Beschwerdefall ist gemäß den Übergangsbestimmungen zur Novelle LGBl. Nr. 78/2003 - § 119d BauG -

die Rechtslage vor dieser Novelle maßgeblich).

Die Beschwerdeführerin macht abermals geltend, dass es an einem gesicherten Zugang zur Liegenschaft des Bauwerbers mangle und die höchstzulässige Bebauungsdichte überschritten werde, räumt aber ein, dass ihr diesbezüglich keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte zukämen. Daraus folgt allerdings, dass auf dieses Vorbringen hier nicht weiter einzugehen ist.

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerdeführerin geltend, die Baubehörde habe "die Einhaltung der Grundgrenzen durch den Bauwerber nicht überwacht", womit sich die Frage stelle, wie die belangte Behörde überhaupt zuverlässig die Einhaltung der baugesetzlichen Abstandsvorschriften habe feststellen können. Abgesehen davon, dass das Vorbringen in diesem Zusammenhang offen lässt, ob die Beschwerdeführerin damit eine Verletzung der Abstandsvorschriften zu ihrem Grundstück geltend macht, ist schon deshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen, weil die unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG in der damals geltenden Fassung zur Bauverhandlung geladene Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig eine derartige Verletzung von Abstandsvorschriften zu ihrem Grundstück geltend gemacht hat.

Zu der im Beschwerdefall weiterhin maßgeblichen Frage einer gefahrlosen Beseitigung der Niederschlagswässer bedurfte es im fortgesetzten Verfahren eines entsprechenden Sachverständigenbeweises.

§ 52 AVG regelt, wie die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige zu erfolgen hat. Es fällt auf, dass die belangte Behörde zur Klärung der strittigen Frage nicht nach § 52 AVG vorgegangen ist, also weder einen Amtssachverständigen herangezogen noch einen nicht amtlichen Sachverständigen (bescheidmäßig) bestellt und beeidet hat, und auch nicht begründet hat, weshalb sie dies unterlassen hat, sondern sich vielmehr mit einem vom Bauwerber vorgelegten Privatgutachten samt Ergänzung begnügt hat.

Werden nun nicht nach Maßgabe des § 52 AVG Amtssachverständige oder von der Behörde bestellte sonstige Sachverständige herangezogen, sondern Gutachten anderer Sachverständiger ("Privatgutachten") von einer Partei vorgelegt, so sind diese einer Überprüfung durch Sachverständige im Sinne des § 52 AVG zu unterziehen, wobei gegebenenfalls dann aber nicht noch ein (zusätzliches) Gutachten eines Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG notwendig ist (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 2005, Zl. 2003/05/0099, und vom 31. März 2005, Zl. 2002/05/0751, jeweils unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 98/04/0242, in dem betont wird, dass der Sachverständige ein Hilfsorgan des erkennenden Verwaltungsorganes ist, das als solches im Verwaltungsverfahren den Parteien gegenübersteht; in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl. 2005/06/0147, zum Stmk. BauG). Diese Überprüfung unterblieb aber, was im Beschwerdefall einen wesentlichen Verfahrensmangel begründete (zumal sich die Beschwerdeführerin gegen die Berücksichtigung des vorgelegten Gutachtens und der Ergänzung ausgesprochen hatte), wobei es in diesem Zusammenhang (unterbliebene Überprüfung des Privatgutachtens durch einen Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG) nicht angeht, die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, sie hätte ja selbst ein Privatgutachten zur Untermauerung ihres Standpunktes beibringen können, weil es an einer entsprechenden Überprüfung durch die Behörde mangelte.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war. Die Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen (angesprochen wird Umsatzsteuer), wie ebenfalls schon im Vor-Erkenntnis näher dargelegt.

Wien, am 28. November 2006

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