VwGH 2003/06/0052

VwGH2003/06/005218.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der O L in G, vertreten durch Dr. Hanspeter Pausch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 13/3, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 24. Februar 2003, Zl. A 17 - 6809/2002 - 1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: H K in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z5;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §65 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z5;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §65 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 28. November 2002 wurde der mitbeteiligten Partei (kurz: Bauwerber) die Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues zu einem bestehenden Wohnhaus und zu Geländeveränderungen auf einem Grundstück in Graz mit einer Reihe von Vorschreibungen erteilt; die Einwendungen der Beschwerdeführerin (als Nachbarin) wurden hinsichtlich der Entsorgung der Niederschlagswässer als unbegründet abgewiesen, im Übrigen aber teils zurückgewiesen und teils auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die (rechtsfreundlich vertretene) Beschwerdeführerin mit ihrem umfangreichen Vorbringen lediglich hinsichtlich der Ableitung der Niederschlagswässer ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend mache (gemeint nach dem Zusammenhang: mit ihren Einwendungen im Verfahren in erster Instanz geltend gemacht habe), ihr im Übrigen hingegen, soweit es sich nicht überhaupt um privatrechtliche Einwendungen handle, kein Mitspracherecht zukomme.

Im Berufungsvorbringen werde lediglich die mangelnde Bauplatzeignung, eine unrichtige Dichteberechnung und der mangelnde Zugang (Zufahrt) geltend gemacht; es seien dies Gesichtspunkte, hinsichtlich derer einem Nachbarn gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG) kein Mitspracherecht zukomme. Der Verwaltungsgerichtshof habe schon in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0199, zu Recht erkannt, dass dem Nachbarn mangels Aufzählung im taxativen Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG (unter anderem) kein Mitspracherecht hinsichtlich befürchteter Rutschungen und auch nicht hinsichtlich der Frage zukomme, ob das Grundstück über eine rechtlich gesicherte Zufahrt verfüge. In ständiger Rechtsprechung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0112) erkenne der Verwaltungsgerichtshof zu Recht, dass Fragen der Dichte kein Nachbarrecht berührten. Damit sei aber schon über das Schicksal der Berufung entschieden: Da sie keinerlei Vorbringen enthalte, welches ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne des Stmk. BauG zum Gegenstand habe, sei sie ohne weitere Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt als unbegründet abzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  3. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

    Gemäß § 65 Abs. 1 leg. cit. ist bei baulichen Anlagen eine einwandfreie Entsorgung der anfallenden Abwässer und Beseitigung der Niederschlagswässer auf Bestandsdauer sicherzustellen. Dafür erforderliche Anlagen sind so anzuordnen, herzustellen und instandzusetzen, dass sie betriebssicher sind und Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen.

    Soweit die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid aus dem Gesichtspunkt einer (möglichen) Überschreitung der höchstzulässigen Dichte sowie auch der mangelnden Zufahrt bekämpft, ist ihr zu entgegnen, dass § 26 Abs. 1 Stmk. BauG dem Nachbarn kein Recht auf Einhaltung der im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Dichte einräumt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, Zl. 2003/06/0051, unter Hinweis auf Vorjudikatur), und dem Nachbarn auch hinsichtlich des Erfordernisses einer rechtlich gesicherten Zufahrt zu dem zu bebauenden Grundstück ebenfalls kein Mitspracherecht zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0199, und vom 31. Jänner 2002, Zl. 2001/06/0142). Soweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen zur Bebauungsdichte in Zweifel zieht, dass das gesamte zu bebauende Areal als Bauland gewidmet sei, ist ihr zu entgegnen, dass ihr auch diesbezüglich nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zukommt, aus demselben Grund ebenso wenig hinsichtlich der behaupteten mangelnden Bauplatzeignung (Rutschungen) schlechthin (zu Rutschungen vgl. auch das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0199, zur Tragfähigkeit des Untergrundes das ebenfalls bereits genannte hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, Zl. 2003/06/0051).

    Allerdings ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den befürchteten Rutschungen differenziert zu sehen: Sie hat im Verwaltungsverfahren (zusammengefasst) unter anderem rechtzeitig vorgebracht, schon in der Vergangenheit seien beim Grundstück des Bauwerbers nach Geländeveränderungen (Anschüttungen) massive Hangrutschungen zu ihrem Nachteil aufgetreten (was durch Lichtbilder dokumentiert wurde), was auf eine mangelhafte (unzureichende) Entwässerung zurückzuführen gewesen sei. Gleichermaßen seien auch bei der nunmehrigen Bauführung solche Rutschungen zu befürchten, zumal auch die vorgesehene Ableitung der Niederschlagswässer unzureichend sei. Gemäß § 26 Abs. 1 Z 5 iVm § 65 Abs. 1 Stmk. BauG kommt dem Nachbarn aber ein Mitspracherecht hinsichtlich der gefahrlosen Beseitigung der Niederschlagswässer zu (was die belangte Behörde auch bejaht hat). Folgte man dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wäre hier im Hinblick auf eine projektgemäß unzureichende Ableitung der Niederschlagswässer deren gefahrlose Beseitigung nicht gewährleistet, weil sich daraus Hangrutschungen ergeben könnten. Dieser Aspekt wird auch im Berufungsvorbringen zur (behaupteten) "mangelnden Bauplatzeignung" angeschnitten. Die belangte Behörde hat somit den Inhalt des Berufungsvorbringens verkannt, indem sie annahm, die Beschwerdeführerin mache insofern nur die mangelnde Bauplatzeignung (schlechthin) geltend, nicht aber auch eine nicht gehörige Ableitung der Niederschlagswässer. Dieses Verkennen des Inhaltes des Berufungsvorbringens hatte wiederum zur Folge, dass sich die belangte Behörde mit diesem Aspekt (gehörige Ableitung der Niederschlagswässer) nicht befasste. Dadurch belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

    Dies konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG ohne Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung erfolgen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil Schriftsatzaufwand nur einmal gebührt (daher nicht auch nochmals für die Replik), und zusätzlich zum Schriftsatzaufwand nicht auch Mehrwertsteuer

    zuzuerkennen ist (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697, wiedergegebene hg. Judikatur).

    Wien, am 18. September 2003

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