Normen
BDG 1979 §95 Abs2;
HDG 2002 §5 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwRallg;
ZPO §268;
BDG 1979 §95 Abs2;
HDG 2002 §5 Abs2;
EMRK Art6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwRallg;
ZPO §268;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die XY. Jägerkompanie des Jägerbataillons AB in X.
Mit Urteil des Landesgerichts XY vom 29. November 2002 wurde
der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe
"am 26.5.2002 im Raum D)
1) als Gruppenkommandant im Auslandseinsatz seinen Untergebenen Korporal V in einer die Menschenwürde verletzenden Weise behandelt, indem er, ohne auch nur dessen konkludente Zustimmung zu haben, dessen Geschlechtsteil betastete und
2) unmittelbar nach der unter 1) angeführten Tat V durch die Äußerung 'Du wirst große Probleme haben, wenn du mit jemandem darüber sprichst!', sohin durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Anzeigenerstattung genötigt." (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1) das Vergehen der entwürdigenden Behandlung nach dem § 35 Z. 1 MilStG und zu 2) das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB begangen und wurde unter Bedachtnahme auf § 28 StGB gemäß dem § 35 MilStG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten und gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Der dagegen vom Beschwerdeführer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht XZ mit Urteil vom 30. April 2003 Folge, hob das Urteil des Landesgerichts XY vom 29. November 2002 in seinem schuldig sprechenden Teil zur Gänze auf und sprach den Beschwerdeführer von der gegen ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z. 3 StPO frei.
Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass in dem vom Erstgericht hinsichtlich des Faktums 1) festgestellten sexualbezogenen zurückgewiesenen Annäherungsversuch noch kein dem im Art. 3 EMRK statuierten Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gegenüber dem Untergebenen und Rangniederen zu erblicken gewesen sei. Hiezu hätte qualifizierend hinzutreten müssen, dass dem Betroffenen eine seine Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Missachtung als Person, insbesondere das Recht auf Behandlung als Person schlechthin abgesprochen werde oder er als minderwertiger Mensch oder wertloser Teil der Gesamtbevölkerung behandelt werde. Davon könne jedoch keine Rede sein. Daher sei das Tatbild des § 35 Z. 1 MilStG nicht erfüllt.
Hinsichtlich des Faktums 2) führte das Berufungsgericht aus, die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Ankündigung, V werde "große Probleme" haben, wenn er mit jemandem anderen über den Vorfall spreche, könne auch den Aufwand für V, von ihm gegen den Beschwerdeführer erhobene Anschuldigungen zu plausibilisieren, betreffen. Zur Lösung der Rechtsfrage, ob dem Verhalten des Beschwerdeführers objektiv die Eignung einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 74 Z. 5 StGB zukomme, hätte es entsprechender konkretisierender Feststellungen über den Sinn und die Tragweite der Äußerung bedurft. Eine mängelfreie Feststellung dieses Tatbestandserfordernisses sei nicht zu erwarten, weshalb das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung durch Freispruch in der Sache entscheide.
Nach Erlassung des Einleitungsbeschlusses vom 10. Juli 2002 und des Verhandlungsbeschlusses vom 31. Juli 2003 durch die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung führte diese Behörde am 1. Oktober 2003 eine mündliche Verhandlung durch und erkannte den Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 1. Oktober 2003 für "nicht schuldig seine Dienstpflichten dadurch verletzt zu haben, dass er: während seiner Auslandsverwendung bei AU/ KFOR am 26. Mai 2003 einen Untergebenen, den Kpl V in einem gemeinsamen Zelt, gegen seinen Willen unter Ausnutzung seiner Stellung als Vorgesetzter, sexuell belästigt hat".
Diese Entscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, die Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung nehme "als erwiesen an", dass der Beschwerdeführer am 26. Mai 2002 während seiner Auslandsverwendung bei AU/ KFOR seinen Untergebenen Kpl V in einem gemeinsamen Zelt "nicht sexuell belästigt hat". Auf Grund der Beschuldigtenbefragung und der Verwendung der im Akt aufliegenden und bekannten Niederschriften und Stellungnahmen habe vom erkennenden Senat die eindeutige Schuld des Beschwerdeführers nicht erwiesen werden können.
Dagegen erhob der Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Landesverteidigung Berufung. Der Beschwerdeführer bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Dezember 2003 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Akten verlesen wurden, der Berufung des Disziplinaranwaltes statt und erkannte den Beschwerdeführer für
"schuldig: Er hat während seiner Auslandsverwendung als Gruppenkommandant bei AU/ KFOR am 26. Mai 2003 im Raum D den Kpl V in einem gemeinsamen Zelt, gegen seinen Willen sexuell belästigt".
Dadurch habe der Beschwerdeführer gegen die Bestimmung des § 43 Abs. 2 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) verstoßen und eine Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG 1994 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 50 Z. 3 HDG 1994 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.900,-- verhängt und ihm Verfahrenskosten auferlegt.
Der angefochtene Bescheid wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass der Freispruch durch das Oberlandesgericht XZ auf Grund des § 259 Z. 3 StPO erfolgt sei, jedoch nicht näher präzisiert worden sei, auf Grund welcher litera dieser Bestimmung der Freispruch erfolgt sei. In der Berufungsverhandlung des Oberlandesgerichtes sei das Tatsächliche des Falles vorgetragen worden und keine über jene des Gerichts erster Instanz hinausgehenden oder einschränkenden Feststellungen getroffen worden. Dies lasse den Schluss zu, dass das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes unangetastet gelassen habe.
Gemäß § 5 Abs. 2 HDG 1994 sei die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteiles zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Die Bestimmung stelle nicht nur auf Verurteilungen ab, sondern ganz allgemein auf einen rechtskräftigen Spruch, sie erfasse auch Freisprüche. Die Bindungswirkung sei aber nur an jene Tatsachenfeststellungen gegeben, die dem Spruch zu Grunde gelegt worden seien. Aus § 5 Abs. 2 HDG 1994 ergebe sich keinesfalls eine Bindungswirkung in dem Sinne, dass ein strafgerichtlicher Freispruch immer auch einen disziplinären Freispruch nach sich ziehen müsse. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die strafrechtliche und die disziplinäre Verantwortlichkeit eine in weiten Bereichen verschiedene Zielrichtung hätten. § 5 Abs. 1 HDG 1994 sehe sogar für den Fall einer gerichtlichen (oder verwaltungsbehördlichen) Verurteilung eine eigene disziplinarrechtliche Würdigung vor, wobei ein Absehen von der (weiteren disziplinarrechtlichen) Verfolgung nur dann zulässig sei, wenn sich die Pflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpfe und anzunehmen sei, dass eine Disziplinarstrafe nicht erforderlich sei, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1980, Zl. 2073/79, Slg. Nr. 10.008/A, zu § 95 BDG 1979).
Der Freispruch sei im vorliegenden Fall nur von der Tatbestandsmäßigkeit eines gerichtlich strafbaren Verhaltens erfolgt und habe keine Folgen für den vom Gericht festgestellten Sachverhalt. Es folgt eine Begründung der Strafbemessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 27. September 2005, B 232/04, abgelehnte, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene und nach Aufforderung vom Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde, in der dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des § 5 des Heeresdisziplinargesetzes 2002, BGBl. I Nr. 167, (entspricht § 5 HDG 1994) lautet:
"Zusammentreffen strafbarer Handlungen mit Pflichtverletzungen
§ 5. (1) Stellt eine gerichtlich oder verwaltungsbehördlich
strafbare Handlung zugleich eine Pflichtverletzung dar, so ist von
der disziplinären Verfolgung abzusehen, wenn
1. dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen
möglich ist und
2. der Pflichtverletzung ausschließlich der für einen
gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestand maßgebende Sachverhalt zu Grunde liegt.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteiles zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden. Diese Behörde darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht im Urteil als nicht erwiesen angenommen hat.
(3) Hat die Disziplinarbehörde Strafanzeige erstattet oder
hat sie sonst Kenntnis von einem anhängigen strafgerichtlichen
Verfahren, so ist ein Disziplinarverfahren zu unterbrechen, bis
1. die Mitteilung des Staatsanwaltes über die
Zurücklegung der Strafanzeige beim Disziplinarvorgesetzten
eingelangt ist oder
2. das strafgerichtliche Verfahren rechtskräftig
abgeschlossen oder, wenn auch nur vorläufig, eingestellt worden ist.
(4) Während der Unterbrechung eines Disziplinarverfahrens nach Abs. 3 darf die Disziplinarbehörde den Sachverhalt im Einvernehmen mit der für das strafgerichtliche Verfahren jeweils zuständigen Behörde weiter ermitteln. Nach Beendigung der Unterbrechung ist das Disziplinarverfahren in erster Instanz binnen sechs Monaten abzuschließen.
(5) Pflichtverletzungen, die zugleich eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare und mit nicht mehr als zweijähriger Freiheitsstrafe bedrohte Handlung darstellen, sind, falls die Bestimmung des Abs. 1 nicht Platz greift, ohne Unterbrechung des Disziplinarverfahrens unverzüglich disziplinär zu ahnden. In diesem Fall hat der Disziplinarvorgesetzte des Beschuldigten die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie dessen Einstellung oder rechtskräftigen Abschluss dem Staatsanwalt mitzuteilen. Die Mitteilung der Einleitung tritt an die Stelle der Strafanzeige."
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde im vorliegenden Fall zu Unrecht eine Bindung an ihn belastende Feststellungen der Gerichtsentscheidungen angenommen habe.
Der belangten Behörde ist zwar durchaus beizupflichten, dass die Bindungswirkung des § 5 Abs. 2 HDG 2002 nicht bedeutet, dass ein bestimmtes Verhalten, das zu keiner gerichtlichen Verurteilung geführt hat, nicht zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gemacht werden dürfte. Auch ein gerichtlicher Freispruch wegen eines bestimmten Verhaltens steht der rechtlichen Würdigung desselben Verhaltens unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl. 95/09/0262, zu § 5 Abs. 2 HDG 1985 und die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der mit dieser Bestimmung inhaltsgleichen Vorschrift des § 95 Abs. 2 BDG 1979, etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, und vom 3. Juli 2000, Zl. 2000/09/0006, mwN).
Der belangten Behörde war es daher grundsätzlich auch durch den mit dem Urteil des Oberlandesgerichts XZ vom 30. April 2003 erfolgten Freispruch nicht verwehrt, den Beschwerdeführer wegen des Vorfalls am 26. Mai 2002 zur disziplinären Verantwortung zu ziehen. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall aber verkannt, dass sie in der gegebenen Verfahrenskonstellation nicht ohne Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch sie selbst in einem ordnungsgemäßen Verfahren bei Wahrung des Parteiengehörs und der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangen durfte, dass der Beschwerdeführer die von ihr angenommene Dienstpflichtverletzung begangen habe. Eine Bindung an einen vom Landesgericht XY oder vom Oberlandesgericht XZ festgestellten Sachverhalt durfte die belangte Behörde insofern nicht annehmen.
Zwar besteht nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 HDG 2002 eine Bindung auch an gerichtliche Tatsachenfeststellungen, die in Freisprüchen enthalten sind. Diese Bindungswirkung ist aber nur hinsichtlich jener Tatsachenfeststellungen gegeben, die dem Spruch zu Grunde gelegt worden sind, nur die der rechtskräftigen Entscheidung tatsächlich und notwendigerweise zu Grunde liegenden und tragenden Tatsachenfeststellungen sind davon erfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1990, Zl. 89/09/0095, zu § 95 Abs. 2 BDG 1979 betreffend die Bindungswirkung von einem Freispruch zu Grunde liegenden Feststellungen).
Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem - auch vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten - Erkenntnis vom 12. Oktober 1990, G 73/89, VfSlg. 12.504, die Bestimmung des § 268 ZPO, der die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige verurteilende Erkenntnisse des Strafgerichtes normierte, aufgehoben. Wer den Beweis und die Zurechnung einer für die Entscheidung über seine Ansprüche und Verpflichtungen wesentlichen Handlung im zivilgerichtlichen Verfahren nicht in Frage stellen könne, weil das Gericht an die Entscheidung in einem anderen (strafgerichtlichen) Verfahren gebunden ist, zu welchem er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang hatte, dessen Anspruch auf Gehör durch das seine Sache entscheidende unabhängige und unparteiische Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK sei nicht erfüllt. Er hat die Bindung gemäß § 268 ZPO unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 EMRK in den Fällen als verfassungswidrig angesehen, in denen das Zivilgericht an die Entscheidung in einem anderen (strafgerichtlichen) Verfahren gebunden ist, zu welchem der Betroffene aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keinen Zugang hatte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, im Zusammenhang mit dem angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf die dem § 5 Abs. 2 HDG 2002 inhaltsgleiche Bestimmung des § 95 Abs. 2 BDG 1979 darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle keine Bindung gegenüber einem nicht am Verfahren Beteiligten zum Tragen kommt. Vielmehr habe der im Disziplinarverfahren Beschuldigte im gerichtlichen Strafverfahren, das mit den strengsten rechtsstaatlichen Garantien ausgestattet sei, was in besonderem Maße für das Zustandekommen der tatsächlichen Feststellungen gelte, die Möglichkeit entsprechenden rechtlichen Gehörs.
Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof auch nach diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes - in Fällen, in denen der Betroffene Zugang zum Strafverfahren hatte - an seiner Rechtsprechung betreffend die Bindung der Verwaltungsbehörden an den Spruch verurteilender strafgerichtlicher Erkenntnisse festgehalten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 91/16/0132, mwN).
Von entscheidender Bedeutung in einem solchen Zusammenhang ist dabei jedoch stets, dass die von einer Entscheidung in ihrer Rechtssphäre betroffene Person tatsächlich die faktische und rechtliche Möglichkeit besitzt, hinsichtlich aller maßgeblichen Gesichtspunkte als Partei am entsprechenden Verfahren teilzunehmen (vgl. auch das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. November 2000, Zl. 99/09/0002, zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG).
Diese am Grundsatz eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK orientierten Überlegungen sind auch im vorliegenden Zusammenhang des § 5 Abs. 2 HDG 2002 von Bedeutung (zur Anwendung des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf das Disziplinarverfahren der Beamten vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2006, Zl. 2005/09/0053, sowie nunmehr auch mit ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 2009, B 1008/07).
Daraus folgt für die Tragweite der Bindung gemäß § 5 Abs. 2 HDG 2002 im vorliegenden Fall:
Hat das Strafgericht den im Disziplinarverfahren Beschuldigten wegen einer Tat rechtskräftig für schuldig erkannt und verurteilt, so wird sich die Bindung hinsichtlich der gerichtlichen Tatsachenfeststellungen auf jene Sachverhaltselemente beziehen, die für den Schuldspruch durch das Gericht als tragende Feststellungen maßgeblich waren. Mit Bezug auf diese Sachverhaltselemente hatte der Beschuldigte schon im Strafverfahren die rechtliche Möglichkeit und Veranlassung, seine Verteidigungsrechte in einem rechtsstaatlich fairen Verfahren geltend zu machen.
Anders liegt der Fall jedoch, wenn das gerichtliche Verfahren mit einem rechtskräftigen Freispruch für den im Disziplinarverfahren Beschuldigten geendet hat. In einem solchen Fall können nur jene Sachverhaltsfeststellungen als bindend im Sinne des § 5 Abs. 2 HDG 2002 angesehen werden, die für das vom Gericht erzielte Ergebnis, nämlich den Freispruch, entscheidungswesentlich waren (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0054). Hinsichtlich anderer, darüber hinausgehender allenfalls im gerichtlichen Verfahren getroffener Feststellungen bestand für den Betroffenen im Strafverfahren hingegen weder die Veranlassung noch die rechtliche Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Die Feststellungen hinsichtlich solcher Sachverhaltselemente muss der im gerichtlichen Verfahren freigesprochene Beamte im Disziplinarverfahren nicht gegen sich gelten lassen. Diese Feststellungen können nicht als tragende Begründungselemente für den Freispruch angesehen werden, weshalb insofern auch eine Bindung gemäß § 5 Abs. 2 HDG 2002 zu verneinen war.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 25. Februar 2010
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