Normen
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
EMRK Art6;
StGB §32 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BDG 1979 §125a Abs3 Z4;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
EMRK Art6;
StGB §32 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer trat am 21. November 1977 in den Postdienst ein und wurde mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1991 zum Beamten der Post- und Telegraphenverwaltung (PTV) ernannt und stand seither in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Wirksamkeit der Abspaltung des Unternehmensbereiches Post aus der Post und Telekom Austria AG und dessen Übertragung auf die Österreichische Post AG als Gesamtrechtsnachfolgerin per 31. Dezember 1998 ist er dieser dienstzugeteilt. Seit dem 1. April 1990 wurde er im Landzustelldienst verwendet. Mit 1. Juli 1991 wurde er in die Verwendungsgruppe PT 8/B überstellt. Sein letzter Tätigkeitsbereich war der Landzustelldienst beim Postamt in T.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 17. August 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 2. Juni 2004 vom Filialleiter der Postfiliale T den Betrag von EUR 1.200,-- herausgelockt, indem er behauptet habe, den angeführten Betrag für die Auszahlung an einen Kunden zu benötigen, obwohl er gewusst habe, dass er das Geld für sich selbst behalten werde. Er habe dadurch die in § 43 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 91 BDG 1979 angeführten Dienstpflichten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu und gewissenhaft mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979) und in seinem ganzen Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe (§ 43 Abs. 2 BDG 1979), schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von vier Monatsbezügen zu verhängen gewesen sei.
Ausschließlich gegen die Art (das Ausmaß) der in diesem Disziplinarerkenntnis verhängten Strafe erhob die Disziplinaranwältin Berufung, der Beschwerdeführer hingegen brachte kein Rechtsmittel ein.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid verhängte die belangte Behörde in Stattgebung der Berufung der Disziplinaranwältin die Disziplinarstrafe der Entlassung. Sie begründete dies nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges dahingehend, dass entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsmeinung der rechtswidrige und vorsätzliche Zugriff auf das Vermögen des Dienstgebers geeignet sei, das Vertrauen desselben, aber auch der Kunden der Post AG in die Dienstverrichtung des Beamten irreparabel zu zerstören. Ein Beamter der österreichischen Post AG, der einen Kollegen dazu veranlasse, ihm Geld des Dienstgebers unter einem falschen Vorwand auszufolgen, und dieses in weiterer Folge für sich verwende, zerstöre die für seine Dienstführung notwendige Vertrauensbasis und setze damit ein Verhalten, das einen hohen Unrechtsgehalt aufweise. Daran könne auch die erfolgte Schadenswiedergutmachung durch den Beschwerdeführer nichts ändern. Gerade im Umgang mit Geld und Vermögenswerten müsse sich der Dienstgeber, die österreichische Post AG, auf die damit befassten Beamten und deren Redlichkeit und Integrität verlassen können, da eine lückenlose Kontrolle nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein schwer wiegendes Fehlverhalten das zwischen ihm und der österreichischen Post AG als auch das zwischen der Post AG und deren Kunden bestehende Vertrauensverhältnis aufs Ärgste geschädigt. Dieses nicht wieder herstellbare Vertrauensverhältnis und der Ansehensverlust bewirkten, dass dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit erforderliche Verlässlichkeit fehle und er somit nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis verwendet werden könne. Zwar solle die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Bedienstete im Hinblick auf ihre Auswirkungen nur dann verhängt werden, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspreche. Naturgemäß komme ihr zum Unterschied von anderen Strafmitteln keine Erziehungsfunktion in Bezug auf den Beschuldigten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamtendienstrechtsgesetz enthaltenen sogenannten Untragbarkeitsgrundsatzes zu sehen. Zweck dieser Strafe sei daher, dass sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses trennen könne. Hiebei sei auf spezialpräventive Erwägungen und die Gefahr einer allfälligen Tatwiederholung durch den Beschuldigten nicht Bedacht zu nehmen. Milderungsgründe, wie das Geständnis des Beschuldigten, seine Unbescholtenheit, sowie die erfolgte Schadenswiedergutmachung und eine tadellose Dienstverrichtung vor Begehung der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzungen könnten in Ansehung der Untragbarkeit nicht zum Tragen kommen. Soweit der Beschwerdeführer die schweren wirtschaftlichen Konsequenzen der Disziplinarstrafe der Entlassung und deren Auswirkungen auf ihn geltend mache, verkenne er, dass in einem solchen Fall das sonstige Wohlverhalten des Beschuldigten, eine günstige Zukunftsprognose und die dem Beschuldigten durch Existenzvernichtung und Arbeitslosigkeit drohenden Nachteile nicht den eingetretenen schweren Vertrauensverlust aufheben könnten. Dem Umstand, dass das Fehlverhalten des Beschuldigten nicht publik geworden sei, komme keine erhebliche Bedeutung zu. Im Übrigen führten im Bereich der Privatwirtschaft bereits geringere Verfehlungen zum Verlust des Arbeitsplatzes; von einem Beamten werde als Gegenleistung für die ihm gebotene soziale Sicherheit unter anderem ein besonderes Maß an Treue und Integrität erwartet. Es sei auch nicht außer Acht zu lassen gewesen, dass die Strafe lediglich die Folge der vom Beschuldigten selbst zu verantwortenden Handlung sei und eine unangebrachte Milde der Disziplinarbehörde in der Öffentlichkeit und in der Kollegenschaft kein Verständnis fände.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in seinen Gegenausführungen zur Berufung der Disziplinaranwältin die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, damit sich der Berufungssenat ein unmittelbares Bild von seiner Persönlichkeit machen könne, was für die Beantwortung der Frage, ob die erforderliche Verlässlichkeit für eine weitere verantwortungsvolle Ausübung der dienstlichen Tätigkeit durch ihn gegeben oder auszuschließen wäre. Er sei dadurch in seinem Recht auf Gehör in einer entscheidenden, für ihn existenziellen Frage verletzt worden.
Gemäß § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, die Disziplinaroberkommission sei nicht von den erstinstanzlichen Feststellungen ausgegangen bzw. habe diese vernachlässigt und missinterpretiert. Auszugehen sei vielmehr davon, dass seine Handlungsweise absolut ungeeignet gewesen sei, das Ansehen des Unternehmens Post AG in der Öffentlichkeit, vor allem Kunden gegenüber, zu beeinträchtigen. Auch liege keine Verletzung des Ansehens des Berufsstandes vor. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass sich der Beschwerdeführer nach 28-jähriger untadeliger Dienstverrichtung lediglich von einem Kollegen zur kurzfristigen Überbrückung einer finanziellen Notlage unter Vorgabe, diese für einen Kunden zu brauchen, 1.200 EUR habe auszahlen lassen, diesen Betrag aber am 14. Juni 2004 unaufgefordert zurückgegeben habe. Betrügerisches Vorgehen, wie dies von der Disziplinaranwältin behauptet worden sei, liege nicht vor, da das Merkmal der "Schädigungsabsicht" gefehlt habe. Damit könne auch von einer "kriminellen Energie" nicht gesprochen werden. Von diesem Sachverhalt hätte die belangte Behörde auszugehen gehabt. Zwar sei richtig, dass die bloße Tatsache, dass das Fehlverhalten eines Beschuldigten nicht publik geworden sei, nicht von entscheidender Bedeutung sein müsse. Im vorliegenden Fall sei aber maßgeblich und von erheblicher Bedeutung, dass das Fehlverhalten nicht einmal geeignet gewesen sei, publik zu werden. Die belangte Behörde vertrete undifferenziert und plakativ - unabhängig vom konkreten Sachverhalt - die Rechtsmeinung, jeglicher vorsätzliche Zugriff auf das Vermögen des Dienstgebers sei geeignet, dessen Vertrauen, aber auch das der Kunden irreparabel zu zerstören. Dieser rigide Standpunkt sei dann nicht rechtens, wenn der Zugriff mit prompter Rückgabe - und ohne jede Schädigungsabsicht - und die tatsächliche Rückgabe alsbaldig erfolgt sei. Von einer "Untragbarkeit" könne im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
Die Frage, ob durch die Verfehlung des Beamten das gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen diesem und seinem Dienstgeber bzw. der Österreichischen Post AG zerstört wurde, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Die Disziplinarbehörden haben zunächst am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 geboten ist. Hierbei haben sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen haben, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte.
Erst wenn eine an diesem Maßstab unter Einbeziehung aller geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Milderungsgründe erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass sein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es im Sinn der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).
Die belangte Behörde hat sich jedoch mit den im Disziplinarerkenntnis erster Instanz angeführten erster Instanz angenommenen Milderungsgründen inhaltlich nicht auseinandergesetzt, sondern die Auffassung vertreten, dass Milderungsgründe wie ein Geständnis, Unbescholtenheit, Schadensgutmachung und tadellose Dienstverrichtung vor Begehung der Dienstpflichtverletzungen in Ansehung einer angenommenen Untragbarkeit nicht zum Tragen kommen könnten. Sie hat sich damit zu der oben dargelegten Rechtslage, wonach bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung alle geltend gemachten, der Aktenlage nach oder auf Grund der Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung zu berücksichtigenden Milderungsgründe einzubeziehen sind, in Widerspruch gesetzt. Dies begründet eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes; es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Bedachtnahme auf alle maßgeblichen Gesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall aber auch zu Unrecht (unter ausdrücklicher Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979) von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen. Nach der soeben zitierten Vorschrift kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet. Nun ist die vorliegende Verfahrenskonstellation maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der angefochtene, die Entlassung verfügende Bescheid der Disziplinaroberkommission auf Grund einer auf die Entlassung des Beschwerdeführers abzielenden Berufung der Disziplinaranwältin gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem lediglich eine Geldstrafe verhängt worden war, erging. Bei dieser Verfahrenskonstellation - in der der Beschuldigte überdies nicht durch das Verbot der reformatio in peius geschützt ist - kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde (lediglich) Gesichtspunkte der "Strafbemessung" im Sinne des im § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 verwendeten, im vorliegenden Zusammenhang auch unter Bedachtnahme auf Art. 6 EMRK (vgl. im vorliegenden Zusammenhang z. B. das Urteil des EGMR in der Rechtssache Pellegrin/Frankreich vom 8. Dezember 1999, requete N. 28541/95 = ÖJZ 2000/13 (MRK) auszulegenden Begriffes in Betracht zu ziehen hatte. In der oben näher dargelegten Verfahrenskonstellation durfte die belangte Behörde daher nicht ungeachtet des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages unter Berufung auf § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 von der Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung absehen. Es liegt somit auch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor; die oben aufgezeigte Rechtswidrigkeit des Inhaltes prävaliert jedoch, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 6. November 2006
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