VwGH 2001/05/0023

VwGH2001/05/002323.5.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Claudia Tomitza in Linz, vertreten durch Dr. Herbert Heigl und Mag. Willibald Berger KEG, Rechtsanwälte in 4614 Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. September 2000, Zl. BauR-012478/3-2000- Um/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Bernhard Christl und 3. Susanne Christl, die beiden Letzteren in Linz, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Am Heumarkt 7), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauO OÖ 1994 §35 Abs4;
BauO OÖ 1994 §5;
BauO OÖ 1994 §6;
BauRallg;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauO OÖ 1994 §35 Abs4;
BauO OÖ 1994 §5;
BauO OÖ 1994 §6;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- und den zweit- und drittmitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. Juli 1999 beantragten die zweit- und drittmitbeteiligten Bauwerber die Erteilung der Baubewilligung "für das im angeschlossenen Bauplan des Planverfassers ELK FERTIGHAUS AG" dargestellte und näher beschriebene Bauvorhaben "Errichtung eines Einfamilienwohnhauses" auf einem näher bezeichneten Grundstück in der KG Urfahr (Spazgasse 9), für welches mit Bescheid der Baubehörde vom 23. März 1999 gemäß § 5 O. ö. Bauordnung 1994 (in der Folge: BO) eine Bauplatzbewilligung erteilt worden war.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. September 1999 wendete die Beschwerdeführerin als (Mit-)eigentümerin eines dem Baugrundstück benachbarten Grundstückes ein:

"An der Nordostecke des projektierten Objektes befindet sich das Kanalbauwerk der Fam. T (Grundstück der Beschwerdeführerin) (80 cm Schacht + Absturzpfeife). Im Bauverfahren wird eine entsprechende Beweissicherung gefordert. Hinsichtlich der fehlenden Zufahrtsmöglichkeit erheben wir Einspruch. Begründet ist dies, dass das zukünftige Gebäude nur von gesunden (nicht behinderten Menschen) benutzbar und bewohnbar ist. Wir fürchten künftig die Durchsetzung einer Zufahrtsstraße an der Südgrenze unseres Grundstückes. Aufgrund der Steilheit und der Geländebeschaffenheit geht ein großes Gefahrenpotential von dieser möglichen künftigen Zufahrt aus. Unsere Wohnräume und Gartenflächen befinden sich unmittelbar in diesem Bereich."

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1999 erteilte die Baubehörde erster Instanz die beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines unterkellerten zweigeschossigen Einfamilienwohnhauses. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden bezüglich der beantragten Beweissicherung auf den Zivilrechtsweg verwiesen, bezüglich der fehlenden Zufahrtsmöglichkeit als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 22. Februar 2000 als unbegründet abgewiesen; es wurde jedoch ausgesprochen, dass die Verweisung der Einwendung betreffend die beantragte Beweissicherung auf den Zivilrechtsweg zu entfallen habe. Die Forderung auf Beweissicherung hinsichtlich möglicher Beschädigungen baulicher Anlagen des Nachbarn stelle ein aus dem Privatrecht resultierendes Begehren dar. Diesbezüglich sei es jedoch zu einer Einigung im Sinne des § 32 Abs. 5 BO gekommen, weshalb eine Verweisung dieser Einwendung auf den Zivilrechtsweg nicht mehr in Frage komme. Der Einwand, auf Grund der örtlichen Verhältnisse sei eine geeignete Zufahrtsmöglichkeit zum Bauplatz, insbesondere zum vorgesehenen Stellplatz nicht möglich, könne keiner meritorischen Beurteilung unterzogen werden, weil sich diese Einwendung auf kein dem Nachbarn zukommendes subjektivöffentliches Recht beziehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass sie durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt werde. Durch die Erteilung einer Baubewilligung könne der Nachbar nur dann in seinen Rechten verletzt worden sein, wenn die Baubehörden eine von ihnen wahrzunehmende Bestimmung verletzt hätten, auf deren Einhaltung dem Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht zustünde. Bezüglich der fehlenden Zufahrtsmöglichkeiten zum Bauplatz fehle dem Nachbarn das Mitspracherecht. Bezüglich der übrigen Ausführungen in der Vorstellung sei festzuhalten, dass diese

  1. "1. zum Teil nicht Gegenstand des Berufungsvorbringens waren
  2. 2. zur Gänze mangels rechtzeitiger Erhebung in der mündlichen Bauverhandlung als präkludiert angesehen werden müssen und

    3. sich zur Gänze nicht auf subjektiv-öffentliche Rechte stützen können".

    Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschuss vom 27. November 2000, B 1750/00-3, eine Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin wörtlich in dem Recht auf "gesetzmäßige Handhabung" näher bezeichneter Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes in Verbindung mit der Bautechnikverordnung und der Oberösterreichischen Stellplatzverordnung, inhaltlich in dem Recht auf Verweigerung der Baubewilligung verletzt; sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Das Baugrundstück hätte nicht zum Bauplatz erklärt werden dürfen. Es bestünde nämlich keine geeignete Zufahrt. Schon Fahrzeuge mit üblichen Ausmaßen könnten den vorhandenen Zufahrtsweg wegen des geringen Ausmaßes und des vorhandenen Gefälles nicht verwenden. Es wäre auch eine zu hohe Lärmbelästigung für die Beschwerdeführerin mit der Benutzung dieses Weges verbunden und es steige die "Gefahr der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität". Die Oberösterreichische Stellplatzverordnung schreibe das Ausmaß und die Anlage einer Zu- und Abfahrt zu einem Stellplatz ausdrücklich vor; diese Vorschriften seien jedoch im Beschwerdefall nicht beachtet worden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin weiters vor, die Planungsinteressen der Landeshauptstadt Linz im Sinne eines geordneten Bebauungsbildes seien nicht beachtet worden; eine verkehrstechnische Überprüfung sei nicht durchgeführt worden, dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil keine gesicherte Erreichbarkeit des Baugrundstückes zum öffentlichen Straßennetz feststehe. Die Beschwerdeführerin wäre "entsprechend anzuweisen und aufzuklären" gewesen, "welche Einwendungen zu erheben sind, damit meine Nachbarrechte bestmöglich geschützt werden".

    Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

    Die Beschwerdeführerin ist als (Mit-)Eigentümerin eines Grundstücke, das vom zu bebauenden Grundstück weniger als 50 Meter entfernt ist, gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 Oberösterreichische Bauordnung 1994 in der Fassung der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen und somit im Beschwerdefall anzuwendenden Oberösterreichischen Bauordnungs-Novelle 1998, LGBl. 70/1998, (in der Folge: BO), Nachbar im hier zu beurteilenden Baubewilligungsverfahren.

    Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle können gegen die Erteilung der Baubewilligung Nachbarn mit der Begründung Einwendungen erheben, dass sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

    Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäude, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

    Gemäß § 32 Abs. 1 leg. cit. gelten, sofern eine Bauverhandlung gemäß den §§ 40 ff AVG durchgeführt worden ist, Nachbarn nur insoweit als Parteien des Baubewilligungsverfahrens, als sie spätestens bei der Bauverhandlung Einwendungen (§ 31 Abs. 3 bis 6) erheben.

    Die Beschwerdeführerin hat in der im Sinne des § 32 BO durchgeführten mündlichen Verhandlung nur die oben wörtlich wiedergegebenen Einwendungen erhoben. Sie konnte daher ihre als Nachbar gemäß § 31 Abs. 4 BO zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren mit den ihr als Partei des Verfahrens zustehenden Verfahrensrechten nur mehr im Rahmen der erhobenen Einwendungen geltend machen, weil ihre Parteistellung durch § 32 Abs. 1 BO insoweit beschränkt wird.

    Zutreffend wurden die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen von den Baubehörden und der belangten Behörde nicht als öffentlich-rechtliche Einwendungen im Sinne des § 31 Abs. 4 BO beurteilt. In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof - dies auch schon zu § 31 Abs. 4 BO - ausgeführt, dass die Vorschriften über die erforderliche Eignung des Bauplatzes, insbesondere über das Erfordernis der Sicherstellung des Anschlusses des Bauplatzes an das öffentliche Wegenetz, kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht darstellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. April 1999, Zl. 99/05/0061). Selbst das Nichtvorliegen einer Bauplatzbewilligung vermag Nachbarrechte nicht zu verletzen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. April 2000, Zl. 96/05/0051, und vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0276); dies schon deshalb, weil der Nachbar im Bauplatzbewilligungsverfahren keine Parteistellung hat und im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens auch in Bezug auf die Bauplatzbewilligung alle jene Fragen aufwerfen kann, in denen ihm im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens ein Mitspracherecht zusteht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1999, Zl. 99/05/0004). § 31 Abs. 4 BO bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass aus Vorschriften über die erforderliche Eignung des Bauplatzes oder über das Erfordernis einer Zufahrt Nachbarrechte abzuleiten wären (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 92/05/0202). Auch die Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen dienen nicht den Interessen der Nachbarn. In seinem Erkenntnis vom 22. September 1998, Zl. 98/05/0046, hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass die Anordnungen bezüglich Stellplätzen von Kraftfahrzeugen den Benutzern der bezughabenden Baulichkeiten ausreichende Parkmöglichkeiten schaffen und die öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr freihalten sollen.

    Die in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel liegen ebenfalls nicht vor. Zum einen enthält auch die Beschwerde Ausführungen zu Nachbarrechten, bezüglich deren der Beschwerdeführerin mangels rechtzeitig erhobener Einwendungen keine Parteistellung zukommt und daher eine Rechtsverletzungsmöglichkeit ausscheidet. Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Anleitungspflicht gemäß § 13a AVG nicht so weit geht, dass eine Person, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG zu einer mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurde, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet bzw. darauf hingewiesen werden müsste, einen Vertagungsantrag zu stellen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 16. April 1998, Zl. 98/05/0047, vom 18. Oktober 1999, Zl. 98/17/0364, und vom 22. November 2001, Zl. 2000/06/0039).

    Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

    Wien, am 23. Mai 2002

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