VwGH 2000/19/0129

VwGH2000/19/012916.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der am 5. Dezember 1966 geborenen KD in W, vertreten durch Dr. Wilfried Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 3. Juli 2000, Zl. 100.324/23-III/11/00, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §88 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs4;
FrG 1997 §88 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1998, Zl. 97/19/1574, vom 26. Februar 1999, Zl. 98/19/0274, sowie vom 10. Juni 1999, Zl. 96/21/1044, verwiesen.

Nach Behebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. August 1996 mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Dezember 1999 entschied die Bezirkshauptmannschaft Bregenz neuerlich über die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin vom 15. Juli 1996. Die Beschwerdeführerin hatte darin die Feststellung, dass sie in Österreich (nach den Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei) aufenthaltsberechtigt sei, in eventu die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für das Bundesgebiet beantragt.

Mit Spruchpunkt I des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. Februar 2000 wurde der Antrag auf Feststellung des Aufenthaltsrechtes gemäß Art. 6 und 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei "als unzulässig" abgewiesen; unter Spruchpunkt II wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, nunmehr Niederlassungsbewilligung, gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) abgewiesen.

Weder aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides noch aus der Begründung geht hervor, dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ihn (in Ansehung des Spruchpunktes 2) als die mit Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. Nr. 80/1997, hiezu ermächtigte Behörde in dessen Namen erlassen wollte. Auf Seite 4 des Bescheides erster Instanz findet sich lediglich ein Hinweis, wonach "eine Ausnahme im Sinne des § 89 Abs. 2 FrG" nicht vorliege und sich danach die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Bregenz ergebe, da die Antragstellerin beabsichtige, in Wolfurt ihren ordentlichen Wohnsitz zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung an den Bundesminister für Inneres, in eventu an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg und wiederholte ihre erstinstanzlichen Anträge.

Mit Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides vom 3. Juli 2000 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. Februar 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Unter Spruchpunkt 2 wurde die Berufung gegen den mit gleichem Datum und gleicher Geschäftszahl bezeichneten Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 2 und § 14 Abs. 2 FrG 1997 abgewiesen.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass sich Spruchpunkt 1 offenbar auf Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides vom 1. Februar 2000 beziehen sollte, Spruchpunkt 2 hingegen auf Spruchpunkt II des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. Februar 2000. In Ansehung des Spruchpunktes 2 vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin mit einem bis 17. April 1996 gültigen Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist sei und sich seither dauernd im Bundesgebiet aufhalte. Dies werde von ihr auch in keinster Weise bestritten. Danach liege ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 FrG 1997 vor, wonach die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen sei, wenn der Aufenthaltstitel zeitlich an dem durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden solle. Darüber hinaus sei der Antrag auch gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 abzuweisen, weil sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung bereits im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich insbesondere in ihrem Recht auf Einhaltung der Behördenzuständigkeit verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat (zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides) in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.

...

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

...

§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.

...

(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres."

§ 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Fremdengesetz 1997, LGBl. Nr. 80/1997, lautet:

"§ 1

Die Bezirkshauptmannschaften sind ermächtigt, Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen im Namen des Landeshauptmannes zu treffen."

Vorliegendenfalls bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ihren Bescheid vom 1. Februar 2000 in Ausnützung der Ermächtigung des § 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. Nr. 80/1997, in dessen Namen erlassen wollte. Weder im Spruch noch in der Begründung des Bescheides vom 21. Oktober 1999 erfolgte nämlich eine Bezugnahme auf die in Rede stehende Verordnung und die darin erteilte Ermächtigung. Der Hinweis auf "eine Ausnahme im Sinne des § 89 Abs. 2 FrG" vermag diesbezüglich auch keine Klarheit zu schaffen, weil ihm - was immer damit auch ausgedrückt werden sollte - eine Bezugnahme auf die vorhin genannte Ermächtigung des Landeshauptmannes von Vorarlberg jedenfalls nicht zu entnehmen ist.

Damit war aber davon auszugehen, dass die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Bescheid vom 1. Februar 2000 als Fremdenpolizeibehörde erlassen hat. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob sie dabei zu Recht von ihrer Zuständigkeit als Fremdenpolizeibehörde ausgegangen ist. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für den Instanzenzug nämlich darauf an, welche Behörde den Bescheid erlassen hat, nicht aber darauf, welche ihn hätte erlassen sollen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2000, Zl. 99/19/0156, und - zu einem vergleichbaren erstinstanzlichen Bescheid ergangen - das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2000, Zl. 2000/19/0077).

Hat aber - wie hier - die Bezirksverwaltungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid nicht namens des Landeshauptmannes in Ausnutzung der ihr erteilten Ermächtigung erlassen, so liegen die Voraussetzungen des § 94 Abs. 4 FrG 1997 für die Zuständigkeit der belangten Behörde als Berufungsbehörde auch dann nicht vor, wenn es sich um eine Entscheidung im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen handelt. Zur Entscheidung über die Berufung gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. Februar 2000 wäre daher gemäß § 94 Abs. 1 FrG 1997 die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg zuständig gewesen. Dieser Behörde wäre es dann oblegen zu prüfen, ob die Bezirkshauptmannschaft Bregenz die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend in ihrer Eigenschaft als Fremdenpolizeibehörde im eigenen Namen getroffen hat, oder aber im Namen des Landeshauptmannes von Vorarlberg vorzugehen gehabt hätte.

Der belangten Behörde wäre daher ungeachtet der Vorlage der Berufung an sie im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur die Befugnis zugekommen, die Berufung gemäß § 6 AVG an die zuständige Berufungsbehörde weiter zu leiten.

Indem die belangte Behörde jedoch eine Berufungsentscheidung traf und damit eine Zuständigkeit in Anspruch nahm, die ihr nicht zukam, belastete sie den angefochtenen Bescheid (in Ansehung des Spruchpunktes 2) mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt 2 gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Bemerkt wird, dass in Ansehung des Spruchpunktes 1 eine gesonderte Entscheidung ergehen wird.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 VwGG Abstand genommen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.

Wien, am 16. Februar 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte