Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist nach der Aktenlage am 17. Mai 1977 geboren, türkische Staatsangehörige und Tochter eines österreichischen Staatsbürgers. Sie stellte am 29. Mai 1998 einen an die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn gerichteten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der "Familiengemeinschaft mit Österreicher", wobei sie auf dem Antragsformular ihren Vater angab.
Mit Bescheid vom 4. Februar 1999 wies die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn diesen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1, 2 und 3 in Verbindung mit § 47 und § 49 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. In der Begründung wurde ua. ausgeführt, gemäß § 89 Abs. 1 FrG 1997 in Verbindung mit der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg LGBl. Nr. 80/1997 habe die nach dem beabsichtigten Aufenthaltsort zuständige Bezirkshauptmannschaft über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu entscheiden. Danach ergebe sich die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch einen Rechtsanwalt, Berufung "an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg, in eventu an das Bundesministerium für Inneres".
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg gab mit Bescheid vom 15. Juni 1999 der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, änderte den Spruch jedoch dahingehend ab, dass der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 47 und § 49 FrG 1997 abgewiesen werde. Begründend führte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg aus, die Beschwerdeführerin habe am 29. Mai 1998 die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung beantragt und begründend ausgeführt, dass ihr Vater österreichischer Staatsbürger sei. Die österreichische Staatsbürgerschaft habe dieser durch Eheschließung mit einer Österreicherin erlangt. Da die Berufungswerberin am 17. Mai 1998 das 21. Lebensjahr vollendet habe, würde sie nur dann als begünstigte Drittstaatsangehörige gelten, sofern ihr von ihrem Vater Unterhalt gewährt wird. Da die Feststellung der Behörde erster Instanz, wonach der Vater mittellos sei und bereits im Jahre 1997 ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "mangels erforderlicher Unterkunft sowie Unterhaltes abgelehnt" worden sei, nicht bestritten werde, sei davon auszugehen, dass der Vater der Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, ihr Unterhalt zu gewähren bzw. ihr auch tatsächlich keinen solchen Unterhalt gewähre. Damit erfülle sie jedoch nicht die Voraussetzungen einer begünstigten Drittstaatsangehörigen, vielmehr sei ihr Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nach den allgemeinen Bestimmungen des FrG 1997 zu prüfen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe sich die Beschwerdeführerin auf Grund eines Einreisetitels, ausgestellt von der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara, gültig vom 29. Dezember 1997 bis zum 30. Juni 1998, rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Da sie jedoch nicht die Voraussetzung erfülle, begünstigte Drittstaatsangehörige zu sein, sei sie zu keiner Antragstellung im Inland berechtigt. Auch die somit für sie geltenden Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 FrG 1997, die ebenfalls unter gewissen Umständen eine Antragstellung im Inland ermöglichten, erfülle sie nicht. So sei sie nicht bereits in Österreich niedergelassen und habe für ihren bisherigen rechtmäßigen Aufenthalt einen Aufenthaltstitel benötigt, habe aber bisher noch über keinen solchen, sondern lediglich über einen Einreisetitel verfügt. Da sie ihren Antrag jedoch im Inland im Anschluss an ein Reisevisum gestellt habe, stehe der Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 entgegen. Da es sich hiebei um einen zwingenden Versagungsgrund handle, sei eine weitere Prüfung, ob gegebenenfalls noch andere Versagungsgründe vorlägen, nicht erforderlich gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.
...
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem
4. Abschnitt Niederlassungsfreiheit genießt;
...
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.
...
(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres.
..."
§ 1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg über die Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaften zur Entscheidung nach dem Fremdengesetz 1997, LGBl. Nr. 80/1997, lautet:
"§ 1.
Die Bezirkshauptmannschaften sind ermächtigt, Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen im Namen des Landeshauptmannes zu treffen."
Wie sich aus der Begründung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 4. Februar 1999, in der angeführt wird, dass sich die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft auf § 89 Abs. 1 FrG 1997 in Verbindung mit der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg LGBl. Nr. 80/1997, gründet ergibt, hat die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 89 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 als vom Landeshauptmann ermächtigte Niederlassungsbehörde erster Instanz entschieden.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn zu Recht davon ausgegangen war, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung als vom Landeshauptmann gemäß § 89 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 ermächtigte Niederlassungsbehörde gegeben waren, sie daher nicht etwa als Sicherheits- bzw. Fremdenpolizeibehörde erster Instanz gemäß § 89 Abs. 2 FrG 1997 zu entscheiden hatte. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für den Instanzenzug nämlich darauf an, welche Behörde den Bescheid erlassen hat, nicht aber darauf, welche ihn hätte erlassen sollen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 97/19/0992 mwN).
Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 94 Abs. 4 FrG 1997 entscheidet über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, der Bundesminister für Inneres. Da es sich im vorliegenden Fall beim Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn um einen Bescheid im Sinne des § 94 Abs. 4 FrG 1997 handelte, wäre zur Entscheidung über die dagegen erhobene Berufung der Bundesminister für Inneres zuständig gewesen.
Der belangten Behörde wäre daher ungeachtet der Vorlage der Berufung an sie im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370) nur die Befugnis zugekommen, die Berufung gemäß § 6 AVG an die zuständige Berufungsbehörde weiter zu leiten.
Indem die belangte Behörde jedoch eine Berufungsentscheidung traf und damit eine Zuständigkeit in Anspruch nahm, die ihr nicht zukam, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen.
Wien, am 17. März 2000
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