VfGH G307/2020

VfGHG307/202027.11.2020

Keine Gleichheitswidrigkeit des höheren Rechnungszinfußes idHv 6% für Abfertigungs-, Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen nach dem EStG 1998; steuerliche Gewinnermittlung durch Festlegung eines – unabhängig von der Entwicklung des Marktzinssatzes anwendbaren – fixen Zinssatzes idHv 3,5% für langfristige Rückstellungen im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Sachlichkeit einer Übergangsregelung nur für Rückstellungen mit längeren Restlaufzeiten und der Anwendung der bisherigen pauschalen Vereinfachung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
EStG 1988 §9 Abs1 Z3, §9 Abs5, §14 Abs6 Z6, §14 Abs12, §124b Z251
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G307.2020

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht,

"1.

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §9 Abs5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

• sowie §124b Z251 litb […] des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

2. in eventu,

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 dritter Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge 'im Sinne des Abs1 Z3 und 4' in §9 Abs5 erster Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

• sowie die Wortfolge 'Der Teilwert ist mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, sofern die Laufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt.' in §9 Abs5 2. Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

• sowie §124b Z251 litb […] des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

3. in eventu,

• §14 Abs6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• die Wortfolge 'und 2 sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder' in §9 Abs2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z1 des Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie die Wortfolge 'wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z2 a und b des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie §14 Abs13 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z8 des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I Nr 106/1999

• sowie die Wortfolge 'Der Teilwert ist mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, sofern die Laufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt.' in §9 Abs5 2. Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

• sowie §124b Z251 litb […] des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;"

als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. §9 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988), BGBl 400, idF BGBl I 13/2014; Abs1 zuletzt geändert mit BGBl I 71/2003; Abs2 zuletzt geändert durch BGBl I 28/1999; Abs5 mit BGBl I 142/2000 eingefügt, zuletzt geändert mit BGBl I 13/2014:

"Rückstellungen

§9. (1) Rückstellungen können nur gebildet werden für

1. Anwartschaften auf Abfertigungen,

2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,

3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen[,]

4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

(2) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z1 und 2 sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder sind nach §14 zu bilden.

(3) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 dürfen nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Firmenjubiläums dürfen nicht gebildet werden.

(5) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 sind mit dem Teilwert anzusetzen. Der Teilwert ist mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, sofern die Laufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt."

2. §14 EStG 1988 idF BGBl I 24/2007; Abs12 zuletzt geändert mit BGBl I 28/1999; Abs13 zuletzt geändert mit BGBl I 106/1999 lautet auszugsweise:

"Vorsorge für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder

§14. (1) Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2001 enden, kann eine Abfertigungsrückstellung im Ausmaß bis zu 47,5%, für die folgenden Wirtschaftsjahre eine solche bis zu 45% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden. Fiktive Abfertigungsansprüche sind jene, die bei Auflösung des Dienst- bzw Anstellungsverhältnisses bezahlt werden müßten

1. an Arbeitnehmer als Abfertigung auf Grund

- gesetzlicher Anordnung oder

- eines Kollektivvertrages,

wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können,

2. an andere Personen auf Grund gesetzlicher Anordnung,

3. an Arbeitnehmer oder andere Personen auf Grund schriftlicher und rechtsverbindlicher Zusagen, wenn der Gesamtbetrag der zugesagten Abfertigung einer gesetzlichen oder dem Dienst- bzw Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildet ist, wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können.

Die Abfertigungsrückstellung kann insoweit bis zu 60% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden, als die Arbeitnehmer oder anderen Personen, an die die Abfertigungen bei Auflösung des Dienstverhältnisses bezahlt werden müßten, am Bilanzstichtag das 50. Lebensjahr vollendet haben.

(2) Die Rückstellung ist in der Bilanz gesondert auszuweisen.

(3) Bei erstmaliger Bildung der Rückstellung hat der Steuerpflichtige das prozentuelle Ausmaß der Rückstellung festzulegen. Dieses Ausmaß ist gleichmäßig auf fünf aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre verteilt zu erreichen. Eine Änderung des Ausmaßes ist unzulässig.

(4) Gehen im Falle des Unternehmerwechsels Abfertigungsverpflichtungen auf den Rechtsnachfolger über, so ist die Rückstellung beim Rechtsvorgänger insoweit nicht gewinnerhöhend aufzulösen, sondern vom Rechtsnachfolger weiterzuführen.

(5) Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs3 ermitteln, können für die am Schluss des Wirtschaftsjahres bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche einen Betrag steuerfrei belassen. Die Bestimmungen der Abs1, 3 und 4 sind anzuwenden. Die Begünstigung darf nur in Anspruch genommen werden, wenn die steuerfrei belassenen Beträge in einer laufend geführten Aufzeichnung ausgewiesen sind. Aus dieser Aufzeichnung muss die Berechnung der steuerfrei belassenen Beträge klar ersichtlich sein.

(6) Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs1 oder §5 ermitteln, können für schriftliche, rechtsverbindliche und unwiderrufliche Pensionszusagen und für direkte Leistungszusagen im Sinne des Betriebspensionsgesetzes in Rentenform Pensionsrückstellungen bilden. Für die Bildung gilt folgendes:

1. Die Pensionsrückstellung ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu bilden.

2. Die Pensionsrückstellung ist erstmals im Wirtschaftsjahr der Pensionszusage zu bilden, wobei Veränderungen der Pensionszusage wie neue Zusagen zu behandeln sind. Als neue Zusagen gelten auch Änderungen der Pensionsbemessungsgrundlage und Indexanpassungen von Pensionszusagen.

3. Der Rückstellung ist im jeweiligen Wirtschaftsjahr soviel zuzuführen, als bei Verteilung des Gesamtaufwandes auf die Zeit zwischen Pensionszusage und dem vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung der aktiven Arbeits- oder Werkleistung auf das einzelne Wirtschaftsjahr entfällt.

4. Soweit durch ordnungsmäßige Zuweisungen an die Pensionsrückstellung das zulässige Ausmaß der Rückstellung nicht erreicht wird, ist in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Pensionsfall eintritt, eine erhöhte Zuweisung vorzunehmen.

5. Die zugesagte Pension darf 80% des letzten laufenden Aktivbezugs nicht übersteigen. Auf diese Obergrenze sind zugesagte Leistungen aus Pensionskassen anzurechnen, soweit die Leistungen nicht vom Leistungsberechtigten getragen werden.

6. Der Bildung der Pensionsrückstellung ist ein Rechnungszinsfuß von 6 % zugrunde zu legen.

[…]

(10) Abs6 Z5 und 6 gilt insoweit nicht, als dem Arbeitgeber die Aufgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung übertragen sind.

(11) Abs7 sind auf Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts (§2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) nicht anzuwenden.

(12) Für die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums gilt folgendes: Die Bildung einer Rückstellung ist nur bei kollektivvertraglicher Vereinbarung, bei Betriebsvereinbarung oder bei anderen schriftlichen, rechtsverbindlichen und unwiderruflichen Zusagen zulässig. Die Rückstellung ist unter sinngemäßer Anwendung des Abs6 Z1 bis 3, des Abs6 Z6 sowie der Abs8 und 9 zu bilden; eine Bildung nach den Regeln der Finanzmathematik ist zulässig.

(13) Werden bei Pensionsrückstellungen oder bei Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums die den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechenden biometrischen Rechnungsgrundlagen geändert, ist der dadurch bedingte Unterschiedsbetrag beginnend mit dem Wirtschaftsjahr der Änderung gleichmäßig auf drei Jahre zu verteilen. Der Unterschiedsbetrag errechnet sich aus der Differenz zwischen dem nach den bisherigen Rechnungsgrundlagen errechneten Rückstellungsbetrag und dem Rückstellungsbetrag auf der Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen."

3. §124b Z251 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014:

"§124b.

[...]

251. a) §9 Abs5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 ist für Rückstellungen anzuwenden, deren Anlass für die erstmalige Bildung in Wirtschaftsjahren liegt, die nach dem 30. Juni 2014 enden.

b) §9 Abs5 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 13/2014 ist letztmalig für Rückstellungen anzuwenden, die für Wirtschaftsjahre gebildet wurden, die vor dem 1. Juli 2014 enden. Für die Bewertung in den folgenden Wirtschaftsjahren gilt Folgendes:

– Ergibt sich aufgrund der erstmaligen Abzinsung für bestehende Rückstellungen nach Maßgabe von §9 Abs5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 ein geringerer als der bisher rückgestellte Betrag, ist die Rückstellung um den gesamten Unterschiedsbetrag zu vermindern. Der aufzulösende Unterschiedsbetrag ist im betreffenden und den nachfolgenden beiden Wirtschaftsjahren zu je einem Drittel zu berücksichtigen. Auf die um den Unterschiedsbetrag verminderte Rückstellung ist in den Folgejahren §9 Abs5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 anzuwenden. Im Falle einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe kann der Unterschiedsbetrag zur Gänze im betreffenden Wirtschaftsjahr berücksichtigt werden.

– Ergibt sich aufgrund der erstmaligen Abzinsung für bestehende Rückstellungen nach Maßgabe von §9 Abs5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 13/2014 ein höherer als der bisher rückgestellte Betrag, ist die Rückstellung weiterhin mit 80% des Teilwertes anzusetzen, wenn deren Restlaufzeit mehr als ein Jahr beträgt.

252. […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Bundesfinanzgericht ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Finanzamtes betreffend Feststellung der Einkünfte der vor dem Bundesfinanzgericht beschwerdeführenden Partei als Gruppenträgerin anhängig: Die beschwerdeführende Gesellschaft hatte in der Beilage zur Körperschaftsteuererklärung Abfertigungs-, Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen, Rückstellungen für Rückkaufsverpflichtungen und für Verlustvorsorge (Auftragsbestand Wartungsverträge) sowie Rückstellungen für verlängerte Gewährleistungen ausgewiesen. Die steuerrechtliche Bildung der Rückstellungen erfolgte entsprechend den §§9 und 14 EStG 1988. Mit Feststellungsbescheid wurde das Einkommen der beschwerdeführenden Gesellschaft unter Berücksichtigung der Veränderungen der steuerrechtlichen Rückstellungen iHv € 3.139.975,93 erklärungsgemäß festgestellt. Im Zuge der Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid, in der die beschwerdeführende Gesellschaft eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von langfristigen Rückstellungen und Rückstellungen für Pensionen und Jubiläumsgelder einwandte, sind beim Bundesfinanzgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit jener einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen, die den Zinssatz für die Abzinsung von Rückstellungen regeln, entstanden.

2. Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1. Zunächst hegt das Bundesfinanzgericht Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Abzinsungsfaktoren von 3,5% für die Bildung von langfristigen Rückstellungen nach §9 Abs5 EStG 1988 und 6% für die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen nach §14 Abs12 EStG 1988 bzw 6% für die Bildung von Pensionsrückstellungen nach §14 Abs6 Z6 EStG 1988. Da es sich bei Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen ebenso um langfristige Rückstellungen handle, sei ein unterschiedlicher Abzinsungssatz nicht gerechtfertigt.

2.2. Weiters bringt das antragstellende Gericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Fixzinssatzes iHv 3,5% in §9 Abs5 EStG 1988 vor und führt wie folgt aus (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Der in §9 Abs5 EStG 1988 geregelte Abzinsungszinssatz stimmt nicht mit dem durchschnittlichen Abzinsungszinssatz der Rückstellungsbewertung im Unternehmensrecht überein. Unternehmensrechtlich gilt, dass die Abzinsung mit dem marktüblichen Zinssatz zu erfolgen hat, wobei nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage des AbgÄG 2014 (idF. ErlRV) dabei eine Orientierung an den Zinssätzen erfolgen kann, 'die laufend von der deutschen Bundesbank aufgrund der Rückstellungsabzinsungsverordnung für die Abzinsung der in deutschen Bilanzen auszuweisenden Rückstellungen' bekanntgegeben werden (Bertl/Deutsch-Goldoni/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch10, Bewertung, 544). Obwohl die ErlRV als Begründung die Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz für die Steuerbilanz anführen und ausdrücklich auf das 'deutsche Handelsrecht' verweisen, wurde demgegenüber im AbgÄG 2014 mit Neufassung des §9 Abs5 EStG 1988 diesen Prinzipien de facto nicht gefolgt. Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers stellt sich als irreführend dar und ist somit verfassungsrechtlich bedenklich.

Ebenso widersprüchlich stellt sich dar, dass in den ErlRV die Festlegung des Abzinsungszinssatzes mit einem Fixzinssatz im §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 mit 'Vereinfachungsgründen' begründet wurde. Es ist jedoch als nicht sachgerecht und somit als willkürlich anzusehen, dass wenn auf eine jährliche Anpassung verzichtet werden soll, nicht ein variabler Zinssatz auf Basis eines Referenzzinssatzes zur Abzinsung herangezogen wird. Aus verfassungsrechtlicher Sicht können 'Vereinfachungsgründe' keine Rechtfertigung für eine nicht sachgerechte Regelung sein, denn die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen liegt 'bei der Nachprüfung der konkreten Umsetzung (…): Hier liege die Schranke nunmehr bei der Sachgerechtigkeit der Umsetzung' (Holoubek, ÖZW 1991, 81 FN 117). Zwar mag der Zinssatz iHv. 3,5% im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes dem Marktzinssatz entsprochen haben und in einem anschließenden (kurzen) Zeitraum einen Anhaltspunkt zur Festlegung eines Marktniveaus bieten. Allerdings wird in der Lehre übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass im Fall der Änderung des Zinsniveaus laufende Anpassungen des gesetzlichen Pauschalzinssatzes vorzunehmen sind (Steinhauser, Zur Berücksichtigung der Verzinslichkeit von Verbindlichkeiten in der Unternehmens- und Steuerbilanz, Jahrbuch Bilanzsteuerrecht 2016, 105; Mayr, Verbindlichkeiten und Rückstellungen nach dem RÄG 2014, RdW 2015, 189).

Sowohl aus dem Unternehmensrecht gem. §211 UGB als nach dem Steuerrecht gem. §14 EStG 1988 ergibt sich, dass nur ein dynamischer Zinssatz sachgerecht sein kann."

2.3. Die Bedenken gegen die Abzinsung des Teilwertes gemäß §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 legt das Bundesfinanzgericht wie folgt dar (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die zur Abzinsung herangezogen wird, ist gem. §9 Abs5 EStG 1988 der Teilwert 'unter Berücksichtigung der tatsächlichen Laufzeit der Rückstellung', wie es die Erläuterungen der Regierungsvorlage beschreiben, heranzuziehen. Der Teilwert gem. §6 Z1 EStG ist jedoch ein bestimmter Gesetzesbegriff, der realiter der bereits abgezinste Wert ist. Eine Rückrechnung des Teilwerts auf einen nicht abgezinsten Wert, um die Regelung des §9 Abs5 EStG 1988 überhaupt anwenden zu können, ist als nicht sachgerecht bzw als willkürlich anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich 'beim Teilwert iSd §6 Z1 (…) ebenso wie beim gemeinen Wert um einen objektiven Wert' (VwGH 5.7.2004, 2000/14/0174; VwGH 17.4.2008, 2005/15/0073; VwGH 21.4.2016, 2013/15/0100). Auch in der herrschenden Lehre wird die Rechtsmeinung vertreten, dass die Regelung des §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 irreführend ist, 'zumal der Teilwert nach seiner Definition in §6 Z1 EStG bereits einen Gegenwartswert darstellt, für dessen (nochmalige) Abzinsung keine Anhaltspunkte gefunden werden können.' Der 'Teilwert' zielt demnach auf den nach vorgenommener Abzinsung sich ergebenden Betrag ab (Jahrbuch Bilanzsteuerrecht 2014, 53; Beiser, Die Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen im Licht des Leistungsfähigkeitsprinzips, SWK 2000, S 734).

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzgerichts zur Abzinsung des Teilwerts in §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 werden zusätzlich dadurch bestärkt, dass die betriebswirtschaftlich gebotene jährliche Aufzinsung, dh die Differenz zwischen dem mit dem aktuellen Zinssatz auf den Stichtag abgezinsten kumulierten Aufwand der Vorjahre und der Rückstellung der Vorjahre durch die Heranziehung des Teilwertes für die Bemessungsgrundlage der Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten bereits erfasst ist. Der Grund dafür ist in betriebswirtschaftlicher und in steuerrechtlicher Hinsicht, dass 'der Barwert der Rückstellung (…) in den Folgejahren aufzuzinsen' ist 'bis er im Zahlungszeitpunkt mit dem Nominalbetrag der Verpflichtung übereinstimmt' (Jacobs, Bewertung von Rückstellungen in der Steuerbilanz, DStR 1988, 238). Bei abzuzinsenden Rückstellungen ist somit nicht nur jährlich eine neue und auf aktuellen Informationen beruhende Einschätzung des voraussichtlichen Erfüllungsbetrages als Wertermittlung im ersten Schritt vorzunehmen, sondern es bedarf zudem der alljährlichen Neuberechnung des abgezinsten Rückstellungswertes der Wertermittlung im zweiten Schritt (Aufzinsung). Selbst wenn sich bei einer Rückstellung weder der Erfüllungsbetrag als solcher, noch die Fälligkeit (welche, wenn sie nicht feststeht, gleichfalls jährlich neu einzuschätzen ist) ändern, ergibt sich jährlich schon alleine dadurch ein 'anderer Betrag, weil die Neuberechnung des abgezinsten Betrages jedenfalls unter Heranziehung der aktuellen und zudem um ein Jahr verkürzten Restlaufzeitzinssätze zu erfolgen hat' (Bertl/Deutsch‑Goldoni/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch10, Bewertung, 545). Die Aufzinsung und Abzinsung ist dem steuerrechtlichen Teilwert gem. §6 Z1 EStG 1988 somit wesensimmanent, woraus folgt, dass §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 von einem verfassungsrechtlichen Standpunkt aus betrachtet nicht sachgerecht sein kann."

2.4. Schließlich hegt das Bundesfinanzgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung des §124b Z251 litb EStG 1988 und legt diese wie folgt dar (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Zugleich mit Einführung der Regelung des §9 Abs5 EStG 1988 wurde mit §124b Z251 EStG 1988, ebenfalls mit dem AbgÄG 2014 BGBl Nr 13/2014 eine Übergangsregelung normiert, die – wie im konkreten Fall – zur Führung eines 'Doppelsystems' verpflichtete. Dementsprechend kommt es zu einer Korrektur in der Mehr-Weniger-Rechnung, wenn sich aufgrund der Neuregelung des §9 Abs5 EStG 1988 ein niedrigerer Rückstellungsbetrag als 20% Abzinsung ergibt, wobei die Differenz auf drei Jahre zu verteilen ist. Wenn der gem. §9 Abs5 EStG 1988 abgezinste Betrag höher ausfällt als der bereits rückgestellte, hat jedoch keine Anpassung zugunsten des Steuerpflichtigen zu erfolgen. Diese unterschiedliche Behandlung 'je nach fiskalischer Auswirkung' ist nach der Lehre als nicht sachgerecht zu beurteilen (Knechtl, SWK 10/2014, 499; Knechtl in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG §9 RZ27b). Denn 'die in den ErlRV verankerte Zielsetzung, wonach bestehende und neu zu bildende Rückstellungen gleichbehandelt werden sollen, wird einseitig für jene Fälle umgesetzt, die eine ertragswirksame Anpassung erfordern' (Fritz-Schmied, Jahrbuch Bilanzsteuerrecht 2014, 53). Das Ergebnis, dass 'für längerfristige Rückstellungen somit – trotz aller Bestrebungen zur Angleichung der Unternehmensbilanz und der Steuerbilanz – noch jahrelang umfangreiche Parallelrechnungen für unternehmensrechtliche und steuerliche Zwecke erforderlich [sind] sowie korrigierende Mehr-Weniger-Rechnungen anfallen' ist als nicht sachgerecht anzusehen (Bertl/Deutsch‑Goldoni/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch10, Bewertung, 556). Da diese Problematik im konkreten Fall gegeben ist, kommt es auch durch die Anwendung des §124b Z251 EStG 1988 idF. AbgÄG 2014 BGBl Nr 13/2014 zu einem widersprüchlichen und damit verfassungsrechtlich bedenklichen Ergebnis."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie von der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen ausgeht und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

3.1. Zu den Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Abzinsungssätze in §9 Abs5 und §14 Abs6 Z6 EStG 1988 verweist die Bundesregierung auf die von ihr erstattete Äußerung in den Verfahren G8-9/2020, G11‑12/2020 und G173‑174/2020, in welcher zusammengefasst ausgeführt wird, dass unterschiedliche Abzinsungssätze für unterschiedliche Arten von Rückstellungen sachlich gerechtfertigt seien.

3.2. Zur Höhe des Abzinsungssatzes von 3,5% gemäß §9 Abs5 EStG 1988 verweist die Bundesregierung auf die in den Verfahren zu G8-9/2020, G11-12/2020 und G173-174/2020 erstattete Äußerung. Dem Gesetzgeber stehe es frei, im Unternehmensrecht und Steuerrecht unterschiedliche Zielsetzungen zu verfolgen. Angesichts dieser Überlegung liege es im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, an einem bestimmten Abzinsungssatz in der Steuerbilanz auch dann festzuhalten, wenn sich der Marktzinssatz geändert habe.

3.3. Zu den vom antragstellenden Gericht erhobenen Bedenken im Hinblick auf die in §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 angeordnete Abzinsung des Teilwertes führt die Bundesregierung wie folgt aus:

"Dabei misst das Bundesfinanzgericht jedoch der Regelung des §9 Abs5 EStG 1988 offenbar einen unrichtigen Regelungsinhalt bei. Bei §9 Abs5 EStG 1988 idF AbgÄG 2014 handelt es sich um eine Ermittlungsvorschrift für den Teilwert, mit dem Rückstellungen anzusetzen sind. Darunter ist – wie auch den Erläuterungen zum AbgÄG 2014 entnommen werden kann – der Erfüllungsbetrag zu verstehen (vgl ErlRV 24 BlgNR XXV. GP 3; bereits vor Einführung der laufzeitabhängigen Abzinsung mit dem AbgÄG 2014 wurde vertreten, dass sich der steuerliche 'Teilwert' am Erfüllungsbetrag ausrichtet; vgl etwa Mayr, Abzinsung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten, RdW 2014, 152 ff (152)). Es handelt sich dabei um einen Betrag, den der Unternehmer aus heutiger Sicht voraussichtlich zur Erfüllung wird aufbringen müssen. Der steuerliche Bewertungsmaßstab für Rückstellungen ist somit ein in der Zukunft liegender Wert: Während der Laufzeit der Rückstellung absehbare Preis- und Kostensteigerungen finden im Erfüllungsbetrag Berücksichtigung (vgl ErlRV 24 BlgNR XXV. GP  3). Bewertungsmaßstab für Rückstellungen ist daher – anders als vom Bundesfinanzgericht angenommen – nicht ein Gegenwartswert, sondern der in der Zukunft liegende Erfüllungsbetrag, der auch künftig absehbare (objektivierbare) Preis- und Kostensteigerungen beinhaltet. Dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts der Teilwert ein 'Gegenwartswert' sei, der erst 'aufzuzinsen' wäre, um die Abzinsung vornehmen zu können, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus ist es einer Rückstellung wesensimmanent, dass diese jährlich neu zu bilden ist und folglich der für die Abzinsung maßgebliche Erfüllungsbetrag auch jährlich neu ermittelt wird. Bei abzuzinsenden Rückstellungen ist daher jährlich eine neue und auf aktuellen Informationen beruhende Einschätzung des voraussichtlichen Erfüllungsbetrages vorzunehmen, der in weiterer Folge sodann der Abzinsung unterliegt. Dass die Regelung des §9 Abs5 EStG 1988 vor diesem Hintergrund unsachlich sein soll, erschließt sich der Bundesregierung nicht."

3.4. Schließlich teilt die Bundesregierung die Bedenken des antragstellenden Gerichts, wonach die Übergangsregelung in §124b Z251 litb EStG 1988 gegen Art7 B‑VG verstoße, nicht und führt wie folgt aus:

"Nach Ansicht der Bundesregierung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein 'Doppelsystem' lediglich temporär für einen bestimmten Bestand an Altrückstellungen zu führen ist. Zudem steht es im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, unterschiedliche Rechtfolgen an unterschiedliche Konstellationen zu knüpfen. So entschied sich der Gesetzgeber dafür, jene Altrückstellungen, bei denen der nach neuer Rechtslage vergleichsweise ermittelte Rückstellungsbetrag im alten System noch gar nicht erreicht wurde (dh [diese] Rückstellungen waren im Vergleich zu niedrig ausgewiesen), im alten System zu belassen und in Folgejahren weiterhin nach den Regelungen des alten Systems zu behandeln. Hingegen wollte der Gesetzgeber jene Altrückstellungen, bei denen der nach neuer Rechtslage vergleichsweise ermittelte Rückstellungsbetrag im alten System bereits überschritten wurde (dh [diese] Rückstellungen waren im Vergleich zu hoch ausgewiesen), sofort ins neue Abzinsungssystem überführen. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, ungleiche Konstellationen gleich zu behandeln.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Auflösungsbetrag linear über drei Jahre verteilt werden konnte, womit der Gesetzgeber dafür Sorge trug, die 'einseitige' steuerliche Belastung aus der Auflösung des Unterschiedsbetrages abzumildern.

Wie bei jeder 'Systemumstellung' konnte es auch bei Überführung bestehender langfristiger Rückstellungen von einem pauschalen Abzinsungssystem in ein neues laufzeitabhängiges Abzinsungssystem zu einer 'Zusammenballung' von Aufwendungen bzw Erträgen kommen. Dass der Gesetzgeber an derartige Systemumstellungen 'asymmetrische' Rechtsfolgen knüpft, ist nicht untypisch und wurde auch in anderen Bereichen vorgesehen: Beispielsweise knüpft der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen an einen im Zuge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart entstehenden Übergangsgewinn einerseits und einen Übergangsverlust andererseits (vgl §4 Abs10 EStG 1988, wonach ein Übergangsgewinn sofort zur Gänze steuerwirksam zu berücksichtigen ist, während ein Übergangsverlust zu siebenteln ist). Im Falle der Überführung von bereits bestehenden Rückstellungen in das neue Abzinsungssystem hat sich der Gesetzgeber ebenfalls für eine 'asymmetrische' Behandlung entschieden, mit der Besonderheit, dass zum maßgeblichen Stichtag bestehende, vergleichsweise niedrigere Rückstellungsbeträge generell im alten Abzinsungssystem weitergeführt [werden] sollten, solange deren Restlaufzeit noch mehr als 12 Monate beträgt."

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Das Bundesfinanzgericht beantragt in seinem Hauptantrag die Aufhebung des §14 Abs6 Z6 EStG 1988, der Wortfolge ", des Abs6 Z6" in §14 Abs12 EStG 1988, jeweils idF BGBl I 24/2007, der Wortfolge ", wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen" in §9 Abs1 Z3 EStG 1988 idF BGBl I 71/2003, des §9 Abs5 EStG 1988 sowie des §124b Z251 litb EStG 1988 jeweils idF BGBl I 13/2014, als verfassungswidrig. Bei der Behandlung der Beschwerde habe das Bundesfinanzgericht in Bezug auf die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen §14 Abs12 iVm Abs6 Z6 EStG 1988 anzuwenden. §9 EStG 1988, welcher die Zulässigkeit der steuerlichen Rückstellungsbildung abstecke, stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Spezialnorm des §14 EStG 1988. Zudem sehe §9 Abs5 EStG 1988 für langfristige Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften einen Zinssatz von 3,5% vor.

Die Bedenken des antragstellenden Gerichts beschränken sich – anders als in den Verfahren zu G8/2020 ua – nicht auf die unterschiedliche Höhe der Abzinsungssätze von Pensions- bzw Jubiläumsgeldrückstellungen auf der einen Seite und Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten auf der anderen Seite, sondern gehen insoweit darüber hinaus, als nach Auffassung des antragstellenden Gerichts der Abzinsungssatz des §9 Abs5 EStG 1988 iHv 3,5% und die in dieser Vorschrift vorgesehene Anknüpfung an den Teilwert unsachlich seien.

Dem antragstellenden Gericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es denkmöglich davon ausgeht, dass durch die Aufhebung (von Teilen) der oben genannten Bestimmungen die Bildung von Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen hinsichtlich der anzuwendenden Abzinsungssätze vergleichbar wie jene sonstiger langfristiger Rückstellungen vorzunehmen wäre. Durch Aufhebung der Ziffer 6 in §14 Abs6 und des §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 wären für Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen im Rahmen versicherungs- bzw finanzmathematischer Verfahren sowie für Rückstellungen aus ungewissen langfristigen Verbindlichkeiten im Zuge der Bewertung – mangels steuerlich festgelegter Sätze anhand der Marktverhältnisse – die im Erfüllungsbetrag enthaltenen verdeckten Zinsanteile nach vergleichbaren Grundsätzen zu ermitteln.

1.2. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig. Auf die Eventualanträge ist auf Grund der Zulässigkeit des Hauptantrags nicht mehr einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Soweit zulässig, ist der Antrag jedoch nicht begründet.

2.3. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts bestehen in mehrfacher Hinsicht: Die Bedenken richten sich zum einen gegen die sich aus §14 Abs6 Z6 und §14 Abs12 sowie §9 Abs5 EStG 1988 ergebende Ungleichbehandlung hinsichtlich des Abzinsungssatzes von Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen auf der einen Seite und sonstigen langfristigen Rückstellungen auf der anderen Seite. Ferner richten sich die Bedenken des antragstellenden Gerichts gegen den in §9 Abs5 EStG 1988 vorgesehenen fixen Zinssatz iHv 3,5%, weil nur ein dynamischer Zinssatz sachgerecht sein könne. Weiters bestehen Bedenken gegen die in §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 angeordnete Abzinsung des Teilwertes, da der Teilwert als Gegenwartswert bereits ein abgezinster Wert sei. Schließlich bestehen Bedenken gegen die Übergangsvorschrift des §124b Z251 litb EStG 1988, da diese Regelung fiskalisch einseitig eine Anpassung bestehender Rückstellungen an die neu eingeführte Bewertung durch Abzinsung nur für jene Fälle vorsehen würde, in denen sie gewinnerhöhend sei.

2.4. Soweit sich die Bedenken des antragstellenden Gerichts gegen die unterschiedlichen Abzinsungsfaktoren von 3,5% für die Bildung langfristiger Rückstellungen nach §9 Abs5 EStG 1988 und von 6% für die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen nach §14 Abs12 iVm §14 Abs6 Z6 EStG 1988 bzw 6% für die Bildung von Pensionsrückstellungen nach §14 Abs6 Z6 EStG 1988 richten, ist festzuhalten, dass der Antrag insoweit nahezu wörtlich den Anträgen zu G173‑174/2020 entspricht. Im Erkenntnis vom 27. November 2020 hat der Verfassungsgerichtshof dazu ausgesprochen, dass der Gleichheitssatz nicht gebietet, den für Sozialkapital gemäß §14 Abs6 Z6 EStG 1988 geltenden Abzinsungssatz für Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen an jenen für die Abzinsung von sonstigen langfristigen Rückstellungen anzupassen. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts erweisen sich insoweit als unzutreffend.

2.5. Soweit sich die Bedenken des antragstellenden Gerichts gegen die Festlegung des Abzinsungssatzes in §9 Abs5 EStG 1988 mit 3,5% richten, ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

2.5.1. Das antragstellende Gericht begründet seine Bedenken damit, dass der Gesetzgeber – obwohl die Erläuterungen zur Regierungsvorlage als Begründung die Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz für die Steuerbilanz anführen – diesen Prinzipien mit der Neufassung des §9 Abs5 EStG 1988 im Rahmen des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I 13, de facto nicht gefolgt sei, womit die Vorgehensweise des Gesetzgebers irreführend und daher verfassungsrechtlich bedenklich sei. Der Abzinsungssatz stimme nicht mit der Rückstellungsbildung im Unternehmensrecht überein. Vereinfachungsgründe könnten nicht rechtfertigen, dass auf eine jährliche Anpassung des Zinssatzes verzichtet werden solle und nicht ein variabler Zinssatz herangezogen werde. Auch wenn der Zinssatz bei Inkrafttreten des Gesetzes angemessen gewesen sei, hätte auch für steuerliche Zwecke eine laufende Anpassung zu erfolgen. Sowohl aus dem Unternehmensrecht gemäß §211 UGB als auch aus dem Steuerrecht gemäß §14 EStG 1988 ergebe sich, dass nur ein dynamischer Zinssatz sachgerecht sein könne.

2.5.2. Die Bundesregierung hält dem in ihrer Äußerung unter Verweis auf die in den Verfahren zu G8-9/2020, G11-12/2020 und G173-174/2020 abgegebene Äußerung entgegen, dass Unternehmensrecht und Steuerrecht unterschiedliche Zielsetzungen verfolgten. Wenn es dem Gesetzgeber daher freistehe, in der Steuerbilanz ungeachtet einer unternehmensrechtlichen Passivierungspflicht Rückstellungen einzuschränken, liege es auch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, an einem bestimmten Abzinsungssatz in der Steuerbilanz auch dann festzuhalten, wenn sich der Marktzinssatz geändert habe. Der Gesetzgeber könne den steuerlichen Abzinsungssatz für Rückstellungen frei wählen und sei dabei anders als im Lichte unternehmensrechtlicher Zielsetzung auch nicht daran gebunden, betriebswirtschaftlich begründete, reale Abzinsungssätze vorzusehen.

2.5.3. Mit diesen Ausführungen ist die Bundesregierung im Recht: Es steht dem Gesetzgeber – auch bei prinzipieller Anknüpfung der steuerlichen Gewinnermittlung an die Unternehmensbilanz – frei, im Steuerrecht für noch ungewisse Verbindlichkeiten eine Passivierungspflicht oder ein Passivierungsrecht vorzusehen oder (teilweise) zu beseitigen (VfSlg 15.040/1997 mHa VfSlg 8457/1978). Unternehmensbilanz und Steuerbilanz können daher voneinander abweichen. Dem Gesetzgeber steht somit für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung auch frei, in pauschaler Weise einen Zinsvorteil aus der zeitlich vorgezogenen steuerlichen Berücksichtigung künftiger Aufwendungen in Anschlag zu bringen (VfSlg 17.067/2003).

Hieraus folgt, dass dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden kann, wenn er für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung nicht die Anwendung unternehmensrechtlich vorgesehener Abzinsungssätze anordnet, sondern einen festen Zinssatz vorsieht, der ungeachtet der Entwicklung des Marktzinssatzes anzuwenden ist (VfSlg 8547/1978; VfGH 27.11.2020, G173-174/2020).

2.6. Soweit sich die Bedenken des antragstellenden Gerichts gegen die in §9 Abs5 zweiter Satz EStG 1988 angeordnete Ermittlung des Teilwertes durch Abzinsung richten, treffen diese ebenfalls nicht zu:

2.6.1. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts gehen dahin, dass der Teilwert ein bestimmter Gesetzesbegriff sei, der realiter bereits ein abgezinster Wert sei. Auch nach der Lehre sei der Teilwert ein Gegenwartswert, für dessen nochmalige Abzinsung keine Anhaltspunkte gefunden werden könnten. Der Teilwert ziele nämlich auf den nach vorgenommener Abzinsung sich ergebenden Betrag ab.

2.6.2. Dem hält die Bundesregierung in ihrer Äußerung entgegen, dass es sich bei §9 Abs5 EStG 1988 um eine Ermittlungsvorschrift für den Teilwert handle, mit dem Rückstellungen anzusetzen seien. Darunter sei der Erfüllungsbetrag zu verstehen, welcher dem Betrag entspreche, den der Unternehmer aus heutiger Sicht voraussichtlich für die Erfüllung werde aufbringen müssen. Dieser Wert sei kein Gegenwartswert, sondern ein in der Zukunft liegender Wert, der auch künftig absehbare Preis- und Kostensteigerungen enthalte. Dass nach Ansicht des antragstellenden Gerichts der Teilwert ein Gegenwartswert sei, der erst aufzuzinsen wäre, um die Abzinsung vornehmen zu können, sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

2.6.3. Bis zu BGBl I 142/2000 enthielt das EStG 1988 mit Ausnahme der Bewertungsvorschriften für die in §14 EStG 1988 geregelten Rückstellungen keine spezifische Bewertungsvorschrift für die Bildung von Rückstellungen. Mit BGBl I 142/2000 wurde dem §9 ein Abs5 angefügt, wonach Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 mit 80% des Teilwertes anzusetzen sind. Der zweite Satz des Abs5 bestimmte, dass der Teilwert ohne Vornahme einer Abzinsung zu ermitteln ist. Nach Abs5 dritter Satz war der Teilwert nicht zu kürzen, wenn die Laufzeit der Rückstellungen am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt.

Mit der Regelung BGBl I 142/2000 brachte der Gesetzgeber zweifelsfrei zum Ausdruck, dass der Teilwert dem im Erfüllungszeitpunkt – somit in der Zukunft – zur Abdeckung der ungewissen Verbindlichkeit erforderlichen Aufwand entspricht, der im Fall längerfristiger Laufzeiten einer pauschalen Abzinsung iHv 20% des Erfüllungsbetrages zu unterwerfen war.

Wenn der Gesetzgeber mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I 13, daher §9 Abs5 EStG 1988 dahingehend novellierte, dass Rückstellungen mit dem Teilwert anzusetzen sind und dieser mit 3,5% abzuzinsen ist, sofern die Laufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag mehr als 12 Monate beträgt, bleibt kein Raum für die Annahme des antragstellenden Gerichts, dass der Teilwert ein bereits abgezinster Gegenwartswert sei. Grundlage für die Abzinsung ist vielmehr der nicht abgezinste, in der Zukunft liegende Erfüllungsbetrag.

2.7. Schließlich hegt das antragstellende Gericht Bedenken gegen die zugleich mit der Regelung des §9 Abs5 eingeführte Übergangsregelung des §124b Z251 litb EStG 1988.

2.7.1. Die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage verankerte Zielsetzung, wonach bestehende und neu zu bildende Rückstellungen gleich behandelt werden sollten, werde nach Auffassung des antragstellenden Gerichts einseitig für jene Fälle umgesetzt, die eine ertragswirksame Anpassung erfordern (vgl ErlRV 24 BlgNR 25. GP , 3). Die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Anpassung bestehender Rückstellungen an die Neuregelung je nach fiskalischer Auswirkung sei nicht sachgerecht.

2.7.2. Dem hält die Bundesregierung in ihrer Äußerung entgegen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, ungleiche Konstellationen gleich zu behandeln. Es stehe im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, jene Altrückstellungen, bei denen der nach der neuen Regelung vergleichsweise ermittelte Betrag im alten System noch gar nicht erreicht war (dh diese Rückstellungen waren im Vergleich zu niedrig ausgewiesen), im alten System zu belassen, und jene Altrückstellungen sofort ins neue System zu überführen, die im Vergleich zu hoch ausgewiesen waren.

2.7.3. §124b Z251 lita EStG 1988 bestimmt, dass §9 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014 für Rückstellungen anzuwenden ist, deren Anlass für die erstmalige Bildung in Wirtschaftsjahren liegt, die nach dem 30. Juni 2014 enden. Lit. b leg cit ordnet an, dass §9 Abs5 EStG 1988 idF vor BGBl I 13/2014 letztmalig auf Rückstellungen anzuwenden ist, die für Wirtschaftsjahre gebildet wurden, die vor dem 1. Juli 2014 enden. Für diese Rückstellungen wird weiter bestimmt, dass – ergibt sich auf Grund der erstmaligen Abzinsung nach Maßgabe der Neuregelung ein geringerer als der rückgestellte Betrag – die Rückstellung um den Unterschiedsbetrag zu vermindern ist, wobei eine Verteilung dieses – gewinnerhöhend wirkenden – Betrages zu je einem Drittel auf das betreffende und die folgenden beiden Wirtschaftsjahre zu erfolgen hat. Ergibt sich dagegen nach der Neuregelung ein höherer als der bisher rückgestellte Betrag, ist die Rückstellung weiterhin mit 80% des Teilwertes anzusetzen.

Für bestehende Rückstellungen, deren Anlass für die erstmalige Bildung in Wirtschaftsjahren liegt, die vor dem 1. Juli 2014 enden, hat somit eine erstmalige Abzinsung des Erfüllungsbetrages nach der Neuregelung zu erfolgen und ist dieser Betrag mit dem Rückstellungsbetrag, der sich nach der bis dahin geltenden Regelung ergab, zu vergleichen. Ist der unter Anwendung eines Rechnungszinsfußes von 3,5% abgezinste Betrag niedriger als der nach der bis dahin geltenden Rechtslage mit 20% verminderte Teilwert, somit nach der alten Regelung zu viel rückgestellt worden, ist die Differenz gewinnerhöhend aufzulösen. Erweist sich dagegen, dass die Rückstellung nach der neuen Regelung höher wäre, hat eine aufwandswirksame Nachdotierung zu unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, dass diese Differenzierung unsachlich wäre: Der Gesetzgeber ersetzte mit BGBl I 13/2014 den pauschalen Abschlag iHv 20% durch eine Abzinsung iHv 3,5%, um Verwerfungen zu beseitigen, die sich daraus ergeben, dass nach der Methode des pauschalen Abschlags iHv 20% Rückstellungen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Laufzeiten gleich behandelt worden sind. Diese Effekte sind umso größer, je länger die Laufzeit der Rückstellung ist.

Wenn der Gesetzgeber somit in der eingangs beschriebenen Weise betreffend Altrückstellungen differenziert, sieht er eine Anpassungsverpflichtung für solche Rückstellungen vor, die im Zeitpunkt des Übergangs längere Restlaufzeiten aufweisen, die dazu führen, dass der abgezinste Betrag weniger als 80% des Teilwertes beträgt. Dagegen schließt er eine Anpassung für Altrückstellungen mit einer kürzeren Restlaufzeit aus.

Dem kann aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden: Die Abzinsung verschiebt die Berücksichtigung des Abzinsungsbetrages in das Jahr der Ausgabe. Wird ein vergleichsweise höherer Betrag als Rückstellung angesetzt, treten Vorzieheffekte ein, die umso größer sind, je länger die Restlaufzeit der Rückstellung ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber einen Übergang (nur) für Rückstellungen mit längeren Restlaufzeiten anordnet und im Übrigen die bisherige pauschale Vereinfachung weiterhin anzuwenden ist.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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