VfGH G244/2016 ua

VfGHG244/2016 ua26.9.2016

Verfassungswidrigkeit der generellen Ausnahme aller in einer Bestimmung des Mietrechtsgesetzes geregelten Verfahren von der Möglichkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Normenkontrolle betreffend Verordnungen; keine Erforderlichkeit im Sinne einer Unerlässlichkeit der Regelung des VfGG für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht

Normen

B-VG Art11 Abs2, Art136 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z4
B-VG Art139 Abs1a
VfGG §57a Abs1 Z4
MietrechtsG §37 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:G244.2016

 

Spruch:

I. In §57a Abs1 Z4 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl Nr 85, in der Fassung BGBl I Nr 92/2014, wird die Wortfolge "§37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes – MRG, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1981_520_0/1981_520_0.pdf ," als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu den Zahlen G141/2016, G143/2016 und V25/2016 ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG und auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützter Antrag anhängig, mit dem der Antragsteller begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass "§5 RichtWG, BGBl Nr 800/1993 idF BGBl I Nr 25/2009, zur Gänze verfassungswidrig war, […] eventualiter […] §5 Abs1 RichtWG, BGBl Nr 800/1993 idF BGBl I Nr 25/2009, jedenfalls aber §5 Abs1 Z9 RichtWG, BGBl Nr 800/1993 idF BGBl I Nr 25/2009, '9. für das Bundesland Wien ….. 4,73 Euro'" verfassungswidrig war.

Des Weiteren möge festgestellt werden, dass "die Kundmachungen der Änderung der Richtwerte mit dem Richtwertegesetz mit BGBl II Nr 93/2010 und BGBl II Nr 82/2012, in eventu, sollte dies zu weit sein, dass Z9 der Kundmachungen BGBl II Nr 93/2010 und BGBl II Nr 82/2012, gesetzwidrig" waren.

Der Verfassungsgerichtshof möge außerdem "die bis zum Inkrafttreten des §5 RichtWG, BGBl Nr 800/1993 idF BGBl I Nr 50/2008 geltenden Richtwerteverordnungen für die einzelnen Bundesländer in nachstehenden, auf den verfahrensgegenständlichen Mietvertrag anwendbaren Fassungen als gesetzwidrig aufheben:

(i) BGBl Nr 140 bis 148/1994 idF BGBl II Nr 190/2003;

(ii) BGBl Nr 140 bis 148/1994 idF BGBl II Nr 116/2004;

(iii) BGBl Nr 140 bis 148/1994 idF BGBl II Nr 37/2005;

(iv) BGBl Nr 140 bis 148/1994 idF BGBl II Nr 101/2006;

(v) BGBl Nr 140 bis 148/1994 idF BGBl II Nr 61/2007;

 

[…]

 

eventualiter, lediglich die Richtwerteverordnung für Wien in den nachstehenden Fassungen als gesetzwidrig aufheben:

 

(i) BGBl Nr 148/1994 idF BGBl II Nr 190/2003;

(ii) BGBl Nr 148/1994 idF BGBl II Nr 116/2004;

(iii) BGBl Nr 148/1994 idF BGBl II Nr 37/2005;

(iv) BGBl Nr 148/1994 idF BGBl II Nr 101/2006;

(v) BGBl Nr 148/1994 idF BGBl II Nr 61/2007;"

 

Der Antragsteller beantragt "§16 Abs7 MRG, BGBl Nr 520/1981 idF 100/2014, zur Gänze als verfassungswidrig auf[zu]heben".

2. Der Antrag wurde aus Anlass eines Rekurses gegen einen Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 6. April 2016, 9 Msch 3/15y-14, gestellt. Mit dem Sachbeschluss wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die über den gesetzlich zulässigen Höchstmietzins hinausgehende Mietzinsvereinbarung unwirksam sei und der in der Vergangenheit überhöht verlangte Mietzins erstattet werden müsse.

3. Bei der Behandlung des Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG und Art139 Abs1 Z4 B‑VG sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "§37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes – MRG, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1981_520_0/1981_520_0.pdf ," in §57a Abs1 Z4 VfGG, idF BGBl I 92/2014, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 2. Juli 2016 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

4. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

 

"2. Um die Zulässigkeit von Teilen des Antrages beurteilen zu können, hat der Verfassungsgerichtshof §57a Abs1 VfGG anzuwenden. Die Bestimmung des §57a Abs1 Z4 VfGG ist daher präjudiziell (vgl. VfSlg 8028/1977, 9912/1984, 16.631/2002, 18.014/2006, 19.917/2014).

 

3. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung das Bedenken, dass sie gegen Art139 Abs1a erster Satz B‑VG verstoßen dürfte:

 

3.1. Der mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle BGBl I 114/2013 eingefügte Art139 Abs1a erster Satz B‑VG bestimmt, dass die Stellung eines Antrages gemäß Art139 Abs1 Z4 B‑VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden kann, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. Die entsprechenden einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen — darunter §57a VfGG — wurden mit dem Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz und die Strafprozeßordnung 1975 geändert werden, BGBl I 92/2014, kundgemacht. In den Erläuterungen zur RV dieses Bundesgesetzes heißt es auszugsweise (263 BlgNR 25. GP , 2 f., 4):

 

'Zu den Ausnahmen der §§57a Abs1 und 62a Abs1 im Einzelnen:

Gemäß Art139 Abs1a erster Satz und Art140 Abs1a erster Satz B‑VG kann die Stellung eines Antrages gemäß Art139 Abs1 Z4 bzw. Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. In der im Bericht des Verfassungsausschusses wiedergegebenen Begründung des im Verfassungsausschuss eingebrachten gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (AB 2380 d.B. XXIV. GP, 9) wird dazu ausgeführt, dass in bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (etwa in Provisorialverfahren) die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln könne. Dies gelte auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen hätten, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stoße (etwa im Insolvenz- oder Exekutionsverfahren). Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B‑VG sei der Begriff 'erforderlich' auch hier im Sinne von 'unerlässlich' zu verstehen.

[…]

Zu Z4 (Verfahren gemäß §37 Abs1 MRG, §52 Abs1 WEG 2002 und §22 Abs1 WGG) und Z5 (Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen und über die Räumung von Mietgegenständen):

Bei diesen Verfahren handelt es sich durchwegs um Verfahren, deren Zweck eine rasche Klärung der Rechtslage ist und die nach ihrer Konzeption keine Verzögerung dulden.' (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original)

 

3.2. Die in den Erläuterungen zitierte Stelle des Berichts des Verfassungsausschusses, AB 2380 BIgNR 24. GP, 9, lautet — auszugsweise — wie folgt:

 

'In bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (zB im Provisorialverfah-ren) könnte die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln. Dies gilt auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen haben, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stößt (zB im Insolvenzrecht). Die Stellung eines Parteiantrages soll daher durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden können, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B‑VG (vgl. insb. Art11 Abs2 sowie zuletzt Art136 Abs2 in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) ist der Begriff 'erforderlich' auch hier im Sinne von 'unerlässlich' zu verstehen (vgl. VfSlg 17.340/2004 mwH).'

 

3.3. Nach dem in diesen Zitaten deutlich werdenden Willen des (Ver-fassungs‑)Gesetzgebers und dem Wortlaut des Art139 Abs1a erster Satz B‑VG dürfte die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG durch Bundesgesetz nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nur in jenen Fällen für unzulässig erklärt werden, in denen dies 'unerlässlich' für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist (vgl. zum Erfordernis der 'Unerlässlichkeit' die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art11 Abs2 B‑VG, beginnend mit VfSlg 8945/1980 und die Rechtsprechung zu Art136 Abs2 B‑VG, zB VfSlg 19.921/2014, 19.922/2014; VfGH 12.3.2015, E58/2015; jeweils mwN).

 

4. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis G346/2015-15 vom 1. Oktober 2015 die Wortfolge '§37 Abs1 MRG,' in §62a Abs1 Z4 VfGG wegen Verstoßes gegen Art140 Abs1a erster Satz B‑VG als verfassungswidrig aufgehoben.

 

Im Lichte dieses Erkenntnisses geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Bedenken, die ihn zur Aufhebung der Wortfolge '§37 Abs1 MRG,' in §62a Abs1 Z4 VfGG veranlasst haben, auch auf die Wortfolge '§37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes — MRG, BGBl Nr 520/1981,' in §57a Abs1 Z4 VfGG zutreffen dürften.

 

5. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).

 

Im Hinblick auf die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes könnte die vorläufig angenommene Verfassungswidrigkeit mit der Aufhebung der Wortfolge '§37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes — MRG, BGBl Nr 520/1981,' beseitigt werden. Der verbleibende Teil des §57a Abs1 Z4 VfGG würde dadurch keine Veränderung seiner Bedeutung erfahren."

 

5. Die Bundesregierung hat im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 2015, G346/2015, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §57a Abs1 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – VfGG, BGBl 85, idF BGBl I 92/2014, lautet auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogene Wortfolge ist hervorgehoben):

"

§57a. (1) Eine Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gleichzeitig einen Antrag stellen, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben (Art139 Abs1 Z4 B‑VG). Die Stellung eines solchen Antrages ist unzulässig:

1. im Verfahren zur Anordnung oder Durchsetzung der Rückstellung widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder (§111a AußStrG);

2. im Besitzstörungsverfahren (§§454 bis 459 ZPO);

3. im Beweissicherungsverfahren (§§384 bis 389 ZPO);

4. im Verfahren gemäß §37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes – MRG, BGBl Nr 520/1981, §52 Abs1 des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 – WEG 2002, BGBl I Nr 70/2002, und §22 Abs1 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes – WGG, BGBl Nr 13/1979;

5. im Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen und über die Räumung von Mietgegenständen;

6. im Verfahren betreffend mittlerweilige Vorkehrungen gemäß §180 der Notariatsordnung – NO, RGBl. Nr 75/1871;

7. im Verfahren gemäß den Bestimmungen des Unterhaltsvorschußgesetzes 1985 – UVG, BGBl Nr 451/1985;

8. im Insolvenzverfahren;

9. im Exekutionsverfahren und im Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr 79/1896, einschließlich des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung;

10. im Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, insbesondere Auslieferung, Übergabe, Rechtshilfe, gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung.

[…]"

 

2. §37 des Bundesgesetzes vom 12. November 1981 über das Mietrecht (Mietrechtsgesetz – MRG), BGBl 520/1981, idF BGBl I 25/2009, lautet:

"§37. (1) Über die Anträge in den im folgenden genannten Angelegenheiten entscheidet das für Zivilrechtssachen zuständige Bezirksgericht, in dessen Sprengel das Miethaus gelegen ist:

1. Anerkennung als Hauptmieter (§2 Abs3);

2. Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten (§§3, 4 und 6);

3. Durchsetzung der Anbotspflicht (§5 Abs2);

4. Durchsetzung des Anspruchs auf Wiederherstellung (§7);

5. Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs-,

Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten einschließlich des Anspruches auf angemessene Entschädigung (§8 Abs2 und 3 und §18c Abs2);

6. Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes (§9) sowie Feststellung der Höhe und Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung (§10);

7. Wohnungstausch (§13);

8. Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses (§§12a, 16, 43, 44, 45, 46, 46a, 46c), Untermietzinses (§26) und Anrechnung von Dienstleistungen auf den Hauptmietzins (§28);

8a. Aufgliederung eines Pauschalmietzinses (§15 Abs4);

8b. Höhe des rückforderbaren Kautionsbetrags (§16b Abs2);

9. Verteilung der Gesamtkosten und Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten (§17);

10. Erhöhung der Hauptmietzinse (§§18, 18a, 18b, 19) sowie Höhe und Zuordnung der Kosten von Baumaßnahmen gemäß §18c (§18c Abs4);

11. Legung der Abrechnungen (§20 Abs3 und 4, §21 Abs5, §24 Abs3, §45 Abs2) Vorlage und Kopie des Energieausweises (§20 Abs5);

12. Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben, Auslagen für die Verwaltung, Aufwendungen für die Hausbetreuung, besondere Aufwendungen (§§21 bis 24);

12a. Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen (§25);

13. Angemessenheit des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags und Rückzahlung sowie Bekanntgabe der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten (§45);

14. Rückzahlungen von verbotenen Leistungen und Entgelten (§27).

(2) Liegen im Falle eines Wohnungstausches (Abs1 Z7, §13) die Miethäuser in den Sprengeln verschiedener Bezirksgerichte, so ist, sofern der Antrag gemeinsam bei einem der Bezirksgerichte gestellt wird, dieses, sonst das zuerst angerufene der beiden Bezirksgerichte zuständig.

(2a) Gilt der Verteilungsschlüssel für die Gesamtkosten des Hauses (§17 Abs1) gemäß §32 Abs1 zweiter Satz WEG 2002 auch für die Miteigentümer der Liegenschaft, so stehen jedem dieser Miteigentümer in den im Abs1 Z9 angeführten Angelegenheiten die im Abs3 und 4 genannten Rechte und Pflichten in gleicher Weise wie einem Hauptmieter zu.

(3) Für das Verfahren über die in Abs1 genannten Angelegenheiten gelten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit folgenden Besonderheiten:

1. Kommt auf einer Seite mehr als sechs Personen Parteistellung zu, so kann im verfahrenseinleitenden Antrag die namentliche Nennung dieser Personen durch die allgemeine Bezeichnung ihrer Rechtsstellung und die Vorlage eines Verzeichnisses dieser Personen ersetzt werden.

2. In einem Verfahren, das von einem oder mehreren Hauptmietern des Hauses gegen den oder die Vermieter eingeleitet wird, ist der verfahrenseinleitende Antrag auch jenen anderen Hauptmietern des Hauses zuzustellen, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung darüber unmittelbar berührt werden könnten; diesen Hauptmietern ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben, wofür es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Sachvorbringen erstatten können.

3. In einem Verfahren, das vom Vermieter gegen Hauptmieter des Hauses eingeleitet wird, kommt auch jenen anderen Hauptmietern des Hauses Parteistellung zu, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung über den Antrag unmittelbar berührt werden könnten.

4. Die Zustellung an die anderen, in ihren Interessen unmittelbar berührten Hauptmieter des Hauses nach Z2 kann durch Anschlag an einer für alle Hausbewohner deutlich sichtbaren Stelle des Hauses (bei mehreren Stiegenhäusern an einer entsprechenden Mehrzahl solcher Stellen) vorgenommen werden. Der Anschlag darf frühestens nach 30 Tagen abgenommen werden. Die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags gilt mit Ablauf dieser Frist als vollzogen, spätere Zustellungen hingegen schon mit dem Anschlag. Die Gültigkeit der Zustellung wird dadurch, dass der Anschlag noch vor Ablauf dieser Frist abgerissen oder beschädigt wurde, nicht berührt.

5. Kommt in einem Verfahren nach Z3 mehr als sechs Hauptmietern Parteistellung zu, so kann die Zustellung an diese Hauptmieter durch Anschlag nach Z4 und damit verbundene individuelle Zustellung an einen dieser Hauptmieter, der vom Gericht zu bestimmen ist, vorgenommen werden.

6. Mehreren Parteien, die durch einen gemeinsamen Antrag ein Verfahren eingeleitet haben, ist nur einmal zuzustellen, und zwar zu Handen des von ihnen namhaft gemachten Vertreters oder Zustellungsbevollmächtigten, sonst zu Handen der im Antrag zuerst genannten Partei. Überdies kann das Gericht für namentlich bestimmte Parteien, deren Interessen nicht offenbar widerstreiten, jederzeit auch von Amts wegen einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bestellen; §97 ZPO ist darauf entsprechend anzuwenden.

7. Zustellungen an den oder die Vermieter können auch zu Handen des für das Haus bestellten Verwalters vorgenommen werden.

8. Den für das Verfahren bestellten und dem Gericht ausgewiesenen Parteienvertretern ist jedenfalls zuzustellen.

9. In erster und zweiter Instanz können die Parteien selbst vor Gericht handeln und sich durch jede eigenberechtigte Person vertreten lassen. In dritter Instanz müssen sich die Parteien entweder durch einen Rechtsanwalt oder Notar oder durch einen Interessenvertreter vertreten lassen. Interessenvertreter ist ein Funktionär oder Angestellter eines Vereins, zu dessen satzungsmäßigen Zwecken der Schutz und die Vertretung der Interessen der Vermieter oder der Mieter gehören und der sich regelmäßig mit der Beratung seiner Mitglieder in Mietangelegenheiten in mehr als zwei Bundesländern befasst; er ist zur Vertretung von Parteien in allen Instanzen befugt.

10. Die Beweise sind in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aufzunehmen, sofern nicht die Aufnahme eines Beweises durch einen ersuchten oder beauftragten Richter angeordnet wird.

11. Jede Partei kann während des Verfahrens erster Instanz beantragen, dass ein im Verfahren strittiges Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den Antrag ganz oder zum Teil abhängt, in dem über den Hauptantrag ergehenden Sachbeschluss (Z13) oder in einem demselben vorausgehenden Zwischensachbeschluss festgestellt werde, sofern die Wirkung einer solchen Feststellungsentscheidung über jene der Entscheidung über den Hauptantrag hinausgeht und auch für die beantragte Feststellung das Verfahren nach §37 zulässig ist.

12. In den Fällen des §25 Abs1 Z1, 2 und 4 AußStrG wird das Verfahren nur unterbrochen, wenn der Unterbrechungsgrund bei einer Partei eintritt, der ungeachtet der Regelungen in Z4 und 5 individuell zugestellt werden muss. Ein Verfahren kann, sofern dies zweckmäßig ist, mit einem anderen Verfahren nach Abs1, §52 WEG 2002, §22 WGG oder §25 HeizKG verbunden werden.

13. Die Entscheidung in der Sache ergeht mit Sachbeschluss. §44 AußStrG ist nicht anzuwenden.

14. Im Rekursverfahren sind abweichend von §49 AußStrG neu vorgebrachte Tatsachen und neu angebotene Beweismittel - außer zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Rekursgründe - nicht zu berücksichtigen. §46 Abs3 und §52 Abs2 letzter Halbsatz AußStrG sind nicht anzuwenden. §47 Abs1 AußStrG gilt mit der Maßgabe, dass auch die Vertretung durch einen Interessenvertreter eine mündliche Rekurserhebung ausschließt.

15. Die Frist für den Rekurs gegen einen Sachbeschluss und für die Rekursbeantwortung hiezu beträgt abweichend von §46 Abs1 und §48 Abs2 AußStrG vier Wochen. Für die Zustellung eines Rekurses sind die Z4 und 5 schon bei der Zustellung an mehr als zwei Hauptmieter anzuwenden.

16. Für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gelten die §§62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe, dass die in Abs1 genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und dass die gemäß §59 Abs2, §62 Abs3 und 5 und §63 Abs1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze 10 000 Euro beträgt. Die Frist für den Revisionsrekurs oder die Zulassungsvorstellung gegen einen Sachbeschluss und für den Revisionsrekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss (§64 AußStrG), mit dem ein Sachbeschluss aufgehoben wurde, sowie für die Revisionsrekursbeantwortung hiezu beträgt abweichend von §63 Abs2, §65 Abs1 und §68 Abs1 AußStrG vier Wochen. Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung haben abweichend von §65 Abs3 Z5 und §68 Abs1 AußStrG die Unterschrift eines Rechtsanwalts, eines Notars oder eines Interessenvertreters zu enthalten. Z15 zweiter Satz gilt entsprechend.

17. Die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt, Notar oder Interessenvertreter sind von den Parteien nach Billigkeit zu tragen, wofür zu berücksichtigen ist, in welchem Ausmaß die Parteien mit ihren Anträgen durchgedrungen sind, in wessen Interesse das Verfahren durchgeführt wurde, welcher nicht zweckentsprechende Verfahrensaufwand zumindest überwiegend durch das Verhalten einzelner Parteien verursacht wurde und ob eine Partei durch den Kostenersatz an eine Vielzahl von Verfahrensgegnern übermäßig belastet würde. Hat demnach eine durch einen Interessenvertreter vertretene Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Vertretungskosten, so beträgt dieser 400 Euro für das Verfahren erster Instanz und jeweils 180 Euro für das Verfahren zweiter und dritter Instanz. Werden mehrere Parteien eines Verfahrens durch ein und denselben Interessenvertreter vertreten, so erhöht sich ihr gemeinschaftlicher Kostenersatzanspruch bei zwei gemeinsam vertretenen Personen um 10 vH, bei drei Personen um 15 vH, bei vier Personen um 20 vH und bei fünf oder mehr Personen um 25 vH.

18. In den in Z2 genannten Verfahren erstreckt sich die Rechtskraft von antragsstattgebenden Sachbeschlüssen über Feststellungsbegehren auf alle Hauptmieter, denen der verfahrenseinleitende Antrag nach Z2 zugestellt wurde.

19. Die Bestimmung des §79 AußStrG ist nicht anzuwenden.

20. Zur Sicherung von Ansprüchen, die gemäß Abs1 in einem Verfahren nach Abs3 geltend zu machen sind, kann das Gericht einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung erlassen. Soll die einstweilige Verfügung der Sicherung eines Anspruchs auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten nach §3 Abs3 Z2 dienen, so kann ihre Bewilligung nicht von einer Sicherheitsleistung nach §390 Abs2 der Exekutionsordnung abhängig gemacht werden. Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bei Gericht gestellt, so kann ab diesem Zeitpunkt ein Verfahren vor der Gemeinde gemäß §39 nicht mehr anhängig gemacht werden; für ein bereits vor der Gemeinde anhängiges Verfahren gilt §40 Abs2 zweiter Satz sinngemäß. Der Antrag in der Hauptsache ist in diesen Fällen bei Gericht einzubringen.

(4) Ergibt sich in einem Verfahren nach Abs1 ein Anspruch des antragstellenden Mieters auf Rückforderung oder Ersatz, so ist sein Gegner auch zur Zahlung des hienach zustehenden Betrages samt Zinsen binnen 14 Tagen bei Exekution zu verhalten."

 

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

B. In der Sache

1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen.

1.1. Vorauszuschicken ist, dass Art139 Abs1a B‑VG (ebenso wie Art140 Abs1a B‑VG) – anders als dies bei Anträgen nach Art139 Abs1 Z1 B‑VG der Fall ist – eine nicht nach der Qualität des Anfechtungsobjekts, sondern eine nach den Verfahren differenzierende Beschränkung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes begründet. Sie wurde gleichzeitig mit der Erweiterung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Bereich der Normenkontrolle durch die B‑VG-Novelle BGBl I 114/2013 in das B‑VG aufgenommen. Die Schaffung des Art139 Abs1 Z4 B‑VG und die Ausweitung des Kreises der antragsbefugten ordentlichen Gerichte ergänzt das System der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle im Interesse des Rechtsschutzes (vgl. VfGH 1.10.2015, G346/2015, Pkt. 2.1.). Die Verpflichtung der (ordentlichen) Gerichte, bei Bedenken betreffend die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art89 Abs2 iVm Art139 Abs1 Z1 B‑VG) und die den Parteien eines Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten zustehende Befugnis, diese Bedenken allenfalls von sich aus an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehen in engem historischen und systematischen Zusammenhang.

1.2. Der Verfassungsgesetzgeber war, wie sich aus den Materialien ergibt, davon bestimmt, Verfahrensverzögerungen durch Parteianträge auf Gesetzes- oder Verordnungsprüfung möglichst hintanzuhalten. Zu diesem Zweck wurde eine an Art144 Abs2 B‑VG angelehnte Befugnis zur Ablehnung von Parteianträgen für Fälle eingefügt, in denen diese keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (Art139 Abs1b, Art140 Abs1b B‑VG). In einer vom Verfassungsausschuss vorgeschlagenen, am Tag der Beschlussfassung über die Novellierung der Art139 und Art140 B‑VG angenommenen Entschließung zur Vermeidung mutwilliger Verfahrensverzögerungen kommt zum Ausdruck, dass der Verfassungsgerichtshof über die Ablehnung von "Gesetzesbeschwerden" entscheidet und das Gerichtsverfahren nur im Einzelfall unterbrochen wird. Daneben werden die Schaffung von Ausnahmen in Angelegenheiten des Exekutions- und Insolvenzrechts als vorzusehende Ausnahmen ausdrücklich genannt, für Angelegenheiten der öffentlichen Bücher wird die Sicherstellung des Vertrauens in diese gefordert; schließlich wird formuliert, dass – ganz allgemein und nicht beschränkt auf bestimmte Materien – eine "Inanspruchnahme der verfassungsrechtlichen Ausnahmen […] nur [stattfinden soll], sofern […] die Ausnahme zur Sicherung des Verfahrenszwecks erforderlich (d.h. unerlässlich) ist." (Entschließung vom 13. Juni 2013, 310/E 24. GP).

1.3. Vor diesem Hintergrund ist die Bestimmung des Art139 Abs1a B‑VG als eine eng begrenzte Ausnahme von der grundsätzlich gegen alle Verordnungen offen stehenden Anfechtungsberechtigung anzusehen, die durch die Erforderlichkeit des Ausschlusses des Rechtsbehelfs im Hinblick auf den Zweck des (gerichtlichen) Verfahrens bestimmt wird, wobei den mit dem zeitlichen Aspekt zusammenhängenden Elementen der Sicherung des Verfahrenszwecks wenigstens auch durch andere verfahrensrechtliche Vorkehrungen Rechnung getragen werden sollte (vgl. Art139 Abs1b B‑VG, Art139 Abs7 B‑VG, §57a Abs6 VfGG, §80a Abs2 AußStrG).

2. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem (oben unter I.4 wiedergegebenen) Prüfungsbeschluss unter Hinweis auf den Wortlaut des Art139 Abs1a erster Satz B‑VG und die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bundesgesetzes BGBl I 92/2014 (263 BlgNR 25. GP ) vorläufig davon aus, dass die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG durch Bundesgesetz nur in jenen Fällen für unzulässig erklärt werden dürfte, in denen dies "unerlässlich" für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht ist.

2.1. Zur Auslegung des Erfordernisses der "Unerlässlichkeit" verweisen die Gesetzesmaterialien ausdrücklich auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art11 Abs2 B‑VG (AB 2380 BlgNR 24. GP , 9, VfSlg 17.340/2004 mwH) und auf Art136 Abs2 B‑VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012.

2.2. Zu Art11 Abs2 B‑VG hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass sich die "Unerlässlichkeit" einer abweichenden Regelung in einem Materiengesetz aus "besonderen Umständen" oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben kann (vgl. VfSlg 19.787/2013 mwN). Von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen sind nur dann zulässig, wenn sie nicht anderen Verfahrensbestimmungen, etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes widersprechen (vgl. VfSlg 15.218/1988, 17.340/2004; vgl. zu Art136 Abs2 B‑VG zB VfSlg 19.922/2014; VfGH 12.3.2015, E58/2015).

2.3. Die Kriterien der Erforderlichkeit in Art11 Abs2 B‑VG und in Art136 Abs2 B‑VG verfolgen im Hinblick auf die Begrenzung der Ermächtigungen das Ziel der Wahrung einer Einheitlichkeit im Verfahrensrecht vor Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichten. Damit sind sie gleich den Bestimmungen über die Normenkontrolle auf die Verwirklichung der durch das Siebente Hauptstück maßgeblich ausgeformten Rechtsstaatlichkeit gerichtet.

2.4. Eine an diesem Regelungszweck ausgerichtete historisch-systematische Auslegung des Art139 Abs1a B‑VG führt zum Ergebnis, dass die in dieser Bestimmung mit dem Kriterium der Erforderlichkeit beschränkte Ermächtigung an den Gesetzgeber, den Zugang zum Verfassungsgerichtshof zu begrenzen, eng im Sinne einer "Unerlässlichkeit" zu verstehen ist. Unerlässlich ist die Ausnahme von der Möglichkeit, einen Parteiantrag zu erheben, in Verfahren, in denen die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG und die nachfolgende Durchführung eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof den Zweck des Verfahrens vereiteln würde (zB in Provisorialverfahren). Im Hinblick auf Rechtssachen, für die der Ausschluss der Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG nicht in diesem Sinne unerlässlich ist, ist gegebenenfalls nach Art139 Abs7 B‑VG durch Bundesgesetz zu bestimmen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben wird, eine neuerliche Entscheidung der Rechtssache vor dem ordentlichen Gericht ermöglicht.

3. Die im Prüfungsbeschluss vorläufig getroffene Annahme, dass es jedenfalls nicht für alle Fälle des §37 Abs1 MRG zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens im beschriebenen Sinn unerlässlich sein dürfte, die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG durch Bundesgesetz für unzulässig zu erklären, hat sich im Gesetzesprüfungsverfahren bestätigt.

3.1. §57a Abs1 Z4 VfGG sieht unter anderem vor, dass in Verfahren gemäß §37 Abs1 MRG die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG unzulässig ist. §37 Abs1 MRG regelt die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit in einer Reihe von wohnrechtlichen Angelegenheiten, nämlich im Wesentlichen bei mietrechtlichen Leistungs-, Feststellungs- und Rechtsgestaltungsbegehren. §37 Abs2 MRG enthält eine spezielle Regelung der örtlichen Zuständigkeit für Fälle des Tausches von Wohnungen in zwei verschiedenen Gerichtssprengeln. §37 Abs3 MRG enthält in zwanzig Ziffern besondere, von den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG abweichende Verfahrensvorschriften. §37 Abs4 MRG enthält eine spezielle Regelung für Rückforderungen und Ersatzansprüche eines antragstellenden Mieters.

3.2. Für die Bestimmung des Inhalts des §57a Abs1 Z4 VfGG ist sohin unter anderem §37 Abs1 MRG maßgeblich.

Durch die Verweisung in §57a Abs1 Z4 VfGG wird der Kreis der durch die Aufzählung umschriebenen Verfahren vom Anwendungsbereich des Art139 Abs1 Z4 B‑VG ausgenommen. Von §37 Abs1 MRG sind unterschiedliche Angelegenheiten umfasst (zB Anträge auf Anerkennung als Hauptmieter [Z1]; Überprüfung der Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses [Z8]) (s. VfGH 1.10.2015, G346/2015).

3.3. Die Materialien zur B‑VG-Novelle, BGBl I 114/2013, enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Verfassungsgesetzgeber die Verfahren nach §37 Abs1 MRG schlechthin als solche ansieht, anlässlich derer die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG jedenfalls unzulässig sein soll.

3.4. Alleine der zeitliche Aspekt der "Verfahrensverzögerung" durch die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG ist für sich genommen kein Grund, der den Bundesgesetzgeber berechtigte, von der ihm durch Art139 Abs1a erster Satz B‑VG eingeräumten Ermächtigung in der Weise Gebrauch zu machen, dass er pauschal alle in §37 Abs1 MRG genannten Verfahren ausnimmt. Im Hinblick auf besonders dringliche Angelegenheiten werden gegebenenfalls andere Maßnahmen erforderlich sein bzw. wird das Gericht im Einklang mit §57a Abs6 VfGG Handlungen vorzunehmen und Anordnungen zu treffen haben, die im Sinne dieser Bestimmung keinen Aufschub dulden. Im Übrigen liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Bundesgesetzgebers, entsprechende Vorkehrungen auf Grundlage des Art139 Abs1a zweiter Satz B‑VG zu treffen (vgl. in diesem Zusammenhang zB §80a Abs2 AußStrG und die Erläuterungen zur RV dieser Bestimmung, 263 BlgNR 25. GP , 8).

 

3.5. Der Zweck der Verfahren nach §37 Abs1 MRG weist somit keine Besonderheiten auf, die es erforderlich (im Sinne von "unerlässlich") machten, zu seiner Sicherung die Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 Z4 B‑VG durch Bundesgesetz für unzulässig zu erklären (s. VfGH 1.10.2015, G346/2015).

3.6. Die Prüfung der generellen Ausnahme aller Verfahren gemäß §37 Abs1 MRG erbringt daher das Ergebnis, dass diese nicht erforderlich zur Sicherung des Verfahrenszwecks ist. Die entsprechende Wortfolge in §57a Abs1 Z4 VfGG verstößt daher gegen Art139 Abs1a erster Satz B‑VG.

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge "§37 Abs1 des Mietrechtsgesetzes – MRG, http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1981_520_0/1981_520_0.pdf ," in §57a Abs1 Z4 VfGG, BGBl 85/1953 idF BGBl I 92/2014, ist wegen Verstoßes gegen Art139 Abs1a erster Satz B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.

3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich veranlasst, von der ihm durch Art140 Abs7 zweiter Satz B‑VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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