Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs3
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
KinderbetreuungsgeldG §9, §16, §18 Abs1 Z1, §19 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs3
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
KinderbetreuungsgeldG §9, §16, §18 Abs1 Z1, §19 Abs2
Spruch:
I. §18 Abs1 Z1 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001, in seiner Stammfassung wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen B1391/09, B15/10, B40/10, B157/10, B253/10, B302/10, B317/10, B406/10, B445/10, B464/10, B469/10 und B913/10 Beschwerden anhängig, denen jeweils folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Mit letztinstanzlichen Bescheiden wurde jeweils dem (geldunterhaltspflichtigen und von der Kindesmutter getrennt lebenden) Vater des Kindes gemäß §18 Abs1 Z1 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (in der Folge: KBGG) die Rückzahlung von in den Jahren 2002 und/oder 2003 an die Kindesmutter ausbezahlten Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld für die Jahre 2002 und/oder 2003 vorgeschrieben. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, die die Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen Bestimmungen des KBGG und die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behaupten.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §18 Abs1 Z1 KBGG entstanden. Der Gerichtshof hat daher mit Beschluss vom 6. Oktober 2010 von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.
Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Beschwerden zulässig sind, dass die belangte Behörde bei Erlassung der angefochtenen Bescheide jeweils die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung des §18 Abs1 Z1 KBGG angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsvorschrift bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerden anzuwenden hätte. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er dort wie folgt dar:
"2.1. Beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld handelt es sich nach der in den Beschwerdefällen maßgeblichen Rechtslage um eine Geldleistung 'für sozial schwache Eltern' (vgl. RV 620 BlgNR 21. GP, 53). Voraussetzung ist dabei in allen Fällen, dass das eigene Einkommen des zuschusswerbenden Elternteiles eine bestimmte Höhe, nämlich € 3.997,-- pro Jahr (vgl. §9 Abs3 KBGG in der Stammfassung), nicht überschreitet. Bei Ehegatten oder nicht verheirateten Eltern, die im gemeinsamen Haushalt leben, wird der Zuschuss darüber hinaus nur gewährt, wenn auch das Einkommen des anderen Elternteiles die Freigrenze von € 7.200,-- pro Jahr (zzgl. Zuschlägen im Fall weiterer Unterhaltspflichten) nicht überschreitet (vgl. §12 Abs1 KBGG in der Stammfassung), wobei bei Übersteigen der Freigrenze der Unterschiedsbetrag (dh. der übersteigende Betrag) auf den Zuschuss anzurechnen ist (§12 Abs2 KBGG).
Die Gewährung einer solchen Sozialleistung für besonders einkommensschwache Eltern und Elternteile im Zusammenhang mit der Betreuung von Kindern in den ersten Lebensjahren steht im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass diese Sozialleistung zurückzuzahlen ist, wenn sich in der Folge die Einkommensverhältnisse der zunächst bezugsberechtigten Person bessern. Im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers steht es nämlich, eine Sozialleistung dieser Art an das Vorliegen einer bestimmten wirtschaftlichen Situation zu knüpfen und sie daher zurückzufordern, wenn sich diese deutlich gebessert hat.
2.2. Die zu beurteilende Regelung verpflichtet jedoch in einer wesentlichen Zahl von Fällen zur Rückzahlung auch dritte Personen: Erhält den Zuschuss nämlich ein allein stehender Elternteil, dann trifft die Rückzahlungspflicht den jeweils anderen Elternteil, sofern dessen Einkommen die in §19 Abs1 Z1 leg.cit. genannten Grenzbeträge überschreitet. Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld hat der allein stehende Elternteil in diesem Fall nur, wenn er eine Urkunde vorlegt, aus der der andere (rückzahlungspflichtige) Elternteil hervorgeht (vgl. §11 Abs2 KBGG). Der Verfassungsgerichtshof geht vorderhand davon aus, dass eine solche Rückzahlungsverpflichtung eines Dritten dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot nur dann entspricht, wenn für die Heranziehung des Dritten eine sachliche Rechtfertigung gefunden werden kann und auf sein Rechtsschutzinteresse hinreichend Bedacht genommen wird.
2.3. Auszugehen ist dabei davon, dass nach hA ein gemeinsames Kind dem das Kind betreuenden Elternteil nach den allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechtes für sich alleine keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil vermittelt (zB Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 2006, 446; Kerschner, Bürgerliches Recht V - Familienrecht3, 2008, Rz 3/4; eine Ausnahme davon besteht gemäß §168 ABGB nur für die ersten sechs Wochen nach der Geburt). Wenn nun im Fall getrennt lebender Eltern dem das Kind betreuenden Elternteil bei entsprechender Bedürftigkeit die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in Anspruch zu nehmen, den der andere Elternteil bei entsprechend hohem Einkommen zurückzuzahlen hat, dann wird damit anscheinend eine Leistung nach Art eines Unterhaltsvorschusses gewährt.
Nun mag es zwar grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegen, eine (befristete) Unterhaltsverpflichtung des getrennt lebenden Elternteils gegenüber dem das gemeinsame Kind betreuenden Elternteil vorzusehen und diese auch in die Form einer Abgabe zu kleiden. Die in Rede stehende Regelung des KBGG dürfte aber zur Folge haben, dass getrennt lebende Elternteile zur Rückzahlung des Zuschusses (und damit wirtschaftlich zu einer Unterhaltsleistung an den anderen Elternteil) auch in Fällen verhalten werden, in denen sie bereits zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem den Zuschuss beziehenden Elternteil treffen und sie diese Verpflichtungen in vollem Umfang erfüllen. Der Verfassungsgerichtshof hat daher das Bedenken, dass die in Rede stehende Regelung auf die zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den betroffenen Elternteilen nicht hinreichend Bedacht nimmt und deshalb in einer anscheinend nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen zu unsachlichen und daher gleichheitswidrigen Ergebnissen führen kann, etwa dazu, dass der dem Unterhaltspflichtigen verbleibende Einkommensteil nach allgemeinen Unterhaltsgrundsätzen zu gering ist. Eine solche Regelung dürfte nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes auch nicht dadurch gerechtfertigt sein, dass in Einzelfällen eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Leistung zu befürchten ist.
2.4. Der Verfassungsgerichtshof hegt ferner das Bedenken, dass die Regelung deswegen gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstößt, weil sie die Rückzahlungsverpflichtung unabhängig davon vorsieht, welche Unterhaltsbelastungen den rückzahlungspflichtigen Elternteil gegenüber Kindern sonst treffen (nach dem Vorbringen in der zu B1391/09 protokollierten Beschwerde hat der rückzahlungspflichtige Vater Unterhaltspflichten gegenüber vier Kindern zu erfüllen). Hängt die Höhe der Rückzahlung nämlich von dem (modifizierten) Einkommen nach §2 Abs2 EStG 1988 ab (so §19 Abs2 KBGG), dann ist die Abgabe anscheinend auch von jenen Einkommensbestandteilen zu bemessen, die vom Steuerpflichtigen an unterhaltsberechtigte Kinder weiterzugeben sind, da Unterhaltslasten gegenüber Kindern grundsätzlich das steuerliche Einkommen nicht mindern und nur in besonderen (seltenen) Fällen als außergewöhnliche Belastung nach §34 EStG 1988 anzuerkennen sind (vgl. dazu VfSlg. 16.380/2002; VfGH 20.6.2009, G13/09). Werden die Unterhaltslasten in der Bemessungsgrundlage jedoch nicht berücksichtigt, dann werden anscheinend Einkommensbezieher gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens in unsachlicher Weise gleich behandelt (vgl. dazu VfSlg. 12.940/1991 und die Folgejudikatur). Diese Gleichbehandlung ungleicher Fälle dürfte auch durch die Familienbeihilfe nicht ausgeglichen werden, da diese bei der hier gegebenen Konstellation regelmäßig nicht dem rückzahlungsverpflichteten Elternteil zusteht. Da die maßgebenden Abgabensätze nach §19 KBGG bis 9 v.H. reichen, kann anscheinend auch nicht von vernachlässigenswerten Steuerfolgen gesprochen werden.
2.5. Der Verfassungsgerichtshof hat schließlich das Bedenken, dass die hier zu beurteilende Rechtslage den Rechtsschutzinteressen des rückzahlungspflichtigen Elternteils nicht in der dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise Rechnung trägt.
Wird der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von verheirateten oder nicht verheirateten, aber im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern beantragt, dann haben beide Elternteile eine Erklärung zu unterfertigen, mit der sie sich zur Leistung der Abgabe gemäß §18 KBGG verpflichten (vgl. §15 KBGG). Bei allein stehenden Elternteilen hingegen ist das Unterfertigen einer derartigen Erklärung nicht vorgesehen; der andere, zur Rückzahlung verpflichtete Elternteil ist lediglich gemäß §16 KBGG von der Gewährung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld zu verständigen.
Die Vorgängerregelungen zum 4. Abschnitt des KBGG ('Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld') im Karenzurlaubszuschussgesetz, im Karenzgeldgesetz und im Karenzurlaubsgeldgesetz wurden vom Gesetzgeber mit BGBl. I 34/2004 rückwirkend, nämlich mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 bzw. 1. Juli 1997, u.a. mit der Begründung: außer Kraft gesetzt, dass keine gesetzliche Informationspflicht des zur Rückzahlung verpflichteten Elternteils bei Gewährung des Zuschusses an einen allein stehenden Elternteil vorgesehen war und die teilweise fehlende Information der Rückzahlungsverpflichteten zu einer ungleichen Behandlung führen würde (vgl. RV 387 BlgNR 22. GP).
Auch der Verfassungsgerichtshof geht vorderhand davon aus, dass die Rückzahlungsverpflichtung des anderen Elternteils nur dann sachgerecht ausgestaltet ist, wenn der Rückzahlungspflichtige von der Gewährung des Zuschusses verständigt wird. Mit dem KBGG wurde eine Informationspflicht in §16 leg.cit. zwar eingeführt. Allerdings geht aus dem Gesetz nicht hervor, dass an die Verletzung dieser Informationspflicht (die - wie auch die Anlassfälle zeigen - in der Praxis anscheinend nicht auszuschließen ist) eine Sanktion geknüpft wäre; vielmehr dürfte die Abgabepflicht davon unberührt bleiben (so auch VwGH 17.2.2010, 2009/17/0250; 26.3.2010, 2010/17/0044). Es ist für den Verfassungsgerichtshof vorderhand nicht zu erkennen, wodurch sich eine Informationspflicht, an deren Verletzung anscheinend keine Konsequenzen geknüpft sind, in Bezug auf die Effektivität des Rechtsschutzes vom Fehlen einer Informationspflicht unterscheidet.
Dazu kommt, dass den Rechtsschutzinteressen des Rückzahlungspflichtigen anscheinend auch im Abgabenverfahren nicht Rechnung getragen wird: Nach dem Wortlaut des §18 Abs1 Z1 KBGG setzt die Rückzahlungspflicht (neben der entsprechenden Einkommenshöhe) bloß voraus, dass 'an den anderen Elternteil ein Zuschuss gemäß §9 Abs1 Z1 ausbezahlt wurde'. Die Abgabepflicht scheint daher auch dann zu entstehen, wenn der Zuschuss vom anderen Elternteil zu Unrecht bezogen wurde.
Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchen sein, ob die geltende Rechtslage so interpretiert werden kann, dass der rückzahlungspflichtige Elternteil der Abgabepflicht erfolgreich mit dem Einwand begegnen kann, die Auszahlung des Zuschusses sei zu Unrecht erfolgt, und ob dadurch die Bedenken des Gerichtshofes zerstreut werden können.
2.6. Sollten die Bedenken zutreffen, dann dürften sie durch eine Aufhebung des §18 Abs1 Z1 KBGG behoben werden können. Die anderen Regelungen des Abschnittes 4 leg.cit. stehen mit ihr nicht in einem untrennbaren Zusammenhang, der eine Prüfung und Aufhebung des gesamten Abschnittes rechtfertigen könnte."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, dass die angefochtene Bestimmung nicht verfassungswidrig war.
3.1. In ihrer Stellungnahme legt die Bundesregierung eingangs dar, dass es sich ihrer Auffassung nach beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nicht um eine mit dem Kindes- oder Ehegattenunterhalt konkurrierende Unterhalts(vorschuss)leistung, sondern um einen (teilweisen) Aufwands-, Einkommens- und Nachteilsausgleich für einkommensschwache Elternteile handelt.
3.2. Zur mangelnden Bedachtnahme auf die zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den betroffenen Elternteilen führt die Bundesregierung aus, dass der Gesetzgeber mit dem Zuschuss für Alleinerziehende die Intention verfolgt habe, insbesondere junge, unverheiratete, alleinstehende und einkommensschwache Elternteile zu unterstützen. Schon an der Zielgruppe der Regelung zeige sich, dass der Gesetzgeber nicht von zuschuss- und zugleich unterhaltsberechtigten Elternteilen ausgehen konnte. Auf Basis von statistischen Daten zum durchschnittlichen Alter von Zuschussbeziehern und zum durchschnittlichen Scheidungsalter geht die Bundesregierung davon aus, dass die typische Zuschussbezieherin nicht geschieden sei und daher auch keinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt habe. Angesichts dessen hätte sich der Gesetzgeber, selbst wenn er einen Unterhalt für den anderen Elternteil hätte schaffen wollen, nicht veranlasst gesehen, "auf den unwahrscheinlichen Fall Bedacht zu nehmen, dass es eventuell vereinzelt junge, geschiedene Elternteile mit Kleinstkindern geben kann, die nicht nur Anspruch auf Ehegattenunterhalt haben, sondern diesen auch tatsächlich erhalten."
Selbst wenn der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld als Unterhaltsvorschuss für den betreuenden Elternteil gesehen werde, sei die Abgabe mit einem Prozentsatz zwischen drei und neun Prozent so niedrig angesetzt, dass sie auch bei Unterhaltslasten für Kinder weit unter einer zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung für Ehegatten liegt. Zudem sei die Höhe der Abgabe - anders als eine Unterhaltszahlung - mit der Höhe des bezogenen Zuschusses begrenzt und handle es sich beim Zuschuss um ein (unverzinsliches) Darlehen, somit typischerweise um eine Begünstigung.
Die Bundesregierung sieht auch nicht die Gefahr, dass der dem unterhaltsverpflichteten Elternteil verbleibende Einkommensteil zu gering sein könnte, weil diesem als Abgabenschuldner in Härtefällen das gesamte Instrumentarium der Bundesabgabenordnung (in der Folge: BAO) zur Verfügung stehe (§§212, 212a und 236 BAO). Im Einzelfall könnten so auch nachgewiesene Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern oder geschiedenen Ehegatten berücksichtigt werden.
3.3. Zur Nichtberücksichtigung von Unterhaltspflichten gegenüber (weiteren) Kindern führt die Bundesregierung wörtlich wie folgt aus:
"Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Nichtberücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber (weiteren) Kindern ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Fall, dass ein rückzahlungsverpflichteter Elternteil mit mehreren Kindern grundsätzlich mit keinem seiner Kinder im gemeinsamen Haushalt lebt und somit keine Familienbeihilfe bezieht, nicht dem typischen Durchschnittsfall entspricht. Weiters besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe für einen Elternteil, der überwiegend für den Unterhalt des (zB studierenden) Kindes aufkommt, auch dann, wenn das Kind mit keinem Elternteil zusammenlebt (§2 Abs2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müssen die Unterhaltslasten für Kinder entsprechende Berücksichtigung bei der persönlichen Leistungsfähigkeit des Abgabenschuldners (in der Einkommensteuer) finden, wobei es dem Gesetzgeber freisteht, die Unterhaltslasten in Form von steuerlichen Freibeträgen oder Absetzbeträgen sowie Transfers auszugleichen.
Für die Berechnung der Rückzahlungsverpflichtung wird das Einkommen im Sinne des §2 EStG herangezogen.
Beim Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld handelt es sich um eine Geldleistung für einkommensschwache Eltern, dem, wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 18.705/2009 ausgeführt hat, wirtschaftlich der Charakter eines (potentiellen) Darlehens zukommt. Dem Gesetzgeber sei es verfassungsrechtlich jedenfalls unbenommen, die Gewährung familienfördernder Leistungen, sofern diese nicht zugleich der Abgeltung einkommensteuerlicher Belastungen dienen soll (was hier nicht der Fall ist), von der Einkommenssituation der Eltern abhängig zu machen. Es sei nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar nahe liegend, an jenen Einkommensbegriff anzuknüpfen, der für Zwecke der Erhebung der Einkommensteuer geschaffen wurde. Ein Einkommensbegriff, der vom Gesetzgeber als geeignet angesehen werde, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Berechnung der Jahreseinkommensteuer zu messen, dürfe aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls auch dazu herangezogen werden, die Einkommenssituation für Zwecke des Sozialrechtes oder familienfördernder Maßnahmen festzustellen. Korrekturen seien diesfalls von der Sache her nur erforderlich und allenfalls verfassungsrechtlich geboten, wenn die steuerliche Einkommensermittlung durch Lenkungsnormen verzerrt sei. Eine Anknüpfung an das Einkommen im Sinne der einkommensteuerlichen Bestimmungen für die Berechnung der Abgabe ist daher grundsätzlich nicht als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen."
3.4. Dem im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken, die Rechtsschutzinteressen des rückzahlungspflichtigen Elternteils seien nicht gewahrt, begegnet die Bundesregierung mit folgenden Argumenten:
Die Informationspflicht gemäß §16 KBGG schütze lediglich das Interesse des potentiell Rückzahlungspflichtigen, sich auf die etwaige Rückzahlungspflicht "einzustellen", vermittle aber nicht das Recht, sich am Verfahren zu beteiligen. Insofern die Informationspflicht auf die Vermeidung von Vermögensnachteilen des potentiell Rückzahlungsverpflichteten gerichtet sei, könne ihre Verletzung allenfalls Amtshaftung auslösen; ein Entfall der Rückzahlungsverpflichtung wäre nicht sachgerecht. Die Information nach der genannten Bestimmung sei "überhaupt nicht Teil des Rechtsschutzsystems". Es erscheine jedoch denkbar, dass die Unterlassung der Information mit der weiteren Folge ungünstiger Dispositionen, die bei Kenntnis von der potentiellen Rückzahlungspflicht nicht getroffen werden, einen Härtefall darstellt, der zu abgabenrechtlichen Erleichterungen führe.
Zur Einwendung des unrechtmäßigen Bezugs im Abgabenverfahren bringt die Bundesregierung vor, dass dem KBGG das Konzept entnommen werden könne, dass der Einwand zu Unrecht bezogener Zuschüsse nicht im Abgabenverfahren, sondern im Rückforderungsverfahren zu erheben ist. Allerdings lasse das Gesetz "ohne Weiteres die Auslegung zu, dass nur ein nach dem Gesetz gebührender Zuschuss Gegenstand der Abgabepflicht des anderen Elternteils ist." Ob der Zuschuss nach dem Gesetz gebührt hat, sei im Abgabeverfahren als Vorfrage zu behandeln.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des KBGG, BGBl. I 103/2001, lauten in der in den Beschwerdefällen maßgeblichen Fassung (Stammfassung BGBl. I 103/2001 mit Ausnahme der §§19, 20 und 21 KBGG, die mit BGBl. I 76/2007, BGBl. I 34/2004 bzw. BGBl. I 24/2009 mit Wirkung vom 1. Jänner 2002 rückwirkend novelliert wurden; vgl. §49 Abs18 bzw. 8 KBGG) auszugsweise wie folgt (die aufgehobene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Abschnitt 3
Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld
Anspruch auf Zuschuss
§9. (1) Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld haben
1. alleinstehende Elternteile (§11),
2. verheiratete Mütter oder verheiratete Väter nach Maßgabe des §12,
3. nicht alleinstehende Mütter oder Väter nach Maßgabe des §13 und
4. Frauen oder Männer, die allein oder mit ihrem Ehegatten ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, an Kindes statt angenommen oder in Pflege genommen haben, sofern sie verheiratet sind, nach Maßgabe der §§12 und 13.
(2) Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld ist, dass Kinderbetreuungsgeld zuerkannt worden ist.
(3) Ausgeschlossen vom Zuschuss sind Personen, deren maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte (§8) einen Grenzbetrag von 3 997 € übersteigt.
Höhe Zuschuss
§10. Der Zuschuss beträgt 6,06 € täglich.
Alleinstehende
§11. (1) Alleinstehende Elternteile im Sinne dieses
Bundesgesetzes sind Mütter oder Väter, die ledig, geschieden oder verwitwet sind und nicht unter §13 fallen. Ferner gelten Mütter und Väter als alleinstehend, wenn der Ehepartner erwiesenermaßen für den Unterhalt des Kindes nicht sorgt.
(2) Alleinstehende Elternteile haben nur Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld, wenn sie eine Urkunde vorlegen, aus der der andere Elternteil des Kindes hervorgeht. In Ermangelung einer derartigen Urkunde haben sie eine entsprechende Erklärung abzugeben.
(3) Alleinstehende Elternteile, die die Voraussetzungen gemäß Abs2 nicht erfüllen, haben dann Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld, wenn sie sich selbst zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichten.
Ehegatten
§12. (1) Verheiratete Mütter bzw. Väter erhalten einen Zuschuss, sofern ihr Ehegatte kein Einkommen erzielt oder der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§8) nicht mehr als 7 200 €
(Freigrenze) beträgt. Die Freigrenze erhöht sich für jede weitere Person, für deren Unterhalt der Ehepartner auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, um 3 600 €.
(2) Übersteigt das Einkommen des Ehegatten die Freigrenze, so ist der Unterschiedsbetrag auf den Zuschuss anzurechnen.
Nicht Alleinstehende
§13. Einen Zuschuss erhalten nicht alleinstehende Mütter bzw. Väter, das sind Mütter bzw. Väter, die ledig, geschieden oder verwitwet sind und mit dem Vater bzw. der Mutter des Kindes nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1991 an derselben Adresse angemeldet sind oder anzumelden wären. Hinsichtlich des Einkommens gilt §12 entsprechend.
...
Erklärung
§15. Im Falle des Antrags auf Gewährung eines Zuschusses gemäß den §§12 und 13 haben beide Elternteile eine Erklärung zu unterfertigen, mit der sie sich zur Leistung der Abgabe gemäß §18 verpflichten.
Informationspflicht
§16. Von der Gewährung eines Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld an einen alleinstehenden Elternteil gemäß §11 Abs2 sowie von der Einstellung oder Rückforderung (§31) dieses Zuschusses hat der zuständige Krankenversicherungsträger den anderen, zur Rückzahlung gemäß §18 verpflichteten Elternteil zu verständigen.
...
Abschnitt 4
Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld
Abgabepflichtige
§18. (1) Eine Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld haben zu leisten:
1. Der Elternteil des Kindes, wenn an den anderen Elternteil ein Zuschuss gemäß §9 Abs1 Z1 ausbezahlt wurde.
2. Die Eltern des Kindes, wenn an einen der beiden Elternteile ein Zuschuss gemäß §9 Abs1 Z2, 3 oder 4 ausbezahlt wurde.
3. Der Elternteil des Kindes, der sich gemäß §11 Abs3 zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet hat.
(2) Leben die Eltern in den Fällen des Abs1 Z2 im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs (§21) dauernd getrennt, so ist die Rückzahlung bei den Elternteilen insoweit zu erheben, als dies bei dem jeweiligen Elternteil billig ist. Dabei ist insbesondere auf die jeweiligen Einkommensverhältnisse der Elternteile sowie auf die Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten Bedacht zu nehmen.
(3) Die Rückzahlung ist eine Abgabe im Sinne des §1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961.
Höhe der Abgabe
§19. (1) Die Abgabe beträgt jährlich
1. in den Fällen des §18 Abs1 Z1 und 3 bei einem jährlichen Einkommen von
mehr als 14 000 € 3%
mehr als 18 000 € 5%
mehr als 22 000 € 7%
mehr als 27 000 € 9%
des Einkommens,
2. ...
(2) Als Einkommen für Zwecke der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld gilt das Einkommen gemäß §2 Abs2 EStG 1988 zuzüglich steuerfreier Einkünfte im Sinne des §3 Abs1 Z5 lita bis d EStG 1988 und Beträge nach den §§10 und 12 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden. Werden Gewinne nicht nach Führung ordnungsgemäßer Bücher und Aufzeichnungen, sondern nach Durchschnittssätzen (§17 EStG 1988) ermittelt, sind diese Einkünfte zu erhöhen. Die Erhöhung beträgt
1. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft 40 vH des Einheitswertes des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens,
2. bei Einkünften aus Gewerbebetrieben 10 vH dieser Einkünfte.
§20. Die Abgabe ist im Ausmaß des Zuschusses, der für den jeweiligen Anspruchsfall ausbezahlt wurde, zu erheben.
Entstehung des Abgabenanspruchs
§21. Der Abgabenanspruch entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß §19 erreicht wird, frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Geburt des Kindes, letztmals mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden
7. Kalenderjahres.
...
Unterhaltsanspruch
§42. Das Kinderbetreuungsgeld gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."
Mit BGBl. I 116/2009 wurde der Zuschuss in eine "Beihilfe" umgewandelt, für die keine Rückzahlungsverpflichtung mehr besteht. Die Bestimmungen des 4. Abschnittes des KBGG entfallen daher mit Wirkung vom 1. Jänner 2010.
III. Erwägungen
1. Prozessvoraussetzungen
Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass die Beschwerden zulässig sind, dass die belangte Behörde bei Erlassung der angefochtenen Bescheide jeweils die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung des §18 Abs1 Z1 KBGG angewendet hat und dass auch der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsvorschrift bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerden anzuwenden hätte, unzutreffend wären. Da im Verfahren auch sonst Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen weder vorgebracht noch entstanden sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. In der Sache
Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit des §18 Abs1 Z1 KBGG konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hält an der schon im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung fest, dass es dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht unbenommen ist, eine Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung zwischen getrennt lebenden Elternteilen vorzusehen, wenn diese ein gemeinsames Kind haben und aus diesem Grund der das Kind betreuende Elternteil in seiner Erwerbsmöglichkeit eingeschränkt ist. Dem Gesetzgeber steht es auch frei, die Zuerkennung einer solchen Leistung an eine besondere soziale Bedürftigkeit des betreuenden Elternteils zu knüpfen und eine Leistungspflicht des anderen Elternteils erst ab einem bestimmten Maß an Leistungsfähigkeit vorzusehen. Dem Gesetzgeber wäre es ohne weiteres möglich, eine solche Regelung im Rahmen des Unterhaltsrechts, somit auf privatrechtlicher Basis, zu treffen (wie dies beispielsweise im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch geschehen ist; vgl. dort §1615l Abs2). Wenn er statt dessen eine öffentlichrechtliche Lösung wählt und dem betreuenden Elternteil einen Anspruch auf einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gegenüber dem Staat einräumt, der unter bestimmten Bedingungen vom anderen Elternteil in Form einer Abgabe zurückzuzahlen ist, dann ist dies - so nahm der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vorläufig an - nur dann mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn auf die (daneben bestehende) zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den Elternteilen hinreichend und in sachlicher Weise Bedacht genommen wird.
Das Verfahren hat nicht ergeben, dass dies nach der hier maßgeblichen Rechtslage der Fall ist. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss davon ausgegangen, dass nach den allgemeinen Regeln des Unterhaltsrechtes ein gemeinsames Kind dem das Kind betreuenden Elternteil für sich alleine keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil vermittelt (zB Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13, 2006, 446; Kerschner, Bürgerliches Recht V - Familienrecht3, 2008, Rz 3/4). Eine Ausnahme davon besteht gemäß §168 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (in der Folge: ABGB) für die ersten sechs Wochen nach der Geburt. Daneben gewährt §68a Abs1 des Ehegesetzes einem Elternteil nach Scheidung einen verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil, soweit und solange ihm auf Grund der Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes unter Berücksichtigung dessen Wohles nicht zugemutet werden kann, sich selbst zu erhalten; dies wird vom Gesetz bei Kindern bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres vermutet. Eine analoge Anwendung dieser Regelung, die den Lebensbedarf des betreuenden Elternteils zum Grund und Maßstab des Unterhaltsanspruches gegenüber dem anderen Elternteil macht, auf nichteheliche Lebensverhältnisse ist offenbar ausgeschlossen. Sie kann aber jedenfalls Gegenstand einer privatautonomen Vereinbarung zwischen den Elternteilen sein (vgl. dazu Beclin, Sind nicht verheiratete Eltern einander zu Unterhalt verpflichtet?, EF-Z 2007/3, 10 [12]). Darüber hinaus wird in der Literatur mit guten Gründen vertreten, dass ein durch die Kindesbetreuung bedingter Verdienstentgang des einen Elternteils gemäß §140 ABGB von beiden Elternteilen nach ihren Kräften anteilig zu tragen ist, weshalb dem betreuenden Elternteil gegenüber dem anderen schon de lege lata ein Anspruch nach §1042 ABGB wegen des auf diesen entfallenden Anteils zusteht (Beclin, aaO [15]).
Die Situation getrennt lebender Elternteile, von denen sich der eine in den ersten Jahren der Betreuung des gemeinsamen Kindes widmet und deswegen einen Verdienstentgang hinzunehmen hat, ist somit - gleichgültig ob es sich um von vornherein nichteheliche Gemeinschaften oder um Scheidungssituationen handelt - Gegenstand zivilrechtlicher Regelungen und Vereinbarungen vielfältiger Art. Gemeinsam ist diesen Regelungen jedenfalls, dass sich die Unterhaltsansprüche nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten des aktuellen Betrachtungszeitraumes richten und spätere Entwicklungen unbeachtlich sind. Neben diese Regelungen und Vereinbarungen tritt nun das hier in Rede stehende Konzept eines als (öffentlichrechtliche) Sozialleistung gestalteten Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld, den der betreuende Elternteil bei entsprechender Bedürftigkeit in Anspruch nehmen kann und zu dessen Rückzahlung (im Wege einer Abgabe) der andere Elternteil bei entsprechender Leistungsfähigkeit verpflichtet ist, wobei der Betrachtungshorizont sich über sieben (vor der rückwirkenden Änderung des §21 KBGG durch BGBl. I 24/2009 sogar über fünfzehn) Jahre erstreckt. Auf die zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den betreffenden Elternteilen wird dabei vom Gesetzgeber weder im Allgemeinen noch im Hinblick auf den konkreten Fall Bedacht genommen.
Der Verfassungsgerichtshof bleibt dabei, dass es durch das Zusammentreffen von zwei Systemen, die dieselbe Situation - den zeitweiligen Verdienstausfall im Gefolge der Betreuung eines Kleinstkindes durch einen Elternteil und die Verantwortlichkeit des anderen Elternteils hiefür - mit unterschiedlichen rechtlichen Instrumenten bewältigen wollen, zu Unstimmigkeiten und unsachlichen Ergebnissen kommen kann. Ob das in Rede stehende System des Zuschusses und der Rückzahlungsverpflichtung hiebei - wie der Verfassungsgerichtshof es getan hat - mit einem Unterhaltsvorschuss verglichen wird oder man in diesem Zusammenhang - wie es die Bundesregierung tut - von einem Aufwands-, Einkommens- und Nachteilsausgleich spricht, ändert im Ergebnis nichts. Entscheidend ist, dass diese mangelhafte Abstimmung und die daraus resultierenden unsachlichen Ergebnisse sich nicht auf Härtefälle beschränken, sondern im gewählten System liegen: Bei der Konstellation, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nach §18 Abs1 Z1 KBGG mit der zivilrechtlichen Unterhaltssituation in Konflikt kommt, handelt es sich nämlich - entgegen der Auffassung der Bundesregierung - nicht um einen vernachlässigbaren Ausnahmefall, der daraus resultiert, dass der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, alle Fallgestaltungen vorherzusehen und bei seinen Regelungen im Voraus zu bedenken; vielmehr ergibt sich ein solcher Fall aus dem System der Regelung selbst (vgl. dazu zB VfSlg. 12.783/1991, 17.237/2004, VfGH 11.3.2010, G228/09).
2.2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes richteten sich ferner dagegen, dass Unterhaltsverpflichtungen des rückzahlungsverpflichteten Elternteils gegenüber weiteren Kindern bei der Bemessung der Abgabe nach §18 Abs1 Z1 KBGG keine Berücksichtigung finden, weil sich die Höhe der Abgabe vom (modifizierten) Einkommen nach §2 Abs2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (in der Folge: EStG 1988) bemisst (§19 Abs2 KBGG) und Unterhaltslasten gegenüber Kindern grundsätzlich das steuerliche Einkommen nicht mindern.
Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass die Abgabe nach §18 Abs1 Z1 KBGG auch von jenen Einkommensbestandteilen zu bemessen ist, die vom Steuerpflichtigen an unterhaltsberechtigte Kinder weiterzugeben sind. Sie wendet jedoch ein, dass für diese unterhaltsberechtigten Kinder idR Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe und dass ein Anknüpfen an den Einkommensbegriff des EStG 1988 bei der Gewährung familienfördernder Leistungen und daher auch bei der Berechnung der Abgabe nach §18 Abs1 Z1 KBGG verfassungsrechtlich zulässig sei. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 18.705/2009, in dem der Verfassungsgerichtshof es für unbedenklich erklärt hat, wenn der Gesetzgeber die Gewährung familienfördernder Leistungen von der Einkommenssituation der Eltern abhängig macht und dabei an den Einkommensbegriff des EStG 1988 anknüpft.
Der Verfassungsgerichtshof kann der Bundesregierung nicht folgen, wenn sie aus diesem Erkenntnis den Schluss zieht, ein Anknüpfen an das Einkommen im Sinne der einkommensteuerlichen Bestimmungen sei "daher" auch für die Berechnung der Abgabe (das heißt also für die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung) als verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen. Eine solche Folgerung kann aus dem genannten Erkenntnis gewiss nicht gezogen werden.
Zu bedenken ist vielmehr, dass der Abgabe nach §18 Abs1 Z1 KBGG - wie sich aus den Erwägungen unter 2.1. ergibt - letztlich ein spezifischer Unterhaltsbedarf des betreuenden Elternteils zugrunde liegt und diese Abgabe gleichsam eine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung substituiert. In einem solchen Fall kann die Abgabenbemessung aber nur dann als sachlich angesehen werden, wenn der Gesetzgeber berücksichtigt, ob und in welcher Höhe aus dem der Abgabenbemessung zugrunde gelegten Einkommen noch anderen Kindern Unterhalt zu leisten ist. Nun mag es zwar zutreffen, dass für diese Kinder im typischen Fall Familienbeihilfe bezogen wird. Auch wenn diese Transferzahlung - allenfalls zusammen mit anderen Instrumenten - genügt, um die nach der hg. Judikatur erforderliche Entlastung des Unterhaltsverpflichteten im Bereich des Einkommensteuerrechts zu gewährleisten (vgl. dazu VfSlg. 12.940/1991, 14.992/1997, 16.026/2000), werden damit nicht alle Unterschiede zwischen unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltspflichtigen Elternteilen beseitigt. Da bei der Abgabe nach §18 Abs1 Z1 KBGG die Unterhaltsverpflichtungen weder bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage noch bei der Höhe des Abgabensatzes berücksichtigt werden, kommt es somit zu einer unsachlichen Gleichbehandlung von Einkommensbeziehern gleicher Einkommenshöhe ungeachtet der unterschiedlichen Höhe des ihnen zur eigenen Verwendung verbleibenden Einkommens. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass eine Abgabenbelastung, die bis zu 9 Prozent des Einkommens ausmachen kann, so geringfügig ist, dass deswegen auf eine solche Berücksichtigung verzichtet werden könnte.
2.3. Der Verfassungsgerichtshof hegte schließlich auch das Bedenken, dass die hier zu beurteilende Rechtslage den Rechtsschutzinteressen des Abgabepflichtigen nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise Rechnung trägt.
2.3.1. Gemäß §16 KBGG ist der zur Rückzahlung verpflichtete Elternteil von der Gewährung eines Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld an den das gemeinsame Kind betreuenden alleinstehenden Elternteil (sowie von der Einstellung oder Rückforderung dieses Zuschusses) durch den zuständigen Krankenversicherungsträger zu verständigen. Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zutreffend darlegt, liegt der Sinn und Zweck der Information gemäß §16 KBGG darin, dass der Rückzahlungspflichtige nicht von Rückzahlungsaufforderungen überrascht wird, sondern sich auf eine etwaige spätere Rückzahlungspflicht einstellen kann.
Die Bundesregierung stimmt mit dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH 17.2.2010, 2009/17/0250) darin überein, dass ein (gesetzwidriges) Unterbleiben der Information nach §16 KBGG die Abgabepflicht unberührt lässt. Dem Abgabepflichtigen stehe jedoch die Möglichkeit offen, die Gewährung von Zahlungserleichterungen bzw. einer Nachsicht nach den Bestimmungen der BAO zu beantragen oder den Weg einer Amtshaftungsklage zu beschreiten.
Dass ein Unterbleiben der Information nach §16 KBGG in der Praxis nicht auszuschließen ist, ergibt sich für den Verfassungsgerichtshof daraus, dass in sechs von zwölf Anlassfällen nach den Beschwerdebehauptungen eine Information über die Gewährung des Zuschusses an die Kindesmutter an den rückzahlungsverpflichteten Kindesvater unterblieben ist. Die Bundesregierung hält dem nur entgegen, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die Information nach §16 KBGG gesetzeskonform an jeden rückzahlungsverpflichteten Elternteil ergangen ist, wenn auch die Zustellung aus Kostengründen ohne Zustellnachweis erfolge. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass die in §18 Abs1 Z1 KBGG normierte Rückzahlungsverpflichtung des anderen Elternteils nur dann sachgerecht ausgestaltet ist, wenn gewährleistet ist, dass der Rückzahlungsverpflichtete von der Gewährung des Zuschusses zumindest verständigt wird, damit er sich auf eine bevorstehende Abgabepflicht einstellen kann.
Die Vorgängerregelungen zum 4. Abschnitt des KBGG ("Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld") im Karenzurlaubszuschussgesetz, im Karenzgeldgesetz sowie im Karenzurlaubsgeldgesetz sahen eine gesetzliche Informationspflicht im Fall der Gewährung des Zuschusses an einen alleinstehenden Elternteil noch nicht vor. Die Materialien zu BGBl. I 34/2004 (RV 387 BlgNR 22. GP), mit denen die Bestimmungen zur Rückzahlungsverpflichtung rückwirkend aufgehoben wurden, bringen klar zum Ausdruck, dass auch der Gesetzgeber in der fehlenden Information der Rückzahlungsverpflichteten zum Zeitpunkt der Gewährung des Zuschusses einen "wesentliche[n] Mangel" erblickte, "der zu einer ungleichen Behandlung der Rückzahlungsverpflichteten führen würde", weshalb die Aufhebung aus verfassungsrechtlichen Gründen erfolgte.
Nach der nunmehr geltenden Rechtslage besteht zwar eine Verständigungspflicht, deren Erfüllung der Gesetzgeber jedoch nicht abgesichert hat (etwa durch eine Nachweisführung). Auch an die Verletzung der Verständigungspflicht sind keine Rechtsfolgen geknüpft. Das bedeutet (wie auch die Anlassfälle zeigen), dass mit Abgabenforderungen einerseits Elternteile konfrontiert werden, die von der Zuschussgewährung an den anderen Elternteil verständigt wurden, sich darauf einstellen und nötigenfalls entsprechende Dispositionen treffen konnten, andererseits Elternteile, die von dieser Gewährung nicht verständigt wurden und demnach auch keine angemessenen Vorkehrungen treffen konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber einen "Rückzahlungshorizont" von zunächst fünfzehn Jahren und nunmehr noch sieben Jahren vorsieht, weshalb die Einkommensentwicklung über einen verhältnismäßig langen Zeitraum beachtet werden muss, und dass die Finanzämter für die Geltendmachung des Abgabenanspruches die gesamte Verjährungsfrist zur Verfügung haben. Im Ergebnis werden daher Fälle, die in wesentlichen Belangen verschieden sind, gleich behandelt. Es ist auch evident, dass die Möglichkeit der Gewährung von Zahlungserleichterungen (§212 BAO) bzw. einer Nachsicht (§236 BAO) nicht genügt, die Verständigung des Rückzahlungsverpflichteten von der Gewährung des Zuschusses zu ersetzen. Aus der Sicht der Rechtsschutzgestaltung kann es nämlich nicht (bloß) darum gehen, ob die durch den Abgabenbescheid für den Abgabepflichtigen geschaffene Zahlungsverpflichtung eine erhebliche Härte bedeutet (§212 BAO) oder die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre (§236 BAO).
2.3.2. Hingegen kann der Verfassungsgerichtshof nicht sein im Prüfungsbeschluss dargelegtes Bedenken aufrecht erhalten, dass den Rechtsschutzinteressen des Rückzahlungspflichtigen auch im Abgabenverfahren nicht Rechnung getragen wird, weil die Abgabepflicht bloß voraussetze, dass "an den anderen Elternteil ein Zuschuss gemäß §9 Abs1 Z1 ausbezahlt wurde", und damit auch dann entstehe, wenn der Zuschuss vom anderen Elternteil zu Unrecht bezogen wurde.
Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme plausibel dargelegt, dass die geltende Rechtslage in verfassungskonformer Weise so ausgelegt werden kann, dass nur ein nach dem Gesetz gebührender Zuschuss Gegenstand der Abgabepflicht des anderen Elternteils sein kann und dass die Frage, ob der Zuschuss nach dem Gesetz gebührt hat, im Abgabeverfahren als Vorfrage zu klären ist. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an.
2.4. Der Verfassungsgerichtshof ist daher zusammenfassend der Auffassung, dass §18 Abs1 Z1 KBGG gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz zum einen deswegen verstößt, weil auf die zivilrechtliche Unterhaltssituation zwischen den betroffenen Elternteilen und die gegenüber (anderen) Kindern bestehenden Unterhaltsverpflichtungen nicht hinreichend Bedacht genommen wird, zum anderen deswegen, weil die in §16 KBGG normierte Informationspflicht nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise ausgestaltet ist.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. §18 Abs1 Z1 KBGG war daher als verfassungswidrig aufzuheben.
2. §18 Abs1 Z1 KBGG in der Stammfassung steht mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung. Es ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg. 8709/1979; 12.930/1991; 13.153/1992; 13.881/1994; 16.115/2001; 17.551/2005) mit einer Aufhebung nach Abs3 des Art140 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 der eben genannten Verfassungsbestimmung vorzugehen.
3. Der Verfassungsgerichtshof sah sich veranlasst, von der Ermächtigung nach Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
4. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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