European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:00400R00039.25W.0402.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 314,92 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
BEGRÜNDUNG
Die Klägerin begehrte mit Mahnklage vom 7. Oktober 2024 von der Beklagten die Zahlung entgangenen Wiedereingliederungsgeldes für den Zeitraum Mai und Juni 2023 iHv insgesamt EUR 1.340,00 s.A. zzgl. Generalunkosten iHv EUR 100,00 s.A. aufgrund eines Fehlverhaltens eines Mitarbeiters des Unternehmens B* (unterlassene Weiterleitung des Antrags an die ÖGK), welchem sich die Beklagte zur Erfüllung der sie treffenden Beratungsleistungen im Rahmen des Case Managements nach § 13a Abs 1 Z 2 AVRAG iVm dem Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, BGBl. I Nr. 111/2010, idF BGBl. I Nr. 219/2021 (kurz AGG) bedient habe. Das Verhalten des Mitarbeiters sei dem Unternehmen B* zurechenbar, welche wiederum dem Sozialministeriumservice und in weiterer Folge dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bzw. der Republik Österreich unterstehe. Insofern hafte die Republik Österreich für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ihres Mitarbeiters.
Die Beklagte erhob mit ihrem Einspruch vom 8. November 2024 primär die Einrede der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts und wandte hiezu zusammengefasst ein, es liege mangels hoheitlicher Tätigkeit des die Klägerin beratenden Mitarbeiters des Unternehmens kein Amtshaftungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte vor, weshalb die Rechtssache angesichts des geringen Streitwerts von EUR 1.440,00 gem. § 49 Abs 1 JN in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte falle. Bei B* handle es sich um ein niederschwelliges und freiwilliges Informations-, Beratungs- und Unterstützungsprogramm für die Wiedererlangung bzw. den Erhalt der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit, das auf dem AGG basiere. Für die Schaffung, Koordination und Aufrechterhaltung der organisatorischen Voraussetzungen für dieses Informations-, Beratungs- und Unterstützungsprogramm sei das Sozialministeriumservice zuständig. Das Sozialministeriumservice könne sich bei der Aufgabenerfüllung Dritter (Dienstleister) bedienen (§§ 1 und 2 AGG). Die Umsetzung von B* erfolge derzeit durch die Dienstleisterin C* gemeinnützige GmbH auf Basis eines Werkvertrags, der für den Zeitraum 2020 bis 2025 von der Beklagten mit dieser abgeschlossen worden sei. Die von B* durchgeführten Tätigkeiten – und insbesondere auch die durchgeführten Beratungsleistungen – stellten kein hoheitliches Handeln bzw. kein Handeln in Vollziehung der Gesetze dar. Seien die Voraussetzungen des § 13a AVRAG erfüllt, könne gem. § 143d ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger ein Antrag auf Wiedereingliederungsgeld gestellt werden. Dieser Antrag werde idR vom Arbeitnehmer und nicht von B* beim zuständigen Krankenversicherungsträger eingereicht. Lediglich in Ausnahmefällen würden Anträge von B* an den zuständigen Krankenversicherungsträger übermittelt. Für die Bewilligung des Antrags auf Wiedereingliederungsgeld seien ausschließlich die Krankenversicherungsträger zuständig. Die Inanspruchnahme der Beratung bei B* sei somit keine zwingende Voraussetzung für den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld.
Die Klägerin bestritt und führte daraufhin zur sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts aus, dass das angerufene Gericht sachlich zuständig und Hoheitsverwaltung selbst dann anzunehmen sei, wenn eine Handlung die Ausübung hoheitlicher Gewalt bloß vorbereite oder sonst hoheitlichen Zielsetzungen diene, weil alle mit Aufgaben hoheitlicher Natur zusammenhängenden Vorkehrungen als in Vollziehung der Gesetze getroffen angesehen würden, und sei der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand habe, einheitlich als hoheitlich anzusehen, auch wenn einzelne Teile dieser Aufgaben so erfüllt würden, wie sie für sich genommen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von jedermann vorgenommen werden könnten. Die Wiedereingliederungsteilzeit werde gem. § 13a Abs 1 AVRAG frühestens mit dem auf die Zustellung der Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes folgenden Tag wirksam. Die Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereingliederungsgeld obliege im gegenständlichen Fall der ÖGK und erfolge in Form eines Bescheids. Die Erlassung eines Bescheids sei wohl unstrittig als hoheitlicher Akt zu sehen. Die von B* in diesem Zusammenhang erbrachten Beratungs- und Unterstützungsleistungen dienten ausschließlich der Herbeiführung einer späteren Entscheidung der ÖGK und stellten jedenfalls eine Vorbereitungshandlung für ein nachfolgendes hoheitliches Handeln in Form einer Bescheiderlassung der Behörde dar. Es handle sich somit um einen einheitlichen hoheitlichen Akt. Folglich sei das Handeln der Organe von B* als Handeln in Vollziehung der Gesetze und somit als hoheitliches Handeln anzusehen, sodass die Bestimmungen des AHG zur Anwendung gelangten. Darüber hinaus führe die Beklagte selbst zutreffender Weise aus, dass für die Schaffung, Koordination und Aufrechterhaltung der organisatorischen Voraussetzungen für das Informations-, Beratungs- und Unterstützungsprogramm nach dem AGG das Sozialministeriumsservice zuständig sei, welches sich für diese Aufgabenerfüllung der C* gemeinnützige GmbH bedient habe. Die Umsetzung von B* erfolge durch diesen Dienstleister. Das Sozialministeriumsservice unterstehe wiederum dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Für den Abschluss einer Vereinbarung gem. § 13a Abs 1 AVRAG sehe Abs 1 Z 2 leg cit eine Beratung im Rahmen des Case Managements nach dem AGG vor. Die beauftragte C* gemeinnützige GmbH führe diese Beratungen im Rahmen des Case Managements für das zuständige Sozialministeriumsservice mit Hilfe von B* durch. Die Beratung erfolge daher eindeutig in Vollziehung der Gesetze und könne nur entfallen, wenn der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Arbeitsmediziner nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung und dem Wiedereingliederungsplan zustimmten. Da der Arbeitgeber der Klägerin allerdings über keinen eigenen Arbeitsmediziner verfüge, sei eine Beratung bei B* zwingend gesetzlich vorgesehen und sei in gegenständlicher Rechtssache auch tatsächlich durchgeführt worden. Die Beratungsleistung sei daher auch aus diesem Grund in Vollziehung der Gesetze erfolgt. Die Klägerin habe somit durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln eines Organs in Vollziehung der Gesetze einen Schaden erlitten, weshalb die Beklagte passivlegitimiert und das angerufene Gericht sachlich zuständig sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, für die Rechtssache sachlich unzuständig zu sein und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, die Bestellung einer physischen oder juristischen Person sei nur dann eine Beleihung mit der Ausübung einer hoheitlichen Funktion iSd § 1 Abs 2 AHG, wenn mit ihr der Auftrag verbunden sei, selbst für den Rechtsträger hoheitliche Handlungen zu setzen bzw. solche mitzuvollziehen; es müsse also die Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe selbst übertragen werden. Es gebe aber Aufgaben, die zwar eindeutig der Vollziehung dienten, manchmal sogar zwischen Vollziehungsakte geschaltet würden, aber durch einen eindeutigen hoheitlichen Akt – oder schon durch ein Gesetz oder eine Verordnung – aus der Vollziehung ausgeschieden und Außenstehenden unter eigener Verantwortung, aber ohne Übertragung der Möglichkeit, selbst Hoheitsakte zu setzen, übertragen würden; diese Außenstehenden seien dann nicht Organe iSd § 1 Abs 2 AHG. Bei der Beratungstätigkeit von B* handle es sich klar um keine hoheitliche Tätigkeit. Der bloße Umstand, dass diese Tätigkeit in einem Gesetz geregelt sei und uU Voraussetzung für einen später folgenden hoheitlichen Akt sein könne, führe noch nicht dazu, dass die Beratungstätigkeit an sich auch hoheitlich sei. Es ergäben sich daher schon nach den Behauptungen der Klägerin keine Ansprüche aus dem AHG, sodass auch die Zuständigkeitsbestimmung des § 9 Abs 1 leg cit nicht anzuwenden sei. Aufgrund des Streitwerts sei daher das Erstgericht sachlich unzuständig und die Klage zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Erstgericht sachlich zuständig sei; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Klägerin wendet sich in ihrem Rekurs mit ihrer Rechtsrüge gegen die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach es sachlich unzuständig sei.
Nach § 1 Abs 1 AHG haften der Bund, die Länder, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung (Rechtsträger) nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben.
Gemäß § 1 Abs 2 AHG sind Organe alle physischen Personen, wenn sie in Vollziehung der Gesetze handeln. Darunter ist im Bereich der Verwaltung nur ein Organhandeln im Rahmen der Hoheitsverwaltung, nicht aber im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zu verstehen. Ist der Schaden im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zugefügt worden, so finden die für juristische Personen im Allgemeinen geltenden Haftungsvorschriften Anwendung. Für die Hoheitsverwaltung ist kennzeichnend, dass die öffentliche Gewalt dem Staatsbürger mit Befehlsgewalt und Zwangsgewalt ausgestattet gegenübertritt (RIS-Justiz RS0049876). Daneben kann der Staat auch als Träger von Privatrechten in Erscheinung treten (Art 17 B- VG), wobei sich auch dessen nichthoheitliche Tätigkeiten keineswegs auf die Verfolgung privatwirtschaftlicher Unternehmensziele beschränken, sondern letztlich ebenfalls der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen (1 Ob 201/16i).
Im Kern kommt es für die Begründung der Organstellung darauf an, ob eine Person (auch eine juristische Person [vgl RIS-Justiz RS0124590]) hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat (RS0049954; RS0049948; RS0087679 ua). Dann ist sie Organ – ungeachtet der Art des „Begründungsakts“ (Bestellung, Ernennung, Wahl, Vertrag [auch Werkvertrag: RS0049915]), der Dauer (auch bloß vorübergehend oder für den einzelnen Fall; RS0087679), des zugewiesenen Verantwortungsgrads oder hierarchischen Rangs. Es ist dann nicht entscheidend, ob ihr Leitungs- oder Entscheidungsbefugnis bei Besorgung einer hoheitlichen Aufgabe zukommt (RS0087675). „Private“ handeln nicht nur dann als Organe, wenn sie in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben selbst Hoheitsakte setzen dürfen, sondern auch, wenn sie dies zwar nicht selbst zu tun haben, ihre Tätigkeit aber in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten (RS0104351; RS0049972 [T2]; vgl. auch RS0126997); dabei muss aber ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe bestehen (1 Ob 75/15h; RS0049948; RS0049897). Die Prüfung dieses funktionellen Zusammenhangs klärt auch die Frage, ob eine informelle, also eine nicht in Bescheidform erteilte Auskunft der Hoheitsverwaltung zuzurechnen ist (RS0049948 [T12]). Die gesetzliche Zuordnung bestimmter Aufgaben in den Bereich der Hoheitsverwaltung bedeutet aber nicht, dass alle damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten auch der Hoheitsverwaltung zugehören müssen; der Zusammenhang wird vielmehr durch selbständige und abgrenzbare Akte unterbrochen (Schragel, AHG³ Rz 84).
Die Abgrenzung der Privatwirtschafts- von der Hoheitsverwaltung hat nach der Rechtsprechung nicht nach den Motiven und Zwecken der Verwaltungstätigkeit zu erfolgen, sondern danach, welche rechtstechnischen Mittel der Gesetzgeber zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgabe bereithält (RIS-Justiz RS0049882; VfGH B 881/06 mwN; vgl. auch VfSlg 3262/1957). Ob eine bestimmte Aufgabe der Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen ist, muss anhand der maßgeblichen (Verwaltungs-)Rechtsvorschriften beurteilt werden, die unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten dahin auszulegen sind, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen wollte (vgl. RS0102497). Dass eine Maßnahme den „Interessen der Allgemeinheit“ dient, bedeutet noch nicht, dass ihre Vollziehung deshalb hoheitlich ausgestaltet sein muss, weil nicht alles „Öffentliche“ auch hoheitlich zu vollziehen ist. Verbleiben bei der Auslegung Zweifel hinsichtlich der Zuordnung eines bestimmten Verwaltungsakts zur Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung, ist letzteres anzunehmen (RS0050117), weil ein hoheitliches Vorgehen nur zulässig ist, wenn die Befugnis dazu in deutlich erkennbarer Weise eingeräumt wird (1 Ob 132/19x, JusGuide 2019/49/18195).
Dass auch die Betrauung eines externen Unternehmens als zentrale Anlaufstelle zur Beratung von Menschen betreffend die Wiedereingliederungsteilzeit im öffentlichen Interesse liegt, ist aufgrund des vorliegenden Rechtsrahmens nicht in Frage zu stellen. Im öffentlichen Interesse gelegene Aufgaben können grundsätzlich – sofern der (einfache) Gesetzgeber nichts anderes vorsieht (vgl. RS0049882 [T13]; RS0053270) – aber sowohl hoheitlich als auch mit den Mitteln des Privatrechts umgesetzt werden, sodass in weiterer Folge durch Auslegung der die Beratung regelnden Bestimmungen zu ermitteln ist, welche rechtstechnische Form der Gesetzgeber dafür zur Verfügung stellen wollte.
2. Ziel des Wiedereingliederungsteilzeitgesetzes BGBl. I Nr. 2017/30 ist es, den längeren Verbleib von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Erwerbsleben zu unterstützen. Langfristig dient dies der Sicherung des gesetzlichen Pensionssystems und der Anhebung der Beschäftigungsquote älterer Erwerbstätiger. Für Menschen, die in Beschäftigung stehen und ernsthaft für längere Zeit physisch oder psychisch erkrankt sind, wurde ein arbeits- und sozialversicherungsrechtliches Modell normiert, das es ihnen ermöglicht, schrittweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Die Wiedereingliederungsteilzeit ist ein befristetes, von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbartes Teilzeitmodell, das mit einer Geldleistung der Krankenversicherung an den Arbeitnehmer verbunden ist, um dessen arbeitsrechtliche Entgelteinbuße teilweise zu kompensieren. Nach der Absicht des Gesetzgebers sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst eine die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende schriftliche Wiedereingliederungsvereinbarung gem. § 13a AVRAG schließen. Diese ist dem chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers vorzulegen, der über die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld gem. § 143d ASVG zu entscheiden hat. Erst durch die Bewilligung von Wiedereingliederungsgeld und die Zustellung dieser Bewilligung an den Arbeitgeber kann die Wiedereingliederungsvereinbarung rechtswirksam werden. Unterschiedlich ist dabei das vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang eingerichtete arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Rechtsschutzsystem. Während der Abschluss der arbeitsrechtlichen Wiedereingliederungsvereinbarung gem. § 13a AVRAG weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erzwungen werden kann, handelt es sich beim sozialversicherungsrechtlichen Anspruch des Dienstnehmers auf Wiedereingliederungsgeld gem. § 143d ASVG hingegen um eine Pflichtleistung aus dem in der Krankenversicherung geregelten Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand (10 ObS 129/18w mwN).
§ 13a Abs 1 Z 2 AVRAG sieht die Möglichkeit des Abschlusses einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor, wenn – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 13a AVRAG – eine Beratung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit im Rahmen des Case Managements nach dem AGG erfolgte, sofern nicht Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arbeitsmediziner oder das arbeitsmedizinische Zentrum nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung und dem Wiedereingliederungsplan zugestimmt haben.
Nach § 1 Abs 1 AGG ist Ziel dieses Bundesgesetzes der möglichst langfristige Erhalt der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit erwerbstätiger und arbeitsloser Personen. Zur Erreichung dieses Ziels ist ein flächendeckendes niederschwelliges Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot zu schaffen. Dieses hat zielgerichtete Informationen über gesundheitsfördernde Themen des Arbeitslebens zur Verfügung zu stellen und einer frühzeitigen Interventionsmöglichkeit bei gesundheitlichen Problemen erwerbstätiger und arbeitsloser Personen zu dienen. Bei Bedarf sollen mittels Case-Managements Maßnahmen zur frühzeitigen Lösung gesundheitlicher Probleme entwickelt werden. Arbeitgeber sollen bei der Entwicklung und Festigung einer gesundheitsförderlichen betrieblichen Arbeitswelt unterstützt werden und nach Abs 4 leg cit das Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot auch zur Bewusstseinsbildung für eine gesundheitsfördernde Arbeitswelt beitragen.
Weil sich die nach § 13a Abs 1 Z 2 AVRAG geforderten Beratungsleistungen demnach ausdrücklich auf den Abschluss der arbeitsrechtlichen Vereinbarung von Wiedereingliederungsteilzeit beziehen, ist daher dem Erstgericht darin beizupflichten, dass die von B* durchgeführten Tätigkeiten, die selbstständige und abgrenzbare Akte darstellen, in keinem ausreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Entscheidung der ÖGK über die Zuerkennung von Wiedereingliederungsgeld stehen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Rechtswirksamkeit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit gemäß § 13a AVRAG durch die Zustellung der Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes nach § 143d ASVG eintritt (§ 13a Abs 1 Z 8 AVRAG). Daher hat es auch nicht die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit zur Folge, wenn der tatsächliche Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit nicht zum geplanten (gesetzlich zulässigen) Zeitpunkt erfolgt, weil nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit iSd § 13a Abs 1 erster Satz AVRAG ein neuerlicher Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintrat (vgl. RIS-Justiz RS0134469).
Zusammengefasst setzt die (hoheitlich durch den Staat erfolgende) Gewährung von Wiedereingliederungsgeld gem. § 143d Abs 1 ASVG die zwar gesetzlich zwingend vorgeschriebene vorherige (zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattfindende privatrechtliche) Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit gem. § 13a AVRAG voraus, wofür u.a. eine Beratung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit im Rahmen des Case Managements nach dem AGG Voraussetzung ist, sofern nicht Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arbeitsmediziner oder das arbeitsmedizinische Zentrum nachweislich der Wiedereingliederungsvereinbarung und dem Wiedereingliederungsplan zustimmen. Die gesetzlich normierte Voraussetzung einer privatrechtlichen Vereinbarung für ein späteres bescheidmäßiges Zuerkennen von Wiedereingliederungsteilzeitgeld durch einen Rechtsträger nach § 1 Abs 1 AHG stellt jedoch für sich selbst einen selbständigen und abgrenzbaren Akt dar, der für sich gesehen in keinem engen inneren und äußeren Zusammenhang mit dem nachfolgenden hoheitlichen Akt steht. Das diesem privatrechtlichen Rechtsakt gesetzlich vorangestellte flächendeckende niederschwellige Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebot durch ein vom Rechtsträger verschiedenes, externes Unternehmen stellt daher, wenngleich zur Vorbereitung eines späteren hoheitlichen Handelns, lediglich die Ermöglichung dieses dazwischengeschalteten privatrechtlichen Rechtsakts dar und erfolgt somit im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Selbst für den Fall, dass noch Zweifel an der vom Gesetzgeber gewollten rechtlichen Zuordnung dieses Angebots als Verwaltungsakt zur Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung verbleiben sollten, wäre aber ohnedies nach der Zweifelsregel letzteres anzunehmen.
Das Klagsvorbringen lässt somit keinen auf das AHG stützbaren Anspruch erkennen. Der nach obigen Ausführungen untaugliche Rechtsgrund der Amtshaftung ist daher bei der Zuständigkeitsprüfung unbeachtlich. Andere Rechtsgründe, die die Zuständigkeit des Erstgerichts begründen könnten, sind schon angesichts der hier gegebenen bezirksgerichtlichen Streitwertzuständigkeit nach § 49 Abs 1 iVm § 104 Abs 2 JN (unprorogable Unzuständigkeit) nicht ersichtlich. Das Erstgericht ist somit für die vorliegende Rechtssache sachlich unzuständig.
Das Erstgericht hat demnach zutreffend seine sachliche Unzuständigkeit angenommen und die Klage mangels hier von Amts wegen erforderlicher Überweisung an ein nicht offenbar unzuständiges Bezirksgericht (§§ 43 f JN) zu Recht zurückgewiesen. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich mangels eines EUR 5.000,00 übersteigenden Streitgegenstands aus § 528 Abs 2 Z 1 ZPO und gilt auch für die Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen (d.h. keine analoge Anwendung der Ausnahme in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO; RIS-Justiz RS0044496; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 528 ZPO Rz 23).
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