European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00087.16H.0726.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin war seit 1. 10. 2000 als Pflegedienstleiterin in einem nunmehr von der beklagten Arbeitgeberin betriebenen Altenheim beschäftigt. Mit Schreiben vom 6. 11. 2015, zugestellt der Klägerin am 11. 11. 2015 (unstrittig), sprach die Beklagte die Kündigung der Klägerin „gemäß § 53 Abs 2 Z 1, § 53 Abs 2 Z 3 sowie § 53 Abs 2 Z 6 des OÖ. Landes-Vertragsbedienstetengesetzes i.d.g.F. unter Einhaltung der 5‑monatigen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30. April 2016“ aus, ohne einen bestimmten Sachverhalt zu nennen.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom 25. 11. 2015 die Feststellung, dass die Kündigung rechtsunwirksam sei, in eventu, dass das Dienstverhältnis über den 30. 4. 2016 hinaus aufrecht sei. Die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 19a Abs 1 Oö Gemeinde-Gleichbehandlungsgesetz (Oö G-GBG) rechtswidrig. Sie sei zudem auch verspätet erhoben worden. Die von der Beklagten in der am 22. 9. 2015 – im Übrigen verspätet – ausgestellten negativen Dienstbeurteilung geschilderten Vorwürfe seien zu Unrecht erhoben worden. Dagegen habe sich die Klägerin bereits mit einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme vom 5. 10. 2015 zur Wehr gesetzt. Die schriftliche Kündigung sei mangels Angabe konkreter Sachverhalte nicht genügend konkretisiert.
Die Beklagte bestritt die Klagebegehren. Die Kündigung sei rechtzeitig und sowohl aus fachlichen als auch aus persönlichen Gründen zu Recht erfolgt. Die Klägerin sei, wie schon ihre Klagsausführungen zeigten, über den inhaltlichen Kündigungsgrund nicht im Unklaren gewesen.
Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren statt. Das Kündigungsschreiben sei nicht ausreichend begründet, weil es sich auf die Angabe von drei Ziffern des § 53 Abs 2 Oö LVBG beschränke, ohne bestimmte Lebenssachverhalte darzulegen. Die Kündigung habe daher das Dienstverhältnis nicht wirksam aufgelöst.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedürfe es der Anführung des Lebenssachverhalts in der Kündigung eines Vertragsbediensteten dann nicht, wenn diesem aus den Begleitumständen – insbesondere aus den vorangegangenen Gesprächen – bekannt gewesen sei, welche konkreten Umstände dafür ausschlaggebend gewesen seien. Insbesondere bei Tatbeständen mit nicht begrenztem Inhalt, wie es hier bei den von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründen der Fall sei, bestehe andernfalls die Gefahr, dass der Dienstgeber unzulässigerweise im Prozess Kündigungsgründe durch Behauptung weiterer Lebenssachverhalte nachschiebe. Das Ersturteil sei aufzuheben, weil sowohl Feststellungen zu der von der Beklagten behaupteten Kenntnis der Klägerin von den der Kündigung zugrundegelegten Vorwürfen, als auch zur Beurteilung der Berechtigung der erkennbar herangezogenen Kündigungsgründe fehlten.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil die gefestigte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine schriftliche Kündigung, auf die sich auch das Berufungsgericht gestützt habe, in der Lehre auf Kritik gestoßen sei.
Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. In eventu möge in Abänderung des Ersturteils der aufrechte Bestand des Dienstverhältnisses festgestellt werden.
Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung , den Rekurs der Klägerin mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil der vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragene Prüfungsumfang korrekturbedürftig ist. Der Rekurs ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Auf das Dienstverhältnis der Streitteile kommen unstrittig die Bestimmungen des Oö Gemeindebedienstetengesetzes 2001 (Oö GBG 2001), des Oö Landes-Vertragsbedienstetengesetzes (Oö LVBG) und des Oö Gemeinde-Gleichbehandlungsgesetz (Oö G-GBG) zur Anwendung.
2. Gemäß § 53 Abs 1 Satz 1 Oö LVBG kann der Dienstgeber ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Gründe, die den Dienstgeber nach Ablauf der im Abs 1 genannten Frist zur Kündigung berechtigen, werden in § 53 Abs 2 Z 1 bis 8 Oö LVBG demonstrativ aufgezählt. Ein Kündigungsgrund liegt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt, unter anderem vor, wenn der Vertragsbedienstete seine Dienstpflichten gröblich verletzt (Z 1), den im Allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolg trotz Ermahnungen nicht erreicht (Z 3), oder es sich erweist, dass das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträglich ist (Z 6).
Diese Bestimmungen sind teilweise wortgleich jenen des § 32 VBG und anderer in verschiedenen Landes- und Gemeindegesetzen enthaltener Regelungen, weshalb die dazu ergangene Rechtsprechung auch für den hier zu beurteilenden Fall fruchtbar gemacht werden kann.
3. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsauffassung, dass der Verpflichtung zur Angabe des Grundes der Kündigung entsprochen wird, wenn dem Kündigungsschreiben deutlich entnommen werden kann, welcher Kündigungsgrund geltend gemacht wird. Dafür genügt es, wenn entweder einer der im § 32 Abs 2 VBG (oder vergleichbarer Bestimmungen) aufgezählten Kündigungstatbestände angeführt oder wenn ein Hinweis auf einen entsprechenden Sachverhalt in das Kündigungsschreiben aufgenommen wird (4 Ob 125/79; 9 ObA 192/92; 9 ObA 218/93; 9 ObA 57/94; 8 ObA 61/99z; 9 ObA 88/13h; RIS-Justiz RS0082149 [T2]). In der Entscheidung 9 ObA 114/91, die ebenfalls eine Kündigung nach dem VBG ohne Anführung eines bestimmten Sachverhalts betraf, wurde von diesen Grundsätzen nicht abgegangen.
Die Anführung einzelner konkreter Umstände, wie etwa mehrerer unter ein und denselben Kündigungstatbestand fallender Begehungshandlungen, ist hingegen nicht erforderlich (4 Ob 125/79). Schon mit dem bloßen Hinweis auf die Gesetzesstelle erfolgt die erforderliche Individualisierung des Kündigungsgrundes (9 ObA 57/94). Damit ist der dem Gekündigten dienende Schutzzweck der notwendigen Angabe des Kündigungsgrundes in der schriftlichen Kündigung, dass andere als in der schriftlichen Kündigung geltend gemachten Kündigungsgründe nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen (9 ObA 131/05p; RIS-Justiz RS0031367; RS0082181 [T1]), erfüllt (9 ObA 57/94).
Ist im Gerichtsverfahren über die Anfechtung der Kündigung dennoch zweifelhaft, welcher Kündigungsgrund vom Dienstgeber in Wahrheit geltend gemacht wurde, dann ist die Auflösungserklärung so zu verstehen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte (RIS-Justiz RS0053351; RS0030689).
4. Auf die – soweit ersichtlich vereinzelt gebliebene – Kritik von Ziehensack (in VBG § 32 Rz 176), der Gesetzgeber habe mit der Formulierung „mit Angabe des Grundes kündigen“ nicht bloß die Anführung eines Tatbestands nach § 32 Abs 2 Z 1 bis 8 oder § 32 Abs 4 VBG gemeint, sondern die Darlegung bestimmter Lebenssachverhalte, muss – entgegen der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts – im Anlassfall nicht eingegangen werden. Die Klägerin hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht darauf gestützt, dass ihr gar nicht bekannt gewesen wäre, welcher Sachverhalt von der Beklagten als Kündigungsgrund geltend gemacht worden sei. Vielmehr hat sie ihre Klagebegehren (mit ausführlichem Tatsachenvorbringen) damit begründet, dass die geltend gemachten Kündigungsgründe nicht berechtigt seien und die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 19a Abs 1 Oö Gemeinde-Gleichbehandlungsgesetz (Oö G-GBG) rechtswidrig sei. Lediglich im Rahmen der Urkundenerklärung zum Kündigungsschreiben machte die Klägerin in rechtlicher Hinsicht geltend, dass die Kündigung nicht genügend konkretisiert sei, weil ihr darin keine konkreten Sachverhalte vorgeworfen worden seien. Einen Bezug zu ihren Klagebegehren stellte die Klägerin dabei aber nicht her. Erstmals im Rechtsmittelverfahren behauptet die Klägerin, dass sie nicht gewusst habe und noch immer nicht wisse, welcher Lebenssachverhalt als Kündigungsgrund geltend gemacht worden sei. Dieses neue Vorbringen verstößt jedoch gegen das Neuerungsverbot (§§ 482 Abs 2, 504 Abs 2 ZPO) und ist daher unbeachtlich. Aus der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das für bestimmte, mit weitem Inhalt versehene Kündigungsgründe dann die Anführung eines Lebenssachverhalts fordert, wenn der Gekündigte keine Kenntnis von den zum Anlass für die Kündigung genommenen Vorwürfen gehabt habe, ist für die Klägerin daher nichts gewonnen.
5. Durch die Anführung der Kündigungsgründe des § 53 Abs 2 Z 1, § 53 Abs 2 Z 3 sowie § 53 Abs 2 Z 6 Oö LVBG im schriftlichen Kündigungsschreiben der Beklagten sind daher im hier zu beurteilenden Fall die formellen Voraussetzungen einer rechtswirksamen Kündigungserklärung iSd § 53 Abs 1 Oö LVBG erfüllt. Davon ist auch im weiteren Verfahren auszugehen. Dass zur Prüfung der materiellen Berechtigung des Klagebegehrens noch Feststellungen fehlen und daher das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung aufgehoben werden musste, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Feststellungen zur Frage, ob und inwieweit die Klägerin Kenntnis von den von der Beklagten zum Anlass für die Kündigung genommenen Vorwürfen gehabt habe, bedarf es hingegen nicht. Insofern ist eine Verfahrensergänzung nicht erforderlich.
Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 50, 52 ZPO.
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