OGH 9ObA8/24b

OGH9ObA8/24b14.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Reinhard Blaschon, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Entlassungsanfechtung, in eventu Zahlung von 13.540,67 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. November 2023, GZ 9 Ra 41/23z‑52, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00008.24B.0214.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter iSd § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG anzusehen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RS0050979 [T7]) und bildet daher – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

[2] 2. Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer durch seine Position an der Seite des Arbeitgebers und durch Ausübung von Arbeitgeberfunktionen in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern geraten kann. Bei den Arbeitgeberfunktionen, die die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund (RS0050979; vgl auch RS0053034). Wesentlich ist aber auch die Ingerenz in Gehaltsfragen, bei Vorrückungen, bei der Urlaubseinteilung, bei der Anordnung von Überstunden, bei der Ausübung des Direktionsrechts und bei der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb. Entscheidend ist dabei, ob der Mitarbeiter rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben (RS0050979 [T5]). Völlige Weisungsfreiheit ist hingegen nicht erforderlich und kann mit Rücksicht auf die aus der Sicht des Arbeitsvertragsrechts gegebene Arbeitnehmereigenschaft auch des leitenden Angestellten nicht verlangt werden (RS0051284 ua).

[3] 3. Unter Beachtung dieser Grundsätze, die vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen werden, ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger, der als Hoteldirektor für den gesamten operativen Betrieb verantwortlich war und die personelle Verantwortung für ca 25 Mitarbeiter inne hatte, aufgrund insbesondere seiner maßgeblich Entscheidungsbefugnis im personellen Bereich als leitender Angestellter anzusehen ist. Berücksichtigt wurde, dass er in Zusammenarbeit mit den ihm unterstellten Abteilungsleitern Ausschreibungen für offene Stellen erstellte, Vorstellungsgesprächen führte, neue Mitarbeiter auswählte und einstellte, über Aufstockungen der Arbeitszeit und damit des Gehalts entschied und in einem vernünftigen Rahmen Gehaltserhöhungen gewähren konnte. Er war befugt, Mitarbeiter – mit Ausnahme von Abteilungsleitern – zu kündigen, kontrollierte die Mitarbeiter, erteilte schriftliche Verwarnungen, traf Urlaubsvereinbarungen, war verantwortlich für die korrekte Erstellung von Dienstplänen, führte Mitarbeitergespräche, erteilte Weisungen und stellte Dienstzeugnisse aus.

[4] Vor diesem Hintergrund hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums.

[5] Dass die Entscheidungsbefugnis des Klägers in manchen Bereichen beschränkt war (etwa gegenüber Abteilungsleitern oder im Hinblick auf das Budget) hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ohnehin berücksichtigt. Eine unbeschränkte Weisungsfreiheit ist aber, wie ausgeführt und vom Kläger selbst zugestanden, nicht vorausgesetzt.

[6] 4. Soweit die Revision demgegenüber darauf verweist, dass es sich bei der Beklagten um einen Familienbetrieb handelt, in dem die organschaftlichen Funktionen von den täglich im Betrieb anwesenden Familienmitgliedern ausgeübt werden, kommt dem keine Relevanz zu, ändert dies doch weder etwas an den rechtlichen Befugnissen, die dem Kläger übertragen waren, noch daran, dass er diese nach den Feststellungen auch ausgeübt hat.

[7] 5. Auch die vom Kläger ergänzend gewünschten Feststellungen, die das Erstgericht zum Teil ohnehin getroffen hat, beziehen sich auf die Anwesenheit des Geschäftsführers im Betrieb und stehen in keinem Zusammenhang mit der Entscheidungskompetenz des Klägers. Auf sie kommt es daher ebenfalls nicht an. Eine permanente inhaltliche Kontrolle der Tätigkeit des Klägers durch den Geschäftsführer lässt sich aus ihnen jedenfalls nicht ableiten.

[8] 6. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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