Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 15.4.1978 Vertrauensarzt der beklagten Partei. Daneben betrieb er mit Genehmigung der beklagten Partei eine Privatordination als Neurochirurg. Am 1.7.1978 wurde er zum Chefarztstellvertreter und am 1.2.1988 zum Chefarzt bestellt. Er war seither leitender Arzt der Dienststelle 20 (chef- und vertrauensärztlicher Dienst). Auf sein Dienstverhältnis fanden die Bestimmungen der Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) Anwendung. Das Dienstverhältnis war gemäß § 22 der DO.B unkündbar und konnte - abgesehen vom Fall des § 31 Abs 3 DO.B - von der beklagten Partei einseitig nur aufgrund eines auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnisses beendet werden.
Im Juli/August 1988 führte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Routineprüfung bei der beklagten Partei durch. Der Prüfbericht, der den Vorwurf schwerer Dienstverfehlungen des Klägers enthielt, wurde zunächst am 24.8.1988 mit Funktionären der beklagten Partei besprochen. Im Anschluß daran ergingen vom Ministerium die schriftlichen Berichte vom 13.9.1988 und 14.10.1988. Am 22.9.1988 wurde Dr.Harald S***** mit der Durchführung von Vorerhebungen im Sinne des § 97 DO.B beauftragt. Aufgrund des Ergebnisses der Vorerhebungen beschloß der Vorstand der beklagten Partei über Antrag des Obmanns am 27.10.1988 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 106 Abs 3 Z 3 DO.B gegen den Kläger. Mit Schreiben vom 2.12.1988 enthob der Obmann den Kläger mit Zustimmung des Betriebsrats unter Herabsetzung der Bezüge auf zwei Drittel vom Dienst. Im Disziplinarverfahren wurde am 22.2.1989 der Disziplinaranwalt und am 23.2.1989 der Vorsitzende der Disziplinarkommission bestellt. Die Anschuldigungsschrift stammt vom 24.2.1989.
Mit Teilerkenntnis vom 22.1.1990 erkannte die Disziplinarkommission den Kläger folgender Verletzungen der DO.B schuldig:
I.) Der Kläger habe als Inhaber einer privaten Wahl - und Facharztpraxis unter Verwendung von lediglich Vertragsärzten der beklagten Partei vorbehaltenen Rezeptformularen, zum Teil unter Beidrückung der Genehmigungsstampiglie als Chefarzt bzw Chefarztstellvertreter
a.) den Viktor Bogocz am 28.12.1985, 7.2.1986, 21.3.1986, 17.7.1986 und 28.11.1986 in die Landesnervenklinik S***** zur stationären Behandlung eingewiesen;
b.) Medikamente verordnet
1.) vom 15.4.1987 bis 2.5.1988 sich selbst 45 Präparate,
2.) im selben Zeitraum seiner Ehefrau H***** 48 Präparate,
3.) vom 15.7.1987 bis 15.3.1988 seiner Tochter A***** 71 Präparate,
4.) am 16.1.1988 seiner Tochter E***** fünf Präparate,
5.) am 30.11.1987 seinem Sohn W***** vier Präparate,
6.) am 21.7.1987 und 13.11.1988 sich selbst je eine Lieferung pro ordinatione,
7.) am 21.4.1988 dem Friedrich M***** vier Präparate,
8.) am 7.4.1988 dem Ing.Franz W***** ein Präparat.
II.) Er habe am 24.8.1988 Medienvertreter zu einer Pressekonferenz eingeladen und in dieser kasseninterne Angelegenheiten öffentlich kundgetan, daß etwa der Obmann der beklagten Partei seiner Aufgabe, den chefärztlichen Dienst vor Angriffen in der Öffentlichkeit zu schützen, nicht nachgekommen sei; er habe sich auch dahin geäußert, er könne nicht beurteilen, wie die Parteipolitik in der Krankenkasse weitergehe; er wolle dies auch nicht und könne nur hoffen, daß diese Parteipolitik in Zukunft fair geführt werde.....
III.) Er habe am 16.11.1988 im Wege seines (damaligen) Rechtsvertreters an die beklagte Partei eine "Stellungnahme und Mitteilung" gerichtet, in welcher er den Obmann der beklagten Partei, den er als behandelnder Arzt in die Klinik W***** eingeliefert hatte, beschuldigt habe, Leistungen einer privaten Zusatzversicherung (Rückersätze) unberechtigt in Anspruch genommen zu haben.
IV.) Er habe entgegen eindeutigen Weisungen der beklagten Partei (Aktenvermerk vom 3.2.1987) Einweisungen in das Regeneratorium St.G***** veranlaßt und zwar
1.) am 16.3.1987 die der Margarethe G*****,
2.) am 9.6.1987 die der Anna H***** und
3.) am 25.4.1987 die des Herbert F*****.
Der Kläger habe hiedurch Dienstpflichtverletzungen begangen, die als Dienstvergehen gemäß § 97 Abs 2 Z 1 DO.B zu werten seien und er werde hiefür gemäß § 97 Abs 1 Z 2 DO.B mit der Disziplinarstrafe der Entlassung belegt.
Hingegen wurde der Kläger hinsichtlich weiterer Anschuldigungen von der Disziplinarkommission freigesprochen. Es handelt sich dabei im wesentlichen um folgende Vorwürfe:
I.) Der als Wahl- und Chefarzt verfügten Einweisungen von Patienten in das Stadtkrankenhaus T***** ohne medizinisch zwingende (sachliche) Gründe, wodurch der beklagten Partei mehr Kosten entstanden seien als bei einer Einweisung in ein österreichisches Krankenhaus;
II.) des Bezugs von zusätzlichen Ersätzen für ambulante Leistungen im Kurzentrum V***** für einen Zeitraum, in dem der Kläger einen Pauschalkuraufenthalt verbrachte, dessen Kosten er ohnehin in voller Höhe vergütet erhalten habe;
III.) eigenmächtiger Bewilligung von Tubenligaturen auf Kassenkosten;
IV.) daß er Dienstnehmer der beklagten Partei, deren Pensionsanspruch zufolge Krankengeldbezuges bei Pensionsantritt geruht habe, kurz vor der Pensionierung gesund - und kurz darauf wieder krankgeschrieben habe, so daß es sowohl zu keinem Ruhen der Pension gekommen, als auch das Krankengeld zu gewähren gewesen sei;
V.) daß er die unter Punkt I des Schuldspruches angeführten Handlungen ohne sachliche bzw medizinische Rechtfertigung vorgenommen sowie in den Diensträumen der beklagten Partei Heilmittel an Privatpatienten verordnet habe;
VI.) daß er in den Jahren 1985 bis 1988 seine vertragliche Verpflichtung, für den Lebensunterhalt und die häusliche Pflege des Dipl.Ing.B***** selbst aufzukommen, durch insgesamt sechs Spitaleinweisungen auf die beklagte Partei abgewälzt habe, wodurch dieser beträchtliche Kosten entstanden seien;
VII.) der Einweisung bzw Verlängerung des Aufenthalts im Regeneratorium St.G***** hinsichtlich weiterer zwei Patienten;
VIII.) der Ausübung einer nicht genehmigten Nebenbeschäftigung als Konziliararzt im Krankenhaus T***** (BRD) in den Jahren 1985 bis 1988.
Aufgrund dieses Disziplinarerkenntnisses sprach der Obmann der beklagten Partei mit Schreiben vom 23.1.1990 sofort die Entlassung aus. Der Kläger brachte dagegen eine Klage auf Feststellung des Weiterbestehens des Dienstverhältnisses ua mit der Begründung ein, daß der Obmann der beklagten Partei allein zu dieser einseitigen Beendigung des Dienstverhältnisses nicht legitimiert sei. Dem Klagebegehren wurde stattgegeben. Wie der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob A 191/91 letztlich ausführte, hätte die Entlassung des Klägers sowohl des Einverständnisses des Überwachungsausschusses als auch der Beschlußfassung im Vorstand bedurft. In den Sitzungen des Vorstandes und des Überwachungsausschusses vom 3.8.1990 ergingen entsprechende Beschlüsse. Am 9.11.1990 richtete die beklagte Partei folgendes Schreiben an den Kläger:
Vorerst halten wir fest, daß die Entlassung - ausgesprochen mit Schreiben vom 23.1.1990 - unverändert aufrecht und nach Ansicht der S***** Gebietskrankenkasse rechtswirksam ist. Im Hinblick auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg wurde die Entlassung nach entsprechender Beschlußfassung durch den Vorstand und Überwachungsausschuß neuerlich bekräftigt und endet Ihr Dienstverhältnis jedenfalls mit Ablauf des Tages, an dem dieses Schreiben zugestellt wird.
Der Betriebsrat der beklagten Partei hatte dem Kläger mitgeteilt, daß er zur Entlassung keine Stellungnahme abgebe.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellungen, daß die am 9.11.1990 erfolgte neuerliche Entlassung unwirksam und sein Dienstverhältnis über den 9.11.1990 hinaus weiterhin aufrecht fortbestehe. Die neuerliche Entlassung sei unberechtigt und verfristet. Abgesehen davon, daß im Schreiben vom 9.11.1990 keine Entlassungsgründe angeführt seien, seien die gegen ihn erhobenen Vorwürfe haltlos. Das Disziplinarerkenntnis sei wegen schwerer Verfahrensmängel nichtig. Entgegen § 109 Abs 2 DO.B sei ein Pensionist zum Disziplinaranwalt bestellt worden. Die vom Betriebsrat entsandten Mitglieder seien entgegen § 108 Abs 4 DO.B nicht gleichrangig, sondern untergeordnet gewesen. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission sei befangen gewesen, was ebenfalls mehrmals gerügt worden sei. Im übrigen seien die dem Kläger vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen verjährt (§ 102 DO.B).
Die beklagte Partei beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Sie vertrat vorerst den Rechtsstandpunkt, daß die mit Schreiben vom 23.1.1990 erfolgte Entlassung des Klägers als sogenannte Obmannsverfügung rechtswirksam gewesen sei. Die neuerliche Entlassung habe für den Fall, daß die Rechtsmittelgerichte die Ansicht des Erstgerichtes teilen würden, ebenfalls nur der raschesten Umsetzung des Disziplinarerkenntnisses gedient. Im Zusammenhang mit der Einstellung der Gehaltszahlungen mit 23.1.1990 habe für den Kläger kein Zweifel daran bestehen können, daß die beklagte Partei das Dienstverhältnis durch Entlassung beenden wolle. Das Disziplinarverfahren sei mängelfrei durchgeführt und die im Schuldspruch festgehaltene Dienstpflichtverletzungen seien vom Kläger gesetzt worden. Der zum Disziplinaranwalt bestellte Dienstnehmer sei weiter bei der beklagten Partei beschäftigt. Auf die Entsendung von Mitgliedern der Disziplinarkommission durch den Betriebsrat habe die beklagte Partei keinen Einfluß. Überdies sei der Kläger nicht im Range eines leitenden Angestellten beschäftigt gewesen, sondern im Rang eines Abteilungsleiters gestanden. Hinsichtlich des Vorsitzenden der Disziplinarkommission habe der Kläger nähere Ausführungen darüber, worin dessen Befangenheit gelegen sei, unterlassen.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Faktum I a: Der Kläger und seine Gattin hatten mit Übergabsvertrag vom 12.11.1987 die Liegenschaft des Ing.Viktor B***** erworben und sich als Gegenleistung ua dazu verpflichtet, den Übergeber ärztlich zu betreuen und persönlich zu pflegen. Diese Verpflichtung umfaßte auch die kostenlose Beistellung von allfälligem Pflegepersonal und die Übernahme der Kosten der "Sonderklasse" im Fall einer stationären Aufenthalts. Ing.B***** war Patient in der Privatpraxis des Klägers. Der Kläger setzte die beklagte Partei von diesen besonderen vertraglichen Beziehungen nicht in Kenntnis. Er wies den Übergeber insgesamt fünfmal in die Landesnervenklinik ein (28.12.1985, 7.12.1986, 21.3.1986, 17.7.1986 und 28.11.1986). Den Einweisungen folgten verschieden lange Aufenthalte, deren längster vom 28.11.1986 bis 16.2.1988 dauerte. Ing.B***** starb am 22.10.1988.
Wenn ein Patient länger in stationärer Behandlung ist, erhält der chefärztliche Dienst eine Meldung mit der Anfrage, ob eine Weiterbehandlung auf Kassenkosten noch erforderlich ist oder ob ein Asylierungsfall vorliegt, für den die Kasse nicht kostenpflichtig ist. Aufgrund des seit 28.11.1986 dauernden Aufenthaltes fragten die OE-08 am 12.11.1987 beim Kläger an, ob im konkreten Fall noch von einem Pflegefall gesprochen werden könne. Nach Einholung einer Stellungnahme vom Vorstand der Landesnervenklinik durch den Kläger, setzte der damalige Vertrauensarzt Dr.K***** auf diese Anfrage den Vermerk "Weiterbehandlung drei Monate".
Die Einweisungen waren als Akuteinweisungen erforderlich. Der Kläger verwendete für die Einweisungen aber nicht die Rezeptformulare seiner Privatordination, sondern Kassenformulare, die er überdies mit seiner Stampiglie als Chefarzt-Stellvertreter und seiner Paraphe versah. Kassenrezepte lagen allerdings auch in anderen Privatordinationen von Ärzten der beklagten Partei auf. Die Verwendung von Kassenrezepten wurde vorerst nicht beanstandet und erst mit Dienstanweisung der beklagten Partei vom 25.11.1988 eingestellt.
Faktum I b: In der Zeit vom 15.4.1987 bis 2.5.1988 verschrieb und genehmigte der Kläger zugleich als Chefarzt- bzw Chefarztstellvertreter eine Reihe von Medikamenten für sich, seine Ehegattin, seine beiden Töchter und seinen Sohn. Darunter befanden sich auch einige chefarztpflichtige Verschreibungen, die ohne Genehmigung durch den Kläger von der beklagten Partei nicht hätten bezahlt werden müssen. So genehmigte der Kläger die Verschreibungen vom 15.4.1987, 27.5.1987, 17.8.1987, 29.8.1987, 14.9.1987, 28.9.1987, 29.9.1987, 1.10.1987, 6.11.1987, 12.11.1987, 24.11.1987, 18.2.1988 und am 2.5.1988 an sich selbst. Für seine am 15.5.1942 geborene Gattin nahm er am 15.4.1987, 4.6.1987, 10.6.1987, 6.7.1987, 13.8.1987, 22.9.1987, 6.11.1987, 7.11.1987, 19.11.1987, 28.12.1987, 18.2.1988, 28.2.1988, 8.3.1988, 19.4.1988, 28.4.1988 und 2.5.1988 Verschreibungen vor. Seiner am 9.9.1972 geborene Tochter A***** verordnete er Medikamente am 15.4.1987, 29.4.1987, 29.6.1987, 6.8.1987, 21.9.1987, 28.9.1987, 9.10.1987, 2.11.1987 und 3.11.1987. Verschreibungen an die am 8.2.1976 geborene Tochter E***** erfolgten am 15.1.1988 und für seinen am 12.11.1978 geborenen Sohn am 30.11.1987. Sämtliche Genehmigungen erteilte der Kläger in seiner Funktion als Chefarztstellvertreter bzw ab 1.2.1988 als Chefarzt. Ob diese Verschreibungen bzw deren Genehmigung nach Art und Umfang medizinisch indiziert waren, kann nicht festgestellt werden.
Unter diesen Verschreibungen befanden sich auch sogenannte "Schwarzpunktpräparate", also Mittel, die für die Kostentragung durch die beklagte Partei der chefärztlichen Genehmigung bedurften. Schon die Vorgänger des Klägers im chefärztlichen Dienst hatten für sich selbst und nahe Angehörige Rezepte ausgestellt. Es bestand solcherart zwar eine diesbezügliche Übung im Rahmen des chefärztlichen Dienstes, die von einem Chefarzt zum anderen weitergegeben wurde, doch wurde diese Vorgangsweise weder vom Vorstand bzw der Direktion der beklagten Partei ausdrücklich gestattet noch stillschweigend geduldet. Der Kläger übernahm diese Übung, ohne jemals an den Vorstand der beklagten Partei mit der Frage heranzutreten, ob die Verschreibungen für sich und seine Familienangehörigen erlaubt bzw wie die Verschreibungen von "Schwarzpunktpräparaten" an sich selbst und seinen Angehörigen zu behandeln seien.
Im Gegensatz dazu bestand hinsichtlich der Ausstellung von Rezepten für Angestellte der beklagten Partei und deren Angehörige eine vom Vorstand genehmigte Vorgangsweise. Hier konnten Behandlungen und Verschreibungen durch einen bei der beklagten Partei angestellten Arzt vorgenommen werden. Mit Dienstanweisung vom 25.11.1988 ordnete die Direktion der beklagten Partei an, daß die Verordnung von Medikamenten durch den chef- und vertrauenärztlichen Dienst für Kassenbedienstete, Pensionisten und kassenfremde Personen einzustellen ist.
Faktum II: Im Juli und August 1988 kam es zu einer gehäuften Berichterstattung in der Presse über die beklagte Partei. Dabei wurden im Nachrichtenmagazin "p*****" massive Vorwürfe gegen den Kläger erhoben. Auch im Rundfunk und Fernsehen kam es zu entsprechenden (negativen) Berichten. Mit Schreiben vom 5.8.1988 forderte der Kläger den damaligen Obmann der beklagten Partei auf, sein Ansehen und das der beklagten Partei auf geeignete Weise wiederherzustellen. Der Obmann kam aber dieser Aufforderung nicht nach. Der Kläger setzte sich daraufhin mit dem leitenden Angestellten Dr.N***** in Verbindung, der an seinem Vorschlag, eine Pressekonferenz abzuhalten, Interesse zeigte. Dieser war der Meinung, daß auch die beklagte Partei davon profitiere, wenn der Kläger zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung nehme. Er nahm aber an der Pressekonferenz selbst nicht teil. Der Kläger hatte auch den damaligen Obmann eingeladen, den die Einladung aber nicht mehr rechtzeitig erreichte.
Am Vormittag des 24.8.1988 gab der Kläger die Pressekonferenz. Er äußerte sich optimistisch über die am Nachmittag stattfindende Abschlußbesprechung zwischen den Prüfern des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und den maßgebenden Funktionären der beklagten Partei über die Ergebnisse der Überprüfung. Der Kläger kritisierte den damaligen Obmann der beklagten Partei, da dieser in der Öffentlichkeit nichts gegen die Vorwürfe gegen den chefärztlichen Dienst unternommen habe. Auf die Frage, ob die Parteien und die Parteipolitik der Unruheherd bei der beklagten Partei seien, meinte er, daß er nicht beurteilen könne wie die Parteipolitik in der Krankenkasse weitergehe; er wolle es auch gar nicht. Er könne nur hoffen, daß diese Parteipolitik in Zukunft fair geführt werde und daß der chef- und vertrauensärztliche Dienst seine Arbeit im Interesse der Versicherten und Patienten werde leisten können. Über diese Pressekonferenz wurde berichtet.
Faktum III: Am 16.11.1988 richtete der damalige Rechtsvertreter des Klägers ein Schreiben an die beklagte Partei, dessen Sachverhalt vom Kläger stammt. Darin nahm der Kläger auf Ereignisse im November 1986 Bezug. Der damalige Obmann der beklagten Partei wurde am 17.11.1986 wegen Verdachtes eines "Hexenschusses" vom Kläger in das Sanatorium Dr.W***** in Salzburg eingewiesen, wo er sich vom Kläger behandeln lassen sollte. Nach erfolgter stationärer Aufnahme und der Bestätigung der Diagnose durch den Kläger am selben Tag erfolgte am 18.11.1986 noch eine Behandlung, worauf der Obmann am Nachmittag wieder entlassen wurde. Die Nacht vom 17.11. zum 18.11. hatte er nicht im Sanatorium verbracht. Der Kläger warf nun dem Obmann der beklagten Partei im Schreiben vom 16.11.1988 vor, daß dieser bei seiner Privatversicherung eine Rechnung zum Rückersatz der Kosten eines stationären Aufenthalts eingereicht habe, obwohl er sich nur in ambulanter Behandlung befunden habe. Der Kläger hatte keinerlei dienstlichen Auftrag, Nachforschungen über den Aufenthalt des damaligen Obmanns im Sanatorium anzustellen. Er erhob vielmehr diese Daten zwei Jahre nach dem Vorfall beim Sanatorium. Er stellte eine Ausfertigung dieses Schreibens dem Obmann des Überwachungsausschusses zu; eine Ausfertigung erhielt die S***** Landesregierung als Aufsichtsbehörde. Am 17.11.1988 brachte Radio S***** den Inhalt des klägerischen Schriftsatzes im Mittagsjournal der Öffentlichkeit zur Kenntnis.
Faktum IV: Zwischen dem Rechtsträger des Sanatoriums "St.G*****" und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger bestand ein Rahmenvertrag über die Gewährung von Anstaltspflege, von Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit und von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation. Mit Aktenvermerk vom 3.2.1987 wurde festgehalten, daß die von der Kasse bewilligten Aufenthalte von Versicherten und deren Angehörige durchwegs als Maßnahmen im Sinne der §§ 154 und 155 ASVG und keineswegs als Anstaltspflege im Sinne des § 149 ASVG anzusehen sei. Für diese Maßnahmen seien primär die Pensionsversicherungsträger zuständig. Ab sofort könnten daher Kassenversicherte, die zugleich pensionsversichert oder Bezieher von Pensionen sind, nicht mehr auf Kosten der Kasse in das Regenerationsheim eingewiesen werden. Dem Kläger war diese in Form eines Aktenvermerks erteilte Weisung bekannt.
Erfolgte eine Einweisung in den St.G***** als Krankenanstalt war die beklagte Partei leistungspflichtig. Handelte es sich aber um Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit oder Rehabilitation waren die entsprechenden Anträge zuerst an den zuständigen Pensionsversicherungsträger zu stellen. Wurde der Antrag abschlägig beschieden, leitete der Pensionsversicherungsträger den Antrag an die beklagte Partei weiter. Dort prüfte die Leistungsabteilung die Anspruchsvoraussetzungen. Erst danach kam der Antrag zum Kläger, der das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen zu prüfen hatte. Er genehmigte am 16.3.1987 einen Aufenthalt für Margarethe G. für die Zeit vom 21.3.1987 bis 10.4.1987. Die Bewilligung erfolgte durch die Abteilung OE-10. Am 9.6.1987 genehmigte er einen Aufenthalt für Anna H., nachdem ein entsprechender Antrag von der Pensionsversicherungsanstalt abgelehnt worden war. Eine ähnliche Einweisung erfolgte am 25.4.1987. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hatte einen Kuraufenthalt mit der Begründung abgelehnt, daß der Krankenversicherungsträger zuständig sei. Die Einweisung war vom behandelnden Arzt empfohlen worden. Es gab auch Fälle, in denen der chefärztliche Dienst Anträge auf Einweisung ablehnte, die dann aber von der Direktion genehmigt wurden. Einweisungen der beklagten Partei in den St.G***** gab es auch noch in jüngster Zeit.
Der Kläger war im Rahmen seiner Privatordination auch als Neurochirurg im Stadtkrankenhaus T***** (BRD) tätig. Er wies vier Patienten in dieses Krankenhaus ein. Rechtsgrundlage der Einweisungen war das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland vom 22.12.1966 über soziale Sicherheit. So genehmigte er am 25.1.1983 die von ihm verfügte Einweisung der Adelheid H. Aufgrund der chefärztlichen Genehmigung erteilte die beklagte Partei die Bewilligung zur Verlegung des Aufenthalts und zur Erbringung von Sachleistungen in der Dauer von acht Wochen. Im Stadtkrankenhaus T***** wurde die Patientin vom Kläger an den Bandscheiben operiert. Die allgemeine Ortskrankenkasse Bad R***** stellte der beklagten Partei dafür DM 5.737,50 in Rechnung. Am 4.5.1983 genehmigte der Kläger seine Einweisung der Patientin Angela S. in das genannte Krankenhaus. Auch der Antrag der Patientin Heidelinde W. wurde vom Kläger am 20.2.1984 genehmigt. Sie begab sich in das Stadtkrankenhaus T*****, wo sie vom Kläger operiert werden sollte. Sie verließ das Krankenhaus vorher jedoch wieder und ließ sich in der Neurochirurgie S***** mit positivem Erfolg operieren.
Da eine Operation nicht zufriedenstellend verlaufen war, wandte sich die Privatpatientin Esther R. an den Kläger. Dieser wies sie in das Stadtkrankenhaus T***** ein und erteilte die chefärztliche Genehmigung. Die OE-10 genehmigte den Antrag. Während ihres Aufenthaltes vom 27.6.1986 bis 9.8.1986 wurde sie vom Kläger operiert. Da sie im Gegensatz zu Angela S. und Adelheid H. nicht über eine private Krankenzusatzversicherung verfügte, hatte sie für die Operation ein Honorar von S 40.000,-- an den Kläger zu zahlen. Die notwendig gewordene Operation hätte auch in Österreich durchgeführt werden können. Die allgemeine Ortskrankenkasse stellte der beklagten Partei DM 3.605,-- in Rechnung. Bei einem gleichartigen Aufenthalt in einer öffentlichen Krankenanstalt in S***** hätte die beklagte Partei um rund S 14.000,-- weniger aufwenden müssen.
Es war Sache des Klägers die Notwendigkeit der Operation zu beurteilen, ob diese in Österreich durchgeführt werden konnte oder ob medizinische Gründe für eine Operation im Ausland vorlagen. Die letzte Entscheidung über die Kostenübernahme traf zwar die Leistungsabteilung; diese hielt sich aber an die gutächtliche Äußerung des medizinischen Dienstes und prüfte im wesentlichen nur die formellen Voraussetzungen.
Zumindest in drei Fällen ist es zu einer kausalen Mitwirkung des Klägers an der Ermöglichung von Doppelbezügen gekommen. Josef G. bezog ab 1.7.1984 die vorzeitige Alterspension, nachdem er zuvor 450 Tage arbeitsunfähig gewesen war. Der Kläger schrieb ihn am 18.6.1984 zum 30.6.1984 aus dem Krankenstand ab. Am 10.7.1984 erfolgte die neuerliche Krankschreibung. Ab diesem Zeitpunkt bezog Josef G. sowohl Pension als auch Krankengeld. Aus medizinischer Sicht hätte aufgrund der abnützungsbedingten Defektzustände bzw chronischen Erkrankungen nicht prospektiv 14 Tage vorher gesagt werden können, daß die Arbeitsfähigkeit wiedergegeben sein werde. Die Bedienstete der beklagten Partei Olga J. war 409 Tage bis 31.12.1984 arbeitsunfähig. Der Kläger schrieb sie für den 1.1.1985 vom Krankenstand ab; sie erhielt ab 1.1.1985 ihre Pension. Am 16.1.1985 wurde sie wiederum arbeitsunfähig geschrieben. Sie bezog vom 16.1.1985 bis 28.2.1985 zusätzlich Krankengeld, ohne daß es dabei zu einem Ruhen der Pension gekommen wäre. Auch im Fall der ehemaligen Bediensteten Judith M. wirkte der Kläger in ähnlicher Weise mit, um ihr den Doppelbezug von Pension und Krankengeld zu ermöglichen. Der Kläger schrieb sie nach 397 Tagen Arbeitsunfähigkeit zum 30.9.1983 aus dem Krankenstand ab. Am 1.10.1983 trat sie die Pension an. Am 17.10.1983 schrieb sie Dr.A neuerlich krank. Auch sie litt an chronischen Erkrankungen, bei denen es aus ärztlicher Sicht nicht begründbar ist, daß mit Pensionsantritt eine 17 Tage lang währende vorübergehende Phase subjektiver Schmerzlinderung eintreten werde.
In diesen und weiteren 62 Fällen forderte die beklagte Partei die ihrer Meinung nach zu Unrecht bezogenen Krankengeldbeträge mit Bescheid zurück. In den entsprechenden Gerichtsverfahren blieben jedoch die klagenden Pensionisten erfolgreich, weil den Pensionisten im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit auch in den Phasen, in denen sie vom Krankenstand abgeschrieben waren, ein Anspruch auf Krankengeld zugestanden sei und lediglich der Pensionsanspruch in Höhe des bezogenen Krankengeldes geruht hätte. Zur Rückforderung von Pensionsleistungen sei die beklagte Partei aber nicht legitimiert.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß mit dem auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnis die Voraussetzungen gegeben gewesen seien, um die eigentliche Entlassung des Klägers aussprechen zu können. Die Entlassung gründe auf einem im Einverständnis mit dem Überwachungsausschuß gefaßten Vorstandbeschluß, der gemäß § 438 Abs 1 Z 3 ASVG noch vor dem Ausspruch der neuerlichen Entlassung gefaßt worden sei. Die Entlassungserklärung vom 9.11.1990 sei nicht verfristet. Das Disziplinarerkenntnis stamme vom 22.1.1990 und die beklagte Partei habe schon am nächsten Tag die Entlassung erklärt. Diese Entlassung sei zwar aufgrund eines Formalfehlers nicht wirksam geworden, doch habe der Vorstand damit seinen Willen zur Lösung des Dienstverhältnisses unverzüglich und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Entlassungsgründe seien nicht "aufs Eis gelegt" worden. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 9.11.1990 habe der Kläger längst gewußt, was ihm die beklagte Partei vorwerfe, so daß die Nichtanführung der wiederum geltend gemachten Entlassungsgründe keinen schwerwiegenden Formalfehler darstelle. Der Kläger sei auch in der Lage gewesen, eine substanzielle Gegendarstellung zu geben.
Gemäß § 102 Abs 1 DO.B dürfe ein Arzt wegen Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1.) innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung dem leitenden Angestellten zur Kenntnis gelangt ist, oder
2.) innerhalb von drei Jahren gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.
Unter der Einleitung des Disziplinarverfahrens sei der Beschluß des Vorstandes zu verstehen, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und nicht erst der Konstituierungsbeschluß der Disziplinarkommission selbst. Dies ergebe sich schon aus § 106 DO.B, in dem es heiße, daß beim Vorstand die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beantragen sei. Auch die Dreimonatsfrist spreche dafür, daß es nicht an der Disziplinarkommission selbst liegen könne, das Verfahren einzuleiten, da es sonst etwa der Betriebsrat in der Hand hätte, durch eine Verzögerung bei der Nominierung von Mitgliedern der Kommission die Frist verstreichen zu lassen und das Verfahren zu Fall zu bringen. Der maßgebliche Zeitpunkt sei daher der 27.10.1988.
Die Dreimonatsfrist habe mit dem Zeitpunkt zu laufen begonnen, an dem der Leiter der Vorerhebungen gemäß § 97 DO.B dem leitenden Angestellten das Ergebnis der Vorerhebungen mitgeteilt habe. Die Durchführung von Vorerhebungen sei dem Disziplinarverfahren zwingend vorgeschaltet und es wäre gerade bei komplizierten Sachverhalten kaum möglich, einen entsprechenden Verdacht zu widerlegen oder zu bekräftigen, wollte man die Dauer der Vorerhebungen in die kurze Dreimonatsfrist einbeziehen. § 102 Abs 1 Z 1 DO.B spreche von der Kenntnis des leitenden Angestellten von der Dienstpflichtverletzung, während § 97 DO.B bereits einen begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung als Voraussetzung für die Einleitung von Vorerhebungen genügen lasse. Der Leiter der Vorerhebungen habe den leitenden Angestellten der beklagten Partei erst wenige Tage vor dem 27.10.1988 mit den Ergebnissen der Vorerhebungen konfrontiert, so daß die kurze Verjährungsfrist des § 102 Abs1 Z 1 DO.B keinesfalls abgelaufen sei.
Das Erkenntnis der Disziplinarkommission sei lediglich eine formelle Voraussetzung der Entlassung. Das gerichtliche Überprüfungsverfahren beschränke sich nicht auf eine Überprüfung der zeitlich vorgestaffelten Verfahrensschritte der Disziplinarkommission, sondern stelle eine materiell-rechtliche Prüfung des Vorliegens der angezogenen Entlassungsgründe dar. In diese Prüfung sei lediglich die Frage einzubeziehen, ob etwa das Disziplinarerkenntnis auf eine Art und Weise zustandegekommen ist, die grobe Mängel aufweise. Diese Mängel müßten so schwerwiegend sein, daß das Disziplinarerkenntnis geradezu als ein rechtliches Nichts zu betrachten ist. In bezug auf § 110 DO.B sei ein Vergleich mit den Nichtigkeitsgründen der ZPO anzustellen, die subsidiär Anwendung finde.
Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die zwei vom Betriebsrat entsandten Mitglieder der Disziplinarkommission entgegen § 108 Abs 4 DO.B im Rang unter dem Kläger gestanden wären, könne dies nicht zur Nichtigkeit des Erkenntnisses führen. Die beklagte Partei habe nämlich keinerlei Einfluß darauf gehabt, wen der Betriebsrat nominiere. Es könne aber nicht im Belieben des Betriebsrats stehen, jedwedes Disziplinarverfahren durch unrichtige Besetzung zum Fall zu bringen. Abgesehen davon seien die vom Betriebsrat entsandten Mitglieder der Disziplinarkommission ohnehin Leiter von Organisationseinheiten gewesen. § 108 Abs 4 DO.B stelle auf die dienstrechtliche Stellung ab, so daß ein Chefarzt dem leitenden Angestellten dienstrechtlich ebenso untergeordnet sei wie die auf derselben Stufe stehenden Leiter von Organisationseinheiten. Der Chefarzt sei lediglich bei seiner ärztlichen Tätigkeit keinen Weisungen unterworfen; als oberstes medizinisches Kontrollorgan beziehe er zwar ein höheres Gehalt, doch stelle § 108 Abs 4 DO.B nicht auf die Höhe der Entlohnung ab.
Gemäß § 109 Abs 2 DO.B sollte der Disziplinaranwalt ein womöglich rechtkundiger Sozialversicherungsangestellter oder eine in die Rechtsanwaltsliste eingetragene Person sein. Daraus könne nicht abgeleitet werden, daß ein nicht im Ruhestand befindlicher ehemaliger Angestellter der Sozialversicherung bestellt werden dürfte. Nach dem Zweck dieser Bestimmung sei entscheidend, daß ein rechtskundiger Angestellter zum Disziplinaranwalt bestellt werde; es spiele dabei keine Rolle, ob dieser Angestellte noch aktiv tätig sei oder sich bereits im Ruhestand befinde.
Es treffe auch nicht zu, daß die Anträge des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden der Kommission ignoriert worden seien. Der Kläger habe mehrmals die Befangenheit des Vorsitzenden gerügt und die Anträge seines Verteidigers seien von der Kommission behandelt worden. In der Verhandlung vom 10.4.1989 sei der erste Ablehnungsantrag zurückgewiesen worden; die Entscheidung über den zweiten Ablehnungsantrag sei vorbehalten worden. Der Vorsitzende der Disziplinarkommission habe sich gegenüber der beklagten Partei schriftlich zu den Ablehnungsgründen geäußert und erklärt, sich nicht befangen zu fühlen. Auch über sämtliche weiteren Ablehnungsanträge sei in ähnlicher Weise verfahren worden. Der Vorstand der beklagten Partei habe den Verteidiger des Klägers schriftlich mitgeteilt, daß er beschlossen habe, den Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden abzulehnen. Sämtliche vom Verteidiger geltend gemachten Befangenheitsgründe hätten sich im übrigen auf Prozeßhandlungen des Vorsitzenden bezogen. Alle diesbezüglichen Handlungen des Vorsitzenden, wie etwa die Zurückweisung eines Schriftsatzes vom 7.4.1989 in der Verhandlung vom 10.4.1989 in der Verhandlung vom 10.4.1989 als verspätet, die Nichterklärung der Disziplinarsache zur Punktesache oder der Anruf des Vorsitzenden bei Primar Dr.W***** wegen der Herausgabe der Krankengeschichte des damaligen Obmanns, seien sachgerecht oder zumindest sachlich vertretbar gewesen. Es liege sohin ein wirksames Disziplinarerkenntnis vor.
Die umfassende Prüfungskompetenz des Gerichts beziehe sich auf alle im Disziplinarverfahren geltend gemachten Entlassungsgründe, soweit sie noch aufrecht erhalten würden. Es seien daher auch jene Vorwürfe zu untersuchen, von denen der Kläger im Disziplinarverfahren freigesprochen worden sei.
I a.) Hinsichtlich der Einweisung des Ing.Viktor B***** in die Landesnervenklinik S***** und der Bewilligung der Verlängerung des Aufenthalts komme es nicht darauf an, ob der beklagten Partei dadurch ein Schaden entstanden sei. Entscheidend sei, daß der Kläger aufgrund seiner besonderen Stellung bei der beklagten Partei verpflichtet gewesen wäre, von Anfang an jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden, um den Verdacht des Handelns im eigenen Interesse entgegenzuwirken. Dazu hätte es der Offenlegung bedurft, daß er aufgrund des Übergabsvertrags für die ärztliche Pflege und Krankenhausaufenthalte kostenpflichtig gewesen sei, soferne nicht der Sozialversicherungsträger die Kosten zu tragen habe. Auch wenn die erste Einweisung des Übergebers aufgrund akuter medizinischer Notwendigkeit erfolgt sei, hätte es in der Folge der Offenlegung der vertraglichen Pflichten bedurft, so daß die weiteren Einweisungen mit Wissen der beklagten Partei von dem besonderen Verhältnis des Klägers zu diesem Patienten hätten erfolgen können. Der Kläger habe durch sein Schweigen die Interessen und das Ansehen der beklagten Partei, die als Körperschaft öffentlichen Rechts naturgemäß im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe, in jeder Hinsicht zu wahren und zu fördern, verletzt und dadurch ein Verhalten gesetzt, das geeignet sei, Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG zu begründen.
I b.) Der Kläger habe als Chefarzt bzw Chefarztstellvertreter eine besondere Vertrauensstellung innegehabt; er sei oberstes Kontrollorgan der beklagten Partei in medizinischen Belangen gewesen und es habe ihn auch eine besondere Verantwortlichkeit gegenüber der Versichertengemeinschaft getroffen. Die Chefarztpflicht diene der Kontrolle der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Behandlung im Einzelfall. Sie soll verhindern, daß überflüssige Leistungen auf Kassenkosten erbracht würden. Diese Kontrollfunktion sei aber vom Kläger ad absurdum geführt worden, soweit er Medikamente für sich und seine Angehörigen verschrieben und diese zugleich auch chefärztlich genehmigt habe. In diesen Fällen wäre es, um schon den Anschein einer Befangenheit auszuschließen, erforderlich gewesen, die chefärztliche Genehmigung dieser Rezepte einem Kollegen zu überlassen und diesen gegebenenfalls weisungsfrei zu stellen.
Der Kläger könne sich dazu nicht auf die Übernahme dieser Praxis von seinen Vorgängern berufen, da er verpflichtet gewesen wäre, diese Vorgangsweise, die von der beklagten Partei weder ausdrücklich noch stillschweigend geduldet wurde, abzustellen. Die beklagte Partei habe lediglich die Verschreibung von Präparaten an Bedienstete geduldet. Durch diese Selbstverschreibung von (chefarztpflichtigen) Präparaten habe der Kläger ebenfalls den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 AngG verwirklicht.
II) Nach § 8 Abs 1 DO.B sei ein Arzt verpflichtet, die Interessen und das Ansehen des Versicherungsträgers in jeder Hinsicht zu wahren und zu fördern. Er sei gemäß § 8 Abs 3 DO.B auch zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 460a ASVG). Das Ansehen der beklagten Partei sei schon vor der Abhaltung der Pressekonferenz durch den Kläger durch eine massive Presseberichterstattung geschädigt worden. Es sei daher auch im Interesse der beklagten Partei gelegen, daß der Chefarzt, der selbst unter schwerem Medienbeschuß gelegen sei, zu den Vorwürfen, insbesondere des Nachrichtenmagazins "p*****" Stellung nehme. Da die beklagte Partei nichts unternommen habe, habe der Kläger nur von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich gegen die öffentlich erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Seine Äußerung über die Parteipolitik bei der beklagten Partei hätte deren Ansehen nicht gefährdet, zumal allgemein bekannt sei, daß die beklagte Partei aufgrund ihrer Struktur von Parteipolitik nicht ganz unbeeinflußt sei. Dazu komme, daß der Kläger die Pressekonferenz mit Billigung des leitenden Angestellten abgehalten habe. Dieser Vorwurf stelle daher keinen tauglichen Entlassungsgrund dar.
III) Anders sei die Lage im Hinblick auf die "Anschwärzung" der beklagten Partei durch die Anzeige gegen ihren damaligen Obmann. Die Treuepflicht hätte den Kläger nicht verhalten, rechtswidrige Machinationen des Dienstgebers bzw des Obmanns zu decken, um ihn vor gerechtfertigter Verfolgung zu schützen. Bei dem Schreiben des Klägers vom 16.11.1988 habe der Kläger aber nicht im Interesse der Rechtspflege gehandelt. Der in diesem Schreiben genannte Vorfall habe sich bereits zwei Jahre zuvor ereignet und das Schreiben sei zu einem Zeitpunkt ergangen, als die kasseninternen Vorerhebungen gegen den Kläger schon angelaufen gewesen seien. Es sei ihm lediglich darum gegangen, den Obmann der beklagten Partei "anzuschwärzen". Dies ergebe sich daraus, daß der Kläger - entgegen seinen Behauptungen - dafür keinen dienstlichen Auftrag erhalten hatte und nicht mit der gebotenen Schonung vorgegangen sei. Er habe sogleich die Aufsichtsbehörde informiert ohne vorher den Überwachungsausschuß zu kontaktieren. Aufgrund seiner bisherigen Medienerfahrung hätte es dem Kläger auch klar sein müssen, daß der Inhalt seines Schreibens binnen kürze den Weg in die Medien finden werde. Die Art und Weise sowie der zeitliche Ablauf der vermeintlichen Aufdeckung lasse sohin den Schluß zu, daß es sich um eine Vergeltungsmaßnahme gehandelt habe. Diese Dienstpflichtverletzung sei schon für sich allein geeignet, den Entlassungstatbestand des § 27 Z 1 AngG zu erfüllen.
IV) Gemäß § 8 Abs 1 DO.B habe ein Arzt den dienstlichen Weisungen seines Vorgesetzten nachzukommen. Bei den Einweisungen in das Regeneratorium St.G***** habe es sich um Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit nach § 154 ASVG bzw um Rehabilitationsmaßnahmen nach § 155 ASVG gehandelt. Auf diese Leistungen bestehe kein Rechtsanspruch; es handle sich um freiwillige Leistungen der beklagten Partei, wobei der Ermessensspielraum durch die Weisung vom 3.2.1987 konkretisiert worden sei. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß er Einweisungen nur ausnahmsweise genehmigen dürfe. Darauf habe ihn die Organisationseinheit 10 auch ausdrücklich hingewiesen. Trotz dieses Hinweises habe er in zwei Fällen gegen diese Weisung verstoßen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich auch die Direktion in einem Fall nicht an die Weisung gehalten habe und bei der beklagten Partei insgesamt eine Rechtsunsicherheit vorgelegen sei, sei der Kläger als verantwortlicher Chefarzt zwar nicht exkulpiert, da er aufgrund seiner verantwortungsvollen Position auf die Abstellung einer allenfalls rechtswidrigen Praxis hätte drängen müssen; sein Verhalten stelle aber nur eine geringfügige Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG dar.
Aufgrund der umfassenden Überprüfungskompetenz sei auch auf die Vorwürfe einzugehen, hinsichtlich derer die Disziplinarkommission aufgrund angenommener Verjährung gemäß § 102 Abs 1 Z 2 DO.B zu einem Freispruch gelangt sei. Der Esther R. betreffende Vorwurf sei jedoch objektiv nicht verjährt, da sich der Vorfall 1986 ereignet habe. Die Disziplinarkommission sei davon ausgegangen, daß der Beginn der kurzen Verjährungsfrist am 18.7.1988 gelegen sei, weil dem leitenden Angestellten der Fall an diesem Tag zur Kenntnis gelangt sei. Dieser Auffassung, daß der Beginn der Verjährungsfrist mit der Kenntnis von bloßen Verdachtsmomenten zu laufen beginne, sei aber nicht zu folgen. Der Fristenlauf sei erst zu jenem Zeitpunkt ausgelöst worden, zu dem der leitende Angestellte von den Ergebnissen der Vorerhebungen Kenntnis erlangt habe. Gemäß den §§ 117 Z 2 und 144 Abs 1 ASVG sei die erforderliche Anstaltspflege aus dem Versicherungsfall der Krankheit in der allgemeinen Gebührenklasse einer öffentlichen Krankenanstalt zu gewähren. Nach Art 14 Abs 1 lit a des Abkommens über die soziale Sicherheit mit der Bundesrepublik Deutschland bestehe die Möglichkeit, einen Versicherten auf Kosten des zuständigen österreichischen Sozialversicherungsträgers in einer Krankenanstalt in der Bundesrepublik Deutschland unterzubringen. Die Zustimmung zur Aufenthaltsverlegung nach Eintritt des Versicherungsfalls könne nach Art 14 Abs 2 des Abkommens nur aus medizinischen Gründen verweigert werden; eine Abwägung nach ökonomischen Gesichtspunkten sei nicht vorgesehen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Sinne des Art 14 Abs 1 des Abkommens zu prüfen gehabt hätte, ob die Behandlung der Patientin auch in einem österreichischen Krankenhaus durchgeführt hätte werden können. Ein Entlassungsgrund liege vielmehr schon darin, daß der Kläger trotz Vorliegens einer evidenten Interessenkollision die chefärztliche Genehmigung der Verlegung der Patiention vorgenommen habe. Er hätte die beklagte Partei darüber aufklären müssen, daß es sich bei Esther R. um seine Patientin handle, die er selbst im Krankenhaus T***** operieren wolle. Er hätte sich in diesem Fall jeglicher Entscheidung enthalten müssen. Das Vorliegen dieser eklatanten Befangenheitssituation, deren Nichtanzeige Vertrauensunwürdigkeit im Sinn des § 27 Z 1 AngG darstelle, werde durch den Umstand noch deutlicher, daß der Kläger für die Operation ein Privathonorar von S 40.000,-- erhalten habe.
Zumindest in drei Fällen sei es zu einer kausalen Mitwirkung des Klägers an der Ermöglichung von Doppelbezügen gekommen, weil die medizinischen Voraussetzungen der Abschreibung bzw Arbeitsunfähigkeitsschreibung nach dem Sachverständigengutachten nicht gegeben gewesen seien. Der beklagten Partei sei dadurch zwar kein Schaden entstanden, doch sei ihr Ansehen (§ 8 Abs 1 DO.B) gravierend in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Kläger habe an Handlungen mitgewirkt, die durch Ausnützen eines gesetzlichen Schlupfloches geeignet gewesen seien, einem anderen Sozialversicherungsträger Schaden zuzufügen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, daß diese Vorgangsweise bei der beklagten Partei offenbar üblich gewesen sei, da er aufgrund seiner verantwortungsvollen Stellung dazu aufgerufen gewesen wäre, diese Mißbräuche abzustellen. Auch dieses Verhalten begründe Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG.
Die Gesamtheit der aufgezeigten Verfehlungen sei ausreichend, die Entlassung im Sinne des § 27 Z 1 AngG zu rechtfertigen. Die Vielzahl der Verfehlungen und der längere Zeitraum, in dem die inkriminierten Handlungen gesetzt worden seien, mache deutlich, daß sich der Kläger des Vertrauens der beklagten Partei unwürdig gemacht habe und ihr die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit ihm nicht weiter zugemutet werden könne. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kläger in medizinischen Belangen allein verantwortlich und ein weitgehend unabhängiges Organ einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gewesen sei, die naturgemäß im Rampenlicht der öffentlichen Auseinandersetzung stehe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung nicht verfristet sei. Mit dem Entlassungsschreiben vom November 1990 sei keine Wiederholung eines ungültigen Aktes erfolgt, sondern unter Bezugnahme auf die Entlassungserklärung vom Jänner 1990 eine nunmehr formgültige Entlassung ausgesprochen worden. Der Untergang des Entlassungsrechts könnte nur dann angenommen werden, wenn durch das Zuwarten ein Vertrauenstatbestand beim Kläger geschaffen worden wäre, daß die beklagte Partei von ihrem Entlassungsrecht nicht mehr Gebrauch machen werde. Dies gelte auch für die Benützung eines Disziplinarerkenntnisses. Auch hier komme es darauf an, ob der Dienstnehmer aus dem Zeitablauf mit Grund darauf schließen dürfe, daß der Dienstgeber auf Sanktionen wegen eines festgestellten Fehlverhaltens verzichte. Von einem solchen Vertrauenstatbestand könne keine Rede sein. Die beklagte Partei habe vielmehr durch das Prozessieren um die Wirksamkeit der ersten Entlassungserklärung und auch durch die gerichtliche Durchsetzung der Aufrechterhaltung der Suspendierung in einem Parallelverfahren gegenüber dem Kläger unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Weiterbeschäftigung des Klägers unverändert für unzumutbar erachte. Durch die laufenden Prozesse sei auch klargestellt gewesen, daß die wenn auch formal unwirksame Entlassungserklärung des Obmanns vom Entscheidungswillen der beklagten Partei getragen gewesen sei.
Hinsichtlich des aus § 102 DO.B abgeleiteten Verjährungseinwands sei schon der methodische Ansatz verfehlt, daß diese Bestimmung nur mit Hilfe einer Rechtsanalogie zum BDG interpretiert werden könnte. Wortlaut und Regelungsabsicht seien so klar, daß es bereits an einer Gesetzeslücke fehle, die mit Hilfe der Analogie geschlossen werden müßte. § 106 DO.B definiere nämlich die "Einleitung eines Disziplinarverfahrens vor der Disziplinarkommission" eindeutig als Handlung des Vorstands. § 108 DO.B ordne die unverzügliche Bestellung der Disziplinarkommission an. Da auch der Vorstand ein Interesse daran habe, das Disziplinarverfahren möglichst rasch durchzuführen, sei der Einwand des Klägers, der Vorstand hätte es in der Hand, die Durchführung eines Disziplinarverfahrens jahrelang hinauszuschieben, haltlos.
Dem Kläger könne auch nicht darin gefolgt werden, daß das Erkenntnis der Disziplinarkommission wegen schwerwiegender Verfahrensfehler nichtig sei. Für die Rangfrage der vom Betriebsrat entsandten Mitglieder der Disziplinarkommission komme es nicht auf deren unterschiedliche Besoldung an. Die bloße Gewährung einer Leiterzulage habe den Kläger noch nicht zum leitenden Angestellten gemacht. Auch seine Beiziehung zu Vorstandssitzungen besage nichts über die Höherrangigkeit seiner Funktion gegenüber den Leitern der Organisationseinheiten, sondern sei darin begründet, daß der Chefarzt die einzige Stelle ist, die für medizinische Sachfragen kompetent ist. Da der chefärztliche Dienst ungeachtet seiner Bezeichnung als Dienststelle hierarchisch gesehen nichts anderes als eine Organisationseinheit sei, hätten die vom Betriebsrat entsandten Mitglieder der Disziplinarkommission das Erfordernis der Gleichrangigkeit wie es dem Verständnis des § 108 Abs 4 DO.B entspreche, erfüllt. Die Entsendung eines Chefarztes in die Kommission sei in der DO.B nicht vorgesehen. § 109 Abs 2 DO.B bilde nur eine "Soll"-Vorschrift, so daß die beanstandete Besetzung der Position des Disziplinaranwalts mit einem pensionierten Sozialversicherungsangestellten keinen so schwerwiegenden Verfahrensfehler begründen könnte, daß deshalb das Erkenntnis der Disziplinarkommission als nichtig angesehen werden müßte.
Die geltend gemachte Nichtigkeit des Disziplinarerkenntisses könne auch nicht aus der angeblichen Befangenheit des Vorsitzenden und der Nichtberücksichtung von Ablehnungsanträgen der Verteidigung konstruiert werden. Soweit der Kläger behaupte, seine zahlreichen Eingaben betreffend die Befangenheit des Vorsitzenden seien im Disziplinarverfahren negiert worden, sei ihm entgegenzuhalten, daß eine Entscheidung über die behauptete Befangenheit des Vorsitzenden in den Vorschriften der DO.B gar nicht vorgesehen ist, daß die Disziplinarkommission ohnedies über die Ablehnungsfrage entschieden hat und sämtliche in Betracht kommenden Stellen, nämlich der Vorstand der beklagten Partei und auch das Oberlandesgericht Linz eine Entscheidungskompetenz dazu abgelehnt haben. Im übrigen sei auch die in der Berufung wiederholte Unterstellung, aus dem prozessualen Agieren des Vorsitzenden sei zu schließen, daß er mit der beklagten Partei gleichsam unter einer Decke steckte, unsachlich. Die in dieser Hinsicht als "verdächtig" eingestuften Prozeßhandlungen ließen ebenso wie die Bemerkung des Vorsitzenden über die Sinnhaftigkeit eines Antrags keinen begründeten Zweifel an der Objektivität des Vorsitzenden entstehen.
Die gerichtliche Überprüfung des Disziplinarerkenntnisses könne sich entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht auf jene Vorwürfe erstrecken, zu denen im Disziplinarverfahren ein Freispruch ergangen ist. Durch die Bindung des Entlassungsrechts an die vorherige Durchführung eines Disziplinarverfahrens habe sich der Dienstgeber in seiner Auflösungsbefugnis selbst beschränkt. Er habe daher keine Wahl, ohne Befassung der Disziplinarkommission sozusagen nur eine "schlichte Entlassung" auszusprechen. Da dem Dienstgeber also die Disposition der vorgeschalteten Disziplinarkommission über die Entlassung zuzurechnen sei, sei auch ein Freispruch der Kommission hinsichtlich bestimmter Entlassungssachverhalte einem ausdrücklichen Verzicht des Dienstgebers auf Wahrnehmung dieser Fakten zur Begründung der vorzeitigen Auflösung gleichzuhalten.
Dem Kläger sei beizupflichten, daß die Fakten "Einweisung des Ing.B*****" und "Einweisungen in das Regeneratorium St.G*****" nicht zur Rechtfertigung der Entlassung herangezogen werden dürfen. Beim Faktum B***** wäre nur dann ein die Vertrauensunwürdigkeit begründendes Verhalten des Klägers anzunehmen, wenn es sich bei diesem Patienten tatsächlich um einen Asylierungsfall gehandelt hätte, dessen Verbleib im Krankenhaus den Kläger von seinen Pflegepflichten entlastet hätte. Diese Annahme sei nicht erwiesen; die Genehmigung des weiteren Verbleibs habe überdies nicht der Kläger selbst erteilt. Einem Chefarzt könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er bestimmte Ansuchen aus ärztlicher Sicht bewillige, statt durch Ablehnung der Leistungsabteilung die Entscheidung darüber abzunehmen, ob ein Anspruch des Versicherten unter Berücksichtigung der Weisung bestehe. Das Verhalten des Klägers könne in diesem Zusammenhang nicht als pflichtwidrig angesehen werden.
Da das Erstgericht das Faktum "Abhaltung einer Pressekonferenz" zu Recht als Entlassungsgrund verneint habe, reduziere sich die Prüfung der Entlassungsgründe auf die Fakten "Rezeptverschreibungen" und "Anzeige gegen den Obmann". Der erste Vorwurf betreffe nicht die diversen (geduldeten) Verschreibungspraktiken der Vertrauensärzte, sondern allein die Verschreibungspraxis der Chefärzte betreffend chefarztpflichtige Präparate, die ohne Genehmigung nicht auf Kassenkosten hätten abgegeben werden dürfen. Dabei komme es auf die genaue Anzahl der Verschreibungen derartiger Präparate nicht an. Nach der Aussage des Klägers selbst stehe fest, daß bei Selbstverschreibungen zumindest in einigen Fällen derartige Medikamente verordnet worden seien. Dazu habe der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob A 201/93 bereits ausgeführt, daß die bloße Tatsache der Ausstellung von Rezepten durch den Kläger für sich und seine Familie über Heilmittel, die auf Krankenkassenkosten überhaupt nicht abgegebenen werden durften, einen massiven Vertrauensverstoß im Sinne des § 27 Z 1 AngG darstelle.
Hinsichtlich des Faktums "Anzeige gegen den Obmann" ergebe sich aus den gesamten Umständen der Nachforschungen und der anschließenden Verwertung der Ermittlungsergebnisse insbesondere durch Mitteilung an die Aufsichtsorgane, daß der Kläger nach irgendeiner Möglichkeit gesucht habe, dem Obmann etwas "ans Zeug zu flicken". Abgesehen davon, daß dem Kläger klar hätte sein müssen, daß sein Verdacht angesichts der ihm sicherlich bekannten Verrechnungspraxis der Krankenanstalt unbegründet war, habe er auch die Verpflichtung außer acht gelassen, bei der Erstattung der Anzeige mit möglichster Schonung des Dienstgebers vorzugehen. Die Anzeige gegen den Obmann der beklagten Partei sei somit ebenfalls als schwerwiegender Pflichtenverstoß zu werten, der die Entlassung des Klägers rechtfertige. Dem Kläger sei sohin insgesamt ein eklatanter Mißbrauch seiner Vertrauensstellung vorzuwerfen, der die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die beklagte Partei unzumutbar erscheinen lasse.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und des Berufungsurteils, unvollständigen Tatsachenfeststellung und unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber macht als Aktenwidrigkeit geltend, daß der Kläger entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes (S 965) nie eingeräumt habe, derartige Medikamente (Schwarzpunktpräparate) für sich selbst und seine Familie verordnet zu haben. Abgesehen davon, daß in der Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen (S 717) keine Aktenwidrigkeit erblickt werden kann, ist auf die Aussage des Klägers als Partei zu verweisen. Er sagte selbst aus, daß er sämtliche der angeführten Rezeptverschreibungen für sich und seine Familie vorgenommen habe. Es seien darunter auch sicherlich einige chefarztpflichtige Verschreibungen gewesen. Da er die Verschreibung als Chefarzt selbst vorgenommen habe, sei es nicht notwendig gewesen, diese im Fall eines sogenannten Schwarzpunktpräparates zusätzlich zu bewilligen; die Verordnung habe genügt (S 258 f). Die dazu im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angestellten Erwägungen des Berufungsgerichtes (Bezugnahme auf Vorentscheidungen) können weder eine Aktenwidrigekeit noch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens bilden.
Soweit das Berufungsgericht zwischen der unter den Chefärzten bestandenen Übung und der Unkenntnis dieser Übung durch die maßgeblichen Organe der beklagten Partei differenzierte (S 963), folgte es den als unbedenklich gebilligten Feststellungen des Erstgerichts. Die vom Kläger gehandhabte "Übung" konnte sich daher weder auf eine Bewilligung noch auf eine stillschweigende Duldung durch die Direktion oder den Vorstand der beklagten Partei stützten (S 719).
Eine allenfalls unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung fällt nicht unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz; eine Bekämpfung der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren ist demnach unzulässig. Ob sekundäre Verfahrensmängel (Feststellungsmängel) vorliegen, ist im Rahmen der Rechtsrüge zu prüfen. Der im Suspendierungsverfahren ua bestehende Verdacht, der Kläger habe für sich und seine Familie sogar Heilmittel verordnet, die auf Krankenkassenkosten überhaupt nicht abgegeben werden dürfen, ist in dieser Form schon mangels entsprechender Feststellungen ohne Belang. Das Berufungsgericht nimmt diesbezüglich nur auf die Entscheidung 9 ObA 201/93 referierend Bezug und trifft dazu entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keine eigenen Feststellungen.
Mit seinen weiteren Ausführungen zur Mängelrüge, sämtliche Selbstverschreibungen seien gerechtfertigt gewesen, verläßt der Revisionswerber wiederum den Rahmen der bindenden Feststellungen der Vorinstanzen. Wie das Erstgericht ausführte, konnte nicht festgestellt werden, ob die vom Kläger selbst verordneten Medikamente nach Art und Umfang der verschriebenen Menge medizinisch indiziert waren (S 717). Aus der in der Revision zitierten Stellungnahme des damaligen Chefarztes des Hauptverbandes ergibt sich dazu lediglich, daß chefarztpflichtige Schwarzpunktpräparate grundsätzlich nicht zu bewilligen sind. Solche Präparate könnten lediglich in Ausnahmefällen verschrieben werden. Eine entsprechende Beurteilung sei nur bei Kenntnis der Krankengeschichte möglich, die aber bei Erstellung des Berichts nicht zur Verfügung gestanden sei (S 975). Daraus, daß - wie der Kläger betont - ein Chefarzt alle Präparate, die in Österreich registriert sind, auf Krankenkassenkosten genehmigen kann, ist für ihn im Ergebnis nichts gewonnen, weil dadurch gerade seine besondere Verantwortung und besondere Vertrauensstellung gegenüber der beklagten Partei hervorgehoben ist. Wenn ein Chefarzt jedes Präparat als Heilmittel verschreiben darf, liegt es umsomehr auf der Hand, daß er sich in eigenen Angelegenheiten jeder chefärztlichen Genehmigung solcher Präparate zu enthalten hat.
Auch mit seinen weiteren Ausführungen, die nach den Feststellungen nur unter den Chefärzten bestandene Übung der Selbstverordnung von Schwarzpunktpräparaten auf Kassenkosten sei auch den maßgeblichen Organen der beklagten Partei (Direktion und Vorstand) bekannt gewesen, bekämpft der Revisionswerber lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen (S 721 f und 963). Soweit andere Feststellungen getroffen wurden, als sie der Revisionswerber wünscht, liegt auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor. Die in der Revision wiederholten weitwendigen Berufungsausführungen zur angeblichen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, deren Vorliegen das Berufungsgericht als inhaltlich unberechtigte Beweisrüge verneinte, können nach ständiger Rechtsprechung nicht neuerlich als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (vgl SZ 27/4; SZ 60/157; SZ 62/88; ÖBl 1984, 109; RZ 1989/16; RZ 1992/57; DRdA 1991/10; ecolex 1994, 781; infas 1994 A 49 uva).
Geht man aber von den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen aus, muß auch die Rechtsrüge versagen. Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, sind die in kollektivvertraglichen Disziplinarordnungen vorgesehenen Sanktionen der Kündigung oder Entlassung keine Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG. Ist jedoch in einem Kollektivvertrag (§ 31 Abs 1 DO.B) die (strafweise) Entlassung eines Dienstnehmers vorgesehen und darf diese nur im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden, sind derartige Regelungen vom Dienstgeber zu beachten, widrigenfalls eine Beendigungserklärung rechtsunwirksam ist (vgl Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR3 II 348 f mwH; Arb 9175, 9894, 9895, 10.410, 10.433, 10.606; 9 Ob A 201, 202/94 ua). Der zulässigen gerichtlichen Nachprüfung unterliegen aber die Fragen, ob das Disziplinarverfahren im Sinne des Kollektivvertrags (DO.B) Mängel aufweist, bei deren Vermeidung die Disziplinarkommission zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, und ob dem Kläger tatsächlich eine Verletzung von Dienstpflichten angelastet werden kann (Arb 9649, 9860, 9893, 10.107 mwH; DRdA 1991/13; RdW 1993, 341 ua). In seiner Revision kommt der Kläger auf die angeblichen Mängel des Disziplinarverfahrens, deren Vorliegen die Vorinstanzen zutreffend verneint haben, nicht mehr zurück. Er macht im wesentlichen nur mehr geltend, daß die neuerliche Entlassung verfristet sei und kein Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 AngG vorliege.
Die Entlassung sei verfristet, weil der von der beklagten Partei unabhängige Überwachungsausschuß bis November 1990 gezögert habe, eine formell gültige Zustimmung zur Entlassung zu erteilen, so daß die beklagte Partei erst zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, die Entlassung formgültig auszusprechen. Auch wenn dieses Zögern der Organe der beklagten Partei und des Überwachungsausschusses auf eine irrige Rechtsmeinung zurückzuführen sei, könne die Verspätung nicht zu Lasten des Klägers gehen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten:
Abgesehen davon, daß für den Fall, daß in den in § 438 Abs 1 ASVG (in der damaligen Fassung) genannten wichtigen Angelegenheiten kein Einverständnis zwischen Vorstand und Überwachungsausschuß erzielt werden kann, ein besonderes Verfahren vorgesehen war (§ 438 Abs 3 bis 7 ASVG: gemeinsame Sitzung des erweiterten Vorstandes, Mitteilung an den Hauptverband, Bundesminister für Arbeit und Soziales), das eine gewisse Zeit erfordert hätte, bestand Unklarheit darüber, ob die Entlassung des Klägers bei Gefahr im Verzug auch in Form einer Obmannsverfügung gemäß § 453 Abs 3 ASVG (in der damaligen Fassung) iVm § 13 Abs 4 der Satzung der beklagten Partei gegen nachträgliche Einholung der Genehmigung der zuständigen Verwaltungskörper vorgenommen werden konnte. Der Oberste Gerichtshof hat letztlich mit Entscheidung vom 6.11.1991 den Standpunkt der beklagten Partei, es sei eine nachträgliche Sanierung möglich, abgelehnt und ausgesprochen, daß die Vorgangsweise des Obmanns auch nicht durch den der Ermächtigung des § 453 Abs 3 ASVG entsprechenden § 13 Abs 4 der Satzung der beklagten Partei gedeckt sei. Angesichts der Dauer des Disziplinarverfahrens falle der Vermögensnachteil für die beklagte Partei im Verhältnis zum Zeitraum, der für die Befassung des Vorstandes und des Überwachungsausschusses erforderlich sei, nicht so sehr ins Gewicht, daß ein sofortiges Handeln des Obmanns zur "Abwehr eines drohenden Schadens" im Sinne des § 453 Abs 3 ASVG und des § 13 Abs 4 der Satzung notwendig gewesen wäre (9 Ob A 191/91). Die beklagte Partei sprach die neuerliche Entlassung noch vor diesem Erkenntnis, bereits nach der Entscheidung der ersten Instanz und - wie der Revisionswerber selbst ausführt - unmittelbar nach der Zustimmung des Überwachungsausschusses aus.
Der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Entlassung basiert im wesentlichen auf zwei Grundgedanken. Einerseits soll der Dienstnehmer, der einen Entlassungsgrund gesetzt hat, nicht im unklaren darüber gelassen werden, daß sein Verhalten tatsächlich diese schwerwiegende Rechtsfolge nach sich zieht. Andererseits gibt der Dienstgeber, der sein Recht zur unverzüglichen Auflösung des Dienstvertrages nicht unverzüglich in Anspruch nimmt, zu erkennen, daß der objektiv gegebene Entlassungsgrund in der subjektiven Wertung des Dienstgebers doch nicht von einem solchen Gewicht ist, daß er ihm jede weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 26 ff mwH; Chr.Klein, Zur Rechtzeitigkeit einer fristlosen Entlassung, DRdA 1992, 219; SZ 55/63 uva). Keine der Voraussetzungen, die auf einen schlüssigen Verzicht der beklagten Partei schließen lassen könnten, liegen aber vor. Ebenso ist auch kein Verwirkungstatbestand durch Zeitablauf (vgl Kuderna aaO, 28 ff mwH) gegeben.
Der Obmann der beklagten Partei sprach am 23.1.1990 unmittelbar nach dem Vorliegen des auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnisses vom 22.1.1990 die Entlassung des Klägers aus, wobei die beklagte Partei davon ausging, daß die Entlassung in dieser Form auch wirksam sei (9 Ob A 191/91). Die beklagte Partei hielt überdies die bereits am 2.12.1988 verfügte Suspendierung des Klägers aufrecht und blieb in einem Verfahren, in dem der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Maßnahme begehrte, erfolgreich (9 ObA 201/93). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist die Dienstenthebung nicht ohne jeglichen Belang. Eine Suspendierung des Dienstnehmers bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage hat nämlich schon in der Regel zur Folge, daß aus dem Zeitablauf allein nicht mehr auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden darf (vgl Kuderna aaO, 28 mwH). Die beklagte Partei hat im Ergebnis in keiner Phase der Auseinandersetzungen mit dem Kläger irgendeinen Zweifel daran gelassen, daß sie das Erkenntnis der Disziplinarkommission so rasch wie möglich auch in eine wirksame Entlassung umsetzen wolle. Der Kläger kann sich andererseits auf keinen Vertrauenstatbestand berufen, aus dem in irgendeiner Weise ein Sinneswandel der beklagten Partei zum Ausdruck gekommen wäre. Zu einem "unnötigen" Aufschub der Auflösungserklärung durch die beklagte Partei ist es sohin nicht gekommen.
Die durch die 50. Novelle zum ASVG, BGBl 1991/676, auch für die Krankenbehandlung institutionalisierte Chefarztpflicht (§ 31 Abs 3 Z 23; nunmehr § 31 Abs 5 Z 10 ASVG) ist nicht unumstritten. So gab es etwa bereits ein Verfahren vor der Bundesschiedskommission, in dem eine Ärztekammer unter anderem den Standpunkt vertrat, daß es mit dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit eines zur Berufsausübung berechtigten Vertragsarztes (§ 2 Abs 2 ÄrzteG) absolut unvereinbar sei, die Erbringung einer bestimmten ärztlichen Leistung, die er als notwendig erachtet (§ 133 Abs 2 ASVG), von der Genehmigung eines anderen Arztes abhängig zu machen. Chefärzte seien in der Regel nur Fachärzte in einem bestimmten Bereich, die gemäß § 13 Abs 2 ÄrzteG ihre ärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken hätten und schon deshalb fachlich nicht über die Frage der Genehmigung irgendeiner anderen vertragsärztlichen Behandlung befinden dürften. Die belangten Krankenkassen wandten im wesentlichen ein, daß dem Chefarzt eines Krankenversicherungsträgers im Ergebnis auch die Tätigkeit eines Gutachters obliege, der aufgrund der vorgelegten Unterlagen zu entscheiden habe, ob die beantragte Leistung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot "ausreichend, zweckmäßig und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend" übereinstimme.
Die Bundesschiedskommission führte dazu aus, daß der chefärztlichen Vorgenehmigung eine Steuerungsfunktion und Kosteneinsparungseffekte zukämen. Bei Vorliegen mehrerer gleichermaßen zweckmäßigen Mittel sei jenem der Vorzug zu geben, das die geringsten Kosten verursache; die Gewährung teurerer Behandlungsvarianten widerspräche dem Gesetz (Schrammel, Veränderungen des Krankenbehandlungsanspruches durch Vertragspartnerrecht, ZAS 1986 145 ff, 152). Die Chefarztpflicht sei dazu bestimmt, zu verhindern, daß überflüssige Leistungen auf Kassenkosten erbracht werden. Besondere Behandlungsmethoden sollen jenen Versicherten vorbehalten bleiben, für welche diese Behandlung die einzig zweckmäßige und daher notwendige ärztliche Hilfe darstellt (vgl Grillberger, Privathonorierung von Vertragsärzten, Soziale Sicherheit 1991, 526 ff, 540 f; Eichinger in ZAS 1990, 29 ff, 31 mwH). Der Chefarzt sei zwar als fachkundiges Organ eines Krankenversicherungsträgers in dieser Funktion nicht zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berufen, er habe aber aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse im wesentlichen ökonomische Grundsätze bei der Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG zu beurteilen (R 5 - BSK/91-9 mwH). Diese Erwägungen müssen sinngemäß auch für die Erteilung einer chef- oder kontrollärztlichen Bewilligung bei der Abgabe von Heilmitteln im Sinne des § 350 Abs 1 Z 3 ASVG gelten. Der Patient hat keinen Anspruch auf Beistellung eines jeden (von ihm gewünschten oder ihm vom Arzt verschriebenen) Heilmittels; es steht ihm nur das im konkreten Fall notwendige und wirtschaftlichste Heilmittel zu. Es soll mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand ein möglichst großer Heilerfolg erzielt werden. Stehen mehrere gleichwirksame Heilmittel zur Verfügung, soll das ökonomisch günstigste verschrieben werden (vgl Binder in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 2.2.3.2.2 mwH). Daraus folgt, daß dem Chefarzt einer Krankenkasse als berufenen Kontrollorgan eine besondere Vertrauensstellung und als oberste medizinische Instanz eine besondere Verantwortlichkeit zukommt. Genehmigt er sohin ein von ihm selbst verschriebenes Präparat überdies noch chefärztlich, fehlt es an jeglicher medizinischer Kontrollinstanz.
Gemäß § 357 Abs 1 ASVG gilt für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen § 7 AVG über die Befangenheit von Verwaltungsorganen. Nach § 7 Abs 1 Z 1 AVG haben sich Verwaltungsorgane in Sachen, an denen sie selbst, ihr Ehegatte oder ein Verwandter in auf- oder absteigender Linie beteiligt sind, der Ausübung ihres Rechtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen. Zu den Leistungssachen gehören vor allem die Feststellung des Bestandes, des Umfangs oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung (§ 354 ASVG; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht2 111). In diesem Zusammenhang kommt den sogenannten Realakten, also der Erbringung von Sachleistungen an die Versicherten auf Kosten des Versicherungsträgers durch Dritte (zB freiberufliche Ärzte, Apotheker) besondere Bedeutung zu (vgl Oberndorfer in Tomandl aaO 6.1.3.4). Die Funktion des Klägers war nicht auf die Stellung eines Amtssachverständigen (§ 53 Abs 1 AVG) beschränkt. Er war vielmehr in die Hierarchie der beklagten Partei als Leiter einer Dienststelle eingegliedert und es kam ihm nicht nur eine begutachtende Tätigkeit, sondern eine letztliche Entscheidungskompetenz in medizinischen und damit im Zusammenhang stehenden ökonomischen Fragen zu. Wenn er ein Präparat genehmigte (verordnete), hatte es die beklagte Partei zu bezahlen. Daraus folgt, daß sich der Kläger im Sinne des § 357 Abs 1 ASVG iVm § 7 AVG jeglicher Genehmigung in eigener Sache hätte enthalten müssen. Da bei unkontrolliertem Handeln im eigenen Interesse Mißbräuche nicht ausgeschlossen werden können, war diese Vorgangsweise geeignet, die Vertrauensbasis zwischen dem Kläger und der beklagten Partei wesentlich zu beeinträchtigen.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verwendete der Kläger zur stationären Einweisung seines Privatpatienten Ing.Viktor B*****, gegenüber den er vertragliche Verpflichtungen übernommen hatte, nicht nur Kassenformulare, was von der beklagten Partei bisher nicht beanstandet wurde, sondern er versah diese Formulare auch mit seiner Stampiglie als Chefarzt-Stellvertreter, wodurch diesen Einweisungen von vorneherein eine besondere Erheblichkeit und Rechtfertigung zukam. Auch wenn sich der Verdacht der Prüforgane, daß es sich bei diesem Patienten um einen Asylierungsfall gehandelt habe, der aufgrund der langen Dauer der Aufenthalte begründet war (9 Ob A 201/93), im Ergebnis nicht bestätigt hat, wäre es am Kläger gelegen, seine besonderen vertraglichen Pflichten gegenüber diesem Patienten offenzulegen, um schon den Anschein des Handelns im eigenen (finanziellen) Interesse zu vermeiden.
In der Zeit zwischen dem 15.4.1987 und 2.5.1988 verschrieb der Kläger für sich selbst und seine Familie eine ungewöhnlich große Anzahl von Medikamenten, deren medizinische Berechtigung nach Art und Umfang nicht feststeht. Darunter befanden sich auch sogenannte "Schwarzpunktpräparate", also Mittel, die für die Kostentragung durch die beklagte Partei der chefärztlichen Genehmigung bedurften. Soweit der Kläger diese Vorschreibungen als Chefarztstellvertreter bzw Chefarzt durch "Verordnung" auch zugleich genehmigte, führte er - wie das Erstgericht zutreffend ausführte -, seine Kontrollfunktion ad absurdum. Da er dabei der beklagten Partei gegenüber in eigener Sache tätig wurde, hätte er sich der chefärztlichen Genehmigung enthalten müssen. Diese Vorgangsweise war von den maßgeblichen Organen der beklagten Partei weder gestattet noch geduldet worden. Soweit sich der Kläger auch in der Revision auf seinen guten Glauben auf "bestehende Übungen" beruft, räumt er einerseits implicite die Unerlaubheit seiner Vorgangsweise ein und bezieht sich andererseits lediglich auf einen von seinen Vorgängern übernommenen Mißbrauch, den er nicht zu übernehmen, sondern abzustellen gehabt hätte. Befangenheit liegt immer schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein der Parteilichkeit entstehen kann. Es bedarf daher diesbezüglich keiner weiteren Prüfung, ob sich
- wie die beklagte Partei aufgrund der beiliegenden Rezepte behauptet
- unter den verschriebenen Medikamenten auch Präparate wie Schlafmittel, Tranquillizer, Abführmittel, Aspirin C-Brause, Vitaminpräparate und Hustenmittel befunden haben. Der Kläger löste im übrigen die Überprüfung seiner Rezeptverschreibungen dadurch selbst aus, daß er am 14.6.1988 einem daraufhin entlassenen Direktionsarzt schriftlich vorwarf, unzulässige Rezeptverschreibungen vorgenommen zu haben (9 Ob A 201/93).
Soweit der Kläger die Gelegenheit wahrnahm, in einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen öffentlich Stellung zu nehmen, kann er sich auf das zustimmende Interesse des leitenden Angestellten berufen. Da er dabei auch öffentlich Kritik am Obmann der beklagten Partei geübt hatte, bestand für eine weitere "Überreaktion" durch eine Anzeige gegen den Obmann, wie er in der Revision meint, keine sachliche Rechtfertigung. Der Revisionswerber räumt selbst ein, daß es sich bei der auf einen schon zwei Jahre zurückliegenden Vorfall gegründeten Anzeige um Behauptungen gehandelt habe, die sich als unberechtigt herausgestellt hätten; er habe demnach nur ein "vermeintliches Fehlverhalten" aufzeigen wollen (S 996). Es kann ihm entgegen seiner Ansicht dabei nicht entlastend zugebilligt werden, er habe den Betroffenen nicht in seiner Eigenschaft als Obmann der beklagten Partei, sondern lediglich als Privatperson angezeigt. Abgesehen davon, daß es an diesbezüglichen Feststellungen fehlt, richteten sich diese Angriffe in ansehensschädigender Weise gegen die beklagte Partei, weil der Betroffene diese als deren Obmann in der Öffentlichkeit repräsentierte. Daran lassen auch die weiteren Revisionsausführungen über das gesamte organisatorische politische und personelle Umfeld bei der beklagten Partei keinen Zweifel. Der Einwand, die von den Vorinstanzen festgestellte "Anschwärzung" des Obmanns hätte nicht der beklagten Partei gegolten, wurde im übrigen bereits vom Berufungsgericht widerlegt. Zutreffend führte es aus, daß es aus den gesamten Umständen der Nachforschungen und der anschließenden Verwertung der Ermittlungsergebnisse durch Mitteilung an die maßgeblichen Aufsichtsorgane unter Bezugnahme auf das eigene Disziplinarverfahren es geradezu zwingend und lebensnah sei, daß der Kläger als Verteidigungsmittel nach irgendeiner Möglichkeit gesucht habe, dem Obmann etwas "ans Zeug zu flicken". Auch in der Revision geht der Kläger davon aus, daß der Betroffene "als Obmann der beklagten Partei" haltlose Anschuldigungen gegen ihn erhoben habe (S 997). Dabei übersieht er aber, daß sich diese Vorwürfe auf den Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, auf die Vorerhebungen durch das damit betraute Organ der beklagten Partei und auf das Fernschreiben des Generaldirektors des Hauptverbandes über die vom Kläger ausgestellten Rezepte stützen konnten (9 Ob A 201/93).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger auch im Fall der Einweisung in das Sanatorium "St.G*****" in zwei Fällen gegen eine ausdrückliche Weisung verstoßen hat, wie das Erstgericht meint, oder noch in weiteren Fällen seine Dienstpflicht, die Interessen und das Ansehen der beklagten Partei in jeder Hinsicht zu wahren und zu fördern, verletzt hat. Der Kläger hat einerseits durch das gehäufte Handeln in eigener Sache und durch die unberechtigte "Anschwärzung" des Obmanns der beklagten Partei, wobei es ihm klar gewesen sein mußte, daß die Anzeige binnen kürze den Weg in die Medien finden werde, zumindest fahrlässig Pflichtwidrigkeiten begangen, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Dienstverhältnis ihn des dienstlichen Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig erscheinen ließen (vgl Kuderna aaO 86 ff mwH). Dabei ist im Einklang mit den Vorinstanzen zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, daß dieser aufgrund seiner abgehobenen Position eine besondere Vertrauensstellung genoß und seine Verantwortlichkeit als oberstes medizinisches Kontrollorgan gegenüber der beklagten Partei eine untadelige und vorbildliche Amtsführung in jeder Hinsicht erfordert hätte.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.
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