Spruch:
Kein rechtlicher Zusammenhang der Forderung auf Rückzahlung eines Darlehens, das der Handelsagent dem Geschäftsherrn zum zusätzlichen Einkauf von Waren gewährt hat, mit der Schadenersatzforderung des Geschäftsherrn wegen mangelhafter Tätigkeit des Handelsagenten, auch wenn der Handelsagent bei der Weiterveräußerung der Waren verdient hat.
Entscheidung vom 8. Jänner 1954, 2 Ob 973/53.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Erstgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 18.100.68 S verurteilt und angenommen, daß die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung von 45.000 S schon deshalb in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Klagsforderung stehe, weil sie aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht werde, während die Klagsforderungen die Rückzahlung eines Darlehens und die Zahlung eines Entgeltes für Dienstleistungen zum Gegenstand hätten, sodaß sich nicht sagen lasse, daß sich die Forderungen gegenseitig bedingen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich eines Betrages von 16.800 S bestätigt, hinsichtlich des weiteren Betrages von 1300.68 S jedoch aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Es hat festgestellt, daß eine vereinbarte Aufrechnung niemals behauptet wurde, ebensowenig habe der Beklagte in erster Instanz behauptet, daß der Handelsagenturvertrag mit dem Darlehensvertrag gekoppelt wurde. Es hat weiter festgestellt, daß die Darlehenshingabe und der Agentenvertrag nicht voneinander abhängig gemacht wurden, sich also nicht gegenseitig bedingen. Dadurch, daß aus dem vom Kläger gewährten Darlehen Ware angeschafft wurde, die der Kläger dann im Rahmen seines Agenturvertrages weiterzuveräußern hatte, werde ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Darlehensforderung und der Schadenersatzforderung aus dem Agenturvertrag nicht hergestellt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage, ob bei eingewendeter Gegenforderung über den Klagsanspruch durch Teilurteil erkannt werden kann, ist eine Frage des Verfahrensrechtes, die nach den Bestimmungen des § 391 Abs. 3 ZPO. zu lösen ist. Der Beklagte hat die Fällung eines Teilurteils schon in der Berufung mit dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt, und das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß bezüglich des gewährten Darlehens von 16.500 S und bezüglich der Entlohnung von 300 S anläßlich der Wiener Messe der Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gegeben ist.
Nach ständiger Rechtsprechung kann nur einmal - u. zw. in der nächsthöheren Instanz - überprüft werden, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Das Revisionsgericht vermag daher nur Mängel des Berufungsverfahrens, nicht aber angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz wahrzunehmen, die das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtet hat. Das Gegenteil würde dem oben angeführten Grundsatz widersprechen, daß ein Verfahrensmangel nur einmal geltend gemacht werden kann (vgl. Entscheidung vom 20. Juli 1949, SZ. XXII/106, und vom 13. März 1950, 2 Ob 145/50).
Für den Standpunkt der klagenden Partei wäre jedoch auch dann nichts gewonnen, wenn man in der Verneinung des rechtlichen Zusammenhanges der Gegenforderung mit der in der Klage geltend gemachten Forderung eine Frage des materiellen Rechtes erblicken und somit die Zulässigkeit der Bekämpfung des Urteils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache gemäß § 503 Z. 4 ZPO. bejahen wollte.
Wenn es auch nicht notwendig ist, daß der Beklagte, der mittels Einrede eine Gegenforderung geltend macht, ausdrücklich behauptet, sie stehe mit der Klagsforderung nicht im rechtlichen Zusammenhang, um so zu verhindern, daß über den Klagsanspruch durch Teilurteil erkannt werde, so muß er doch jene Tatsachen vorbringen, aus denen sich der rechtliche Zusammenhang der Gegenforderung mit der in der Klage geltend gemachten Forderung ergibt, wenn er die Erlassung eines Teilurteils verhindern will.
Der Beklagte vermag sich aus seinem Vorbringen vor dem Erstgericht nur auf eine einzige Behauptung zu berufen, mit der der angebliche rechtliche Zusammenhang zwischen Klagsforderung und Gegenforderung geltend gemacht wurde, das ist die Behauptung, daß das Darlehen seinerzeit zur Forcierung der Fabrikation und zum zusätzlichen Einkauf von Reinseidenwaren gegeben wurde und daß der Kläger sonach bei der Weiterveräußerung dieser Ware als Handelsagent entsprechend verdient habe. Die Behauptung, daß der Agenturvertrag mit dem Darlehensvertrag gekoppelt war, hat das Berufungsgericht zutreffend als eine unzulässige Neuerung abgelehnt.
Daß der Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, Näheres über den angeblichen rechtlichen Zusammenhang vorzubringen, weil der Kläger den Antrag auf Fällung eines Teilurteils erst unmittelbar vor Schluß der Streitverhandlung gestellt hat, ist nicht stichhältig, weil die Erlassung eines Teilurteils von einem Antrag unabhängig ist und im Ermessen des Gerichtes liegt, sodaß mit dieser prozeßleitenden Maßnahme des Gerichtes gerechnet werden muß.
Die Behauptung, daß das Darlehen zur Forcierung der Fabrikation und zum zusätzlichen Einkauf von Reinseidenwaren gegeben wurde und daß der Kläger bei der Weiterveräußerung dieser Waren als Handelsagent entsprechend verdient hat, stellt jedoch einen rechtlichen Zusammenhang zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Forderungen nicht her.
Auf die in der Revision nunmehr als weitere Neuerung behauptete Einheit von Handelsagenturvertrag und Darlehensvertrag braucht nicht eingegangen zu werden.
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