OGH 9ObA153/14m

OGH9ObA153/14m25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. H***** M*****, vertreten durch Dr. Peter Bernhart ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 7.510,33 EUR brutto sA, (Revisionsinteresse: 2.641,67 EUR brutto sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 2. Oktober 2014, GZ 6 Ra 70/14g‑18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 2. Juni 2014, GZ 32 Cga 146/13a‑13, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00153.14M.0225.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Frage zugelassen, ob und welche Ansprüche einem leistungsbereiten freien Dienstnehmer in der Zeit der Kündigungsfrist zustünden. Entgegen diesem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Trotz der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber nämlich die Revision ausführen und eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (9 ObA 145/13h; 8 Ob 18/14a ua).

Zwischen den Parteien ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass das zwischen ihnen bestandene Vertragsverhältnis als freies Dienstverhältnis zu qualifizieren ist. Auch die analoge Anwendbarkeit des § 1155 ABGB auf das freie Dienstverhältnis wird nicht in Frage gestellt (vgl dazu Rebhahn in ZellKomm² § 1155 ABGB Rz 8; Rebhahn/Ettmayer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 1155 Rz 5 mwN).

Strittig sind im Revisionsverfahren auch nicht die vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragen, mit denen die Zulässigkeit der Revision begründet wurde. Der Kläger releviert in seiner Zulassungsbeschwerde als erhebliche Rechtsfrage ausschließlich die Frage der Bemessungsgrundlage des nach § 1155 ABGB geschuldeten Entgelts in einem freien Dienstverhältnis.

Diese Frage hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab und geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus. Die in der Revision bekämpfte Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Ansprüche nach § 1155 Abs 1 ABGB seien hier unter Berücksichtigung eines Beobachtungszeitraums von einem Jahr zu berechnen, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls jedenfalls vertretbar.

Gemäß § 1155 Abs 1 1. Halbsatz ABGB erhält der Arbeitnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Arbeitgebers liegen, daran verhindert worden ist.

Die Bestimmung des § 1155 ABGB beruht auf dem Lohnausfallsprinzip. Danach gebührt dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen jenes Entgelt, das er bekommen hätte, wenn er wie bisher weiter gearbeitet hätte (9 ObA 203/94; 8 ObA 75/08z; Pfeil in Schwimann, ABGB³ V § 1155 ABGB Rz 15; Spenling in KBB³ § 1155 Rz 8; Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1155 Rz 28). Hinsichtlich variabler Einkommensbestandteile (insbesondere Provisionen) berechnet die Rechtsprechung den Entgeltfortzahlungsanspruch des Dienstnehmers nach dem Durchschnittsprinzip, wobei auf die letzten zwölf repräsentativen Monate abgestellt wird (SZ 71/64; RIS‑Justiz RS0109785). Dies hat seine Ursache darin, dass regelmäßig eine andere Möglichkeit, die dem Arbeitnehmer durch die Dienstfreistellung entgehenden Einkünfte zu ermitteln, nicht besteht (9 ObA 91/05f). Auch für die Berechnung des Entgeltanspruchs nach der das Bezugsprinzip immanenten Bestimmung des § 8 AngG (RIS‑Justiz RS0027926) führt in der Regel die Berechnung nach dem Jahresdurchschnitt zu einem einigermaßen befriedigenden Ergebnis (RIS‑Justiz RS0027935).

Weshalb gerade die schwankenden Einkommen freier Dienstverhältnisse einen bedeutend längeren Beobachtungszeitraum als zwölf Monate rechtfertigten ‑ so die Revision ‑, ist nicht ersichtlich. Ein längerer ‑ wie hier vom Kläger begehrter siebenjähriger (84 Monate) ‑ Durchrechnungszeitraum ist nicht geboten, weil es nach dem Ausfallsprinzip, das der Bestimmung des § 1155 ABGB zugrunde liegt, nicht darum geht, einen Ausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Jahren zu schaffen, sondern dem leistungsbereiten Dienstnehmer jenes Entgelt zukommen zu lassen, das ihm ohne Dienstverhinderung zugekommen wäre. Dabei ist es sachgerecht, an das Einkommen vor Ausspruch der Kündigung (bei Schwankungen unter Zugrundelegung eines zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums) anzuknüpfen und im Einzelfall auch das zu erwartende Arbeitsausmaß im Zeitraum der Dienstverhinderung mitzuberücksichtigen (vgl Burger in Reissner, AngG § 8 Rz 64 zum fiktiven Lohnausfallsprinzip). Die Beklagte hatte Ende 2012/Anfang 2013 massive Umstrukturierungen vorgenommenen, die letztendlich auch dazu geführt haben, dass dem Kläger keine Aufträge mehr zugewiesen werden konnten.

Die vom Kläger ins Treffen geführte steuerrechtliche Bestimmung des § 132 BAO, die eine siebenjährige Aufbewahrungspflicht für Bücher und Aufzeichnungen normiert, ist für die strittige Frage nicht einschlägig.

Da die Revision des Klägers insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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