OGH 9ObA145/13h

OGH9ObA145/13h29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P***** W*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen 22.098,70 EUR sA und Feststellung (10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. August 2013, GZ 10 Ra 38/13a‑9, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 5. Dezember 2012, GZ 40 Cga 161/12g‑5, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00145.13H.0129.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.517,70 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass weder der Verfassungsgerichtshof noch der Oberste Gerichtshof bislang zur Verfassungskonformität der Vordienstzeitenanrechnung nach § 26 Abs 1 und 2 VBG in der hier gegebenen Konstellation (Vordienstzeiten bei einer Kammer) ausdrücklich Stellung genommen hätten. Entgegen diesem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Trotz der Erklärung der Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber nämlich die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 110/12b; 9 Ob 29/13z ua). Das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur, die ausdrücklich zur Verfassungsmäßigkeit bestimmter gesetzlicher Bestimmungen Stellung nimmt, begründet nicht schon per se das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (9 ObA 29/07s; RIS‑Justiz RS0122865). Es liegt keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigende Rechtsfrage vor, wenn dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsmittelwerbers ‑ wie hier ‑ nicht teilt (RIS‑Justiz RS0116943).

Eine unrichtige Anwendung des § 26 Abs 2 VBG oder gemeinschaftsrechtliche Bedenken werden vom Kläger ausdrücklich nicht releviert. Der vom 1. 8. 2002 bis 31. 1. 2013 (8 ObA 68/13b) als Vertragsbediensteter beim Bundesministerium für ***** beschäftigt gewesene Kläger begründet sein auf Nachzahlung von Entgeltdifferenzen und Feststellung einer Einstufung in die Entlohnungsgruppe v1, Gehaltsstufe 21 (anstatt der Gehaltsstufe 12), gerichtetes Begehren ausschließlich mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG. Die Zeiten seiner vom 16. 11. 1970 bis 31. 7. 2002 bei der Wirtschaftskammer ***** und der Wirtschaftskammer ***** verrichteten Tätigkeiten hätten voll (§ 26 Abs 2 Z 1 iVm § 26 Abs 1 Z 1 VBG) und nicht nur gemäß § 26 Abs 3 VBG mit fünf Jahren angerechnet werden müssen. Kammern seien in Zweck und Funktion den Gebietskörperschaften gleichzusetzen. Auch Kammer‑Vordienstzeiten lägen innerhalb der „Gesamtstaatsverwaltung“. Die in § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG vorgenommene gesetzliche Differenzierung sei mangels einer sachlichen Rechtfertigung gleichheitswidrig.

Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht nicht. Die Regelung des § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG, wonach in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband zurückgelegten Zeiten für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags zur Gänze (§ 26 Abs 1 VBG) voranzusetzen sind, begegnet insbesondere im Lichte der bereits vom Berufungsgericht zu Art 21 Abs 4 zweiter Satz B‑VG dargelegten Erwägungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Danach hat der Verfassungsgerichtshof zur insoweit gleichen Regelung des § 14 Abs 1 Z 1 erster Fall Wiener Dienstordnung 1994 ausgeführt, dass dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art 21 Abs 4 erster und zweiter Satz B‑VG und aus der Sicht des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ‑ unter Berücksichtigung des ihm hierdurch bei der Regelung des Dienst‑, Besoldungs‑ und Pensionsrechts der Beamten eingeräumten, verhältnismäßig weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums ‑ nicht entgegenzutreten sei, wenn er bei der Anrechnung von dem Tag der Anstellung vorangegangenen Zeiten für die Vorrückung zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheide. Es rechtfertige auch schon die wesensmäßige Verschiedenheit eines Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft einerseits und Zeiten aus einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber andererseits eine unterschiedliche gesetzliche Regelung auch der Anrechnung von Vordienstzeiten vor allem im Hinblick auf das im Art 21 Abs 4 erster Satz B‑VG zum Ausdruck kommende Ziel, dass die Möglichkeit des Wechsels zwischen dem Dienst beim Bund, bei den Ländern, bei den Gemeinden und bei den Gemeindeverbänden jederzeit gewahrt bleibe (VfSlg 19.110).

Gegen die im Verhältnis zu § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG inhaltsgleiche Bestimmung des § 12 Abs 2 Z 1 GehG 1956 idF der 19. GehG‑Nov hat auch der Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken (VwGH‑Slg 8393 [A]). Die Anrechnung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften in vollem Ausmaß entspreche zweifellos dem Grundgedanken des Art 21 Abs 4 B‑VG. Derartige Begünstigungen sehe das B‑VG im Verhältnis zwischen den Gebietskörperschaften und den sonstigen öffentlich‑rechtlichen Körperschaften nicht vor.

Der Gesetzgeber räumt mit § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG den Gebietskörperschaften nicht nach freiem Ermessen gegenseitig Privilegien ein ‑ so der Revisionswerber ‑, sondern die in § 26 Abs 2 Z 1 lit a VBG normierte Anrechnungsmöglichkeit ergibt sich aus der Intention des Verfassungsgesetzgebers, mit Art 21 Abs 4 erster Satz B‑VG die Mobilität der Bediensteten zwischen den einzelnen Körperschaften zu erhöhen (vgl VfSlg 18.636). Ausgehend davon, dass dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst- und Besoldungsrechts der öffentlich Bediensteten, wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, durch den Gleichheitssatz ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum offen gelassen ist (VfSlg 13.558 mwN), scheint es nicht unsachlich, die Anrechnung von Vordienstzeiten bei Kammern nicht gleich zu behandeln, wie Vordienstzeiten bei Gebietskörperschaften. Dass auch Bedienstete von Kammern im weitesten Sinn „den Interessen des Staates dienen“ und sich deren Tätigkeiten von jenen der Bediensteten der Gebietskörperschaften nicht wesentlich unterscheiden, rechtfertigt für sich alleine daher noch nicht die Annahme eines sich aus dem Gleichheitsgebot des Art 7 B‑VG ergebenden Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot.

Die Anregung einer Befassung des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art 140 B‑VG war daher nicht aufzugreifen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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