European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00079.16G.1219.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin erlitt am 21. 1. 2014 bei einem Unfall eine Prellung der linken Hand. Die im Krankenhaus der Beklagten am 22. 1. 2014 und 29. 1. 2014 durchgeführten Behandlungen erfolgten lege artis. Es wurden alle notwendigen diagnostischen Maßnahmen ergriffen. Da bei der Nachuntersuchung am 29. 1. 2014 die Symptome weitgehend abgeklungen und weitere Maßnahmen nicht geboten waren, wurde die Behandlung beendet. Der Klägerin wurde von der behandelnden Ärztin der Beklagten mitgeteilt, dass bei Bedarf jederzeit eine Kontrolle möglich sei und die Schmerzen wegen der erlittenen Prellung noch anhalten würden. Zwischen den Behandlungsmaßnahmen der Beklagten und der bei der Klägerin etwa neun Monate später aufgetretenen Nervenstörung der linken Hand und der dadurch notwendigen Operation am 30. 6. 2015 besteht kein kausaler Zusammenhang. Das Auftreten eines Nervenkompressionsschadens war für die behandelnden Ärzte der Beklagten nicht vorhersehbar oder erkennbar. Dauerfolgen hinterließen die Behandlungsmaßnahmen der Beklagten nicht, Spätfolgen sind auszuschließen.
Die Vorinstanzen wiesen das auf eine fehlerhafte Behandlung der Ärzte der Beklagten gestützte Schadenersatzbegehren der Klägerin (Leistung und Feststellung) ab.
Das Berufungsgericht hat die Revision nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus Gründen der Rechtssicherheit zur Frage zugelassen, ob aus rechtlicher Sicht eine gegen die Vertragspflichten der Beklagten verstoßende Beendigung des Behandlungsvertrags vorliege. Dem schloss sich die Revisionswerberin zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an.
Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass die Revision der Klägerin mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei und die Zurückweisung der Revision beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1. Ob ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung und daher nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0043320). Ein in zweiter Instanz verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]). Eine Ausnahme könnte nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (RIS‑Justiz RS0043086; RS0043144; RS0043166). Solche Umstände zeigt die Revisionswerberin aber nicht auf.
2. Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wofür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich ist (RIS‑Justiz RS0021335 [T2]). Ein Arzt handelt fehlerhaft, wenn er das in Kreisen gewissenhafter und aufmerksamer Ärzte oder Fachärzte vorausgesetzte Verhalten unterlässt (9 Ob 48/15x; RIS‑Justiz RS0026368 [T2]). Ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ist eine – nicht revisible – Tatfrage (RIS‑Justiz RS0026418); ebenso die Beurteilung, welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall erforderlich bzw zweckmäßig gewesen wären (8 Ob 129/13y).
Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts erfolgte die gesamte Behandlung der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten lege artis. Am 29. 1. 2014 waren keine weiteren Behandlungsmaßnahmen mehr geboten. Dies übergeht die Revisionswerberin, wenn sie behauptet, die Beklagte habe den Behandlungsvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil sie das Abklingen sämtlicher Beschwerden und die Schmerzfreiheit der Klägerin abwarten hätte müssen. Im Hinblick auf eine allfällige notwendige – und von der Beklagten im Rahmen des Behandlungsvertrags auch geschuldete (vgl 8 Ob 103/09v) – Nachbehandlung wurde die Klägerin von der sie behandelnden Ärztin der Beklagten ohnedies auf eine bei Bedarf jederzeit mögliche Kontrolle hingewiesen. Von einem pflichtwidrigen vorzeitigen Behandlungsabbruch durch die Beklagte kann daher keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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