European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00046.22P.0714.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Ehe zwischen den Parteien wurde mit – mittlerweile rechtskräftigem – Urteil vom 14. 1. 2019 geschieden. Ein Aufteilungsverfahren ist nach dem Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. 11. 2021, AZ 1 Ob 189/21g und Rückverweisung zur neuerlichen Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht weiterhin anhängig. Der Kläger bringt vor, Mieter einer Wohnung in Wien zu sein, die den Parteien früher als Ehewohnung gedient habe. Derzeit wohne dort nur die Beklagte.
[2] Der Kläger begehrt Benützungsentgelt, weil die Beklagte die Wohnung von März 2018 bis Dezember 2020 ausschließlich genützt habe. Im Aufteilungsverfahren sei in der Entscheidung des Erstgerichts bei Bemessung der von ihm an die Beklagte zu leistenden Ausgleichszahlung deren Verpflichtung zur Leistung eines Benützungsentgelts in Höhe von 20.400 EUR für die Weiterbenützung der vormaligen Ehewohnung nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft berücksichtigt worden. Dieser Abzug sei aber erfolgt, ohne dass er einen diesbezüglichen Antrag gestellt habe. Die vom Erstgericht angenommene Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung habe er mit Rekurs bekämpft.
[3] Die Beklagtebestreitet und erhebt unter anderem die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs.
[4] Das Erstgerichterklärte sich für unzuständig, hob das bisherige Verfahren als nichtig auf und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Favoriten zur Einbeziehung in das dort anhängige Aufteilungsverfahren.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluss nicht Folge.
[6] Der Revisionsrekurs des Klägers ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1.1. Wurde eine Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen, dann ist der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zwar nicht jedenfalls unzulässig, nach § 528 Abs 1 ZPO allerdings nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt.
[8] 1.2. Die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ist der Zurückweisung einer Klage gleichzuhalten, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Veränderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen verbunden ist (RS0044538 [T4]; RS0103854 [T3, T4]; RS0106813 [T4, T5]). Das ist bei der Überweisung einer Streitsache in das nacheheliche Aufteilungsverfahren der Fall (RS0103854 [T4]; RS0106813 [T5]).
[9] 2. Ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt des Begehrens und des Parteivorbringens (§ 40a JN; RS0005861). Dieser Grundsatz gilt auch im Fall der Konkurrenz zwischen dem außerstreitigen Aufteilungsverfahren und einem streitigen Verfahren (5 Ob 229/18i mwN ua).
[10] 3. Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein Vorrang des Aufteilungsverfahrens (RS0111605). Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen und nach rechtskräftigem Abschluss des Aufteilungsverfahrens können Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden (9 Ob 4/19g; RS0008531). Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde.
[11] 4. Auch dieZugehörigkeit des Anspruchs auf Benutzungsentgelt und Ersatz für verbrauchsabhängige Betriebskosten wegen der (Mit‑)Benützung der Ehewohnung zum Aufteilungsverfahren wurde in der Rechtsprechung bereits mehrfach behandelt. In 10 Ob 16/08p wurde die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs verneint und auf die Möglichkeit verwiesen, diese (Mit-)Benutzung im Rahmen der Billigkeitsentscheidung bei der Festsetzung der Höhe einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen. In der Entscheidung 3 Ob 187/07g wurde der streitige Rechtsweg im Hinblick darauf bejaht, dass die geltend gemachte Forderung einen Zeitraum nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft betraf. Diese Differenzierung wurde in der jüngeren Rechtsprechung jedoch nicht aufrecht erhalten (vgl 1 Ob 82/13k; 1 Ob 177/09z). Mit dem Vorrang des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens sei die Zulässigkeit, bereicherungsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerten solange im streitigen Verfahren geltend zu machen sei, bis die endgültige Zuweisung im Aufteilungsverfahren erfolgt sei, jedenfalls nicht vereinbar.
[12] 5. Von dieser jüngeren Rechtsprechung, mit der die Entscheidungen der Vorinstanzen in Einklang stehen, abzugehen, bietet der Revisionsrekurs keine Grundlage.
[13] Mit dem Vorbringen, der Oberste Gerichtshof habe sich noch nicht mit der Frage des streitigen Rechtswegs für die Geltendmachung von Benutzungsentgelt nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft befasst, wird somit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt.
[14] 6. Soweit der Revisionsrekurs weiter auf § 49 Abs 2 Z 2 lit b JN Bezug nimmt, verwechselt er die Frage der grundsätzlichen Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts in Eheangelegenheiten mit der Frage der Zugehörigkeit von Vermögenswerten und deren Nutzungen zum der Aufteilung unter den Ehegatten unterliegenden Vermögen.
[15] 7. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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