Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin sollte zufolge einer von der späteren Gemeinschuldnerin ausgestellten "Einstellungsbestätigung" vom 28. 10. 1998 nach Abschluss eines von ihr besuchten Lehrganges für Lohnverrechnung zu arbeiten beginnen. Einzige Bedingung dafür war der erfolgreiche Abschluss dieses Lehrganges. Als voraussichtlicher Arbeitsbeginn war Ende Februar vorgesehen.
Nachdem sie Ende Jänner 1999 über das Arbeitsmarktservice erfuhr, dass es nicht zur Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses kommen würde, schloss sie mit der späteren Gemeinschuldnerin einen außergerichtlichen Vergleich. Nach diesem sollte zur Abgeltung der ihr entstandenen Schadenersatz-, Sonderzahlungs-, und Urlaubsabfindungsansprüche sowie der Ausbildungskosten ein Betrag von S 10.000 netto bis längstens 16. 4. 1999 bezahlt werden. Dieser Betrag wurde der Klägerin schließlich mangels Zahlung durch die spätere Gemeinschuldnerin mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl zugesprochen und sie führte auch Exekution.
In dem über das Vermögen der Gemeinschuldnerin am 31. 8. 1999 eröffneten Konkursverfahren meldete sie sowohl die S 10.000 samt Zinsen in Höhe von S 297,78 als auch die Kosten von S 2.798,06 an, die vom Masseverwalter anerkannt wurden.
Die Beklagte wies den von der Klägerin gestellten Antrag auf Insolvenzausfallgeld für diese Ansprüche ab.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf Insolvenzausfallgeld in Höhe von S 13.703,18 darauf, dass sie aus der Nichterfüllung des Arbeitsvertrages über die Beschäftigung als Lohnverrechnerin ab 1. 3. 1999 gemäß §§ 31 und 29 AngG einen Schadensersatzanspruch für die Zeit vom 1. 3. 1999 bis 30. 6. 1999 in Höhe von S 65.280 brutto, Sonderzahlungsansprüche im Ausmaß von S 10.880 brutto sowie einen Urlaubsabfindungsanspruch über S 5.192,70 brutto und einen Anspruch auf Ersatz der Ausbildungskosten gehabt und diese Ansprüche mit S 10.000 verglichen habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass überhaupt kein Arbeitsvertrag zustandegekommen sei und das IESG nur Schäden aus bestehenden Arbeitsverträgen sichere.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte dabei rechtlich, dass nur Ansprüche aus der Verletzung von Haupt- und Nebenpflichten eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses, nicht aber vorvertragliche Schadensersatzansprüche gesichert seien.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses setzte dessen Antritt voraus. Ein Rücktritt liege vor, wenn es zu überhaupt keinen Dienstantritt komme. Ein solcher sei hier nicht festgestellt; ebensowenig, dass die Klägerin auf dem Dienstantritt beharrt habe, vielmehr sei sie konkludent damit einverstanden gewesen, dass es zu keinem Dienstantritt komme. Sie könne daher nur den Vertrauensschaden begehren. Dieser sei aber nicht gesichert. Eine Verletzung von Verpflichtungen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis liege nicht vor.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur "gegenständlichen Problematik" fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Sicherung der Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag bei einem noch nicht angetretenen "Arbeitsverhältnis" liegt nicht vor.
Nach " 1 Abs 2 Z 2 IESG sind unter anderem aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Schadenersatzansprüche aus einem "Arbeitsverhältnis" gesichert.
Zutreffend geht auch die Beklagte davon aus, dass hier ein Arbeitsvertrag zustandegekommen ist (vgl dazu, dass bei Einstellungszusagen zumeist bereits ein Arbeitsvertrag und nicht ein Vorvertrag vorliegt: Zöllner, Der arbeitsrechtliche Vorvertrag in FS Floretta, 457; vgl auch RIS-Justiz RS0014531). Daher kann auch nicht nur auf die Vorentscheidung, bei der eine Sicherung von Ansprüchen aus der Verletzung von vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten verneint wurde, verwiesen werden (vgl RIS-Justiz RS0076561 = SZ 65/15 ua). Die Besonderheit liegt hier darin, dass die Klägerin zwar einen wirksamen Arbeitsvertrag vereinbarte, die Arbeit aber noch nicht angetreten hatte. Weiters ist davon auszugehen, dass mit den nunmehr geltend gemachten Ansprüchen aus dem Vergleich im Wesentlichen die ihr aus der Auflösung zustehenden Schadensersatzansprüche abgegolten werden sollten.
Zu diesen sieht nun § 31 AngG vor, dass der Arbeitgeber dann, wenn er ohne wichtigen Grund vom "Vertrag zurücktritt" dem Arbeitnehmer das Entgelt zu ersetzen hat, das ihm für den Zeitraum gebührt hätte, der bei ordnungsgemäßer Kündigung durch den Arbeitgeber vom Tag des Dienstantrittes bis zur Beendigung des "Dienstverhältnisses" hätte verstreichen müssen.
Fraglich ist, ob es sich bei den Schadenersatzansprüchen nach § 31 AngG um Ansprüche aus einem "Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 IESG handelt. In der Literatur zum IESG wird auf diese Frage nicht näher eingegangen, sondern nur allgemein darauf verwiesen, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis durch den Arbeitsvertrag begründet wird (vgl Liebeg Insolvenzentgeltsicherungsgesetz**2, 102; Holzer/Reissner/ Schwarz
Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 110). Die Regierungsvorlage zum IESG hält nur fest, dass das IESG der Sicherung des Entgeltes der Arbeitnehmer, "das ihnen für ihre Arbeitsleistung zusteht", dient (vgl RV 464 BlgNR 14. GP, 6).
Ganz allgemein ist darauf zu verweisen, dass im Arbeitsrecht häufig zwischen dem Arbeitsvertrag einerseits und dem Arbeitsverhältnis andererseits zumindest terminologisch unterschieden wird (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4, 58 ff; Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht8, 240; Mayer-Maly/Marhold Arbeitsrecht I, 28 ff; vgl auch Binder Auflösungsmöglichkeiten im Vor-Arbeitsstadium in FS Floretta, 338). Dabei war in der älteren arbeitsrechtlichen Lehre - vor allem in Deutschland - stark die Ansicht verbreitet, dass das "Arbeitsverhältnis" überhaupt mit der Aufnahme der Arbeit beginne (in diesem Sinne noch Cermak Dienstvertrag und Dienstverhältnis DRdA 1954/10, 6;
Mayer-Maly/Marhold Arbeitsrecht I 28 ff; vgl ferner nur zum Nachweis Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht4, 58; Binder aaO, 338;
insbesondere aber Schwarz Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis unter dem Aspekt der Kodifikationsbestrebungen DRdA 1962, 235). Wesentlich ist dabei, dass unstrittig zahlreiche arbeitsrechtliche Bestimmungen erst an die faktische Aufnahme der Arbeit anknüpfen, wie etwa die wesentlichen Bestimmungen des technischen Arbeitnehmerschutzes oder etwa auch der Arbeitnehmerbegriff des ArbVG (vgl Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht8, 240; vgl dazu auch Strasser, Gedanken zum Arbeitsvertragsrecht, DRdA 1962, 231 zum durch die Arbeitsaufnahme in eine neue Phase tretenden Arbeitsverhältnis). So wurde auch die vorzeitige Auflösung erst ab Antritt der Arbeit als zulässig angesehen (OGH 17. 9. 1998, 8 ObA 53/98x = Arb 11.785 = ASoK 1999, 110 = DRdA 1999, 66). Auch im Konkurs wird bei den Auflösungsmöglichkeiten zwischen den bereits angetretenen (§ 25 KO) und den anderen Arbeitsverhältnissen (§ 21 KO) unterschieden (vgl zur sachlichen Rechtfertigung auch Weber Arbeitsverhältnisse in Insolvenzverfahren, 84). Daher ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln, ob mit dem Terminus Arbeitsverhältnis nicht etwa doch nur der Zeitraum ab der Arbeitsaufnahme gemeint ist (vgl Binder aaO, 338 f; etwa für die Berechnung der Abfertigung etc).
Besonders bedeutsam im gegenständlichen Zusammenhang ist aber, dass die faktische Aufnahme der Tätigkeit auch grundsätzlich das wesentliche Anknüpfungskriterium für den Beginn des Versicherungsverhältnisses nach dem ASVG darstellt (Kreci/Marhold in Tomandl ((Hrsg)) Sozialversicherungssystem 1.2.3.). Liegt doch schon die kompetenzrechtliche Grundlage des IESG im Kompetenztatbestand des Sozialversicherungsrechts (vgl Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 40 mwN; RV 464 BlgNr 14. GP, 79). Der Oberste Gerichtshof hat auch gerade in jüngster Zeit unter dem Aspekt der Symmetrie von Beitragsleitung und Sozialversicherungsleistungen diese Einordnung betont (OGH 8 ObS 243/00v, 8 ObS 204/00h und 8 ObS 52/97y, ähnlich VfGH VfSlg 12.230). Erst mit dem Vollzug wird der Arbeitsvertrag auch typischerweise für das Sozialversicherungsrecht erfassbar.
Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus, dass die in § 1 Abs 2 Z 2 IESG vorgesehene Sicherung von Schadenersatzansprüchen aus einem "Arbeitsverhältnis" jedenfalls keine Ansprüche erfasst, die vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn entstehen, hier also aus einem davor liegenden unberechtigten Rücktritt vom Arbeitsvertrag.
Argumente aus der Insolvenzrichtlinie 80/987 EWG werden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Auch sichert diese nach übereinstimmender Ansicht keine Schadenersatzansprüche, sondern nur Entgelte (vgl Art 3 Abs 1 der RL 80/987/EWG ; Egger, Das Arbeits- und Sozialrecht der EG und die österreichische Rechtsordnung, 246; Weber in Oetker/Preis EAS B3300 Rz 41 zum "durch Arbeitsleistung erworbenen Entgelt" unter Hinweis auf den Kommissionsbericht)
Insgesamt war daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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