OGH 8ObA53/98x

OGH8ObA53/98x17.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Ignaz Gattringer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gabriele S*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sabine K***** GesmbH i.L., vertreten durch die Liquidatorin Sabine K*****, wegen brutto S 283.649,83 und brutto S 103.632,85 sA (Revisionsinteresse brutto S 213.103,56 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Oktober 1997, GZ 13 Ra 43/97i-55, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Jänner 1997, GZ 42 Cga 83/96v-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird keine Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, sodaß es gemäß § 48 ASGG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der WGN 1997) ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles zu verweisen.

Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:

Auszugehen ist davon, daß die Klägerin mit der beklagten Partei am 2. 2. 1990 einen Dienstvertrag abgeschlossen hat, wonach sie befristet vom 1. 3. 1990 bis 1. 11. 1990 zu einem monatlichen Nettoentgelt von S 30.000,-- und freier Unterkunft als Geschäftsführerin der Diskothek M***** tätig sein sollte. Der für den 22. 2. 1990 in Aussicht genommene Abschluß eines schriftlichen Bestandvertrages betreffend die Diskothek kam nicht zustande; der potentielle Bestandgeber weigerte sich am 12. 3. 1990 endgültig, einen Bestandvertrag zu schließen und die Bestandräumlichkeiten zu übergeben. Hierauf teilte die Geschäftsführerin der beklagten Partei diesen Umstand der Klägerin mit der Bemerkung mit, daß es mit der Beschäftigung in der Diskothek M***** nichts werde und daß sie nunmehr stempeln gehen solle. Die Klägerin war in der Folge ab 28. 3. 1990 zu einem weit geringerem Entgelt anderweitig beschäftigt.

Die Vorinstanzen beurteilten die Erklärung der Geschäftsführerin der Beklagten als einseitigen Rücktritt vom geschlossenen Arbeitsvertrag, der - im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen gesehen - ohne wichtigen Grund erfolgt sei. Denn der Umstand, daß der potentielle Bestandgeber mit der Beklagten den Bestandvertrag hinsichtlich der Diskothek nicht abgeschlossen habe, falle in die Sphäre der Beklagten. Sie sprachen der Klägerin gemäß § 31 Abs 1 AngG brutto S 164.197,12 als Kündigungsentschädigung für drei Monate, anteilige Sonderzahlungen und anteilige Urlaubsentschädigung bzw -abfindung für diese Zeit zu und wiesen das Mehrbegehren ab.

Daß der Rücktritt der beklagten Partei - sollte er zulässig sein - unberechtigt iSd § 30 AngG erfolgte, ist unstrittig. Die Revisionswerberin meint aber, die beklagte Partei hätte gar nicht mehr zurücktreten können.

Den weitwendigen diesbezüglichen Revisionsausführungen ist zu erwidern, daß bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, daß keine vorzeitige Entlassung ohne wichtigen Grund vorliege, sondern daß die beklagte Partei vom abgeschlossenen, aber noch nicht angetretenen Dienstvertrag ohne wichtigen Grund zurückgetreten ist. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin, die darauf beharrt, § 30 AngG müsse bei tiefschürfender Interpretation dahingehend interpretiert werden, daß ein Rücktritt des Dienstgebers nur bis zum vereinbarten Dienstantritt, danach nurmehr eine vorzeitige Auflösung möglich sei, setzt nach herrschender Auffassung (für alle Martinek/Schwarz/Schwarz AngG7 671) die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnis ein bereits angetretenes Arbeitsverhältnis voraus. Demgegenüber besteht die Möglichkeit eines Rücktritts dann, wenn ein Arbeitsvertrag zwar gültig zustande gekommen ist, der Arbeitgeber oder Angestellte den Vertrag jedoch überhaupt nicht erfüllt hat, es also überhaupt zu keinem Dienstantritt kommt. In der Regel liegt zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages und dem Dienstantritt keine oder nur eine kurze Zeitspanne. Wurde der Dienstvertrag wie hier am 2. 2. abgeschlossen und der Dienstantritt mit 1. 3. bestimmt, so ergibt sich die Konsequenz, daß der Angestellte verpflichtet ist, zu diesem Termin (1. 3.) seinen Dienst anzutreten, und der Arbeitgeber ihn zu diesem Zeitpunkt zum Dienst zuzulassen hat. Kommt es nicht zum Dienstantritt, sieht das Gesetz für bestimmte Fälle ein Rücktrittsrecht vor, das dem Dienstgeber und dem Angestellten nach Maßgabe dieser Bestimmungen zusteht.

Daß diese Auslegung zutreffend ist, ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes. § 30 Abs 2 und 3 AngG setzen voraus, daß ein Rücktritt erst möglich ist, wenn der Dienst zum vereinbarten Zeitpunkt nicht angetreten wird; in der Regel bedarf es sogar noch einer vierzehntägigen Wartefrist.

Erfolgt der Rücktritt des Dienstgebers wie hier unberechtigt iSd § 30 Abs 3 AngG, so hat er gemäß § 31 Abs 1 AngG dem Angestellten das Entgelt zu ersetzen, das diesem für den Zeitraum gebührt, der bei ordnungsgemäßer Kündigung durch den Dienstgeber vom Tage des Dienstantrittes bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses hätte verstreichen müssen. Wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, hat der Dienstgeber dem Angestellten, falls die vereinbarte Dienstdauer drei Monate nicht übersteigt, das für die ganze Dauer gebührende Entgelt, falls die vereinbarte Dienstdauer dagegen drei Monate übersteigt, den auf drei Monate entfallenden Teilbetrag des Entgelts zu ersetzen.

Es ist zutreffend, daß die Sonderregelung des § 31 AngG beim Rücktritt vom noch nicht angetretenen Dienstverhältnis in einigen Punkten von § 29 AngG und § 1155 ABGB abweicht (näheres siehe Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 675 f), und daß die verschiedenen Tatbestände der Entgeltfortzahlung trotz Nichtleistung der Arbeit in einem nicht immer unproblematischen Verhältnis zueinander stehen (Schnorr, Entgeltansprüche bei Nichtleistung der Arbeit, 20 ff [43 ff], in Tomandl, Entgeltprobleme aus arbeitsrechtlicher Sicht; Krejci in Rummel ABGB I2 Rz 35 zu § 1155). Dies ändert aber nichts daran, daß sich der Gesetzgeber eindeutig und unzweifelhaft entschlossen hat, bei noch nicht angetretenem Dienstverhältnis, welches auf eine bestimmte, drei Monate übersteigende Zeit geschlossen wurde, die Ansprüche des Dienstnehmers auf drei Monate ab dem Tag des vereinbarten Dienstantrittes zu beschränken und weitergehende Ansprüche auszuschließen.

Diese sondergesetzliche Regelung ist nicht "ungerecht", wie die Revisionswerberin darzustellen versucht. Darf doch nicht übersehen werden, daß sich die Klägerin für die ersten drei Monate im Gegensatz zu § 1155 ABGB nichts anrechnen lassen muß, was sie sich infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich verabsäumt hat; nach § 31 AngG gebühren ihr die drei Monatsgehälter als eine Art abstrakten Schadens, der des Nachweises im Einzelfall nicht bedarf. Da bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ein Limit von drei Monatsgehältern besteht, kann die Angestellte darüber hinausgehende Ansprüche nur dann stellen, wenn ihr in dieser Zeit zusätzlich ein Schaden entstanden ist, der jedoch von ihr zu behaupten und zu beweisen wäre, was vorliegendenfalls nicht geschehen ist (vgl Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 676 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO, weil sich die beklagte Partei am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat.

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