OGH 8ObS204/00h

OGH8ObS204/00h9.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Edith Söllner und Karl Lewisch als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hanni E*****, vertreten durch Dr. Ernst Stolz, Dr. Sepp Manhart, Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Vorarlberg, 6903 Bregenz, Rheinstraße 32, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Mag. Dieter Helbok, Rechtsanwalt, 6973 Höchst, Kirchplatz 11, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C***** GmbH & Co KG, wegen S 1,135.142,-- netto an Insolvenzausfallgeld, infolge Revision der beklagten Partei und des Nebenintervenienten (Revisionsinteresse S 548.459,-- sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2000, GZ 25 Rs 53/00f, 54/00b-22, womit der Berufung der klagenden Partei nicht, jedoch der Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten teilweise Folge gegeben und das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Februar 2000, GZ 35 Cgs 36/99g-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss des bereits rechtskräftig abgewiesenen Klagebegehrens insgesamt zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1,135.142 netto an Insolvenzausfallgeld binnen 14 Tagen zu bezahlen wird abgewiesen."

Die klagende Partei und der Nebenintervenient haben ihre Kosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach den für die Beurteilung des im Revisionsverfahrens ausschließlich strittigen Grund des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld maßgeblichen Feststellungen war die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der C***** GmbH & Co KG, über deren Vermögen mit 2. 7. 1998 der Konkurs eröffnet wurde, bereits seit 12. 8. 1984 auf Grund eines so bezeichneten "Design-Vertrages" tätig. Davor hatte sie einen Arbeitsvertrag, der aber im Zusammenhang mit ihrer Scheidung vom früheren geschäftsführenden Gesellschafter der Arbeitgeber-GmbH in den genannten Design-Vertrag umgewandelt wurde. Nach diesem Design-Vertrag hatte sie 2 x jährlich eine Hut- und Mützenkollektion zu entwerfen und erhielt dafür pro Saison ein Honorar von S 150.000,- -, insgesamt jährlich S 300.000,-- wertgesichert mit einer 5 %-igen Anpassungsklausel. Sie hatte kein Konkurrenzverbot und sollte als "freie Mitarbeiterin" arbeiten. Dieser Vertrag war mit einer 3-Monatsfrist vor Jahresschluss zum folgenden Jahresende kündbar.

Im Wesentlichen war die Klägerin aber - wie bereits davor - auch nach Abschluss dieses Vertrages Leiterin der Designerabteilung und hatte die Arbeitsleistungen ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren und in Abstimmung mit der Unternehmensleitung für eine ordnungsgemäße Erstellung der Kollektion Sorge zu tragen. Dabei war sie auch für den Einkauf und den Besuch von Fachmessen verantwortlich. Sie hatte keine fixe Dienstzeit, war jedoch über Aufforderung der Unternehmensleitung im Betrieb und hatte dort auch ein eigenes Büro, in dem sie sich ab- und anmeldete. Zu einem "Ein- oder Ausstempeln" war sie nicht verpflichtet. Sie konsumierte nicht offiziell "Urlaub", doch waren längere Abwesenheitszeiten auf die Interessen des Unternehmens abgestellt und mit entsprechenden Vorkehrungen verbunden. Die Klägerin hatte das Gewerbe des "Textil-Designers" seit 1992 angemeldet.

Ab 1995 erhielt sie regelmäßig ein monatliches Entgelt von S 45.000,-- brutto, von dem sie selbst ihre Sozialversicherungsbeiträge an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und auch die Einkommenssteuer an das Finanzamt abführte. Eine Gehaltsabrechnung erhielt sie nie und reklamierte auch weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Die Spesen ihrer Geschäftsreisen wurden ihr vom Unternehmen ersetzt.

Am 23. 9. 1997 wurde der Designer-Vertrag zum 31. 12. 1998 für beendet erklärt, jedoch der Klägerin eine Option auf einen neuen Vertrag eingeräumt. Am 2. 12. 1997 löste das Unternehmen - die spätere Gemeinschuldnerin - das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung mit der Begründung auf, dass die Klägerin geschäftsschädigende Äußerungen verbreitet habe. Daraufhin machte die Klägerin ihre Ansprüche außergerichtlich geltend und es kam dann am 29. 5. 1998 zu einer Vereinbarung über Zahlung von insgesamt S 450.000,-- in Raten. Bei unvollständiger oder verspäteter Bezahlung sollten sämtliche gegenseitige Ansprüche in vollem Umfange aufleben. Von den drei vorgesehenen Raten über S 150.000,-- erhielt die Klägerin jedoch nur die erste.

Ab September 1998 erzielte die Klägerin im Einzelnen festgestellte Entgelte auf Grund eines neuen Beschäftigungsverhältnisses. Nachdem die Klägerin ihre Ansprüche im Konkurs angemeldet hatte, wies die Beklagte ihren Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld (Sonderzahlungsansprüche für die Jahre 1995 bis 1997, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Abferti- gung und Zinsen) in Höhe von insgesamt S 1,427.044,-- mit der Begründung ab, dass bei der Klägerin keine Arbeitnehmereigenschaft vorliege.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für diese Ansprüche - wenngleich betragsmäßig etwas eingeschränkt - im Ausmaß von zuletzt (AS 41) S 1,135.142,-- netto habe. Sie sei stets Angestellte der Firma gewesen, und zwar auch nach Unterfertigung des "Design-Vertrages". Ihre Tätigkeit habe sie in persönlicher Abhängigkeit ausgeführt. Die vorzeitige Auflösung des Vertrages sei unberechtigt erfolgt.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Klägerin freie Mitarbeiterin, aber keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Insgesamt sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin einen eigenen Gewerbeschein gehabt und bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemeldet gewesen sei. Im Übrigen erhob die Beklagte auch Einwendungen zur Höhe der Ansprüche.

Auf Seiten der Beklagten schloss sich auch der Masseverwalter über das Vermögen des Vertragspartners der Klägerin als Nebenintervenient an und beantragte ebenfalls die Abweisung der Klage im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Klägerin freie Mitarbeiterin gewesen sei.

Das Erstgericht erachtete den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach wegen deren Arbeitnehmereigenschaft als berechtigt. Sie sei an die Weisungen der Geschäftsleitung gebunden und in das Unternehmen eingegliedert gewesen. Im Hinblick auf die zeitliche Beschränkung des Insolvenz-Ausfallgeldes wies es jedoch die geltend gemachten Ansprüche auf Sonderzahlungen, wegen des anzunehmenden Urlaubsverbrauches teilweise auch die Ansprüche auf Urlaubsentschädigung und wegen der Beschränkungen nach § 3a IESG teilweise auch jene auf Kündigungsentschädigung ab und berücksichtigte bei der Zuerkennung der Abfertigung die im IESG vorgegebene Höchstbegrenzung, allerdings bezogen auf den Zeitpunkt der Fälligkeit.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten und des Nebenintervenienten teilweise Folge. Es bejahte ebenfalls die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin, insbesondere wegen der zeitlichen Gebundenheit der Klägerin und deren Eingliederung in den Betrieb. Ferner nahm es auf die wirtschaftliche Unselbständigkeit der Klägerin Bezug. Soweit sich die Beklagte darauf stützte, dass die Geltendmachung der Ansprüche sittenwidrig sei, da über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemachte Ansprüche nicht als gesichert zu qualifzieren seien und die Klägerin sich 13 Jahre lang nicht auf ihre Arbeitnehmereigenschaft berufen habe und dadurch eine sittenwidrige Abwälzung des Zahlungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeldfonds bewirkt habe, hielt das Berufungsgericht der Beklagten entgegen, dass nur völlig atypisch gestaltete Arbeitsverhältnisse, die nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet seien, keine Sicherung nach den Bestimmungen des IESG erfahren hätten. Dazu habe die Beklagte aber auch keine Prozessbehauptungen aufgestellt, vielmehr seien an die Klägerin noch bis knapp vor Konkurseröffnung Zahlungen erbracht worden. Bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung zog das Berufungsgericht die Beschränkungen des § 3 Abs 3 IESG heran und hinsichtlich der Abfertigung jene des § 1 Abs 4a IESG in Höhe des im Zeitpunkt des Entstehens der Abfertigung maßgeblichen Grenzbetrages, woraus sich insgesamt noch die Abweisung eines weiteren Teilbetrages ergab.

Zu der Berufung der Klägerin hinsichtlich der Abweisung ihres Anspruches auf Sonderzahlungen erachtete das Berufungsgericht die zeitliche Beschränkung des § 3a IESG auch für diese Ansprüche als gegeben. Insoweit ging es jedoch vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 3 ASGG aus.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richten sich die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten, die im Wesentlichen übereinstimmend geltend machen, dass bei einer Vertragskonstruktion, bei der die Klägerin nicht nach dem ASVG versichert gewesen sei und auch keine Beiträge zur Finanzierung des Insolvenz-Ausfallgeld geleistet worden seien, auch keine Leistungen in Anspruch genommen werden könnten.

Die Klägerin beantragt, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig und im Ergebnis auch berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 28. 9. 2000, zu 8 ObS 58/00p die Frage, inwieweit die durch den Abschluss von "(Schein)Werkverträgen" ua bewirkte, Nichtabfuhr der Arbeitgeberbeiträge nach dem IESG einen Leistungsausschluss bewirken könne, offengelassen.

Vorweg ist nun festzuhalten, dass Das IESG auf den Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechts abstellt (vgl RIS-Justiz RS0076462; zuletzt (OGH 24. 2. 2000, 8 ObS 49/00i) und auch die Beklagte und der Nebenintervenient die Qualifikation der Klägerin als Arbeitnehmerin nicht mehr bestreiten. Es reicht daher darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung und Lehre sich der Arbeitsvertrag vor allem durch die persönliche Arbeit, die Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert, von anderen Vertragstypen abgrenzt (vgl RIS-Justiz RS0021284, RS0021306, etwa zuletzt OGH DRdA 1999, 392 = RdW 1999, 673 mwN, insbesondere Arb 10.944, SZ 70/52 uva). Dabei müssen die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht alle gemeinsam vorliegen, sondern können durchaus in unterschiedlicher Ausprägung gegeben sein, wenn sie nur insgesamt überwiegen. Beim freien Dienstvertrag hingegen wird die Arbeit ohne persönliche Abhängigkeit, weitgehend selbständig frei von Beschränkungen des persönlichen Verhaltens geleistet. Der freie Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbständig zu regeln und jederzeit zu ändern, sodass also keine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit vorliegt (vgl DRdA 1999, 392 aaO mit Hinweis auf Arb 10.697 = ZAS 1988/11 und SZ 70/52). Nicht entscheidend ist aber die Gestaltung des schriftlichen Vertrages, vielmehr kommt es auf das durch die tatsächliche Handhabung der Vertragsbeziehung zum Ausdruck kommende Vertragsverständnis an (vgl DRdA 1999 aaO, 392 unter Hinweis auf SZ 54/75, Arb 10.096 ua). Die Klägerin war nun als Abteilungsleiterin völlig in den Betrieb eingegliedert und hatte nicht nur Weisungsbefugnisse hinsichtlich ihrer Mitarbeiter wahrzunehmen, sondern war auch selbst den Weisungen hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Arbeitsleistung unterworfen. Sie bezog ein regelmäßiges monatliches Entgelt ohne dass dabei tatsächlich auf bestimmte Leistungen abgestellt worden wäre. Insgesamt ist bei ihr vom Überwiegen der für das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft sprechenden Merkmale der persönlichen Abhängigkeit auszugehen (vgl ähnlich OGH WBl 1996, 207 = RdW 1997, 29 zu einem in die Organisation des Betriebes integrierten Journalisten).

Entscheidend ist nun die von den Revisionen relevierte Frage, ob es der Klägerin deshalb verwehrt ist, Leistungen nach dem Insolvenz-Ausfallgeldgesetz in Anspruch zu nehmen, weil sie an der Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge mitgewirkt hat.

Grundsätzlich unstrittig scheint auch, dass der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld im Allgemeinen nicht von der Entrichtung der Beiträge im Sinne des § 12 Abs 1 Z 4 IESG oder der Anmeldung zur Sozialversicherung abhängt (vgl dazu auch Liebeg, IESG2, 48 f). Die Eintreibung erfolgt von Amts wegen durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gemeinsam mit den Beiträgen zur Krankenversicherung, nach deren Vorschriften, etwa auch hinsichtlich der Fälligkeit, Eintreibung und Verjährung (vgl Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 353).

Auch die Judikatur hat nun zwar im Zweifelsfall einer Auslegung zu Gunsten einer Symmetrie von Beitragsleistung - im Sinne des Bestehens einer Beitragspflicht - und Versicherungsleistung den Vorzug gegeben (vgl so OGH 8 ObS 52/97y, ähnlich VfGH 12.230 = infas 1990 A 63), dies aber keinesfalls als unabdingbare Voraussetzung für die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld angesehen (vgl etwa zum Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auch bei Beschäftigung im Ausland, bei der wohl häufig im Inland keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden OGH RdW 2000, 560). Keinesfalls wurde jedoch die konkrete Entrichtung der Beiträge als maßgeblich erachtet (vgl VwGH ZfVB 1990/3/1246). Dieses Auslegungsergebnis stimmt im Sinne einer richtlinenkonformen Interpretation (vgl OGH 8 ObS 60/00g; EvBl 1999/75 jeweils mwN) auch mit der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. 10. 1980, Abl Nr L 238 vom 28. 10. 1980, 23 überein, da Art 5 lit c dieser Richtlinie ausdrücklich festlegt, dass die Mitgliedstaaten die Garantieeinrichtungen so ausgestalten müssen, dass deren Zahlungspflicht unabhängig von der Erfüllung der Verpflichtung zur Mittelaufbringung besteht (vgl auch Weber in Oetker/Preis [Hrg] EAS B 3300 Rz 29 f).

Erhärtet wird diese Interpretation letztlich noch dadurch, dass der Gesetzgeber diesem offensichtlichen Problem zwar etwa im Bereich der Pensionsversicherung nach dem ASVG dadurch Rechnung getragen hat, dass er unter bestimmten Umständen der unterlassenen Meldung (und Beitragsentrichtung) Relevanz für den Erwerb von Leistungsansprüchen zubilligt (vgl Krejci/Marhold in Tomandl [Hrsg] System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 1.2.4; 1.2.5.2.3), hier aber jeden Ansatz in diese Richtung unterlassen hat. Liegt doch die Schwierigkeit darin, dass in diesem Bereich vielfach erst dann, wenn die Leistungspflicht schlagend wird, offen gelegt wird, dass das bisher zur Vermeidung der Beitragspflicht nach § 12 Abs 1 Z 4 IESG unrichtig bezeichnete Vertragsverhältnis tatsächlich ein dieser Beitragspflicht unterliegendes Arbeitsverhältnis war; zu diesem Zeitpunkt ist aber die Einbringung der Beiträge beim insolventen Beitragsschuldner in der Regel nicht mehr möglich. Allerdings hätte auch eine gesetzliche Regelung den durch Art 10 der Insolvenz-Richtlinie vorgegebenen Rahmen zu beachten. Mangels jeglichen Ansatzes des Gesetzgebers in diese Richtung ist es aber nicht Aufgabe der Gerichte, im Wege einer allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen (siehe SZ 45/41; SZ 47/65; SZ 54/120; zuletzt 7 Ob 246/99y). Es muss also davon ausgegangen werden, dass die Leistungspflicht des Insolvenz-Ausfallgeldfonds grundsätzlich die richtige Bezeichnung und vorherige Anmeldung des versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses nicht zur Voraussetzung hat.

Wenngleich nun also im Allgemeinen allein der Umstand der mangelnden Beitragsentrichtung kein Argument für die Versagung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld sein kann, verbleibt doch die Prüfung der Frage, ob eine Vertragsgestaltung, die die Beitragsaufbringung beeinträchtigt, die Geltendmachung von Insolvenz-Ausfallgeld sittenwidrig machen kann (vgl allgemein Mader, Neue Judikatur zum Rechtsmissbrauch JBl 1998, 677 ff mwN). Der Annahme der Sittenwidrigkeit der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Insolvenz-Ausfallgeldfonds steht grundsätzlich auch nicht die Richtlinie des Rates 80/987/EWG entgegen. Art 10 räumt den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit ein, zur Vermeidung von Missbräuchen die notwendigen Maßnahmen zu treffen und insbesondere die Garantiepflicht für jene Fälle einzuschränken, in denen sich herausstellt, dass die Erfüllung der Verpflichtung, wegen des Bestehens besonderer Bindungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber und gemeinsamen Interessen, die sich in einer Kollusion zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ausdrücken, nicht gerechtfertigt ist.

Vorweg ist dazu festzuhalten, dass ganz unabhängig von der Vertragsbezeichnung und Gestaltung sich die Beitragspflicht am konkret vorliegenden Arbeitsverhältnis orientiert, sohin auch durch den Abschluss des "Design-Vertrages" (Scheinbezeichnung) nicht berührt wurde. Allerdings wurde die Einhebung der Beiträge durch die Erweckung eines nicht zutreffenden Anscheins erschwert. Der Vorteil dieses durch den schriftlichen Vertrag erweckten Anscheins kommt nun im Allgemeinen dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer zugute. Nach der tatsächlichen Gestaltung des Rechtsverhältnisses hätte der Arbeitgeber sämtliche Sozialversicherungsbeiträge abzuführen und die Arbeitgeberbeiträge auch endgültig zu tragen gehabt (vgl dazu etwa OGH ecolex 2000/192), während beim freien Dienstvertrag nach der im Jahre 1984 noch geltenden Rechtslage im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit die Sozialversicherungsbeiträge vom "Arbeitnehmer "zu erbringen und zu tragen waren. Die Verpflichtung zur Tragung der Beiträge im Zusammenhang mit dem Insolvenz-Ausfallgeld trifft ebenfalls den Arbeitgeber (vgl § 12 Abs 1 Z 4 IESG), der nach der damals maßgeblichen Rechtslage auch durch das Verbot des Zugriffs auf sein Neuvermögen ein Äquivalent für seine Beitragsleistung erhielt (vgl dazu allgemein Liebeg aaO, 285 f; zur Problematik des Wegfalls durch die IESG-Nov 1997 auch Liebeg, Ein Überblick über die IESG-Novelle WBl 1997, 401 [408] unter Hinweis auf die RV 446 BlgNR 14. GP, 7 ).

Auch wird es von der arbeitsrechtlichen Lehre als dem Arbeitsrecht zugrundeliegend und geradezu typisch für die Verhandlungssituation des potenziellen Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber angesehen, dass dem Arbeitnehmer bei der Vertragsgestaltung wenig Einflussmöglichkeiten zukommen. Daher knüpft das Arbeitsrecht regelmäßig mit zwingenden oder einseitig zwingenden Regelungen an das tatsächliche Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses unabhängig von dessen Bezeichnung an (vgl dazu auch Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsverhältnisses, 76; Tomandl/Schrammel, Arbeitsrecht 1, 109; Spielbüchler/Grillberger Arbeitsrecht I4, 2; Firlei, Flucht aus dem Arbeitsrecht, DRdA 1987, 271 ff; Schauer, Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Arbeitnehmerschaft RdW 1997, 732 ff uva).

Von einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB kann bei solchen als typisch vorausgesetzten Verhandlungspositionen und der Nachteiligkeit der Gestaltung für den Arbeitnenehmer im Allgemeinen nicht ausgegangen werden. Weder unter dem Aspekt der Verletzung des Rechtsgefühls der Rechtsgemeinschaft aller billig und gerecht Denkenden (vgl dazu MGA ABGB35 E 56 = EvBl 1995/156 uva) noch unter dem Aspekt der groben Verletzung rechtlich geschützter Interessen bzw einem groben Missverhältnis zwischen den durch die Handlung Verletzten und den durch diese gefährdeten Interessen (vgl SZ 54/182), insbesondere der Interessen des Insolvenz-Ausfallgeldfonds, indem auf diesen das Finanzierungsrisiko überwälzt wird (vgl dazu RIS-Justiz RS0018227, SZ 66/8 = DRdA 1993, 490 = Arb 11.068 uva sowie RS0112127), könnte dann dem Arbeitnehmer sowie von vornherein ein den Wertentscheidungen der Rechtsordnung (vgl dazu SZ 67/202 uva) widersprechendes Verhalten zugemessen werden. Ist es doch insoweit gerade deren Ziel, ihn, vor derartigen für ihn nachteiligen und typischerweise aufgezwungenen Vertragsgestaltungen zu schützen. Dies stünde insoweit auch schon am Ansatz dem im Zusammenhang mit dem Rechtsmissbrauch diskutierte Verbot der Geltendmachung von Ansprüchen, die im Widerspruch zu dem bisherigen eigenen Verhalten erfolgt, entgegen (vgl Mader Rechtsmissbrauch und unzulässige Rechtsausübung, 104 ff, insbesondere 110).

Hier liegen aber Anhaltspunkte dafür vor, dass diese typische Verhandlungssituation eben nicht vorlag und die Gestaltung von der Klägerin auch bewusst zu ihrem eigenen Vorteil gewählt wurde. War die Klägerin doch bereits in einem als solcher sozialversicherten Arbeitsverhältnis beschäftigt und hat sich aus eigenem - Gegenteiliges wurde nicht vorgebracht - im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe mit dem früheren geschäftsführenden Gesellschafter der Arbeitgeber-GesmbH entschlossen, dieses in den "Design-Vertrag" umzuwandeln und sich als Selbständige nach dem GSVG zu melden und dort selbst ihre Beiträge - die keinen Zuschlag für den Insolvenzausfallgeldfonds enthalten - zu entrichten.

Wirken in einer solchen Situation Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen, so ist im Rahmen eines Fremdvergleiches (vgl dazu ausführlich OGH 23. 10. 2000 8 ObS 206/00b) vom zumindest bedingten Vorsatz der Schädigung des Dritten - hier des Insolvenz-Ausfallgeldfonds auszugehen. Das hat die Klägerin hier durch die Versicherung nach dem GSVG unterstützt.

Ausgehend von der besonderen Situation bei Abschluss des Design-Vertrages und der jahrelangen Versicherung der Klägerin nach dem GSVG ist daher die Geltendmachung von Ansprüchen auf Insolvenzausfallgeld für Forderungen aus diesem Beschäftigungsverhältnis rechtsmissbräuchlich.

Den Revisionen war dementsprechend Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 77 Abs 1 lit b ASGG.

Es sind zwar dem Nebenintervenienten, der kein Versicherungsträger ist, auch in Sozialrechtssachen nach dem IESG Kosten zuzusprechen (vgl RIS-Justiz RS0035821, 8 ObS 206/98x uva). Dies ändert aber nichts daran, dass diese Einschränkung der grundsätzlichen Befreiung auch des unterliegenden Versicherten von der Kostenersatzpflicht gemäß § 77 ASGG nur für die Kosten gelten kann, die für den Nebenintervenienten zur zweckentsprechenden Verfolgung "seines" Rechts erforderlich waren. Dies kann aber für eine Abweisung der Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld alleine aus dem Grund der mangelnden Sicherung der gegen den Nebenintervenienten aber tatsächlich bestehenden Ansprüche nicht angenommen werden.

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