Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen wird.
Die klagende Partei, die die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen hat, ist schuldig, dem auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten die mit S 96.395,40 (darin S 16.665,90 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 15. 7. 1964 bis 31. 12. 1990 Angestellter einer KG. Diese Kommanditgesellschaft war alleinige Gesellschafterin einer GesmbH. Ab 1. 1. 1991 war der Kläger als Angestellter dieser GesmbH beschäftigt. Bereits mit Gesellschafterbeschluß vom 23. 11. 1990 war er zum Geschäftsführer der GesmbH bestellt worden. Anläßlich des Wechsels des Klägers als Angestellter von der KG zur GesmbH wurde zwischen den Beteiligten vereinbart, daß die Abfertigungsansprüche des Klägers gegen die KG von der GesmbH unter Anrechnung sämtlicher Vordienstzeiten übernommen werden. Die Abfertigung sollte dem Kläger von der GesmbH dann ausbezahlt werden, wenn er das Dienstverhältnis zu dieser beendet. Aufgrund dieser Vereinbarung wurde zum 1. 1. 1991 der Abfertigungsanspruch des Klägers in die Bilanz der GesmbH übernommen und die Rücklage in der Bilanz der KG um den entsprechenden Betrag reduziert.
Der Kläger bezog zuletzt bei der KG ein monatliches Bruttogehalt von S 86.425.
Mit Gesellschafterbeschluß vom 11. 8. 1993 wurde der Kläger als Geschäftsführer der GesmbH abberufen. Bis zur einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses am 31. 8. 1993 blieb er Angestellter der GesmbH.
Mit Beschluß des zuständigen Gerichtes vom 2. 9. 1993 wurde über das Vermögen der GesmbH das Ausgleichsverfahren und mit Beschluß vom 14. 12. 1993 der Anschlußkonkurs eröffnet. Die vom Kläger in einer das Klagebegehren übersteigenden Höhe im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen wurden vom Masseverwalter unter Hinweis auf bestehende Gegenforderungen bestritten. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld unter anderem auch aus dem Titel der Abfertigung in Höhe von 12 Monatsentgelten von insgesamt S 1,797.218 ab.
Mit seiner am 25. Juli 1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger zuletzt an Abfertigung einen Betrag von S 1,037.100. Er sei seit 15. 7. 1964 bei der GesmbH beschäftigt gewesen, weshalb ihm für die Beschäftigungszeit vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer auf der Basis der letzten Monatsbezüge ein Abfertigungsanspruch von 12 Monatsentgelten zustehe.
Die Beklagte wendete dagegen ein, daß die Forderungen des Klägers infolge Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen der Masse erloschen seien, zudem Insolvenz-Ausfallgeld nur unter Berücksichtigung der Begrenzung des § 1 Abs 4 IESG gebühren könne, und daß schließlich der Ausschlußbestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG jedem Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld des Klägers entgegenstehe. Sie brachte weiters vor (AS 107), daß der Kläger zunächst Angestellter der KG gewesen sei und daß er im Zeitpunkt seines Wechsels zur GesmbH bereits als deren Geschäftsführer bestellt war, weshalb kein Abfertigungsanspruch zustehe.
Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang die Beklagte schuldig, dem Kläger S 691.200 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß nach ständiger Rechtsprechung der Geschäftsführer einer GesmbH, welcher vor seiner Bestellung im Unternehmen als Angestellter beschäftigt war, einen Abfertigungsanspruch erworben habe, dessen Geltendmachung die Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG nicht entgegenstehe. Ob der Kläger dabei im Zeitpunkt der Vereinbarung der Übernahme der gegenüber der KG bestehenden Abfertigungsansprüche durch die GesmbH bereits aufgrund Gesellschafterbeschlusses zum Geschäftsführer bestellt war, sei dabei irrelevant. Was die Höhe des Abfertigungsanspruches betreffe, sei der für das Jahr 1990 maßgebliche Grenzbetrag gemäß § 1 Abs 4 IESG heranzuziehen, da nur die Angestelltenzeiten vor der Bestellung zum Geschäftsführer zu berücksichtigen seien. Danach errechne sich der zustehende Anspruch mit S 691.200. Der Einwand, die Ansprüche des Klägers seien bereits durch Kompensation untergegangen, schlage nicht durch, weil die Bestreitung der Forderung durch den Masseverwalter im Insolvenzverfahren eine ausdrückliche Aufrechnungserklärung nicht ersetzen könne.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen folgerte es rechtlich, daß § 1 Abs 6 Z 2 IESG auch auf den Fall der sogenannten "Drittanstellung" des GesmbH-Geschäftsführers bei der GesmbH & Co KG erstreckt werde, d.h. daß auch das Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers der GesmbH zur Kommanditgesellschaft grundsätzlich keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld vermitteln könne. Dieser Ausschluß betreffe aber nur solche Ansprüche der Dienstnehmer, welche sich auf Zeiträume beziehen, in denen der Antragsteller tatsächlich Organmitglied gewesen sei. Vertragliche Abfertigungsansprüche seien seit der IESG-Novelle 1980 gemäß § 1 Abs 3 IESG nur dann ausgeschlossen, wenn sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten 90 Tagen vor der Konkurseröffnung vereinbart worden seien. Der Kläger habe seine Abfertigungsansprüche durch langjährige Angestelltentätigkeit in der KG erworben, wobei nur die Auszahlung unterblieben sei, weshalb von einem gesicherten Abfertigungsanspruch auszugehen sei. Es handle sich nicht um eine Anrechnungszusage im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in der Organschaft, sondern um ein vorerst abgeschlossenes Dienstverhältnis mit Abfertigungsanspruch, wobei nur der Auszahlungszeitpunkt verschoben worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, weil zwar auch in Streitigkeiten über Insolvenz-Ausfallgeld die Revision nur unter den - hier mangels Entscheidungserheblichkeit der Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gegebenen - Voraussetzungen des § 46 Abs 3 ASGG jedenfalls zulässig wäre (8 ObS 2112/96p; 8 ObS 2/97w; 8 ObS 73/97m), jedoch Rechtsfragen von der in § 46 Abs 1 ASGG beschriebenen Qualität zu lösen sind. Es kommt ihr auch Berechtigung zu.
Die Vorinstanzen haben zutreffend dargestellt, daß der Oberste Gerichtshof die Bestimmungen des § 1 Abs 6 Z 2 und 3 IESG in nunmehr ständiger Rechtsprechung teleologisch dahin reduziert, daß Arbeitnehmer, die später eine der im Gesetz genannten Funktionen im Unternehmen übernehmen, für die vor diesem Zeitpunkt liegende unselbständige Tätigkeit ihres Anspruches auf Abfertigung nicht verlustig gehen (SZ 67/43, RdW 1996, 26 ua). Es ist auch weiters gesicherte Rechtsprechung, daß die Vereinbarung, die mit Bestellung des bisherigen Angestellten zum Organmitglied fällig gewordene Abfertigung nicht auszuzahlen, sondern weiterhin die Abfertigungsregelung nach dem Angestelltengesetz unter Einbeziehung der als Angestellter zurückgelegten Zeiten beizubehalten, grundsätzlich wirksam ist und daß dadurch die Fälligkeit auch des nach dem IESG gesicherten aus dem Angestelltenverhältnis erfließenden Abfertigungsanspruches hinausgeschoben wird, wobei der Berechnung des gesicherten Anspruchs das letzte Entgelt vor der Bestellung zum Organmitglied zugrundezulegen ist. Eine derartige Vereinbarung halte dem Günstigkeitsvergleich im Sinne des § 3 ArbVG stand, da sie der sozialpolitischen Funktion der Abfertigung als Versorgung und Überbrückung nach Verlust des Arbeitsplatzes eher Rechnung trage als die Auszahlung der Abfertigung bei einem Aufstieg in eine besser dotierte Position (GesRZ 1989, 221; ecolex 1994, 406; 8 ObS 21/94; SZ 67/43 ua). Allerdings hatten alle diese Entscheidungen einen Funktionswechsel im selben Unternehmen oder bei einer Rechtsnachfolgerin des bisherigen Dienstgebers zum Gegenstand, sodaß sich die, wenngleich vertraglich vereinbarte, Aufschiebung der Fälligkeit der Abfertigung jeweils im Rahmen des § 23 AngG bewegte, wie dies nunmehr seit der Novelle BGBl 817/1993 im § 1 Abs 4a IESG als Voraussetzung für die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungen normiert wird (vgl 8 ObS 21/94).
Für den hier zu entscheidenden Fall ist vorerst klarzustellen, daß der von der Beklagten in ihrer Revision erstmals gebrauchte Ausdruck "Komplementärgesellschaft mbH" irreführend und im Akteninhalt nicht gedeckt ist.Es muß daher nicht weiter untersucht werden, ob es zumindest bei der GesmbH & Co KG im engsten Sinn (vgl Koppensteiner in Straube HGB2 § 161 Rz 14 f), in Anbetracht der dort gegebenen engen Verzahnung der beiden Gesellschaften, angebracht sein könnte, diese auch in Ansehung der Ansprüche nach dem IESG wie eine einheitliche Kapitalgesellschaft zu behandeln (vgl GesRZ 1986, 32; SZ 59/116; SZ 63/124 je zur Haftung des Geschäftsführers). Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, ergibt sich nämlich aus dem Akt unzweifelhaft, daß nicht die GesmbH Komplementärgesellschafterin der KG war, sondern vielmehr umgekehrt die KG alleinige Gesellschafterin der GesmbH. Bei dieser Sachlage ist aber die bei der GesmbH & Co KG gegebene Einflußnahme des Geschäftsführers der GesmbH auf die Geschicke der KG (vgl SZ 64/124; ArbSlg 11.063; 8 ObS 418/97x ua) nicht gegeben, weil zweifelsohne der Geschäftsführer einer GesmbH im Normalfall auf die Gestion der einzelnen Gesellschafter keinen Einfluß hat. Gerade bei der hier zu beurteilenden firmenrechtlichen Konstruktion erweist sich aber das Hauptargument der Revision, es lägen zwei voneinander unabhängige Arbeitgeber vor (vgl RdW 1997, 468), als zutreffend.
Der Oberste Gerichtshof hat auch für die Zeit vor der beschriebenen IESG-Novelle 1993 klargestellt, daß durch die Vereinbarung freiwilliger Abfertigungen der aus der damals noch Anspruchsgrundlage bildenden Bestimmung des § 1 Abs 3 Z 4 IESG hervorleuchtende klare Gesetzeszweck, Abfertigungen nur im gesetzlichen Ausmaß zu sichern, umgangen würde (8 ObS 21/94). An einer gesetzlichen Grundlage für die Übernahme der Verpflichtung der KG zur Zahlung der Abfertigung an den Kläger durch die GesmbH mangelt es, weil - wie bereits dargestellt - § 23 AngG dafür ebensowenig eine Grundlage bieten kann wie andere gesetzliche Bestimmungen, etwa jene des AVRAG (vgl Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7, 445). Allerdings darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß das IESG sowohl in seiner aktuellen als auch nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung gültigen Fassung in seinem § 1 Abs 3 ausdrücklich auf Einzelvereinbarungen Bezug nahm und diese nur in bestimmten - hier nicht gegebenen - Fällen von der Sicherung nach dem IESG ausschloß. Nunmehr bestimmt § 3 Abs 3, zweiter Satz, IESG, daß eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten unter Bedachtnahme auf § 1 Abs 3 Z 2 IESG der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes insoweit zugrunde zu legen ist, als es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handelt oder solche Zeiten nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden (vgl hiezu Liebeg, IESG2, 119). Aus den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzes ist in Zusammenhalt mit der Norm des § 1 Abs 1 IESG über die Anspruchsvoraussetzungen abzuleiten, daß eine solche Anrechnung einzelvertraglicher Ansprüche nur dann in Frage kommen kann, wenn gegen das insolvent gewordene Unternehmen originäre nach dem IESG gesicherte Ansprüche bestehen. Das ist hier aber zu verneinen, weil dem Kläger aus seiner Tätigkeit bei der GesmbH gemäß § 1 Abs 6 Z 2 IESG kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zusteht. Auch die kurze Zeit der Weiterarbeit des Klägers in der GesmbH als Angestellter nach seiner Abberufung als Geschäftsführer vermag einen solchen Anspruch nicht zu begründen, weil es dadurch nicht zu einer relevanten Neubegründung eines Angestelltenverhältnisses kam (DRdA 1993, 389; 9 ObS 21/93; ZIK 1996, 172).
Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben.
Ein Kostenersatz gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG war dem Kläger nicht zuzusprechen, weil er dazu kein Vorbringen erstattet hat und auch sonst aus dem Akt Gründe, die einen Zuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind. Der Kläger hat dem Nebenintervenienten die Kosten seiner Beteiligung am Verfahren erster Instanz gemäß §§ 50, 41 Abs 1 ZPO zu ersetzen, weil der dem Nebenintervenienten gebührende Kostenersatz durch § 77 ASGG nicht berührt wird, sofern der Nebenintervenient nicht ein Versicherungsträger ist (Kuderna, ASGG2 498; WBl 1990, 305; 9 ObS 6/90). Allerdings stehen dem Nebenintervenienten die im ersten Rechtsgang aufgelaufenen Kosten nicht zu, weil er in der Tagsatzung vom 17. 11. 1994 ausdrücklich darauf verzichtet hat (AS 19).
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