Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war vom 2. 10. 1972 bis 4. 10. 1993 bei einem Unternehmen angestellt, das Laborausrüstungen teilweise selbst herstellte und vertrieb. Gesellschafter der OHG waren zunächst der Schwiegervater des Klägers und dessen Sohn, der Schwager des Klägers. Als der Schwiegervater schwer erkrankte, übertrug er am 13. 12. 1985 seine Anteile an der OHG treuhändig der Ehegattin des Klägers.
Der Kläger erhielt 1984 die Prokura. Laut seinem Dienstvertrag aus diesem Jahr war der Kläger verpflichtet, bei wichtigen Geschäftsabschlüssen das Einvernehmen mit allen Gesellschaftern und/oder mit anderen Prokuristen herzustellen. Der Kläger war Leiter des Bereichs Verkauf und bis 1986 einziger Prokurist des Unternehmens. In diesem Jahr wurde einem weiteren Angestellten die Prokura erteilt, der fortan Leiter des Rechnungswesens war.
In der Praxis war es so, dass die Gesellschafter dem Kläger gegenüber zwar formell weisungsbefugt waren, der Schwager des Klägers sich jedoch ausschließlich um den von ihm geleiteten Bereich der Produktion kümmerte und die Gattin des Klägers sich nur im Bereich der Verrechnung betätigte. Die Leitlinie des Unternehmens wurde weiterhin vom Schwiegervater des Klägers festgelegt, doch kam dieser aufgrund seiner schweren Erkrankung nur unregelmäßig in das Unternehmen und überließ dessen Führung weitgehend dem Kläger.
Beide Prokuristen waren befugt, Einstellungen von Personal sowie Kündigungen vorzunehmen. Zwar musste letztlich die Zustimmung des Schwiegervaters des Klägers eingeholt werden, doch nahm dieser in der Regel die Vorschläge der Prokuristen an, sodass diese weitgehend selbständig agieren konnten. Die beiden Prokuristen waren formell gleichgestellt, der Kläger hatte aber aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Familienunternehmen handelte und er der Schwiegersohn des "Seniorchefs" war, in der Praxis die einflussreichere Position im Unternehmen. Der Kläger leitete nicht nur den Verkaufsbereich selbständig, sondern trat nach außen auch als Leiter des gesamten Unternehmens auf. Das Tagesgeschäft konnte der Kläger weisungsfrei führen. Die Gesamtlinie wurde bei den jährlichen Bilanzbesprechungen, wo der Kläger den Gesellschaftern die jeweilige Situation des Unternehmens darlegte, festgelegt. In Zeitungsartikeln und Interviews wurde der Kläger als Geschäftsführer und als Leiter des Unternehmens vorgestellt.
Zur Erfassung seiner Überstunden musste der Kläger eine Zeitstempelkarte benutzen und mittels dieser bei Verlassen des Firmengeländes "ausstempeln" oder bei Außendiensten die Zeit in diese eintragen. Eine Kontrolle dieser Zeiten erfolgte nicht.
Wegen der im Verlauf eines Scheidungsverfahrens entstandenen Differenzen zwischen dem Kläger und seiner Gattin wurde der Kläger am 3. 8. 1993 gekündigt und während des Laufs der Kündigungsfrist am 4. 10. 1993 entlassen.
Am 11. 4. 1996 wurde über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin des Klägers das Konkursverfahren eröffnet. Bereits zuvor hatte der Kläger beendigungsabhängige Ansprüche unter Berufung darauf, dass er zu Unrecht entlassen worden sei, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht und diese Ansprüche in der Folge auch im Konkurs angemeldet. In dem nach Konkurseröffnung fortgesetzten Verfahren wurden die Forderungen des Klägers als mit ATS 2,610.483,50 (= EUR 189.711,23) brutto sA zu Recht bestehend erkannt.
Der Kläger begehrte die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld in dieser Höhe, was von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 3. 8. 1999 mit der Begründung abgelehnt wurde, der Kläger sei leitender Angestellter im Sinn des § 1 Abs 6 Z 3 IESG.
Mit seiner am 31. 8. 1999 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von EUR 156.569,88 netto sA schuldig zu erkennen. Er sei nicht als leitender Angestellter anzusehen, weil ihm kein maßgeblicher dauernder Einfluss auf die Führung des Unternehmens zugestanden sei. Er habe sich im Unternehmen nur mit dem Verkauf beschäftigt und habe lediglich eine ihm zugeteilte Sekretärin gehabt. Er sei weder für die Finanzen noch für das Lager und dessen Bewertung noch für die Erstellung der Jahresabschlüsse noch für Einstellungen und Kündigungen von Mitarbeitern und ebenso nicht für die Produktion zuständig gewesen. Aufgrund seines Dienstvertrages sei er in seinen Tätigkeiten rechtlich weitgehend eingeschränkt gewesen, weil er verpflichtet gewesen sei, bei wichtigen Geschäftsabschlüssen, welche über den Rahmen des täglichen Geschäftsverkehrs hinausgehen, das Einvernehmen mit allen Gesellschaftern und/oder mit einem anderen Prokuristen in jedem einzelnen Fall herzustellen. Auch verstoße die Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 3 IESG gegen das geltende Gemeinschaftsrecht, was zur Unanwendbarkeit der Ausschlussbestimmung führe.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe die Leitung des Unternehmens innegehabt, die Gesellschafterfunktion seiner Gattin in deren Vertretung ausgeübt und sei nach außen als Geschäftsführer aufgetreten. Weil es sich um ein Familienunternehmen gehandelt habe, sei der Kläger sowohl mit der Geschäftsführung als auch mit der Vertretung der zur Geschäftsführung berufenen Komplementärin, seiner Ehegattin, betraut gewesen und habe alle unternehmerischen Entscheidungen mitgetragen. Eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie komme nicht in Frage, sodass in Anlehnung an die einschlägige europarechtliche Judikatur nur die Möglichkeit bestehe, die Republik Österreich auf Schadenersatz zu klagen. Auch der Höhe nach seien die geltend gemachten Forderungen nicht zur Gänze gesichert, weil sie einerseits die Grenzbeträge überschritten und andererseits hinsichtlich der Provisionsforderungen aus Scheingeschäften resultierten, sodass ihre Geltendmachung gegenüber der Beklagten sittenwidrig sei. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich darüber hinaus auch aus dem langen Stehenlassen dieser Forderungen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, der Kläger sei als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes anzusehen, weil er hinsichtlich Arbeitszeit und -ort gebunden gewesen sei und die Gesellschafter ihm gegenüber ein Weisungsrecht gehabt haben. Allerdings seien nach § 1 Abs 6 Z 3 IESG vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld leitende Angestellte ausgenommen, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zustehe. Ein leitender Angestellter sei daher derjenige, der regelmäßig unter eigener Verantwortung bedeutsame und "echte" unternehmerische Leitungsaufgaben auf bestimmten (Teil-)Gebieten, die die organisatorische, personelle, kaufmännische, wirtschaftliche, technische oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens betreffen, mit erheblichem eigenem Entscheidungsspielraum wahrnehme. Der Kläger habe in der Praxis nach dem Ausscheiden seines Schwiegervaters das Tagesgeschäft selbständig mitgeführt. Er habe den Bereich des Verkaufs geleitet und habe in diesem Entscheidungen mit weitgehendem Einfluss auf die Unternehmensführung zu treffen gehabt. Er habe den Kundenstamm akquiriert und betreut und habe sich auch um die Personalentscheidungen gekümmert. Zwar sei hier die letzte Entscheidung beim Schwiegervater des Klägers gelegen, doch habe es sich dabei um eine Formalität gehandelt, weil dieser die Vorschläge des Klägers grundsätzlich genehmigt habe. Dass die Gesellschafter dem Kläger gegenüber weisungsbefugt gewesen seien, schließe die Funktion als leitender Angestellter nicht aus, zumal weder der Schwager noch die Gattin des Klägers von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Die Richtlinie 80/987/EWG sei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unmittelbar anzuwenden. Der Kläger könne sich daher im vorliegenden Verfahren nicht auf die Richtlinie berufen, weshalb die nationalen Regelungen des IESG vom Gericht anzuwenden seien.
Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs 6 Z 3 IESG seien in einer Position, die jener des Unternehmers selbst ähnle. Sie seien berufen, auf betriebstechnischem, kaufmännischem oder administrativem Gebiet unter eigener Verantwortung Verfügungen zu treffen, die für die Unternehmensführung von maßgeblicher Bedeutung sind. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die genannte Bestimmung des IESG in europarechtlicher Hinsicht problematisch sei. Angehörige des Führungspersonals könnten nämlich nicht vom Geltungsbereich der Insolvenzrichtlinie ausgeschlossen werden, wenn das nationale Recht sie als Arbeitnehmer qualifiziere und sie nicht in Abschnitt 1 des Anhanges der Richtlinie angeführt seien. Österreich habe in diesen Anhang "leitende Angestellte" nicht hineinreklamiert, sodass die Novelle des IESG mit der diesen der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld aberkannt wurde, offensichtlich europarechtswidrig sei. Allerdings komme die unmittelbare Anwendung der Insolvenzrichtlinie nicht in Frage, sodass einem von der Insolvenzentgeltsicherung ausgeschlossenen leitenden Angestellten nur die Möglichkeit eröffnet wäre, die Republik Österreich auf Schadenersatz zu klagen. Die Beklagte sei ein von der Republik Österreich verschiedenes Rechtssubjekt, sodass sie aus diesem Titel nicht in Anspruch genommen werden könne.
Allerdings reichten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht aus, um prüfen zu können, ob die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 6 Z 3 IESG auf den Kläger Anwendung zu finden habe. Der Umstand allein, dass der Kläger das Tagesgeschäft weisungsfrei habe führen können, sei nicht ausreichend, um ihn als leitenden Angestellten anzusehen. Wesentlich sei, dass der leitende Angestellte die Unternehmensführung maßgeblich beeinflusse, somit eigenständige Entscheidungen treffe, die für die Unternehmensführung von maßgeblicher Bedeutung seien. Dazu bedürfe es konkreter Feststellungen über die Aufteilung der Kompetenzen und in welchen konkreten Bereichen der Kläger für die Unternehmensführung wesentliche Entscheidungen selbständig habe treffen können. Es werde daher zu klären sein, ob und wie weit der Kläger selbständig habe Entscheidungen treffen können, ohne an Vorgaben seines Schwiegervaters gebunden zu sein.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist zulässig, es kommt ihm jedoch im Ergebnis keine Berechtigung zu.
Der Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag im Sinn des § 1151 ABGB ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, welche sich in organisatorischer Gebundenheit insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle - nicht notwendig auch an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit - äußert. Für den Arbeitsvertrag wesentlich ist daher eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, welcher hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenem Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen ist oder wenn dieses Verhalten schon im Arbeitsvertrag vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist, zumindest dessen laufender Kontrolle unterliegt. Dabei müssen die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht alle gemeinsam vorliegen, sondern können durchaus in unterschiedlicher Ausprägung gegeben sein, wenn sie nur insgesamt überwiegen (RIS-Justiz RS0021306). Auch das IESG stellt auf diesen Arbeitnehmerbegriff ab (RIS-Justiz RS0076462). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger bei Verrichtung seiner Arbeit keineswegs weisungsfrei und ungebunden, sondern jedenfalls der aufgrund der Familienbande und der gewählten Treuhandkonstruktion den Gesellschaftern zuzurechnenden Autorität seines Schwiegervaters unterworfen. Die Bindung an bestimmte Arbeitszeiten ergibt sich zudem schon aus der Pflicht zur Mitwirkung am Zeiterfassungssystem, selbst wenn diese nur den Zweck der exakten Erfassung von Überstunden gehabt haben sollte. Wie der Kläger seine Position gegenüber der Außenwelt, etwa der Presse, darstellte, ist vor dem Hintergrund der tatsächlichen Gegebenheiten für die Entscheidung ohne Relevanz. Es ist daher den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass der Kläger als Arbeitnehmer anzusehen ist und daher mit seinen Ansprüchen grundsätzlich in den Schutzbereich des IESG fällt.
Gemäß Art 2 Abs 2 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20. 10. 1980 (im Folgenden: InsolvenzRL) bleibt die Bestimmung des Begriffs des Arbeitnehmers dem einzelstaatlichen Recht überlassen. Der Europäische Gerichtshof zog daraus in seiner Entscheidung C-334/92 (Teodoro Wagner Miret; EuGHSlg 1993, I-06911) den Schluss, dass die Richtlinie folglich dazu bestimmt sei, für alle Gruppen von Arbeitnehmern zu gelten, die vom nationalen Recht eines Mitgliedstaats als solche definiert werden, mit Ausnahme der in ihrem Anhang genannten Gruppen. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargestellt hat, führt der Anhang zur InsolvenzRL als jene Gruppen von Arbeitnehmern, deren Ansprüche gemäß Art 1 Abs 2 vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden können, unter Punkt "I. F: Österreich" an, 1. Mitglieder des Organs einer juristischen Person, das zu deren gesetzlicher Vertretung befugt ist, und 2. Gesellschafter, die befugt sind, einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, auch wenn dieser auf einer treuhändigen Verfügung beruht. Wie der Europäische Gerichtshof in der bereits genannten Entscheidung völlig unmissverständlich ausgeführt hat, dürfen leitende Angestellte nicht vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden, wenn sie vom nationalen Recht als Arbeitnehmer qualifiziert werden und nicht in Abschnitt I des Anhangs der Richtlinie genannt sind.
Die mit dem Strukturanpassungsgesetz BGBl 297/1995 eingeführte Bestimmung des § 1 Abs 6 Z 3 IESG, die gemäß § 17a Abs 6 IESG mit 1. Mai 1995 in Kraft getreten ist, wonach keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auch haben "leitende Angestellte, soweit sie nicht zum Personenkreis nach Z 2 gehören, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht", ist daher als unzulässige Einschränkung des Schutzbereichs der InsolvenzRL europarechtswidrig.
In der Rechtssache 8/81 (Becker; EuGHSlg 1982, 00053) stellte der Europäische Gerichtshof klar, dass nicht nur Verordnungen im Sinn des Art. 189 EG-V (nun: Art. 249 EGV) unmittelbare Wirkung zukomme, sondern dies auch auf Richtlinien zutreffen könne. Es dürfe daher ein Mitgliedstaat, der die in der Richtlinie vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen nicht fristgemäß erlassen habe, dem Einzelnen nicht entgegenhalten, dass er die aus dieser Richtlinie erwachsenen Verpflichtungen nicht erfüllt habe. Es könnten sich demnach die Einzelnen in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen. Einzelne könnten sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können. Diesen Grundsatz wiederholte der Europäische Gerichtshof in seiner die Garantien der InsolvenzRL betreffenden Entscheidung C-6/90 (Francovich; EuGHSlg 1991, I-05357) und erkannte die Bestimmungen dieser Richtlinie als unbedingt und hinreichend genau, sodass das nationale Gericht feststellen könne, ob jemand zu dem Personenkreis gehöre, dem die Richtlinie zugutekommen solle. Das Gericht brauche nämlich nur zu prüfen, ob der Betreffende nach nationalem Recht die Arbeitnehmereigenschaft besitze und nicht gemäß Art 1 Abs 2 und dem Anhang der Richtlinie von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen sei. Die Besonderheit des dort entschiedenen Falles lag allerdings darin, dass der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht umgesetzt und keine Garantieeinrichtung geschaffen hatte. Dazu führte der Gerichtshof aus, dass die Richtlinienvorschriften in Bezug auf die Bestimmung des Personenkreises, dem die Garantie zugutekommen solle und dem Inhalt dieser Garantie zwar unbedingt und hinreichend genau sei, doch regle sie nicht, wer Schuldner dieser Garantieansprüche sei. Der Staat könne nicht allein deshalb als Schuldner angesehen werden, weil er die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt habe. Könne in diesem Fall der Einzelne die ihm durch das Gemeinschaftsrecht zuerkannten Rechte vor den nationalen Gerichten nicht geltend machen, so verlange die volle Wirksamkeit gemeinschaftsrechtlicher Regelungen, dem Einzelnen einen entsprechenden Entschädigungsanspruch zuzugestehen, welcher im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben sei.
In seiner bereits zitierten Entscheidung Teodoro Wagner Miret hatte sich der Gerichtshof mit dem Schutz leitender Angestellter aufgrund der InsolvenzRL zu befassen. Im betreffenden Mitgliedstaat hatte ein Garantiefonds bereits vor Erlass der Richtlinie bestanden, der durch einen Artikel des sogenannten Arbeitnehmerstatuts geschaffen worden war, welches keine Geltung für leitende Angestellte hatte. Eine Anpassung an die Richtlinie erfolgte nicht. Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass für die Gruppe von Arbeitnehmern, die leitende Angestellte sind, eine Garantieeinrichtung überhaupt nicht bestehe, sodass diese nicht von einer für andere Arbeitnehmergruppen geschaffenen Garantieeinrichtung die Befriedigung ihrer Gehaltsansprüche verlangen könnten. Mangels Möglichkeit richtlinienkonformer Auslegung kam der Gerichtshof auch hier unter ausdrücklichem Verweis auf das Urteil Francovich zu dem Schluss, es sei der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet, leitenden Angestellten die Schäden zu ersetzen, die ihnen dadurch entstanden sind, dass die Richtlinie in Bezug auf sie nicht durchgeführt worden sei.
Der Rekurswerber verweist zutreffend darauf, dass ein derartiger Fall für den österreichischen Rechtsbereich nicht vorliegt. Wie bereits dargestellt, war die Regelung des IESG ursprünglich richtlinienkonform, weil auch leitende Angestellte in den Schutzbereich dieses Gesetzes fielen und ihre Ansprüche gegenüber der für alle Gruppen von Arbeitnehmern geschaffenen Garantieeinrichtung geltend machen konnten und diese auch bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ersetzt erhielten. Erst durch das Strukturanpassungsgesetz wurden leitende Angestellte in offener Missachtung europarechtlicher Vorgaben aus dem Schutzbereich des IESG ausgeschlossen. Das kann aber für den österreichischen Rechtsbereich nicht bedeuten, dass nun für diese Gruppe von Arbeitnehmern eine Garantieeinrichtung überhaupt nicht mehr bestünde und daher nicht abgesehen werden könnte, wer Schuldner eines entsprechenden Garantieanspruchs sei. Vielmehr besteht an der grundsätzlichen Passivlegitimation der Beklagten auch nach deren eigenem Vorbringen keinerlei Zweifel und stützt sie sich lediglich darauf, dass ihr gegenüber der Anspruch aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmung nicht gesichert sei. Es kann somit keine Rede davon sein, dass eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie an der mangelnden Bestimmbarkeit der Garantieeinrichtung scheitere (in diesem Sinne auch: EuGH Slg 2001, I-07687).
Der Europäische Gerichtshof hat jüngst in der Rechtssache C-157/02 (Rieser gegen Asfinag) neuerlich die Möglichkeit der Berufung auf inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber allen nicht richtlinienkonformen nationalen Vorschriften betont. Er hat dort weiter ausgeführt, dass der Einzelne, wenn er sich gegenüber dem Staat auf eine Richtlinie berufen kann, dies unabhängig davon tun könne, in welcher Eigenschaft - als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger - der Staat handle. In dem einen wie dem anderen Fall müsse verhindert werden, dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts Nutzen ziehen könne. Eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen habe und die hiezu mit besonderen Rechten ausgestattet sei, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, gehöre zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können. Der beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtete (§ 13 Abs 1 IESG) Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, dessen Mittelaufbringung ebenso wie deren Verwendung im IESG (siehe auch § 12 IESG) gesetzlich geregelt ist, wird durch die nunmehrige Beklagte, die dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nachgefolgt ist (§ 17a Abs 29 IESG) vertreten, die in allen Angelegenheiten für ihn zu handeln hat (§ 3 Abs 4 IAF-Service-GmbH-Gesetz). Die Anteile stehen zu 100 % im Eigentum des Bundes (§ 5 Abs 1 leg cit), die GmbH besorgt ihre Aufgaben in den vom Gesetz bestimmten Fällen hoheitlich, sonst in den Formen des Privatrechts (§ 3 Abs 1 leg cit). Die Beklagte ist daher der in der vorzitierten Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof als Einrichtung, der gegenüber sich der einzelne unmittelbar auf Bestimmungen von Richtlinien berufen kann, qualifizierten Asfinag weitestgehend gleichzuhalten, sodass nicht zweifelhaft sein kann, dass auch ihr gegenüber der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (vgl auch VfGH vom 28. 11. 2003, GZ KR 1/00) unmittelbar durchschlägt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, gilt die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - auch gegenüber Einrichtungen, die selbst nicht in der Lage sind, das Umsetzungsdefizit legistisch zu beseitigen (RIS-Justiz RS0115897 [Pensionsversicherungsanstalt]; RIS-Justiz RS0118434 [ORF]; 8 ObA 41/03t, 9 ObA 17/03w [Gemeinde]), wie sich dies auch ohne Weiteres aus der bereits zitierten EuGH-Judikatur ergibt.
Gemäß Art 3 Abs 1 der InsolvenzRL haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Grantieeinrichtungen die Befriedigung der nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten die in Art 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen. Machen die Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch, haben sie - für den österreichischen Rechtsbereich (vgl. RIS-Justiz RS0113479; RS0113354) - gemäß Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nichterfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Stichtag liegen, sicherzustellen.
Auf diese Mindestsicherung nahm der Europäische Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung vom 11. 9. 2003, C-201/01, Bezug. Der erkennende Senat hatte am 26. 4. 2001 zu 8 ObS 249/00a angefragt, ob es im Einklang mit der InsolvenzRL stehe, einem Gesellschafter-Arbeitnehmer ohne beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft, der durch mehr als 60 Tage aushaftenden Lohn nicht ernsthaft einfordert oder wegen Vorenthaltens des Entglets nicht vorzeitig austritt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung über das Eigenkapital ersetzende Darlehen den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu versagen. Die Vorabentscheidung des Gerichtshofes lässt sich - soweit hier von Belang - dahin zusammenfassen, dass ein Mitgliedstaat zwar grundsätzlich zur Vermeidung von Missbräuchen berechtigt sei, Maßnahmen zu ergreifen, durch die einem solchen Arbeitnehmer ein Garantieanspruch für Entgeltforderungen versagt wird, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, wegen Vorenthaltens des Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten wäre Der Mitgliedstaat dürfe jedoch nicht unterstellen, ein Arbeitnehmer, der nicht die Stellung eines Gesellschafters hat, wäre in der Regel aus diesem Grund aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten, bevor die nicht erfüllten Entgeltsansprüche einen Zeitraum von drei Monaten betreffen.
Der erkennende Senat hat daraufhin in den Entscheidungen 8 ObS 16/03s und 8 ObS 17/03p Arbeitnehmern, die gleichzeitig Gesellschafter ihres Arbeitgebers ohne beherrschenden Einfluss waren, die vom Europäischen Gerichtshof eingeforderte Mindestsicherung zugesprochen, jedoch gleichzeitig klargestellt, dass in Anbetracht der gesicherten Rechtsprechung zum eigenkapitalersetzenden Darlehen nach nationalem Recht ein Anspruch nicht bestehe. Die durch längere Zeit unberichtigten Gehaltsansprüche könnten wegen der Qualifikation als Eigenkapitalersatz etwa im Konkurs des Arbeitgebers nicht durchgesetzt werden (9 ObA 53/00k = ZIK 2000, 138 = RdW 2000, 537 = DRdA 2000, 423) und auch ein Rückgriffsanspruch des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß § 11 IESG gegen die Konkursmasse des ehemaligen Arbeitgebers sei in diesem Umfang nicht gegeben (8 ObS 249/00a).
Der leitende Angestellte ist in Teilbereichen von sonst grundsätzlich für Arbeitnehmer geltenden Regelungen ausgenommen ist (etwa: §§ 1 Abs 2 Z 8, 19b AZG; § 1 Abs 1 Z 5 ARG; § 10 Abs 2 Z 2 AKG). Gemäß § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG gelten leitende Angestellte, denen maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht, nicht als Arbeitnehmer. Die Ausnahme vom persönlichen Geltungsbereich der Betriebsverfassung ist in der gegenüber den übrigen Arbeitnehmern erheblich abweichenden Interessenlage begründet, jene nach dem Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz im Aufgabenbereich leitender Angestellter, der eine Bindung an fixe Arbeitszeitgrenzen und Arbeitszeitverteilung kaum zulässt (RIS-Justiz RS0052228). Aus arbeitsvertraglicher Sicht ist der leitende Angestellte aber dennoch nach ständiger Rechtsprechung Arbeitnehmer, wofür - wie eingangs bereits dargestellt - insbesondere das ihm gegenüber bestehende Weisungsrecht spricht (RIS-Justiz RS0050979; Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Erl 6 zu § 36). Seine Entgeltansprüche stehen ihm, selbst wenn er sie nicht unmittelbar einfordert, auch im Konkurs seines Arbeitgebers zu und können im Falle der Begleichung durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds durch diesen kraft Legalzession gemäß § 11 IESG eingefordert werden. Die Stellung des leitenden Angestellten unterscheidet sich somit von jener des Gesellschafter-Arbeitnehmers, dadurch, dass auf ihn, als am Unternehmen nicht Beteiligtem, die Regeln über das eigenkapitalersetzende Darlehen in keinem Fall anzuwenden sind und somit die in den bereits zitierten Entscheidungen 8 ObS 16/03s und 8 ObS 17/03p angestellten Erwägungen über den im nationalen Recht begründeten Anspruchsverlust hier nicht zutreffen.
Art 3 Abs 1 der InsolvenzRL legt den Mitgliedstaaten die grundsätzliche Pflicht auf, die Befriedigung vor dem Stichtag liegender nicht erfüllter Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverhältnissen sicherzustellen. Anders als dem Gesellschafter-Arbeitnehmer, auf den die Regeln des Eigenkapitalersatzes zutreffen, stehen dem leitenden Angestellten grundsätzlich Ansprüche im Sinne des Art 3 der Richtlinie zu. Gemäß Art 4 Abs 1 der Richtlinie kann der Mitgliedstaat die in Art 3 vorgesehene Zahlungspflicht in der in Abs 2 festgelegten Form begrenzen. Er könnte sie jedoch gemäß Art 1 Abs 2 der Richtlinie allgemein für leitende Angestellte nur dann gänzlich ausschließen, wenn diese Gruppe von Arbeitnehmern im Anhang zur Richtlinie angeführt wäre, was jedoch - wie bereits dargestellt - nicht der Fall ist.
§ 1 Abs 6 Z 3 IESG stellt daher einen unzulässigen Ausschluss dar (vgl Liebeg, IESG2, § 1, Rz 300 ff). Von seiner Möglichkeit, für diese Gruppe von Arbeitnehmern besondere Begrenzungen zu schaffen, hat der Gesetzgeber nicht Gebrauch gemacht. Es ist nicht Sache des Gerichtes unbefriedigende oder - wie hier - europarechtswidrige Gesetze, die einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich sind, zu ändern (vgl. RIS-Justiz RS0008880; zum Kollektivvertrag: ArbSlg. 10.447; JBl 1996,672; 8 ObA 30/00w u.a.), sodass sich der erkennende Senat nicht in der Lage sieht, unter Umgehung der hiezu berufenen Institutionen von sich aus eine Begrenzung etwa mit der Höhe der Mindestsicherung gemäß Art 4 Abs 2 erster Gedankenstrich der InsolvenzRL festzulegen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es somit auf die Qualifikation des Klägers als leitender Angestellter nicht entscheidend an, weil er, selbst wenn seine Tätigkeit die von der Rechtsprechung dafür geforderten Voraussetzungen erfüllte, jedenfalls in den Schutzbereich des IESG fällt. Der vom Berufungsgericht zur Klärung dieser somit nicht entscheidungswesentlichen Frage aufgetragenen Beweisaufnahmen bedarf es daher nicht. Allerdings kann der Oberste Gerichtshof dennoch nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Höhe der Ansprüche des Klägers - insbesondere im Hinblick auf die Anspruchsbegrenzung nach § 1 Abs 3 Z 4, Abs 4 und 4a IESG - strittig geblieben ist und es überdies entsprechender Tatsachenfeststellungen bedarf, um den von der Beklagten erhobenen Sittenwidrigkeitseinwand beurteilen zu können.
Dem Rekurs ist im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO. Da der Rekurs des Klägers zur Korrektur der vom Berufungsgericht überbundenen Rechtsansicht geführt hat, war er zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich.
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