OGH 9ObA17/03w

OGH9ObA17/03w24.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sandra K*****, Kindergartenhelferin, *****, vertreten durch Dr. Friedl Rechtsanwälte KEG in Eibiswald, gegen die beklagte Partei V*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 2002, GZ 7 Ra 257/02x-21, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Mai 2002, GZ 41 Cga 142/01v-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.189,44 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 198,24 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 10. 9. 1990 bis zum 10. 9. 2000 bei der Marktgemeinde P***** als Kindergartenhelferin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war das Steiermärkische Gemeindevertragsbedienstetengesetz (stmk GVBG) anzuwenden.

Der von der Gemeinde betriebene Kindergarten bot ein nur beschränktes Betreuungsangebot, weshalb die Anmeldungen zurückgingen. Da sich die Gemeinde auf Grund ihrer beschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten außer Stande sah, den Kindergarten mit geänderten Öffnungszeiten weiterzuführen, bot sie im Sommer 2000 der Beklagten die Übernahme des Kindergartens an.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH, zu deren Aufgaben neben mobilen Sozial- und Gesundheitsdiensten auch die stationäre Alten- und Kinderbetreuung gehört. Sie führt Kindergärten ganzjährig, ganztägig und mit flexiblen Öffnungszeiten. Ihre in den Kindergärten tätigen Arbeitnehmer entlohnt sie nach dem Mindestlohntarif für die Angestellten in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen; Kündigungsmöglichkeiten und Urlaubsanspruch richten sich nach dem Angestellten- bzw nach dem Urlaubsgesetz.

Die Gemeinde vereinbarte mit der Beklagten die ganzjährige und ganztägige Führung des Kindergartens am bisherigen Standort. Eine der Bedingungen, die die Beklagte hiefür stellte, war die vorherige Beendigung der Dienstverhältnisse der Kindergartenbediensteten der Gemeinde.

Im Juli oder im August 2000 informierte die Gemeinde die Klägerin und ihre Kolleginnen von der geplanten Übernahme des Kindergartens durch die Beklagte und von der Möglichkeit, von der Beklagten nach Beendigung der Dienstverhältnisse zur Gemeinde weiter beschäftigt zu werden. Daraufhin kam es zu einer Reihe von Gesprächen unter Einbeziehung der Personalvertretung, in der die Unterschiede zwischen der Beschäftigung bei der Gemeinde und der Beschäftigung bei der Beklagten erörtert wurden. Die Klägerin und ihre Kolleginnen wurden auch vom ÖGB beraten, wobei sie ebenfalls auf die unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten und die grundsätzlich mit einem Wechsel verbundene arbeitsrechtliche Schlechterstellung hingewiesen wurden.

Da die Gemeinde an ihrem Vorhaben festhielt, forderte die Klägerin und ihre Kolleginnen die Weiterzahlung des bisherige Entgelts, weshalb sich die Gemeinde zur monatlichen Zahlung der Differenz zwischen dem bisherigen Gehalt und dem bei der Beklagten zu erwartenden Bezug verpflichtete. Anders als eine Kollegin forderte die Klägerin überdies die Zahlung der ihr zustehenden Abfertigung. Schließlich erwirkte die Klägerin die Zusage, dass ihr Dienstort ausschließlich P***** bleiben werde und dass sie bei Schließung einer Kindergartengruppe in der anderen Gruppe weiterarbeiten könne. Überdies wurde ihr die Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitszeit (7.00 Uhr bis 13.00 Uhr) zugesagt; die für die anderen Mitarbeiterinnen geltende Arbeitszeit sollte für sie nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Die Weitergeltung der Kündigungsbeschränkungen nach dem stmk GVBG verlangte die Klägerin nicht. Nach dem über alle diese Punkte Einigung erzielt worden war, vereinbarte die Klägerin mit der Gemeinde die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses zum 10. 9. 2000. Dass die Vereinbarung, mit der sämtliche Sonderwünsche der Klägerin erfüllt wurden, unter erheblichem Druck des Bürgermeisters zustandegekommen wäre, ist nicht erwiesen worden.

Die in der Folge vom Gemeinderat genehmigte Auflösungsvereinbarung enthält die eben erörterten Regelungen, und zwar auch jene, die die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten betreffen. Diese wurden unter Hinweis auf eine "Absprache mit dem neuen Arbeitgeber" in der Vereinbarung aufgelistet. Die Auflösungsvereinbarung sieht überdies vor, dass die Klägerin von der Beklagten auch die anteilige Jubiläumszuwendung für das 20-jährige Dienstjubiläum nach dem stmk GVBG erhalten werde und dass ihr die Gemeinde zur Abgeltung der zu erwartenden Reduzierung der Urlaubsansprüche eine jährliche Erfolgsprämie zahlen werde. Zudem verpflichtete sich die Gemeinde, die Klägerin wieder in ihren Dienst zu stellen, falls die die Gemeinde wieder die Führung des Kindergartens übernehmen werde.

Anfang Oktober 2000 wurde der Klägerin von ihrer neuen Arbeitgeberin ein Standard-Dienstzettel ausgehändigt, der die vereinbarten Sonderbedingungen nicht enthielt. Nachdem die Klägerin dies moniert hatte, erhielt sie bis Dezember 2000 noch fünf weitere Dienstzettel, bis schließlich im zuletzt übergebenen Dienstzettel alle vereinbarten Bedingungen enthalten waren. Die in den Dienstzetteln enthaltenen Kündigungsbestimmungen wurden von ihr nie beanstandet.

"Aufgrund sich in der Folge entwickelnder Spannungen unter den Mitarbeiterinnen im Kindergarten, als deren Urheberin die Verantwortlichen der Beklagten die Klägerin sahen", äußerte die zuständige Regionalleiterin der Beklagten - ohne vorher mit der Klägerin oder ihrer unmittelbaren Vorgesetzten zu sprechen - den Wunsch, die Klägerin zu kündigen. Diesem Wunsch wurde von der Beklagten - ebenfalls ohne Anhörung der Klägerin oder anderer Mitarbeiter - entsprochen: Nachdem der Betriebsrat gegen die beabsichtigte Kündigung Einspruch erhoben hatte, wurde das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. 3. 2001 zum 31. 5. 2001 ohne Angabe von Gründen gekündigt.

Der Angestelltenbetriebsrat der Beklagten leitete gegen die Beklagte ein Kündigungsanfechtungsverfahren wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung ein, dem die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. 8. 2001 als Nebenintervenientin beitrat. Mit Schriftsatz vom 13. 8. 2001 zog der Betriebsrat die Klage zurück. Daraufhin wurde das Verfahren von der Klägerin gemäß § 105 Abs 4 ArbVG fortgesetzt. Erstmals in ihrem Schriftsatz vom 9. 8. 2001 (Beitritt als Nebenintervenientin) berief sich die nunmehrige Klägerin auf die Nichtigkeit der Kündigung im Hinblick auf § 3 Abs 1 AVRAG. Mit Beschluss vom 4. 6. 2002 wurde das Kündigungsanfechtungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unterbrochen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 1. 10. 2001 eingebrachten Klage die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis aufrecht sei. Es habe ein Betriebsübergang iS der BetriebsübergangsRL stattgefunden, sodass die - unter Druck zustande gekommene - einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zur Gemeinde nichtig sei und das Dienstverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen sei. Die Kündigung sei erfolgt, weil sich die Klägerin geweigert habe, den ihr vorgelegten Standarddienstzettel zu unterfertigen und sich der von der Beklagten gewünschten Betriebsorganisation zu unterwerfen. Sie sei daher in der Absicht ausgesprochen worden, die BetriebsübergangsRL zu umgehen und sei somit nichtig. Zudem hätte die Beklagte die Kündigungsbestimmungen des stmk GVBG einhalten müssen. Die Nichtigkeit der Kündigung sei auch rechtzeitig geltend gemacht worden.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das AVRAG sei nach dessen § 1 Abs 2 Z 1 auf Arbeitsverhältnisse zu Gemeinden nicht anzuwenden. Zudem sei auch gar kein Betriebsübergang erfolgt, weil die Gemeinde den Kindergarten eingestellt und die Dienstverhältnisse beendet habe. Schon auf Grund dieser einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses sei ein Eintritt der Beklagten in ein bestehendes Dienstverhältnis nicht möglich. Die Kündigung sei daher rechtsgültig. Sie sei im Übrigen deshalb erfolgt, weil die Klägerin pädagogisch äußerst bedenkliche Verhaltensweisen gesetzt und das Klima im Kindergarten negativ beeinflusst habe. Jedenfalls sei der Klägerin eine Verletzung ihrer Aufgriffsobliegenheit vorzuwerfen, weil sie sich bis zur Klage nicht auf das AVRAG oder die BetriebsübergangsRL berufen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die BetriebsübergangsRL unmittelbar auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden sei, weil das Land Steiermark als zuständiger Gesetzgeber seiner Umsetzungsverpflichtung nicht nachgekommen und die Klägerin nicht mit hoheitlichen Verwaltungsaufgaben betraut gewesen sei. Die Übernahme der Betriebsführung des Kindergartens durch die Beklagte sei ein Betriebsübergang iSd RL, sodass sich die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnis zur Gemeinde im Hinblick auf die verschlechterten Kündigungsbestimmungen beim Erwerber als unwirksames Umgehungsgeschäft erweise. Das Dienstverhältnis sei daher ex-lege zu unveränderten Bedingungen auf die Beklagte übergegangen. Allerdings habe die Klägerin ihre Aufgriffsobliegenheit verletzt, weil sie diesen Umstand erst am 1. 10. 2001 mit Klage geltend gemacht habe, obwohl sie von der beabsichtigten Übernahme des Kindergartenbetriebs durch die Beklagte - und auch von der damit bewirkten Verschlechterung der Arbeitsbedingungen - schon seit Juli oder August 2000 gewusst habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass zwar ein Betriebsübergang stattgefunden habe, zumal der zunächst von der Gemeinde betriebene Kindergarten am selben Standort mit den selben Betriebsmitteln und denselben Mitarbeitern weitergeführt worden sei. Allerdings sei hier weder § 3 AVRAG, der für Dienstverhältnisse zu Gemeinden nach § 1 Abs 2 Z 1 AVRAG nicht gelte, noch die BetriebsübergangsRL anwendbar. Die unmittelbare Anwendung der Richtlinie komme nämlich nur in Betracht, wenn der Arbeitsvertragspartner der "Staat" selbst sei. Hier sei aber Partner des Arbeitsvertrages der Klägerin nicht der Staat, sondern ein privates Unternehmen. Es sei eine echte Privatisierung erfolgt, für die eine unmittelbare Anwendung der BetriebsübergangsRL nicht in Betracht komme, sondern nur die Möglichkeit der Staatshaftung wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie durch den Gesetzgeber bleibe.

Da im Übrigen auch kein Druck auf die Klägerin ausgeübt worden sei, sei die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zur Gemeinde wirksam erfolgt, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei.

Aber auch bei Bejahung der unmittelbaren Anwendung der BetriebsübergangsRL müsse das Klagebegehren erfolglos bleiben, weil die Klägerin bereits im Sommer 2000 vom geplanten Betriebsübergang gewusst und sich - von der Verschlechterung der Kündigungsbestimmungen abgesehen - sämtliche Rechte aus dem bisherigen Dienstverhältnis gesichert habe. Schließlich sei die Unwirksamkeit einer Kündigung iSd § 3 AVRAG nach der Rechtsprechung "ohne unnötigen Aufschub" geltend zu machen. Dies sei hier nicht erfolgt. Aus der mangelnden Information der Klägerin über eine mögliche Anwendung der BetriebsübergangsRL folge nicht, dass sie sich nach der Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung ihres bisherigen Dienstverhältnisses mehr als ein Jahr Zeit lassen könne, um die Nichtigkeit der einvernehmlichen Lösung als Umgehung der Eintrittsautomatik geltend zu machen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens beantragt.

Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom 14. 2. 1977, die durch die Richtlinie 98/50/EG vom 17. 7. 1998 neu gefasst wurde bzw nunmehr in die Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom 12. März 2001 übergegangen ist (in der Folge immer: BetriebsübergangsRL) vorliegt, hängt - ebenso wie die Beurteilung, ob ein Betriebsübergang im Sinne der die BetriebsübergangsRL umsetzenden Bestimmung des § 3 Abs 1 AVRAG vorliegt -davon ab, ob eine wirtschaftliche Einheit unter Identitätswahrung übergegangen ist. Sowohl der EuGH wie auch der OGH stellen primär nicht auf den Übergang einer organisatorischen, sondern weitgehend einer wirtschaftlichen Einheit unter Identitätswahrung ab (RIS-Justiz RS0082749; RS0110832; SZ 70/219; SZ 71/100; SZ 72/180 uva). Es kommt daher auf die Übernahme der materiellen und immateriellen Aktiva, des Großteils der Belegschaft, den Übergang der Kundschaft, den Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit, die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit und die Übertragung einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung an, wobei die Betriebsidentität gerade nicht von der Identität des Betriebsinhabers abhängig ist. Dabei ist im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbewertung der einzelnen vorliegenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmen, zumal der Betriebsübergang in einem sehr weiten Sinn zu verstehen ist (SZ 71/100 uva). Berücksichtigt man nun, dass der Kindergarten von der Beklagten am selben Standort geführt wird, dass die ehemaligen Mitarbeiter der Gemeinde weiter dort tätig sind und dass mit Ausnahme einer Erweiterung des Angebotes keine wesentlichen organisatorischen oder strukturellen Änderungen vorgenommen wurden, sind die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang zu bejahen (vgl dazu die erst kürzlich ergangene Entscheidung 8 ObA 41/03t, die ebenfalls die Übernahme eines Gemeindekindergartens durch einen privaten Rechtsträger betrifft).

Gemäß § 1 Abs 1 AVRAG gilt dieses Bundesgesetz für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Gemäß § 1 Abs 2 Z 1 leg cit sind vom Anwendungsbereich des Bundesgesetzes Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden ausgenommen. Die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 1 AVRAG gilt sowohl dann, wenn der Veräußerer, als auch dann, wenn der Erwerber ein Land oder eine Gemeinde ist (SZ 72/70; zuletzt 8 ObA 41/03t). Gegenüber der Gemeinde als Arbeitgeberin und Veräußererin kann daher § 3 Abs 1 AVRAG nicht angewendet werden.

Im Sinne der bereits in der Entscheidung SZ 72/70 angestellten Überlegungen ist jedoch der Gemeinde gegenüber die BetriebsübergangsRL unmittelbar anzuwenden.

Die Zuständigkeit (und damit die Verpflichtung) zur Umsetzung der BetriebsübergangsRL kam im hier interessierenden Bereich dem Landesgesetzgeber zu (ausführlich dazu: SZ 72/70; zum Dienstrecht von in Kindergärten beschäftigten Gemeindebediensteten: 8 Ob 41/03t). Ist - wie im vorliegenden Fall - ein Land bei der Erfüllung der Umsetzungsverpflichtungen säumig geblieben, so ist der Bund, falls er in einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH wegen dieser Säumigkeit verurteilt wird, berechtigt, die Regelungskompetenz in der jeweiligen Materie an sich zu ziehen (Art 23d Abs 5 B-VG idF B-VG Nov 1994, 1013). Ein solcher Fall liegt hier derzeit nicht vor. Eine Art 3 der RL bzw § 3 AVRAG entsprechende Regelung fehlt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien unter bestimmten Umständen als Anspruchsgrundlage für individuelle Rechtsansprüche gegen den Staat herangezogen werden. Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung ist, dass die Richtlinie für eine individuelle Anwendung zureichend bestimmt ist und den Mitgliedstaaten keinen besonderen Ermessensspielraum gewährt, was bei der hier interessierenden Richtlinie zutrifft (vgl zuletzt 8 ObA 41/03t). Ist daher der Arbeitsvertragspartner der "Staat" selbst, entfaltet die Richtlinie unter den weiteren genannten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Individuum und Staat (SZ 72/70 mwN). Die Berufungsmöglichkeit auf die Richtlinie besteht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aber nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Organisationen oder Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten, also auch für Gemeinden (8 ObA 41/03t mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH. Daraus folgt, dass die Gemeinde die BetriebsübergangsRL gegen sich gelten lassen muss.

Ob der Beklagten die "Eintrittsautomatik" der in § 3 Abs 1 AVRAG umgesetzten BetriebsübergangsRL entgegengehalten werden kann, hängt davon ab, ob eine zumindest analoge Anwendung des AVRAG zu bejahen ist. Die BetriebsübergangsRL selbst nämlich kann gegenüber einem Privaten nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unmittelbar angewendet werden (Faccini Dori-Recreb C-91/92 Slg 1994 I-03325; 8 Ob 41/03t).

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung 8 ObA 41/03t (die - wie ausgeführt - ebenfalls die Übernahme eines Gemeindekindergartens durch einen privaten Rechtsträger betrifft) mit dieser Frage unter Einbeziehung des Schrifttums eingehend auseinandergesetzt. Unter Berufung auf Resch, Betriebsübergang bei Ausgliederung von Gemeinde- und Landesbetrieben, in "Sozialpolitik ist Gesellschaftspolitik", FS Josef Cerny) und unter Hinweis auf das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation von Gesetzen vertritt er die Auffassung, dass bei echten Privatisierungen von Landes- bzw Gemeindebetrieben der neue Arbeitgeber grundsätzlich dem AVRAG unterliegt, weil ab dem Betriebsübergang zu ihm ein Arbeitsverhältnis, das auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht, vorliegt und auch keine der Ausnahmen vom Geltungsbereich des AVRAG greift. Da die Gebietskörperschaft mangels Umsetzung unmittelbar der BetriebsübergangsRL unterliegt, deren Rechtsfolgen jenen des § 3 AVRAG im Wesentlichen entsprechen, greift daher die Regelung des rechtswahrenden ex-lege-Übergangs der Arbeitsverhältnisse auch beim Übergang von der Gebietskörperschaft auf den Privaten (ausführlich: 8 ObA 41/03t).

Dieser Auffassung ist uneingeschränkt beizupflichten.

Das zu 9 ObA 260/02d eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren steht - wie ebenfalls bereits in 8 ObA 41/03t ausgeführt - dieser Beurteilung nicht entgegen, weil dort die - nicht vergleichbare - Frage zu klären war, ob sich ein Gemeindeverband als "staatliche Einrichtung" seinen Arbeitnehmern gegenüber auf die RL berufen kann, obwohl diese dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen.

Damit stellt sich die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage nach der Wirksamkeit der von ihr mit der Gemeinde vereinbarten einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses.

In seiner Entscheidung SZ 68/187 = DRdA 1997, 115 [Kirschbaum] hat der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit der Vereinbarung einer einvernehmlichen Lösung bei Neubegründung eines Dienstverhältnisses zum Erwerber jedenfalls für den Fall als unzulässig und rechtsunwirksam erachtet, wenn diese Disposition zu Lasten eines Dritten (dort des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) erfolgt. Eine klare Stellungnahme, ob der Übergang der Arbeitsverhältnisse gemäß § 3 Abs 1 AVRAG generell zweiseitig zwingend sei und andere (ungünstigere oder auch günstigere) Dispositionen unzulässig seien, ist der Entscheidung allerdings nicht zu entnehmen.

Holzner/Reissner (AVRAG 110) vertreten die Auffassung, dass in diesem Fall zu prüfen sei, ob bei einvernehmlicher Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Veräußerer bei Weiterbeschäftigung durch den Erwerber eine Umgehung des § 3 AVRAG gegeben ist. Dies sei jedenfalls anzunehmen, wenn sich die Arbeitsbedingungen im neuen Arbeitsverhältnis verschlechtert haben. Ob dies der Fall ist, sei anhand eines Günstigkeitsvergleichs zu beurteilen, der als eine Art "Einzelvergleich" stattfinden müsse (Holzner/Reissner, AVRAG 110, 104). Führe die Prüfung zum Ergebnis, dass eine Umgehung von § 3 Abs 1 AVRAG vorliege, sei die einvernehmliche Lösung nichtig und der ex-lege-Übergang des unveränderten Arbeitsverhältnisses greife ein.

Auch Schrank (Probleme der Kündigung im Zusammenhang mit einem Betriebs(teil)übergang, in Tomandl, Der Betriebs(teil)übergang im Arbeitsrecht 81ff) und Gahleitner/Leitsmüller (Umstrukturierung und AVRAG Rz 247) stellen für die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer bei gleichzeitiger Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zum Erwerber auf einen Günstigkeitsvergleich ab.

Hingegen ist nach Binder (AVRAG Rz 131) nur darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer nicht unter ungerechtfertigten Druck gesetzt wird. Sei jedoch das Arbeitsverhältnis aus freien Stücken einvernehmlich beendet worden, hänge die Zulässigkeit dieses Beendigungsaktes nicht davon ab, ob sich der Arbeitnehmer einem anderen Unternehmer zuwende, in den Ruhestand trete oder sich vom Erwerber zu besseren oder auch zu schlechteren Bedingungen wieder einstellen lasse.

Der Oberste Gerichtshof teilt die Auffassung, dass die Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer verbunden mit der Vereinbarung der Weiterbeschäftigung beim Erwerber zu ungünstigeren Bedingungen als unzulässige Umgehung des § 3 Abs 1 AVRAG zu werten ist. Allerdings ist es in diesem Zusammenhang nicht angebracht, dem Arbeitnehmer jede Dispositionsmöglichkeit zu nehmen, sodass die Prüfung, ob die Weiterbeschäftigung zu verschlechterten Bedingungen erfolgt, nicht mit einem starren Einzel- oder Gruppengünstigkeitsvergleich sondern mit einem Gesamtgünstigkeitsvergleich vorzunehmen ist. Sind die mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen Vereinbarungen nach ihrem gesamten wirtschaftlichen und rechtlichen Gehalt für ihn ebenso günstig wie die im Falle des ex-lege-Eintritts gegebene Situation, kann von einem unzulässigen Umgehungsgeschäft nicht mehr gesprochen werden. Im zuletzt genannten Fall ist daher die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer wirksam, sodass ein ex-lege-Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber nicht mehr stattfindet und die Weiterbeschäftigung auf der Basis der zwischen Arbeitnehmer und Erwerber getroffenen Vereinbarungen erfolgt.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung erweisen sich die hier von der Klägerin abgeschlossenen Vereinbarungen aber als zulässig und wirksam.

Als verschlechternd wird in den Entscheidungen der Vorinstanzen der Umstand gewertet, dass die Klägerin durch die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten den Kündigungsschutz des stmk GVBG verloren habe. Darin kann aber nur dann eine für die Beurteilung der Vereinbarung relevante Schlechterstellung erblickt werden, wenn der Klägerin im Falle eines ex-lege-Übergangs dieser Kündigungsschutz gewahrt geblieben wäre, was einer eingehenden Prüfung bedürfte, die letztlich ua davon abhängt, wie man den Umstand, dass dem Dienstverhältnis bei der Gemeinde das stmk GVBG zugrunde lag, während auf Dienstverhältnisse bei der Beklagten nur ein Mindestlohntarif anwendbar ist, im Hinblick auf das Regelungssystem der Absätze 1 und 2 des § 4 AVRAG bewertet. Diese Frage muss aber hier nicht geklärt werden, weil selbst dann, wenn insoweit wirklich gegenüber der Situation beim ex-lege-Übergang des Dienstverhältnisses eine Verschlechterung eingetreten wäre, die Gesamtbeurteilung der mit der Klägerin geschlossenen Vereinbarungen die Annahme eines unzulässigen Umgehungsgeschäftes ausschließt.

In diesem Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, dass die Klägerin mit der von ihr vereinbarten Weiterhaftung der Gemeinde für die durch den Betreiberwechsel bedingten Einkommenseinbußen nicht nur eine Verschlechterung ihres bisherigen Einkommens vermieden, sondern darüber hinaus eine einkommensrechtliche Stellung erreicht hat, die besser ist als jene, die ihr im Falle eines ex-lege-Übergangs zugekommen wäre. In diesem Zusammenhang wurde bereits in der Entscheidung 8 ObA 41/03 klargestellt, dass die insoweit als Kollektivvertrag und nicht als Individualvereinbarung zu wertenden Entgeltbestimmungen des Steiermärkischen GVBG günstiger sind als der Mindestlohntarif für die Angestellten in privaten Kinderbetreuungseinrichtungen. Da der nunmehr für die Klägerin geltende Mindestlohntarif nur Mindestentgelte festsetzt und - anders als die üblichen Kollektivverträge -keine entsprechende Erhöhung von über diesen Mindestentgelten liegenden Istlöhnen vorsieht, wäre es daher im Falle eines ex-lege-Übergangs des Dienstverhältnisses bei Erhöhung der Mindestentgelte bis zur Aufsaugung der Überzahlung zu keiner entsprechenden Erhöhung des gleich einer einzelvertraglichen Überzahlung beibehaltenen bisherigen Entgeltes der Klägerin gekommen (8 ObA 41/03t). Demgegenüber hat sich die Klägerin durch ihre Vereinbarung mit der Gemeinde die Weiterzahlung ihres bisherigen Entgeltes unter Einschluss der bis zum Ende des Dienstverhältnisses eintretenden Vorrückungen gesichert. Auf den Anspruch auf nach den Richtlinien der Gemeinde zustehende Zuwendungen, auf die Jubiläumszuwendung für das 25. Dienstjubiläum und auf die unterschiedlichen Urlaubsansprüche wurde im Sinne der Wahrung der Ansprüche der Klägerin (wenn auch durch die Gemeinde) Bedacht genommen. Dazu kommt, dass sich die Klägerin im neuen Dienstverhältnis ihre bisherigen Dienstzeiten - trotz der Ausweitung der Öffnungszeiten - bewahren konnte und dass ihr die Beibehaltung des bisherigen Dienstortes und - für den Fall der Schließung einer der Kindergartengruppen - die Weiterbeschäftigung in der anderen Gruppe zugesagt wurde. Für den Fall der Beendigung der Betriebsführung durch die Beklagte wurde der Klägerin die Weiterbeschäftigung durch die Gemeinde zugesichert. Auch die Auszahlung der Abfertigung hat die Klägerin mit Erfolg verlangt.

Der Klägerin, der sämtliche Sonderwünsche erfüllt wurden, war der Verlust ihres Kündigungsschutzes bewusst. Dieses Bewusstsein hat sie nicht abgehalten, die in langwierigen Verhandlungen erzielte Vereinbarung im Hinblick auf die darin eingeräumten Zugeständnisse zu akzeptieren. Diese Vereinbarung hat ihre Rechtsstellung so gestaltet, dass von einem unzulässigen Umgehungsgeschäft nicht mehr gesprochen werden kann.

Der dagegen erhobene Einwand, die Klägerin sei unter unzulässigen Druck gesetzt worden, trifft nicht zu. Die Vorinstanzen haben diese Behauptung nicht als erweisbar erachtet. Die Meinung der Revisionswerberin, den Feststellungen sei dennoch eine Drucksituation zu entnehmen, ist unzutreffend: Dass sich im Gespräch mit dem Bürgermeister herausstellte, "dass die Gemeinde jedenfalls eine Übertragung der Kindergartenbetriebsführung an die beklagte Partei vornehmen würde", ist nämlich nicht als unzulässige Druckausübung zu werten, zumal ein wie immer gearteter Anspruch der Klägerin gegen ihren damaligen Dienstgeber, im Falle ihres Widerstandes die Übertragung der Betriebsführung an die Beklagte zu unterlassen, nicht besteht. Dass die Gemeinde von diesem ihren Recht Gebrauch macht und dies der Klägerin mitteilt, stellt für sich keinen unzulässigen Druck dar.

Nähere Erörterungen über die Beratung der Klägerin durch den ÖGB sind nicht erforderlich, weil der Inhalt dieser Beratung der Beklagten keinesfalls entgegengehalten werden kann.

Damit erweist sich die von der Klägerin mit der Gemeinde vereinbarte einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses als wirksam. Sie hat daher das Dienstverhältnis beendet, sodass die Rechtsfolgen der in der BetriebsübergangsRL (bzw in § 3 Abs 1 AVRAG) vorgesehenen Eintrittsautomatik nicht eintraten. Die Klägerin stand daher im neuen Dienstverhältnis weder unter dem zur Absicherung dieser Eintrittsautomatik bestehenden Kündigungsschutz noch galten für sie die Kündigungsbeschränkungen des stmk GVBG. Die Aufkündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte war daher wirksam, sodass die Vorinstanzen ihr Klagebegehren zu Recht abgewiesen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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