OGH 8Ob87/14y

OGH8Ob87/14y19.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Guido Lepeska, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gustav Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 874.800 EUR sA (Revisionsinteresse), über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. Juli 2014, GZ 3 R 112/14g‑13, in dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. April 2014, GZ 14 Cg 93/13h‑9, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00087.14Y.1219.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 874.800 EUR samt Anhang zu bezahlen, wird abgewiesen.“

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt ein Einkaufszentrum, mit dessen geplantem Umbau sie ein Bauunternehmen beauftragte. Die Klägerin verpflichtete sich im Hauptauftrag vom 2. 3. 2012 zur Leistung einer Anzahlung in Höhe von 4.200.000 EUR Zug um Zug gegen Übergabe einer Bankgarantie.

Die beklagte Bank gab zu Gunsten ihrer Kundin, der Baugesellschaft, folgende schriftliche Garantieerklärung ab:

(…) Wir haben zur Kenntnis genommen, dass in dem oben genannten Auftrag eine Anzahlung in Höhe von EUR 4.200.000,- vereinbart wurde, welche von S***** GmbH (Klägerin) gegen Beibringung einer Bankgarantie an Fa. A***** (Baugesellschaft) geleistet wird.

Dies vorausgesetzt übernehmen wir, R***** AG (Beklagte) hiemit Ihnen gegenüber im Auftrag unseres oben genannten Kunden die Garantie bis zum Höchstbetrag von EUR 4.200.000,- (in Worten…) indem wir uns verpflichten, über Ihre erste schriftliche Anforderung (…), in der Sie uns bestätigen, dass unser Kunde seinen Verpflichtungen gemäß dem o.a. Auftrag nicht erfüllt hat, ohne Prüfung des Rechtsgrundes und unter Verzicht auf jedwede Einrede aus dem Grundverhältnis Zahlung bis zur Höhe des oben genannten Betrages an Sie zu leisten.

(…) Die Garantie ist dadurch bedingt und tritt erst in Kraft, wenn die o.a. Anzahlung in Höhe von 4.200.000,- mit Referenz auf unsere Garantie-Nummer G754.295 auf das Konto unseres Kunden bei der U***** AG, Kontonummer (...) eingegangen ist.

Die Garantie reduziert sich automatisch zu den unten angeführten Terminen, ohne dass es einer weiteren Verständigung bedarf, und zwar am (…) 31. 5. 2013 auf EUR 1.924.800,- (…) am 30. 11. 2013 auf EUR 874.800,- (…).“

Die Klägerin überwies als Anzahlung lediglich 4.074.000 EUR, weil sie von der mit der Baugesellschaft im Hauptauftrag vereinbarten Möglichkeit eines Skontoabzugs Gebrauch machte. Sie überwies diesen Betrag nicht auf das in der Garantie genannte Konto bei der U***** AG, sondern auf ein anderes Konto der Baugesellschaft bei der S***** Sparkasse und ohne auf die Garantie‑Nummer hinzuweisen, weil ihrem Geschäftsführer die in der Garantieerklärung enthaltene Bedingung nicht bekannt war.

Die Baugesellschaft selbst veranlasste rund zwei Wochen später die Weiterleitung von 4.074.000 EUR von ihrem Konto bei der S***** Sparkasse auf das in der Garantie genannte Konto bei der U***** AG, dies aber als Teil einer Sammelüberweisung in Höhe von insgesamt 4.740.000 EUR, die keinerlei Bezug auf die Garantie‑Nummer G754.295 enthielt. Die Baugesellschaft hatte die U***** AG gegenüber der Beklagten von der Geheimhaltungspflicht entbunden, sodass die Beklagte Auskünfte über das genannte Konto erhielt.

Im Juni 2013 wurde über das Vermögen der Baugesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und die Schließung des Unternehmens angeordnet. Mit Schreiben vom 19. 6. 2013 rief die Klägerin die Bankgarantie ab. Die Beklagte stellte sich nach Überprüfung auf den Standpunkt, dass die Garantie mangels Einhaltung der Bedingungen nicht wirksam geworden sei.

In der Klage wird die Auszahlung der am Abrufstichtag aktuellen Garantiesumme von 1.924.800 EUR begehrt.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Klägerin sei es im Verfahren gelungen, nachträglich und noch innerhalb der Garantielaufzeit die Erfüllung der „Effektivklausel“ eindeutig und schlüssig darzulegen. Der um den berechtigten Skontoabzug verminderte Anzahlungsbetrag sei trotz Umwegs letztlich auf dem in der Garantie bezeichneten Konto eingelangt, womit der Zweck der „Effektivklausel“ erfüllt gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte mit dem angefochtenen Teilurteil den Zuspruch von 874.800 EUR samt Zinsen, im Übrigen hob es das erstinstanzliche Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

Unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks und der Interessenlage sei unzweifelhaft davon auszugehen, dass die Garantie auch bei Leistung einer um das Skonto verminderten Anzahlung wirksam werden sollte. Dem Erstgericht sei auch zuzustimmen, dass die Klägerin den Eintritt der weiteren Garantiebedingungen noch nachträglich, spätestens bis zum Ablauf der Garantiefrist, nachweisen könne. Dies sei ihr gelungen, weil es nur darauf ankomme, dass die verminderte Anzahlung doch noch auf dem richtigen Konto eingelangt sei.

Die Höhe des garantierten Betrags vermindere sich periodisch, weshalb es im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren noch weiterer Feststellungen zum genauen Zeitpunkt des Nachweises des Bedingungseintritts bedürfe. Die zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz geltende Garantiesumme stehe der Klägerin aber jedenfalls zu.

Rechtliche Beurteilung

Die nach Freistellung gemäß § 508a Abs 2 ZPO von der Klägerin beantwortete Revision der beklagten Partei ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die Vorinstanzen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sind. Die Revision ist auch berechtigt.

1. Beide Vorinstanzen vermengen in ihrer Entscheidungsbegründung die Begriffe „Effektivklausel“ und „Bedingung“.

Hat der Garantiegeber erklärt, dass seine Garantie nur dann wirksam werden soll, wenn die im Schreiben näher genannten Voraussetzungen eintreten, insbesondere wenn der Begünstigte bestimmte Leistungen an den Auftraggeber erbracht hat, dann liegt darin eine aufschiebende Bedingung (RIS-Justiz RS0108394; Welter in MüKomm HGB³ J 47: „Valutierungsklausel“). Eine Effektivklausel regelt hingegen die Voraussetzungen für den Eintritt des Garantiefalls, ihre Prüfung setzt eine wirksame Garantie bereits logisch voraus.

Im Fall einer als Wirksamkeitsbedingung ausgestalteten Valutierungsklausel muss die Bank vorweg prüfen, ob der Begünstigte seine Leistung erbracht hat, weil die Gültigkeit des Garantieversprechens vom Eintritt der gesetzten Bedingung abhängt. Da es sich bei der Bankgarantie um einen Vertrag zwischen der Bank als Garanten und dem Gläubiger des Hauptschuldners handelt, die vom Bestand der gesicherten Verbindlichkeit unabhängig ist, sind Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwischen Begünstigtem und Auftraggeber ausgeschlossen. Maßgeblich ist der Inhalt des im zweipersonalen Verhältnis geschlossenen Vertrags.

In Lehre und Rechtsprechung wird wegen des abstrakten Charakters der Garantie vom Grundsatz der formellen Garantiestrenge ausgegangen. Im Regelfall ist nur der Text der Garantieerklärung für die Interpretation maßgeblich, weil der Erklärungsempfänger der Garantieerklärung von vornherein keine Bedeutung unterstellen darf, die sich für ihn aus dem Grundverhältnis ergibt (vgl Lindinger, Aktuelle Rechtsprechung zur Bankgarantie, WBl 1992, 137 mwN; 8 Ob 96/11t). Zwar schließt die formale Garantiestrenge einen Rückgriff auf die Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht von vornherein aus, insbesondere in Fallkonstellationen, an deren Verwirklichung die Parteien bei Vertragsabschluss nicht gedacht haben; für eine Abweichung vom eindeutigen Wortsinn der Garantieerklärung bedarf es jedoch massiver Anhaltspunkte (RIS‑Justiz RS0033002; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB4 IV § 914 Rz 56).

Formale Erfordernisse sind im Sicherungsinteresse des Begünstigten auch unter Bedachtnahme auf den Geschäftszweck und die Interessenlage auszulegen. Die vom Berufungsgericht zitierte ständige Rechtsprechung lässt dementsprechend für (echte) Effektivklauseln gelten, dass der Nachweis des Garantiefalls innerhalb der Laufzeit auch noch nach dem Garantieabruf und notfalls auf andere als die vereinbarte Weise erbracht werden kann, sofern damit dem Zweck der Klausel in gleicher Weise Rechnung getragen wird (ua RIS‑Justiz RS0120031). Ein Notfall liegt vor, wenn die Erfüllung der Klausel nur an Umständen scheitern würde, die der Begünstigte nicht beeinflussen kann (vgl 1 Ob 44/05k: Ersatz einer verweigerten Bestätigung durch rechtskräftiges Feststellungsurteil; 7 Ob 232/09g).

Selbst wenn man diese Grundsätze auch für die Auslegung von Wirksamkeitsbedingungen heranziehen will, ist daraus für die Klägerin nichts zu gewinnen. Die formelle Garantiestrenge gilt zu Lasten des Begünstigten dann uneingeschränkt, wenn Hindernisse lediglich seiner eigenen Sphäre zuzurechnen sind. In diesem Fall hat der Begünstigte die Anspruchsvoraussetzungen pedantisch genau zu erfüllen (Binder/Kolmasch aaO; RIS‑Justiz RS0033002 [T15]; 7 Ob 232/09g = ZAK 2010/545: Verlust der Originalurkunde).

Bei der hier vorliegenden Konstellation besteht kein zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigender schwerwiegender („handfester“ [4 Ob 149/06z mwN]) Grund, der ein Abweichen vom Wortlaut der Garantie rechtfertigen könnte. Die umfassende Nichtbeachtung der Valutierungsklausel (Überweisung einer abweichenden Summe auf ein anderes Konto bei der falschen Bank, noch dazu ohne Bezugnahme auf die Garantie) legt Sorglosigkeit der Klägerin in eigenen Angelegenheiten nahe. Ein legitimes Interesse am Abgehen vom klaren und grundsätzlich leicht zu erfüllenden Wortlaut der Garantieerklärung konnte sie nicht darlegen.

Von einer Undeutlichkeit der gegenständlichen Klausel im Sinn des § 864a ABGB kann entgegen den Ausführungen der Revisionsbeantwortung nicht die Rede sein. Weder ist sie in der Garantieurkunde an versteckter Stelle enthalten, noch ist ihr Inhalt ungewöhnlich oder missverständlich. Die Bedingungen befinden sich im Urkundentext oberhalb jenes Abschnitts, der die schrittweise Reduzierung der Garantiesumme zu bestimmten Terminen regelt. Von einem gewöhnlich sorgfältigen Kaufmann kann durchaus erwartet werden, dass er eine Garantieurkunde jedenfalls bis zu dieser ‑ die Hauptleistung der Garantin betreffenden ‑ Stelle durchlesen wird.

Im zweipersonalen Garantieverhältnis kann sich die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht mit Erfolg darauf berufen, mit der Auftraggeberin im Grundgeschäft eine vom Garantiewortlaut abweichende Vereinbarung getroffen zu haben. In der Garantie wird zwar auf das Auftragsverhältnis mit der Baugesellschaft Bezug genommen, allerdings nur soweit es für die Individualisierung des übernommenen Risikos notwendig ist. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann dem Garantiewortlaut nicht andeutungsweise entnommen werden, dass der Klägerin das Recht zukommen sollte, durch die Inanspruchnahme einer im Grundgeschäft eingeräumten Option einseitig auch die Garantiebedingungen zu Lasten der Beklagten zu ändern. Die Klägerin hätte auch bei Erlag des vollständigen Anzahlungsbetrags nicht auf das Skontoabzugsrecht gegenüber der Baugesellschaft verzichten müssen, zumal eine entsprechende Widmung des Differenzbetrags (zB als Vorauszahlung auf die zweite Teilrechnung) möglich gewesen wäre.

Die Weiterüberweisung des verminderten Anzahlungsbetrags durch die Baugesellschaft konnte ‑ auch abgesehen vom zu geringen Betrag ‑ nicht zur nachträglichen Erfüllung der Valutierungsklausel führen. Das Einlangen auf dem „richtigen“ Konto war nur ein Teil der Bedingungen. Weder wurde bei der Überweisung auf die Garantie‑Nummer Bezug genommen, noch ließ die Identität des Überweisungsauftraggebers einen Rückschluss auf die gegenständliche Garantie zu. Selbst wenn die Auskunftsberechtigung der Beklagten eine unbeschränkte Einsicht in die Kontobewegungen bei der Empfängerbank umfasst hätte, wäre es ihr nach den festgestellten Umständen nicht möglich gewesen, die Eigenüberweisung der Baugesellschaft über 4.740.000 EUR als Zahlung der Klägerin zu identifizieren und der gegenständlichen Garantie zuzuordnen.

Die Garantieverpflichtung der Beklagten ist mangels Erfüllung der für ihre Gültigkeit vereinbarten Bedingungen aus Gründen, die in der Sphäre der Klägerin gelegen sind, nicht wirksam geworden, sodass ihr daraus kein Anspruch zusteht. Der Revision war daher Folge zu geben.

2. Der Teilaufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO unanfechtbar. Der Oberste Gerichtshof kann zwar mit einer abändernden Entscheidung über ein Teilurteil des Berufungsgerichts ausnahmsweise auch dessen für die Parteien unanfechtbaren Teilaufhebungsbeschluss beheben (RIS‑Justiz RS0040804). Dieser Rechtssatz ist hier aber nicht anwendbar.

Ein amtswegiger Eingriff in den unanfechtbaren Beschluss des Berufungsgerichts kommt nach Lehre und Rechtsprechung (idS Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny² § 391 ZPO Rz 64; 9 ObA 15/12i; 8 ObA 81/08g) nur dann in Frage, wenn aufgrund der Revisionsentscheidung überhaupt keine weitere Behandlung des von der Aufhebung umfassten Klagebegehrens mehr stattzufinden hat. Das ist etwa der Fall, wenn ein Teilurteil im Revisionsverfahren im klagsabweisenden Sinn abgeändert wurde und der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nur die Klärung einer Gegenforderung betraf, oder wenn im Revisionsverfahren über eine Stufenklage eine abweisende Entscheidung über das Manifestationsbegehren die Prüfung des Leistungsanspruchs im fortgesetzten Verfahren obsolet macht (8 Ob 55/13s), unter Umständen auch, wenn die unanfechtbare Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund eines besonderen, untrennbaren verfahrensrechtlichen Zusammenhangs keinen Bestand haben kann (vgl 4 Ob 295/97d).

Der Rechtssatz ist aber nicht schlechthin auf jede Revisionsentscheidung über ein zweitinstanzliches Teilurteil anwendbar, in der der Oberste Gerichtshof von jener Rechtsansicht des Berufungsgerichts abweicht, die auch den (Teil‑)Aufhebungsbeschluss trägt (Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 63 mwN).

Wurde das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung über einen Teil des Hauptklagebegehrens aufgehoben, dann wird dieser betroffene Teil (im vorliegenden Verfahren ein Zahlungsmehrbegehren über 1.050.000 EUR) nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens über das Teilurteil und der Oberste Gerichtshof darf darüber nicht entscheiden. Das Erstgericht ist jedoch im fortgesetzten Verfahren nicht an die vom Obersten Gerichtshof nachgeprüfte, nicht gebilligte Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sondern an die des Höchstgerichts gebunden (Zechner aaO mwN).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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