Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichtes wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der in Punkt 2 des Beschlusses aufgenommene Ausspruch über die Maßgabebestätigung der erstgerichtlichen Beschlüsse ON 29 und ON 30 zu entfallen hat und die Formulierung des erstgerichtlichen Beschlusses wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Der am 15. 1. 2004 verstorbene Roman FranzK***** war ledig und hinterlässt keine Nachkommen. Seine gesetzlichen Erben sind seine Halbgeschwister, die nunmehrigen Revisionsrekurswerber. Der Erblasser war besachwaltert. Er testierte am 25. 2. 2003 vor dem Erstgericht in Anwesenheit des Richters des Erstgerichtes und eines Rechtspraktikanten. In diesem Testament setzte er seine Sachwalterin und deren Gatten zu gleichen Teilen als Erben ein (in der Folge immer als Testamentserben bezeichnet). Das Protokoll über die Testamentserrichtung wurde vom Erblasser, vom Richter und vom Rechtspraktikanten unterfertigt. Im Protokoll ist festgehalten, dass das Gericht die Überzeugung gewonnen habe, dass die Erklärung des letzten Willens mit Überlegung geschehen sei. Der Erblasser habe erklärt, er wolle seine Halbgeschwister nicht bedenken, weil sie sich um ihn nie gekümmert hätten. Seine Sachwalterin und deren Gatte seien ihm in jeder Hinsicht behilflich gewesen. Der letzte Satz des am 25. 2. 2003 errichteten Protokolls über die Testamentserrichtung lautet wörtlich: „Das Protokoll wird von ... (Erblasser) und den Gerichtspersonen unterfertigt, in einem Umschlag verschlossen und unter Ausfolgung einer Empfangsbestätigung hinterlegt". Nach Kundmachung des Testamentes am 11. 2. 2004 erschien der Schwiegersohn des Halbbruders des Erblassers am 27. 4. 2004 bei dem Notar und erkundigte sich nach dem Verfahrensstand. Eine Bevollmächtigung für einen oder beide der gesetzlichen Erben wurde nicht erklärt. Der Notar teilte mit, dass er den Halbbruder des Erblassers von sich aus nicht von der Verlassenschaftsabhandlung verständigen werde.
Die Testamentserben gaben am 21. 5. 2004 eine bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss des Erstgerichtes vom 26. 5. 2004 (ON 17) angenommen wurde. Mit Beschluss vom selben Tag (ON 15) wurde den erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen und ihnen die Ermächtigung erteilt (ON 16), mit der A***** AG *****Vereinbarungen über die Ablöse von Liegenschaftsvermögen des Erblassers zu treffen.
Eine Zustellung dieser Beschlüsse an die gesetzlichen Erben erfolgte nicht.
Am 29. 7. 2004 langte die bedingte Erbserklärung der gesetzlichen Erben - die auf eine mögliche Testierunfähigkeit des Erblassers verweist - beim Erstgericht ein. Am 20. 8. 2004 (ON 23) beantragten die gesetzlichen Erben die Aufhebung bzw den Widerruf der Übertragung und Besorgung des Nachlasses an die Testamentserben und die Aufhebung der in ON 16 ereilten Ermächtigung mit der Begründung (ON 24), dass kein der äußeren Form nach unbedenkliches Testament vorliege, weil ein Rechtspraktikant keine „eidliche Gerichtsperson" im Sinne des § 589 ABGB sei und weil ein Hinweis auf die Zeugenstellung von Richter und Rechtspraktikant bei Unterfertigung des Protokolls fehle. Ein Rechtspraktikant stehe in keinem Dienstverhältnis, sondern lediglich in einem Ausbildungsverhältnis zum Bund. Ferner beantragten die gesetzlichen Erben „die Prüfung der formellen Gültigkeit des Testamentes im Außerstreitverfahren" und die Setzung „entsprechender Sicherungsmaßnahmen im Sinne des §§ 71 ff AußStrG", ohne allerdings diese Sicherungsmaßnahmen inhaltlich zu präzisieren. Das Erstgericht wies sämtliche dieser Anträge ab, nahm die von den gesetzlichen Erben abgegebenen Erbserklärungen zu Gericht an (Punkt 1 ON 30) und (Punkt 3 in ON 30) verwies die gesetzlichen Erben unter Zuteilung der Klägerrolle auf den Rechtsweg.
Mit Ausnahme der Annahme ihrer Erbserklärungen zu Gericht bekämpften die gesetzlichen Erben diese Beschlüsse des Erstgerichtes ebenso wie den Beschluss ON 15, mit welchem den Testamentserben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde, mit Rekurs. Das Rekursgericht wies den Rekurs gegen den Beschluss ON 15 (Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die erbserklärten Erben) mit der Begründung zurück, dass der Beschluss in Rechtskraft erwachsen sei. Die gesetzlichen Erben hätten die bedingte Erbserklärung erst nach Beschlussfassung abgegeben. Eine Zustellung des Beschlusses an sie habe daher nicht erfolgen müssen. Den Rekursen gegen die Beschlüsse ON 29 und 30 gab das Rekursgericht nicht Folge und bestätigte diese Beschlüsse mit der Maßgabe, dass die Anträge der gesetzlichen Erben zurückzuweisen seien.
Zur Begründung führte das Rekursgericht zusammengefasst aus, dass das Testament formell gültig sei, weil nach § 4 Abs 2 RPG die Angelobung zum Rechtspraktikanten den Schriftführereid ersetze. Liege aber en formgültiges Testament vor, stelle es den stärkeren Erbrechtstitel dar, weshalb die gesetzlichen Erben auf die Klägerrolle zu verweisen seien.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes für jeden einzelnen Beschlussteil 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich das Rekursgericht in allen erheblichen Rechtsfragen auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichtes stützen könnte.
Der dagegen von den gesetzlichen Erben erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil für die im Außerstreitverfahren zu klärende Frage, ob ein in der gehörigen Form des § 589 ABGB errichtetes mündliches Testament vorliegt, wesentlich ist, ob ein Rechtspraktikant als „eidlich verpflichtete Gerichtsperson" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung anzusehen ist.
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 205 AußStrG noch die Vorschriften des AußStrG alt Anwendung zu finden haben. Hinsichtlich der vom Erstgericht 2005 gefassten Beschlüsse ON 29 und ON 30 sind allerdings gemäß § 203 Abs 7 AußStrG die neuen Vorschriften über den Rekurs und den Revisionsrekurs anzuwenden. Den Testamentserben war demnach die Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung freizustellen, wovon sie auch Gebrauch machten.
Verfahrensentscheidend ist, ob das vom besachwalterten Erblasser errichtete mündliche Testament der äußeren Form nach unbedenklich ist.
Das ist aus folgenden Überlegungen zu bejahen: Gemäß § 568 ABGB in der hier noch anzuwendenden Fassung vor BGBl I 2004/58 kann eine Person, für die ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, nur mündlich vor Gericht oder Notar testieren. Das Gericht muss sich durch eine angemessene Erforschung zu überzeugen suchen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe. Die Erklärung muss in ein Protokoll aufgenommen und dasjenige, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden. Die Erforschung der Willensfreiheit und der Überlegtheit sowie das Protokollieren dieser Erforschung sind formelle Gültigkeitserfordernisse für Testamente, die von den in § 568 ABGB angeführten Personen errichtet werden (6 Ob 2125/96k = SZ 69/122 mwN). Das hier vorliegende gerichtliche Protokoll über die mündliche Testamentserrichtung durch den Erblasser entspricht dieser Voraussetzung, weil ausdrücklich der Zusatz aufgenommen wurde, dass das Gericht die Überzeugung gewonnen habe, dass die Erklärung des letzten Willens mit Überlegung geschehen sei. Überdies erfordert das gerichtliche mündliche Testament im Sinne des § 589 ABGB die Mitwirkung zumindest eines Richters und einer zweiten beeideten Gerichtsperson, die überdies das Protokoll zu unterfertigen haben. Nicht strittig ist hier, dass der bei der Testamentserrichtung anwesende Richter an dem Ort, wo die letztwillige Erklärung aufgenommen wurde, sein Richteramt durch die im Gesetz geregelte Mitwirkung an der Errichtung des letzten Willens befugter Weise ausübte (SZ 49/24).
Rechtsprechung dazu, ob ein Rechtspraktikant eine „eidlich verpflichtete Gerichtsperson" im Sinne des § 589 ABGB ist, fehlt (für den Richteramtsanwärter bejahend 6 Ob 366/59).
Der Revisionsrekurs verneint das unter Hinweis darauf, dass ein Rechtspraktikant in einem bloßen Ausbildungsverhältnis zum Bund stehe und somit mangels Dienstverhältnisses nicht als „Gerichtsperson" anzusehen sei.
Gemäß § 1 Abs 1 RPG BGBl Nr. 644/1987 soll die Gerichtspraxis Personen, die die wissenschaftliche Berufsfortbildung abgeschlossen haben und zur Führung des akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften berechtigt sind, die Möglichkeit geben, ihre Berufsfortbildung durch eine Tätigkeit bei Gericht fortzusetzen und dabei ihre Rechtskenntnisse zu erproben und zu vertiefen. Rechtspraktikanten sind gemäß § 1 Abs 2 RPG Personen, die in Gerichtspraxis stehen. Gemäß § 2 Abs 4 RPG wird durch die Zulassung zur Gerichtspraxis und deren Ableistung kein Dienstverhältnis, sondern ein Ausbildungsverhältnis begründet. Gemäß § 9 Abs 3 RPG bestimmt sich die Pflicht des Rechtspraktikanten zur Verschwiegenheit sinngemäß nach § 58 Abs 1 bis 3 RDG. Sie besteht auch nach der Beendigung der Gerichtspraxis fort. Gemäß § 9 Abs 4 RPG hat der Rechtspraktikant die gerichtlichen Dienststunden einzuhalten. § 6 Abs 1 Satz 1 RPG legt fest, dass die Ausbildung so zu gestalten ist, dass der Rechtspraktikant durch Mithilfe an der Bearbeitung der bei Gericht vorkommenden Angelegenheiten der Rechtspflege einen möglichst umfassenden Einblick in die richterliche Tätigkeit sowie in die Aufgaben der Geschäftsstelle erhält. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 3 RPG ist der Rechtspraktikant - soweit dies mit dem Zweck der Ausbildung vereinbar ist - auch als Schriftführer einzusetzen.
§ 589 ABGB qualifiziert die Rechtstellung der „Gerichtsperson" nicht näher. Der Umstand, dass der Rechtspraktikant in einem Ausbildungsverhältnis zum Bund steht, hindert die Beurteilung nicht, dass er eine „Gerichtsperson" im Sinne des § 589 ABGB ist. Immerhin zeigen die zitierten Bestimmungen des RPG, dass der Gesetzgeber eine zeitlich und inhaltlich umfassende Einbindung des Rechtspraktikanten in den Gerichtsbetrieb anstrebt (siehe auch Weiß in Klang III3 332, der eine dauernde Amtsstellung der „Gerichtsperson" nicht für erforderlich erachtet).
Gemäß § 4 Abs 1 RPG hat der Rechtspraktikant bei Antritt der Gerichtspraxis gegenüber dem Vorsteher des Gerichtes, dem er zur Ausbildung zugewiesen wurde, folgende Angelobung zu leisten: „Ich gelobe, dass ich die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung befolgen und alle mit der Gerichtspraxis verbundenen Pflichten Treu und gewissenhaft erfüllen sowie insbesondere die Pflicht zur Verschwiegenheit wahren werde". Gemäß § 4 Abs 2 RPG ersetzt die Angelobung den Schriftführereid nach § 15 der Juristiktionsnorm und nach § 23 der Strafprozessordnung. Gemäß § 3 Abs 1 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz ist bei jedem Gericht ständige Vorsorge für den Schriftführerdienst zu treffen. Zu diesem Dienst sind ua die zur Gerichtspraxis zugelassenen oder in der Geschäftsstelle verwendeten Personen heranzuziehen. Gemäß § 3 Abs 3 Geo haben Schriftführer vor ihrer Verwendung einen Eid zu leisten, die ihnen übertragenen Geschäfte gewissenhaft auszuführen und das Amtsgeheimnis zu wahren (Schriftführereid). Ein vom Schriftführer bereits geleisteter Diensteid oder eine Pflichtenangelobung ersetzen den Schriftführereid. Aus diesen Bestimmungen folgt, dass der Rechtspraktikant auch „eidlich verpflichtet" ist.
Der äußeren Form nach liegt somit ein unbedenkliches mündliches Testament des Erblassers vor. Dass das Protokoll über die mündliche Testamentserrichtung von Richter und Rechtspraktikanten unterfertigt wurde, ist aktenkundig. Die Notwendigkeit eines Hinweises auf die Zeugeneigenschaft ergibt sich aus den §§ 587 ff ABGB nicht. Liegt aber ein der äußeren Form nach unbedenkliches Testament vor, sind die gesetzlichen Erben nicht zu verständigen (RIS-Justiz RS0007686; RS0007679 uva). Liegt ein unbedenkliches formgültiges Testament vor, bedarf es daher auch keiner Aufforderung der gesetzlichen Erben zur Abgabe einer Erbserklärung (1 Ob 209/98m mwN). Nun ist zwar in besonders gelagerten Fällen dem berufenen Erben vor Abgabe der Erbserklärung Parteistellung und Rekurslegitimation zuzuerkennen, vor allem dann, wenn er bereits aktiv sein Interesse am Erbantritt bekundet hat und das Fehlen einer förmlichen Erbserklärung auf einem Fehler im Verfahren beruht (RIS-Justiz RS0006544; zuletzt 10 Ob 42/05g). Diese Voraussetzung liegt allerdings hier nicht vor, weil die gesetzlichen Erben gegenüber dem Verlassenschaftsgericht bis zur Abgabe ihrer Erbserklärung keinerlei Interesse am Erbantritt dokumentierten. Die Vorsprache des Schwiegersohnes eines der gesetzlichen Erben beim Notar ist nicht als entsprechendes „aktives Interesse" zu werten, weil der Genannte sich auf keine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung berief und sich überdies nur ganz allgemein nach dem Verfahrensstand erkundigte. Damit ist aber das Rekursgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Erstgericht gefasste Beschluss (ON 15), mit welchem den Testamentserben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde, in materielle Rechtskraft erwuchs, die durch eine spätere widersprechende Erbserklärung der gesetzlichen Erben nicht durchbrochen wurde (1 Ob 96/99w; 1 Ob 209/00t mwN). Solange Personen noch keine Erbserklärung abgegeben haben, sind sie von jeder Einflussnahme auf den Gang der Verlassenschaftsabhandlung ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0006398). Vielmehr wäre die Beseitigung der Rechtswirkungen dieses Beschlusses im Wege der Anordnung einer gerichtlichen Nachlassseperation gemäß § 127 Abs 2 AußStrG nur mittels Erlassung einer einstweiligen Verfügung unter den Voraussetzungen der § 381 ff EO möglich (1 Ob 209/98m; 1 Ob 209/00t).
Der Antrag der gesetzlichen Erben auf „Widerruf" der Übertragung von Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft an die Testamentserben entbehrt daher der Grundlage (siehe auch EFSlg 54.149). Damit ist aber auch die Zuweisung der Klägerrolle an die gesetzlichen Erben im Sinne des § 126 AußStrG alt zu Recht erfolgt (RIS-Justiz RS0008017 uva).
Welche konkreten Maßnahmen im Sinne der § 71 ff AußStrG alt das Erstgericht hätte treffen müssen, vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs war demnach ein Erfolg zu versagen, wobei allerdings die vom Rekursgericht vorgenommene Maßgabebestätigung in Ansehung der Beschlüsse ON 30 und ON 29 zu entfallen hatte, weil sowohl Erstgericht als auch Rekursgericht über die Anträge der gesetzlichen Erben eine inhaltliche Entscheidung trafen und daher die nicht näher begründete „Maßgabebestätigung" des Rekursgerichtes dem wahren Entscheidungswillen der Vorinstanzen nicht entspricht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)