OGH 8Ob127/12b

OGH8Ob127/12b30.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. Herbert M*****, vertreten durch Gruber & Partner, Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagte Partei DI Franz S*****, vertreten durch Thum Weinreich Schwarz Fuchsbauer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 406.968 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2012, GZ 3 R 71/11z-25, mit dem über Berufung der klagenden Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 23. Mai 2011, GZ 4 Cg 41/10w-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Bereits am 15. 5. 2007 brachte die Klägerin eine Klage auf Schadenersatz in Höhe von 215.261 EUR sA gegen den mit der Generalplanung und Sanierung von Bauwerken beauftragten Beklagten ein. Nachdem am 18. 7. 2007 über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, stellte die Klägerin auf ein Feststellungsbegehren um, das vom Masseverwalter bestritten wurde. Diese Klage wurde letztlich am 9. 3. 2009 zurückgewiesen, da die Forderungsanmeldung im Konkurs nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen hatte.

In einer neuen Forderungsanmeldung vom 29. 9. (am 2. 10. 2009 eingelangt) machte die Klägerin im Konkursverfahren 652.542,16 EUR geltend. Auch diese Forderung wurde vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom 9. 2. 2010 bestritten. Der Beschluss über die Festsetzung einer Frist von vier Wochen zur Geltendmachung dieser Forderung wurde der Klägerin am 12. 2. 2010 zugestellt. Die vorliegende, zunächst auf Feststellung gerichtete Klage wurde am 12. 3. 2010 zur Post gegeben und langte am 15. 3. 2010 beim Gericht ein.

Nach Aufhebung des Konkurses stellte die Klägerin ihre Klage auf Zahlung von 406.968 EUR im Wesentlichen aus dem Titel des Schadenersatzes wegen mangelhafter Planung und Bauaufsicht um. Sie führte zu der hier vorweg maßgeblichen Frage der Verjährung zusammengefasst aus, dass der Beklagte seine Verantwortung nie bestritten und bis Ende 2002 verschiedene Sanierungsmaßnahmen gesetzt habe. Der durch die Schadensbehebung erforderliche Aufwand sollte erst nach einem Überwachungszeitraum geltend gemacht werden. Erst dann habe sich abschätzen lassen, ob ein entsprechender Erfolg eingetreten sei. In den Jahren 2003 und 2004 seien umfangreiche Vergleichsgespräche geführt und bis 2006 weitere Sanierungsarbeiten durchgeführt worden, die jedoch keine völlige Schadensbehebung erbracht hätten. Frühestens mit einem Gutachten vom 6. 10. 2006 habe die Klägerin die erforderliche Kenntnis der Zuordnung der Schäden zum Verantwortungsbereich des Beklagten gehabt. Bis Ende Jänner 2007 habe dieser seine Verantwortlichkeit auch niemals in Abrede gestellt. Die Verjährung sei jedenfalls mit der zweiten Anmeldung der Forderung im Konkurs am 2. 10. 2009 unterbrochen und die Klage nach § 110 KO rechtzeitig eingebracht worden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete unter anderem Verjährung ein. Spätestens seit dem Vorliegen des Gutachtens vom 6. 9. 2006 seien der Klägerin die Mängel bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt der Forderungsanmeldung am 2. 10. 2009 seien sie daher bereits verjährt gewesen. Weiters sei die Feststellungsklage nach § 110 KO mit 15. 3. 2010 erst verspätet bei Gericht eingelangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, dass die Forderung verjährt sei. Die Verjährungsfrist habe spätestens mit dem Schreiben des Beklagten vom 31. 1. 2007 zu laufen begonnen. Die Anmeldung im Konkurs am 2. 10. 2009 könne die Verjährung nur bis zum Ablauf der vom Konkursgericht für die Geltendmachung des Anspruchs gesetzten Frist hemmen. Die vierwöchige Frist habe am 12. 2. 2010 zu laufen begonnen und sei daher am 12. 3. 2010 abgelaufen. Die erst am 15. 3. 2010 eingelangte Klage sei daher zur Wahrung der Frist nicht geeignet.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin und des Nebenintervenienten keine Folge. Die Unterbrechungswirkung einer Klage setze deren Gerichtsanhängigkeit voraus. Auch § 9 Abs 2 KO hemme die Verjährung nur bis zum Ablauf der vom Konkursgericht gesetzten Frist. Zwar werde überwiegend die entsprechend § 110 Abs 4 KO zur Geltendmachung der bestrittenen Forderung gesetzte Frist als prozessuale Frist beurteilt, bei der es ausreiche, dass die Klage am letzten Tag der Frist zur Post gegeben werde. Dabei sei es jedoch regelmäßig um die Wahrung der Rechte im Konkursverfahren gegangen, während hier die materiell-rechtliche Wirkung entscheidend sei. Der Wortlaut des § 9 Abs 2 KO „bis zum Ablauf der .... bestimmten Frist“ spreche dafür, dass die Hemmung der Verjährung mit dem letzten Tag der Frist wegfalle. Die von der Klägerin darüber hinaus bis zum Einlangen der Klage gewünschte Hemmung der Verjährung sei durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Es sei nicht zwingend, dass die Frage der Verfolgung der Gläubigerrechte im Konkurs und die Beurteilung der Verjährung einheitlich erfolgen müsse.

Es habe daher dabei zu bleiben, dass die materiell-rechtliche Verjährungsfrist nur durch das rechtzeitige Einlangen der Klage bei Gericht gehemmt werde. Ausgehend vom eigenen Vorbringen der Klägerin, wonach Ende Jänner 2007 die Bereitschaft des Beklagten zur Schadensregulierung aufgehört habe, sei die dreijährige Frist im Februar 2010 abgelaufen und auch die Ablaufhemmung nicht gewahrt.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die innerhalb der Frist zur Post gegebene Prüfungsklage die Verjährung unterbreche, wenn der Anspruch ohne die in § 9 Abs 2 IO angeordnete Hemmung der Verjährung bereits verjährt wäre, die Klage aber erst nach Ablauf der gesetzten Frist einlange, noch nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobenen Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig und auch berechtigt.

Nach der Rechtsprechung zu § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn während des Laufs der Verjährungsfrist die Klage bei Gericht einlangt (RIS-Justiz RS0034675) und das Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Im Ergebnis wird erst mit dem stattgebenden Urteil der Unterbrechungsgrund endgültig verwirklicht (RIS-Justiz RS0034655; allgemein Mader/Janisch in Schwimann ABGB³ IV § 1497 Rz 10; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 Rz 6; Dehn in KBB3 § 1497 Rz 5 und 9).

§ 9 KO (nunmehr IO) lautet wie folgt:

(1) Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.

(2) Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung vom Tage der Anmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist als gehemmt.

§ 110 KO (nunmehr IO) hat unter anderem folgenden Wortlaut:

(1) Gläubiger, deren Forderungen in Ansehung der Richtigkeit oder der Rangordnung streitig geblieben sind, können deren Feststellung, sofern der streitige Rechtsweg zulässig ist, mit Klage geltend machen, die gegen alle Bestreitenden zu richten ist (§ 14 ZPO). ...

(4) Das Insolvenzgericht hat die Frist zu bestimmen, innerhalb deren der Anspruch geltend zu machen ist und die Beteiligten auf die Folgen einer Versäumung dieser Frist (§ 123b Abs 2, § 131 Abs 3, § 134 Abs 2) aufmerksam zu machen. Die Frist muss wenigstens einen Monat betragen ...

Vorweg ist nun zu der im Jahr 2007 eingebrachten und im März 2009 zurückgewiesenen Klage auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach nicht nur die Abweisung des Klagebegehrens (RIS-Justiz RS0034655), sondern auch die Zurückweisung der Klage die mit der Einbringung erfolgte Unterbrechung der Verjährungsfrist wieder aufhebt (RIS-Justiz RS0034687; RS0034690). Damit kann sich die Klägerin jedenfalls nicht auf die im Jahr 2007 eingebrachte, letztlich aber zurückgewiesene Klage berufen. Entscheidend ist daher, inwieweit die Anmeldung im Konkurs am 29. 9. 2009 (eingelangt am 2. 10. 2009) und die nach Bestreitung erhobene vorliegende Klage zur Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährungsfrist geeignet war.

Im Zeitpunkt der Anmeldung im Insolvenzverfahren im Oktober 2009 war - jedenfalls ausgehend vom Vorbringen der Klägerin - Verjährung noch nicht eingetreten und die Verjährungsfrist entsprechend § 9 Abs 1 KO dementsprechend unterbrochen (RIS-Justiz RS0034628). Damit wird die Anordnung des § 9 Abs 2 KO entscheidend, wonach bei in der Prüfungstagsatzung bestrittenen Forderungen die Verjährung nur bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist als gehemmt gilt (RIS-Justiz RS0108885; Schubert in Konecny/Schubert KO § 9 Rz 7). Die Vorinstanzen haben diese Einhaltung der Frist zur Wahrung der Ablaufhemmung im Kern mit dem Argument verneint, dass nach § 9 Abs 2 KO die Klage auch innerhalb dieser Frist eingelangt sein müsse.

Es ist daher zu beurteilen, wie die Formulierung des § 9 Abs 2 KO „Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist“ zu verstehen ist. Diese Wortfolge bezieht sich auf § 110 Abs 4 KO, also auf die nach dieser Bestimmung vom Gericht festgelegte Frist.

Durch die Rechtsprechung wurde bereits geklärt, dass die Frist des § 110 Abs 4 KO eine verfahrensrechtliche Frist ist (RIS-Justiz RS0112866; RS0065581). Daher ist zur Wahrung dieser Frist die Postaufgabe am letzten Tag ausreichend (RIS-Justiz RS0111889). Auch in der Lehre findet sich die Ansicht, dass es sich bei der Frist des § 110 Abs 4 KO um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, bei der es ausreichend ist, wenn die Prüfungsklage oder der Fortsetzungsantrag am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wird (Konecny in Konecny/Schubert KO § 110 Rz 30; aA Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger 4 § 110 Rz 56). Der Oberste Gerichtshof hält daran fest (RIS-Justiz RS0111889).

Das Berufungsgericht hat nun grundsätzlich zutreffend aufgezeigt, dass § 110 Abs 4 KO die nachteiligen Folgen der Versäumung dieser Frist aufzählt (Berücksichtigung bestrittener Forderungen bei der Verteilung § 131 Abs 3 KO etc) und dabei § 9 Abs 2 KO nicht nennt. Andererseits bezieht sich § 9 Abs 2 KO eindeutig auf die Regelung des § 110 Abs 4 KO und die darin vorgenommene „Fristbestimmung“. Dies spricht aber dafür, die für die Einbringung der Klage „bestimmte Frist“ iSd § 9 Abs 2 KO nicht anders zu verstehen als die in § 110 Abs 4 KO dafür bestimmte Frist. Es handelt sich also um eine speziell aus den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens abzuleitende Regelung über die Hemmung der Verjährung. Nun ist zwar richtig, dass es möglich wäre, in diesem Zusammenhang die verfahrensrechtlichen Konsequenzen von den materiell-rechtlichen zu trennen. Gerade im Verjährungsrecht liegt aber dafür kein zwingendes Argument vor, wird doch auch bei anderen materiell-rechtlichen Verjährungsfragen - etwa der Frage der „gehörigen Fortsetzung des Verfahrens“ - durchaus auch auf prozessuale Verhaltensweisen abgestellt. Es liegt daher näher, dass hier der Gesetzgeber die materiell-rechtlichen und die prozessualen Folgen der Klage nach § 110 KO parallel laufen lassen und ein Ergebnis vermeiden wollte, bei dem zwar prozessual die konkursrechtlichen Forderungen weiter verfolgt werden können, diese aber materiell-rechtlich trotz Einhaltung der Frist des § 110 KO verjährt sind.

Es war daher den Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten Folge zu geben und die Rechtssache zur ergänzenden Prüfung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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