European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00081.24Y.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen den Streitteilen lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2014) zu Grunde. Diese lauten auszugsweise:
„ Artikel 3
Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?
(Zeitlicher Geltungsbereich)
[...]
3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht kein Versicherungsschutz. Dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer vor Ablauf der zwei Jahre keinen Hinweis auf den Eintritt des Versicherungsfalls hatte und er den Deckungsanspruch unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls beim Versicherer geltend macht.
[...]
Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? […]
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts‑ und Beweislage zum Ergebnis
[...]
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.“
Rechtliche Beurteilung
[2] Da die Beklagte in ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, war die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 1.1 Mit einem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme (RS0080166). Der Zweck von Ausschlussfristen in Versicherungsbedingungen liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, also darin, den (verspätet in Anspruch genommenen) Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen (RS0082216 [T1, T6]) und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Es soll somit eine Ab‑ und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät‑)Schäden bewirkt werden (7 Ob 48/22t mwN). Ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko soll ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden (RS0080166 [T10]). Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RS0107031).
[4] 1.2 Eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen (7 Ob 48/22t mwN).
[5] 1.3 Ob Artikel 3.3 ARB mit der in der Entscheidung 7 Ob 48/22t geprüften Bestimmung vergleichbar ist und einer Geltungs‑ und Inhaltskontrolle stand hielte, muss hier nicht beurteilt werden: Die Beklagte selbst unterstellt, dass der Risikoausschluss voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist einen Hinweis auf den Eintritt des Versicherungsfalls hatte und erden Deckungsanspruch unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls geltend machte.
[6] 1.4 Aufgrund der in diesem Zusammenhang getroffenen – den Obersten Gerichtshof bindenden – Negativfeststellung zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Klägerin hat die beweispflichtige Beklagte das Vorliegen des Risikoausschlusses nicht bewiesen.
[7] 1.5 Die Beklagte meint daher auch, die Vorinstanzen hätten die Beweislastregeln unrichtig angewendet. Aufgrund der Beweisnähe der Klägerin hätte die Negativfeststellung zu ihren Lasten gehen müssen. Sollten diese Ausführungen darauf abzielen, dass die angeführte Beweisnähe der Klägerin zu einer Umkehr der objektiven Beweislast der Beklagten führen sollte, erübrigt sich schon deshalb ein weiteres Eingehen, weil in der Berufung der Beklagten entsprechende Rechtsausführungen nicht erhoben wurden. Eine in einem selbständig beurteilbaren Teilbereich in zweiter Instanz unterlassene Rechtsrüge kann aber in der Revision nicht nachgeholt werden (RS0043573 [T33]; vgl RS0043480 [T22]).
[8] 2.1 Aus dem gleichen Grund ist auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der behaupteten Verletzung der Obliegenheit nach Artikel 8.1.1 ARB nicht erforderlich; auf eine solche kam die Beklagte gleichfalls schon in der Berufung nicht zurück.
[9] 3.1 „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand; RS0116448; RS0117144). Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt (RS0117144).
[10] 3.2 Die Versicherungsnehmerin hat während des versicherten Zeitraums einen gebrauchten Diesel‑PKW mit einer behauptetermaßen unzulässigen Abschalteinrichtung erworben. Sie begehrt – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung eines auf § 1295 ABGB sowie § 874 ABGB gestützten Anspruchs auf Ersatz des Minderwerts (30 % des Kaufpreises) gegen die Herstellerin.
[11] 3.3 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das anspruchsbegründende Vorbringen der Klägerin nicht unschlüssig sei und damit eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs bestehe, findet Deckung in der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur (statt vieler: 7 Ob 142/23t).
[12] 3.4 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen hat, dass eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen sehr wohl die Annahme rechtfertigen könnten, dass kein oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe (vgl 7 Ob 112/23f mwN).
[13] Die Beklagte, die – wie ausgeführt – für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands Beweis zu führen hat, konnte im entscheidungswesentlichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichem Streitverhandlung im erstgerichtlichen Verfahren allenfalls fehlende Erfolgsaussichten jedoch noch nicht mit einer bereits gefestigten oberstgerichtlichen Judikatur dahin, dass gegen die Herstellerin lediglich ein Ersatzanspruch in einer Bandbreite von 5 %–15 % in Frage komme, begründen, sodass sich schon aus diesem Grund ein weiteres Eingehen darauf erübrigt.
[14] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
[15] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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