European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00052.15W.0409.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 311,86 EUR (darin enthalten 51,98 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von 1.270 EUR sA an Schadenersatz auf Grund eines körperlichen Angriffs.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Lebensgefährte der Klägerin den Beklagten attackierte, worauf dieser zu Sturz kam. Als er wieder aufgestanden war, begann der Lebensgefährte der Klägerin auf ihn einzuschlagen. Auch die Klägerin begann dann, den Beklagten zu attackieren. Dabei wurde er verletzt. Er machte zu seinem Schutz Abwehrbewegungen mit der Hand über seinen Kopf und bückte sich. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin oder ihr Lebensgefährte durch den Beklagten dabei verletzt wurden. Der Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt die Klägerin oder ihren Lebensgefährten attackiert, geschlagen oder sonst irgendwie körperlich misshandelt.
Dagegen erhob die Klägerin Berufung aus dem mit unrichtiger rechtlicher Beurteilung bezeichneten Rechtsmittelgrund.
Das Berufungsgericht wies die Berufung der Klägerin zurück, weil mit dieser entgegen § 501 Abs 1 ZPO nur die Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts bekämpft würden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die inhaltliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.
Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs der Klägerin ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO; RIS‑Justiz RS0043893 [T8], RS0043882), er ist aber nicht berechtigt.
1. Nach § 501 Abs 1 ZPO ist dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert 2.700 EUR nicht übersteigt, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpfbar. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass in Rechtsstreitigkeiten mit einem diese Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitgegenstand Berufungen, in denen ausschließlich andere als die in § 501 Abs 1 ZPO genannten Berufungsgründe geltend gemacht werden, als unzulässig zurückzuweisen sind (RIS‑Justiz RS0041863). Eine sachliche Entscheidung ist nur dann zu treffen, wenn zulässige Berufungsgründe geltend gemacht und inhaltlich ausgeführt werden (2 Ob 174/13x; 2 Ob 97/10v mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, wie die geltend gemachten Berufungsgründe bezeichnet werden, sondern darauf, welchem Berufungsgrund die Ausführungen im Rechtsmittel zuzuzählen sind (RIS‑Justiz RS0111425).
2. Zutreffend erkannte das Berufungsgericht, dass die Rüge in der Berufung, es fehle die Feststellung, dass der Beklagte der Klägerin die in der Ambulanzkarte diagnostizierten Verletzungen im Zuge des Raufhandels zugefügt habe, nicht dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, sondern der Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen zuzuordnen ist. Denn ein Feststellungsmangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung liegt nicht vor, wenn zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen werden. In diesem Fall ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn das Erstgericht die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen hat (RIS‑Justiz RS0053317 [T3]). Die Klägerin begehrte keine zusätzliche Feststellung, sondern bloß eine solche, die von den Festellungen des Erstgerichts, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin oder ihr Lebensgefährte durch den Beklagten (im Zuge der Auseinandersetzung) verletzt wurden, und dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt die Klägerin oder ihren Lebensgefährten attackiert, geschlagen oder sonst irgendwie körperlich misshandelt hat, abweicht.
3. Im Übrigen werden in der Berufung ausschließlich Überlegungen zu den Beweismitteln und Beweisergebnissen des Verfahrens und deren Würdigung angestellt:
3.1. Zur von der Klägerin relevierten Urkundenauslegung ist auszuführen, dass nur die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist (RIS‑Justiz RS0043422, RS0017911). Wird der Inhalt einer Urkunde hingegen nur als entscheidendes Element für eine auch aus Aussagen abgeleitete Feststellung verwendet, so liegt in diesem Vorgehen keine rechtliche Beurteilung, sondern eine Tatsachenfeststellung (RIS‑Justiz RS0017828). Letzteres ist hier der Fall, versucht doch die Klägerin in ihrem Rekurs unter Verweis auf die freie Beweiswürdigung nach § 272 ZPO mit im Akt befindlichen Urkunden die Aussage des Beklagten zu erschüttern, die unter anderem vom Erstgericht zur Begründung seiner ‑ für die Klägerin nachteiligen ‑ Feststellungen herangezogen wurde.
3.2. Soweit die Nichtberücksichtigung der in der Ambulanzkarte genannten Verletzungen als Nichtigkeitsgrund releviert wird, lässt die Klägerin außer Acht, dass eine unvollständige, mangelhafte, widersprüchliche oder sonst fehlerhafte Beweiswürdigung keine Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO begründet (RIS‑Justiz RS0106079). Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung wäre nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS‑Justiz RS0007484). Dies ist hier nicht der Fall. Hervorzuheben ist, dass das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung ohnehin berücksichtigt hat, dass sich die Klägerin in Übereinstimmung mit der vorgelegten Ambulanzkarte Verletzungen zuzog. Es konnte bloß unter Berücksichtigung der gesamten Beweisergebnisse keinen Kausalzusammenhang mit einer Tathandlung des Beklagten herstellen.
4. Das Berufungsgericht hat daher mangels Geltendmachung eines nach § 501 Abs 1 ZPO zulässigen Rechtsmittelgrundes die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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