OGH 7Ob37/04y

OGH7Ob37/04y17.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Tuncay G*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz als Verfahrenshelfer, wegen EUR 61.122,64 (sA), über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 19. Dezember 2003, GZ 4 R 260/03x-59, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Die im vorliegenden Verfahren in dritter Instanz den einzigen Streitpunkt bildende Beurteilung von Ausmaß und Inhalt der Beratungs- und Aufklärungspflicht einer Bank ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalles, die die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklicht (stRsp, RIS-Justiz RS0106373; RS0111165). Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung der zweiten Instanz vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0106373, zuletzt etwa 7 Ob 184/02 uva).

Das Berufungsgericht hat die vom Obersten Gerichtshof zur Frage der Aufklärungspflicht der Bank beim Wertpapiergeschäft entwickelten Grundsätze richtig wiedergegeben und ist zutreffend davon ausgegangen, dass beim Abschluss von Effektengeschäften das Interesse des Bankkunden gegenüber jenem der Bank prävaliert. Demnach ist ein sehr strenger Maßstab an die von einer Bank anzuwendende Sorgfalt anzulegen. Der Kunde darf darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen verfügt und ihn umfassend berät. Dass er selbst sachkundig ist bzw sich für sachkundig hält, schließt seine Schutzbedürftigkeit nicht aus. Entscheidend ist, ob nach der Lage des Falles eine Aufklärungsnotwendigkeit besteht (SZ 45/75; SZ 54/179; SZ 58/69; SZ 59/222; JBl 1992, 711; ÖBA 1993, 987; ÖBA 1994, 156; ÖBA 1995/483 ua). Die Anforderungen an die Aufklärungs- bzw Warnpflicht dürfen allerdings auch nicht überspannt werden. Primär muss einem Bankkunden zugemutet werden, dass er seine wirtschaftlichen Interessen ausreichend zu wahren weiß. Dies gilt insbesondere bei risikoträchtigen Anlagen, zu deren Finanzierung der Bankkunde Kredit in Anspruch nimmt (SZ 57/70; SZ 58/69; SZ 61/148; ÖBA 1995/483). Eine Aufklärungspflicht besteht in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (HS 16.947; SZ 59/193 uva).

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beklagte, der ungeachtet seiner nur durchschnittlichen Schulbildung (vier Jahre Volksschule und vier Jahre Gymnasium, Abbruch der Handelsakademie im zweiten Jahr) davon ausging, über mehr Kenntnisse auf dem Wertpapiermarkt zu verfügen als der ihn betreuende Angestellte der klagenden Partei und der daher auch keine Beratung durch diesen wünschte, von diesem aber, nachdem ein Kundenprofil des Beklagten erstellt worden war, dennoch mehrfach auf die mit dem Erwerb namentlich von Optionsscheinen verbundenen sehr hohen Risken und die Möglichkeit des Kapitalverlustes hingewiesen wurde. Weiters steht fest, dass dem Beklagten seitens der Klägerin nie der Erwerb eines Wertpapiertitels empfohlen wurde, sondern die von ihm per E-Mail erteilten Aufträge an die Wertpapierabteilung weitergeleitet wurden. Es steht auch fest, dass die vom Beklagten getätigten Titelkäufe - ex ante betrachtet - nicht sinnlos waren und der Wert der Titel auch nicht den zwingenden Schluss zuließ, dass der Beklagte vom Kauf und den Risken dieser Titel keine Ahnung gehabt hätte.

Unter diesen Umständen kann in der Verneinung einer Verletzung von Beratungs- und/oder Aufklärungspflichten der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten durch die Vorinstanzen keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigende Fehlbeurteilung erblickt werden, zumal die klagende Partei ihrer Warn- und Aufklärungspflicht dadurch nachgekommen ist, dass sie allgemein auf die Risikoträchtigkeit insbesondere von Optionsgeschäften hingewiesen und dem Beklagten (im Hinblick auf dessen Kontoüberziehungen) auch ausdrücklich mitgeteilt hat, dass Optionsscheine nicht mit geliehenem Geld erworben werden könnten bzw sollten. Von der Klägerin eine andere Vorgangsweise zu verlangen, käme wohl einer Bevormundung des - spekulierenden - Bankkunden gleich (vgl ÖBA 1995/483 = RIS-Justiz RS0027769 [T 1]; 7 Ob 267/02v, RIS-Justiz RS0027769 [T 3]).

Soweit der Revisionswerber geltend macht, das angefochtene Urteil werfe die erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ("Grundsatzfrage") auf, ob eine Bank ihre Sorgfaltspflichten nicht grundlegend missachte, wenn sie ihren Kunden überhaupt nicht mehr belehre, nachdem er das Risiko in seiner Anlagestrategie grundlegend verändert habe, übersieht er, dass sich diese Frage hier gar nicht stellt, weil feststeht, dass er insbesondere nachdem er seine Anlagestrategie geändert hatte, vor dem Kauf hoch spekulativer Titel wiederholt auf die Risikoträchtigkeit seines Vorgehens hingewiesen wurde.

Die vom Revisionswerber weiters für erheblich erachtete Rechtsfrage, ob eine Kreditfinanzierung bei Optionsscheinen nicht auf Grund deren risikoreicher Struktur nicht a priori unzulässig sei, ist ebenfalls einzelfallbezogen und lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte ohnehin vor einem kreditfinanzierten Kauf von Optionsscheinen ausdrücklich gewarnt.

Weitere Rechtsfragen werden vom Revisionswerber nicht releviert; er verweist lediglich auf die Entscheidungen 9 Ob 230/02t und 1 Ob 632/94, ÖBA 1995/483 sowie 4 Ob 365/97y. Mit den darin ausgesprochenen Grundsätzen steht die angefochtene Entscheidung aber im Einklang, weshalb für den Prozessstandpunkt des Beklagten daraus nichts zu gewinnen ist.

Die außerordentliche Revision muss daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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