OGH 7Ob177/12y

OGH7Ob177/12y14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Antragsteller 1. G***** H*****, geboren am 16. September 1997, und 2. L***** H*****, geboren am 19. Juni 2000, beide *****, beide in Obsorge der und vertreten durch die Mutter A***** H*****, ebendort, gegen den Vater Dipl.-Ing. G***** H*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterhalt, über den Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 11. Juli 2012, GZ 21 R 22/12b‑69, womit sein außerordentlicher Revisionsrekurs, sein Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses und sein damit verbundener ordentlicher Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 8. Februar 2012, GZ 21 R 22/12b‑57, zurückgewiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung und des damit verbundenen ordentlichen Revisionsrekurses wendet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährigen G***** und L***** sind die ehelichen Kinder von Dipl.-Ing G***** H***** und A***** H*****. Nach dem Scheidungsfolgenvergleich vom 10. 7. 2009 ist die Mutter obsorgeberechtigt und der Vater verpflichtet, ab 1. 8. 2009 monatliche Unterhaltsbeiträge von 862 EUR für G***** und von 750 EUR für L***** zu zahlen. Die Mutter beantragte am 30. 8. 2010 die Offenlegung des Gehalts des Vaters zwecks Unterhaltserhöhung und am 7. 9. 2011 die rückwirkende Neuberechnung des Kindesunterhalts ab 1. 1. 2009 sowie die Zahlung näher bezeichneter Beträge von insgesamt 32.903 EUR für die Minderjährigen.

In Abänderung der im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten Unterhaltsbeiträge verpflichtete das Erstgericht den Vater ‑ unter anderem ‑ „bis auf weiteres“ zur Leistung eines erhöhten laufenden Unterhalts je Kind von 867 EUR sowie zur Zahlung der Unterhaltsrückstände und wies das Mehrbegehren (darüber hinaus begehrter höherer Unterhalt und „Sonderunterhalt von 32.903 EUR“) ab.

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters gab das Rekursgericht nicht Folge; jenem der Mutter gab es teilweise dahin Folge, dass es den laufenden Unterhalt je Kind auf 1.007 EUR und auch die Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände erhöhte. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Vater erhob gegen diesen Beschluss sowohl einen außerordentlichen Revisionsrekurs als auch eine Zulassungsvorstellung verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs.

Mit dem hier angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht 1. den außerordentlichen Revisionsrekurs und 2. den Abänderungsantrag zum Zulässigkeitsausspruch samt ordentlichem Revisionsrekurs zurück. Zu Punkt 1. führte es aus, dass insgesamt kein Entscheidungsgegenstand, der je Kind 30.000 EUR übersteige, vorliege, weil es um die Erhöhung des im Scheidungsvergleich vereinbarten Unterhalts gehe. Als Streitwert sei daher nur der in zweiter Instanz noch strittige Erhöhungsbetrag anzusehen. Auch die Unterhaltsrückstände je Kind überstiegen 30.000 EUR nicht. Zu Punkt 2. hielt es fest, dass ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht zulässig sei. Die Zulassungsvorstellung samt ordentlichem Revisionsrekurs sei zurückzuweisen, weil der Rechtsmittelwerber ‑ wie näher ausgeführt ‑ keine Gründe dargetan habe, die eine Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses rechtfertigen könnten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Vaters mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge den Beschluss „in seinem Punkt 1.) und 2.), soweit auch der ordentliche Revisionsrekurs zurückgewiesen wurde, [aufheben] und in der Sache selbst über die Revisionsrekurse (vor allem den außerordentlichen Revisionsrekurs des Rekurswerbers entscheiden)“. Der Rekurswerber vertritt die Auffassung, der Entscheidungsgegenstand im Rekursverfahren liege bei jedem Kind ‑ entgegen der unrichtigen Beurteilung des Rekursgerichts ‑ höher als 30.000 EUR, weil im Zweifel von einer „Gesamtanfechtung“ des monatlichen Unterhalts von 1.093 EUR je Kind auszugehen sei und zusätzlich noch ein Sonderbedarf vom 32.903 EUR Gegenstand des Rekursverfahrens gewesen sei.

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung richtet, zufolge § 63 Abs 4 AußStrG unzulässig. Im Übrigen ist der Rekurs zwar zulässig aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine absolute Unzulässigkeit normiert § 63 Abs 4 letzter Satz AußStrG nur für die Zurückweisung der Zulassungsvorstellung samt dem mit ihr verbundenen ordentlichen Revisionsrekurs. Zum Rechtsmittelausschluss nach der zitierten Norm (und zum inhaltlich entsprechenden § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO) gegen die Zurückweisung einer Zulassungsvorstellung mangels Stichhaltigkeit wird judiziert, dass dieser absolut wirkt, also auch dann, wenn die Entscheidung allenfalls doch von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängig gewesen wäre (RIS-Justiz RS0111234; 3 Ob 226/11y).

Die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses, die der Vater primär bekämpft, ist hingegen auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (5 Ob 206/11x; 5 Ob 91/08f mwN). Für die Anfechtung von Beschlüssen, die nicht im Rahmen eines Rekursverfahrens ergehen, gilt § 45 AußStrG. Sie können unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands und ohne Rücksicht darauf, ob die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG abhängt, angefochten werden. Das gilt namentlich dann, wenn das Rekursgericht als bloßes Durchlaufgericht ein ‑ wie hier ‑ an den Obersten Gerichtshof gerichtetes Rechtsmittel zurückgewiesen hat (RIS-Justiz RS0007047; RS0044005; RS0044547; 5 Ob 206/11x mwN).

Dem insoweit zulässigen Rekurs kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs ‑ außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR (vgl RIS-Justiz RS0125732) nicht übersteigt und das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG nur einen Antrag an das Rekursgericht (Zulassungsvorstellung) stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; mit dieser Zulassungsvorstellung ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.

Im Unterhaltsverfahren bestimmt sich der Wert des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegen-stands nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36‑fachen des im Rekursverfahren strittigen monatlichen Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehrens (RIS-Justiz RS0046543). Dabei ist regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen (RIS‑Justiz RS0103147 [T26, T29]). Wird in einem Beschluss über Unterhaltsansprüche für mehrere Unterhaltsberechtigte abgesprochen, ist der Wert des Entscheidungsgegenstands für jedes Kind einzeln zu beurteilen; eine Zusammenrechnung findet nicht statt (RIS-Justiz RS0017257; RS0112656; 7 Ob 131/11g).

Der neben dem laufenden Geldunterhalt geltend gemachte Rückstand ist der dreifachen Jahresleistung nicht hinzuzurechnen (RIS-Justiz RS0114353 [T1]; RS0103147 [T6, T12, T14]; RS0122735; RS0042366 [T7, T9]).

Im vorliegenden Fall ist von dem am 10. 7. 2009 geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich auszugehen, in dem sich der Vater verpflichtete, ab 1. 8. 2009 für G***** 862 EUR und für L***** 750 EUR an monatlichen Unterhaltsbeiträgen zu zahlen. Die Mutter beantragte eine Neuberechnung dieses Unterhalts, was ‑ wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat ‑ inhaltlich einen Unterhaltserhöhungsantrag auf jeweils 1.093 EUR an laufendem Unterhalt darstellt. Ein Antrag des Vaters auf Herabsetzung des Unterhalts ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Den Beschluss erster Instanz, der dem Antrag der Mutter teilweise stattgab, haben zwar Vater und Mutter bekämpft; dennoch war in zweiter Instanz nur die begehrte Erhöhung des laufenden gegenüber dem im Vergleich vereinbarten Unterhalts strittig: also die Differenz zwischen den jeweils begehrten 1.093 EUR und den im Vergleich vereinbarten Unterhaltsbeiträgen.

Unter Berücksichtigung der eingangs dargelegten Grundsätze des Unterhaltsverfahrens ergibt sich ein Wert des Entscheidungsgegenstands für G***** von 8.316 EUR ([1.093 EUR ‑ 862 EUR] x 36) und für L***** von 12.348 EUR ([1.093 EUR ‑ 750 EUR] x 36), sodass die maßgebliche Wertgrenze von 30.000 EUR in keinem Fall erreicht wird.

Was den Sonderbedarf betrifft, ist festzuhalten, dass dieser ‑ für jeden Minderjährigen gesondert betrachtet ‑ dem jeweils beanspruchten Regelunterhalt hinzugeschlagen werden muss, weil der Unterhaltsanspruch als einheitlicher Anspruch anzusehen ist (2 Ob 224/08t mwN; RIS-Justiz RS0118275). Dem Antrag der Mutter ist zwar nicht klar zu entnehmen, in welcher Höhe Sonderbedarf für welchen Minderjährigen begehrt wird. Auch der insgesamt begehrte Sonderbedarf beträgt jedoch lediglich 9.719 EUR, weil sich der in diesem Zusammenhang vom Erstgericht herangezogene Betrag von 32.903 EUR nach der Aufstellung der Mutter ausdrücklich aus einem Unterhaltsrückstand von 21.698 EUR sowie einem Schadenersatzbegehren für Anwaltskosten von 1.486 EUR (vgl den dazu bereits gefassten Beschluss 7 Ob 32/11y [ON 37]) zusammensetzt.

Der Entscheidungsgegenstand übersteigt je Kind daher nicht 30.000 EUR, weshalb die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch das Rekursgericht nicht zu beanstanden ist.

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